Schlagwort-Archive: Near Science Fiction

SF65 – Her (feat. Christian)

avatar
Paula
Echter als echt
avatar
Daniel
Künstlich, aber nicht intelligent
avatar
Christian
Him


Are these feelings even real?

Für den ersten Teil unseres Tripple-Features rund um Spike Jonzes Her luden Paula und Daniel eine künstliche Intelligenz mit Namen Christan ein. Vom Server der Second Unit simulierte uns diese Stimme echte utopische Gefühle für diesen dystopischen Liebesfilm. Wir schwankten zwischen „Awwww“ und „Uh, akward!“, als wir unaufgeregt Themen wie ungleiche Partnerschaft, Telefonsex, Liebe als Serviceprodukt, und das Fehlen einer Zukunft nicht herbeispekulierten sondern feststellten!

Die Besprechung von Her erfolgte auf den Wunsch von @PattaFeuFeu und in Kürze werdet ihr dazu noch jeweils eine Folge in der Second Unit und im Enough Talk hören können!

Vorgeplänkel

Christian muss den Proustfragebogen beantworten ♦ Superhero Unit ♦ Daniels schriftliche Besprechung von The Birth of a Nation ♦ Second Unit zu Fifty Shades of Grey ♦ John Oliver: How is this still a thing – Hollywood Whitewashing

Die Eckdaten zu Her

Erscheinungsjahr: 2013
Regie: Spike Jonze
Budget: 23 Mio $
Kamera: Hoyte van Hoytema
Besetzung: Joaquín Phoenix (Theodore), Scarlett Johansson (Samantha), Chris Pratt (Paul), Amy Adams (Amy), Olivia Wilde (Blind Date), Rooney Mara (Catherine)
Genre: Liebesfilm, Tragikomödie, Near Science Fiction

Die Produktion von Her

Die Idee zu Her kam Spike Jonze, als er Anfang der 2000er auf einen Chat stieß, der versprach, dass die Chatbots über K.I. verfügen. Er war 20 Sekunden hin und weg, dann hatte er die Grundprinzipien verstanden und dachte sich, dass das noch besser gehen muss. Jonze machte es dann auch schon besser, als er sich dem Thema 2010 mit dem Kurzfilm „I’m here“ widmete. Hier auf YouTube:

Youtube

Danach begann er mit dem Drehbuch zu Her, bei dem ihn in ein paar Szenen übrigens Charlie Kaufmann (Eternal Sunshine of the Spotless Mind, Being John Malkovich, Adaption, Anomalisa) half. Während Jonze noch am Drehbuch saß, veröffentlichte Apple Siri und Spike Jonze war sauer, weil Apple ihm quasi die Show gestohlen hatte. Jedoch erwies sich Siri in der Realität ja nicht als Konkurrenz …

2012 begannen dann die Dreharbeiten. Während dieser Dreharbeiten spielte die Schauspielerin Samantha Morton die Rolle von Samantha. Um ein möglichst realistitsches Ergebnis zu erzielen, bekam Joaquín Phoenix sie allerdings tatsächlich nie zu Gesicht, sondern hörte nur ihre Stimme. In der Postproduktion entschied Jonze dann, dass die Version von Samantha Morton nicht funktioniert und recastete Scarlett Johannson, die die Szenen neu einsprach und mit der ein paar zusätzliche Szenen gedreht wurden.

Jonze sperrte hingegen Adams und Phoenix täglich für ein bis zwei Stunden zusammen in einen Raum, damit sie sich kennenlernen und ihre Freundschaft auf der Leinwand realistischer wirkt. Adams und Phoenix sind seitdem auch im Leben gute Freunde. Die Stadt im Film ist übrigens eine Mischung aus Aufnahmen, die in L. A. und Shanghai entstanden.

Im ersten Rohschnitt war der Film dann mit über 150 Minuten viel zu lang und Jonze bat Steven Soderbergh um Hilfe, der den Film radikal auf 90 Minuten kürzte, indem er alle unnötigen Subplotts rausschmiss. Erst anschließend packte dann Jonze wieder ein paar Szenen zurück in den Film, die er mochte, sodass die finale Länge von 120 Minuten erreicht wurde. Die Filmmusik von Her wurde von der kanadischen Band Arcade Fire und Owen Pallett komponiert. Ergänzt wird das Werk mit Musik von Karen O, der Sängerin der Band Yeah Yeah Yeahs.

Filmisches Erzählen in Her

Ist eine Liebesbeziehung zu einer K.I. möglich?

Paula gibt zu bedenken, dass die Beziehung zwischen Theo und Samantha ein Ungleichgewicht aufzeigt, da Samantha einerseits von Theo abhängig ist. The hat Samantha gekauft, außerdem ist er ihr überlegen, da er sie besitzt und sie als körperloses Wesen auf seinen Geräten existiert. Andererseits Theo auch über viel mehr Erfahrungen in Bezug auf die Liebe verfügt. Daniel erwidert, dass das Ungleichgewicht an Erfahrungen erstens auch in normalen Beziehungen existiert und zweitens im Film explizit angesprochen wird. Genauso wird besonders zum Ende hin die Überlegenheitsfrage diskutiert und umgedreht. Christian betont, dass Samantha diejenige ist, die sich weiterentwickelt und so von Theo wegentwickelt.

Voneinander wegentwickeln

Samantha entwickelt sich von Theo weg, genau wie es zuvor seine Ehefrau getan hat. Der Film erzählt eigentlich die Geschichte wie Theo seine gescheiterte Ehe verarbeitet. Denn während die Trennung von seiner Exfrau ihn kaputt machte, heilt die Beziehung zu Samantha wieder und die Trennung lässt einen ganzen Theo wieder zurück. Das zeigt sich sehr schön daran, dass er am Anfang des Films (Liebes-)Briefe an andere Menschen schreibt, selbst aber einsam ist. Am Ende schreibt er aber einen Brief für sich selbst an seine Exfrau.

Wie erzählt Her die Liebesgeschichte?

Das Besondere an diesem Liebesfilm ist, dass er mit nur einem statt traditionell zwei sichtbaren Protagonisten auskommen muss. Um diese Liebesgeschichte zu inszenieren werden sehr viele Großaufnahmen von Theo gezeigt, damit wir auf seinem Gesicht den Beziehungsstatus ablesen können.

Obwohl Samantha nie zu sehen ist, ist sie aber andererseits immer bei Theo – noch viel häufiger als es ein Mensch sein könnte. Die Art, wie Theo und Samantha ihre Beziehung führen erinnert zugleich an Fernbeziehungen in unserer Zeit.

Sind die Gefühle von Samantha echt?

Catherine, Theos Exfrau, sagt an einer Stelle, dass Theo sich nur deshalb eine künstliche Frau gesucht hat, weil er mit echten Gefühlen nicht klarkommt. Paula wendet ein, dass an dieser Sicht etwas dran ist. Samantha hat keine Hormone, sie ist daher nie schlecht drauf, sondern immer für Theo da – ein Serviceprodukt. Daniel ergänzt, dass dies genau die Scheide von Utopie und Dystopie ist. Sehen wir Samantha als ein Es an oder als eine Sie. Hinzu kommt wieder, dass Samantha immer da ist. Theo kann mitten in der Nacht sein Handy anknippsen und mit ihr sprechen, während ein Mensch in dieser Situation wahrscheinlich ungehalten reagieren würde. Christian gibt zu bedenken, dass diese Gefühle zumindest für Theo echt sind. Er verliebt sich in etwas, was auch immer es ist.

Die Kameraarbeit

Klassisch für den Liebesfilm ist der Twoshot, in dem die Liebenden zusammen in einem Frame zu sehen sind. Liebesfilme sind konventionell so aufgebaut, dass wir eine Reihe von Twoshots zu sehen bekommen, solange bis wir uns visuell an das Pärchen gewöhnt haben. Dann wird eine Situation herbeigeführt, bei der das Pärchen getrennt wird. Die Frames mit nur einem der beiden Protagonisten lassen uns dann das Vermissen nachempfinden. Im Finale wird diese Spannung dann wieder gelöst, indem wir erneut den Twoshot zu sehen bekommen.

Das Problem von Her ist nun, dass der Film zwangsläufig auf den Twoshot verzichten muss. Die Frage ist also: Wie stellt Spike Jonze die Liebe stattdessen dar. Ein Mittel dafür sind ungewöhnlich viele Close-ups des Gesichts von Joaquín Phoenix, sodass wir aus diesem Gesicht immer herauslesen können, wie die Beziehung läuft.

Ferner ist der Film ziemlich schnell geschnitten. Das ist ein einfaches Mittel, damit uns das immer gleiche Bild von Theo nicht langweilig wird. Aber in entscheidenen Momenten setzt der Film dann Jumpcuts ein, bei denen wir aus einer mittleren Einstellung ins Close-up springen, um eine bestimmte Emotion von Theo besser lesen zu können. Alternativ verwendet Jonze langsame Zooms zum gleichen Zweck.

Außerdem benutzt Spike Jonze ähnlich wie Sophia Coppola in Lost in Translation Asymmetrie im Bildaufbau um den Gefühlszustand von Theo darzustellen. Zu guter Letzt kommt hinzu, dass Theo sein Handy immer in der Brusttasche trägt, was dazu führt, dass wir manchmal ganz explizit POV-Shots von Samantha zu sehen bekommen und außerdem es manchmal nicht klar ist, wessen POV wir gerade sehen.

Zitate, Referenzen & Cameo

  • Spike Jonze spricht die Alien Child Voice
  • In der Struktur der Liebesgeschichte ähnelt Her sehr Vertigo (1958). Theo hängt einer unerreichbaren Liebe nach, während er seine beste Freundin, eine bodenständige Künstlerin, ignoriert.
  • Die Szene, in der Theo und Samantha durch die Mall laufen und sich Geschichten über andere ausdenken zitiert Annie Hall (1977)
  • Der Voight-Kampff-Test aus Blade Runner (1982) wird zitiert, als Theo Samantha installiert
  • Es gibt mehrere Shots, die Lost in Translation (2003) zitieren

Die Rezeption von Her

Der Film bekam ursprünglich nur einen Limited Release in sage und schreibe 7 Kinos. Erst als er sich dort als großer Erfolg abzeichnete, bekam er einen amerikaweiten Release. Das Einspielergebnis lag letztlich weltweit bei 47,3 Mio $ (bei einem Budget von 23 Mio $). Die Hochwasserhosen aus dem Film kann man online kaufen. Die URL beautifulhandwrittenletters.com leitet hingegen nur auf die offizielle Filmseite weiter.

Preise und Bestenlisten

Der Film erhielt viele Preise.

  • Der Film erhielt den Oscar für das beste Drehbuch
  • den Golden Globe für das beste Drehbuch
  • den Writers Guild Award für das beste Drehbuch
  • Scarlett Johansson hat bei mehreren kleinen Festivals und Awards gewonnen
  • Die Alliance of Women Film Journalists wählte die Sexszene zwischen Joaquin Phoenix und Scarlett Johansson zur besten Sexszene
  • Das AFI wählte ihn in die Liste der 10 besten Filme aus 2013

Lesenswert

15 Trends, die uns das Filmjahr 2015 brachte

Ich kam dieses Jahr fast nicht dazu, ins Kino zu gehen, daher kann ich keinen Jahresrückblick machen, in dem Sinne, dass ich euch von Filmen vorschwärmen kann. Aber ich habe euch zugehört und euch gelesen und das gab mir vielleicht das, was mein ehemaliger Linuistik-Prof eine mittlere Distanz nannte. Eine mittlere Distanz braucht man, um etwas gut untersuchen zu können. Ich glaube jedenfalls, ein paar Trends erkannt zu haben, die das Filmjahr 2015 brachte und die ich insgesamt ziemlich spannend finde, weswegen ich – obwohl ich fast nichts gesehen habe – sagen kann: 2015 war ein gutes Jahr für den Film.

Manche dieser Trends, genau wie manche der Filme, die ich erwähnen werde, schwappen noch aus 2014 mit in meine Betrachtung rein und andere werden erst 2016 kommen, schließlich halten sich größere Entwicklungen nicht an Jahresabschnitte. Aber fangen wir an, zunächst noch mit ein paar Captain-Obvious-Punkten, die ich aber erwähnen muss, damit ich die 15 vollkriege 😉 . Wir werden uns dann zu den richtig spannenden Entwicklungen am Ende dieses Listicles steigern. Beginnen wir mit einigen Come-Backs:

I'll be back

1. „Star Wars ist zurück und geht nie wieder weg“

Den Satz habe ich mir von Christian von der Second Unit ausgeliehen und er trifft vollkommen zu. Star Wars: The Force Awakens leistete alles, was es leisten musste: Es war besser als die Prequels, es bot den alten Fans genug Nostalgie, um sich wieder jung zu fühlen und eine Hand voll guter Charaktere für die neuen Fans. Ob es ein guter Film war, kann ich noch nicht beurteilen, aber darum geht es mir hier und im folgenden Artikel nicht. Wir werden in Zukunft jedes Jahr einen Star-Wars-Film bekommen und auch Netflix scheint die dazugehörenden Serien zu bringen. Und wisst ihr was? Im Augenblick habe ich da richtig Bock drauf! Mal schauen, wann bei mir die Marvelmüdigkeit in Bezug auf diese weit, weit entfernte Galaxie eintritt.

Star Wars ist zurück

2. Pixar ist zurück

Nachdem Pixar uns in den 00ern etwa mit WALL.E und Up! ein Paar echte Perlen der Filmgeschichte geschenkt hatte, spulten sie in diesem Jahrzehnt nur ihr Pflichprogramm ab. Wir bekamen drei Fortsetzungen und in dem einzigen Jahr, in dem sie mit Brave mal was neues wagten, war das ziemlich inspirationslos und sie wurden vom Mutterkonzern Disney mit Frozen schlichtweg deklassiert. Habe ich schonmal erwähnt, dass Frozen ein fucking Meisterwerk ist und ihr den Film alle sehen müsst!?! Aber mit Inside Out ist Pixar jetzt endlich wieder in der Spur. Schön!

Joy!

3. Der Western ist zurück

Anders als mit dem Gangsterfilm in den 90ern, musste Tarantino sich diesmal richtig ins Zeug legen, damit Hollywood auf seinen großen Eisenbahnraub aufspringt. Nachdem der Großmeister mit Kill Bill 2 und Inglorious Basterds uns zunächst Westernthemen in anderen Genre-Gewändern vorsetzte, wurde er mit Django Unchained und nun The Hateful Eight plakativer. Und endlich raffte Hollywood, was er da machte und lieferte letztes Jahr mit Filmen wie The Revenant, Bone Tomahawk, Slow West oder Netflix‘ unsäglichen The Ridiculous 6 nach. Und auch 2016 wird sich dies, etwa mit Jane Got a Gun oder Brimstone fortsetzen.
Room for one more?

4. Die Siebziger sind zurück

Nachdem seit Jahren die 80er und 90er durchgenudelt werden, wurden 2015 gleich drei Franchises der 70er erfolgreich wieder aufgegriffen und ins 21. Jahrhundert geführt: Star Wars hatte ich schon erwähnt, Mad Max: Fury Road war in aller Munde und auch die Rocky-Fortsetzung Creed löste wohlwollende Kritiken und respektable Einspielergebnisse aus. Eine Alien-Fortsetzung ist bereits angekündigt uns es würde mich nicht wundern, wenn wir in naher Zukunft Neuverfilmungen oder Fortsetzungen von Dirty Harry, Jaws oder The Exorzist sehen werden.
Fury Road, take me home ...

5. Die Renaissance des guten Horrofilms

Doch das überraschendste „Comeback“ hatte 2015 meines Erachtens der Horrorfilm. Er war ja nie weg, aber er war ziemlich unspannend in den letzten Jahren. Von Ausnahmen abgesehen sahen wir nur Zombies (so sehr ich die mag, sie riechen langsam schon echt komisch), Found-Footage-Filme und Jump Scares. Doch dieses Jahr überschlug sich meine Filterblase vor Entzückung, weil Filme wie It Follows, The Babadook, What We Do In The Shadows, A Girl Walks Home Alone at Night und Ich seh, ich seh endlich wieder Kreativität in dieses Genre brachten. Eine sehr schöne Entwicklung.
Hello Ladies!

6. Agenten gehen immer

Kommen wir von den Come-Backs zu den Trends, die sich fortsetzten. Auch im vergangenen Jahr konnten die Studios sicher sein, dass Agentenfilme ihr Publikum finden. Egal, ob es gute Filme wie Mission: Impossible – Rogue Nation oder schlechte wie James Bond 007 – Spectre waren, die Menschen strömten in die Kinos, um Spione in Action zu sehen. Filme wie Kingsman: The Secret Service, Bridge of Spies, Spy und bedingt wohl auch Sicario konnten sich diesen anhaltenden Trend zunutze machen.
I don't gif a damn

7. Noch mehr Universen noch größer!

Dann hatten wir natürlich auch wieder jeeeeede Menge Superhelden. Marvel ließ nicht nur die Avengers und einen wirklich obskuren Superhelden über die große Leinwand tanzen, nach Agents of Shield legten sie mit Daredevil und Jessica Jones auch auf dem Serienmarkt nach. Besonders die letzten beiden Serien brachten einen angenehm frischen Wind in ein Franchise, das mich ansonsten zunehmend langweilt. Doch auch die Konkurrenz von DC legt nun nach. Nachdem einige Serien wie The Flash, Gotham und Supergirl gelauncht wurden, bekommen wir 2016 mit Batman v. Superman das Äquivalent zu den Avengers. Wie erwähnt wird auch Disney seine Galaxie im Krieg zu einem großen Universum mit Spin-Offs und Serien aufblasen. Und ich kann mir vorstellen, dass wir auch ähnliches mit dem Harry-Potter-Universum erleben werden, sofern das Spin-Off im nun anlaufenden Jahr ein Erfolg wird. Insgesamt finde ich den Trend spannend, denn er erweitert die Möglichkeiten, im Kino Geschichten zu erzählen. Ich bin vor allem gespannt, wann „erwachsene Filme“ auf den Zug aufspringen. Beipielsweise böten sich Wes Andersons Welten an, verflochten zu werden. Auch in Jim Jarmuschs „Only Lovers Left Alive“-Universum würde ich sehr gerne noch tiefer eintauchen … Mal schauen, was da noch geht.
Huiiiiiiiiii

8. Die Netflixication des Kinos

Spannend ist auch, dass genauso, wie Kinofilme nun auf den Serienmarkt und besonders auf Netflix und andere große Player im Streaming-Markt drängen, Netflix anfängt, für die große Leinwand zu produzieren. Mit Beasts of No Nation brachte das Unternehmen einen ersten Film in die Kinos. Die Kinos boykottierten ihn allerdings weitgehend, da Netflix den Film zeitgleich auch schon streamte. Aber auch Amazon legte mit Chi-Raq nach und Chef Jeff Bezos sagte kürzlich im Interview, dass er einen Oscar gewinnen will. Das ist meines Erachtens eine sehr spannende Entwicklung. Mal sehen, wo sie hinführen wird.
Whas geht ab?

9. Erfolg ist planbar

Denn spannende Entwicklungen kann das Kino trotz einiger wirklich schöner Trends in 2015 (zu denen ich gleich komme, versprochen!) wirklich gebrauchen. Im Augenblick kann sich Hollywood einfach auf alten Konzepten ausruhen und die Menschen strömen trotzdem wie blöd ins Kino. Sage und schreibe ACHT der zehn erfolgreichsten Filme des Jahres waren Fortsetzungen! Der erfolgreichste Film des Jahres, Jurassic World hatte mehr als nur durchwachsene Kritiken. Aber warum sollte Hollywood mehr in gute Drehbücher investieren, wenn Mittelmaß reicht, um unglaubliche 1,7 Milliarden zu verdienen? Auch Disney ist auf dem besten Weg, die 4 Milliarden, die sie für Star Wars ausgaben, wieder einzuspielen.
Gaaanz langsam!

10. Young Adult wird erwachsen

Jetzt lehne ich mich mal aus dem Fenster: Ich prophezeie, dass die seit Anfang der 00er-Jahre anhaltende Welle von Young-Adult-Filmen langsam verebbt. Nach Harry Potter und Twilight endeten dieses Jahr nun auch die Hunger Games mit Mockingjay – Part 2 und die Versuche, ein neues Franchise für die Zielgruppe zu launchen, waren noch nicht vom ganz großen Erfolg gekrönt, zwar hatte Maze Runner: The Scorch Trials ein ganz beachtliches Einspielergebnis, aber es löste nicht annähernd so lebhafte Diskussionen in der Kritikerlandschaft aus, wie die oben erwähnten. Im Gegenteil dazu sah man unter den Blockbustern plötzlich wieder erstaunlich erwachsene Filme: The Martian, Mad Max, Mission Impossible und sogar Fifty Shades of Grey richteten sich allesamt eher an ältere Zuschauer. Auch wenn Star Wars neue junge Protagonisten präsentierte, so zeigt die starke Präsenz der alten Garde hier in die gleiche Richtung. Ich möchte behaupten, dass vieles von The 5th Wave abhängen wird, der 2016 erscheint. Wenn dieser Young-Adult-Film einschlägt, wird das Genre weiter dominieren. Falls nicht, werden wir mehr erwachsenere Filme sehen. Natürlich ist es nie ausgeschlossen, dass noch eine Überraschung geschieht und ein Film, den wir jetzt noch gar nicht auf dem Schirm haben, das Ruder wieder herumreißen wird.
Links, zwo, drei, vier ...

11. Near-Sience-Fiction ist der neue heiße Scheiß!

Spannend fand ich, wie sich langsam aber sicher die Near-Sience-Fiction zum neuen heißen Scheiß entwickelt. Sience-Fiction-Filme sehen wir seit Jahren in hoher Zahl. Aber 2015 war dahingehend anders, dass wir nicht mehr nur fantastische oder weit entfernte Welten sahen. Plötzlich waren es Probleme, die uns in wenigen Jahren oder Jahrzehnten beschäftigen werden, die wir auf der Leinwand sehen konnten. Das fing schon 2014 mit Interstellar an: Der Klimawandel zwingt die Menschheit, sich auch nach Lebensräumen außerhalb unseres Planeten umzusehen. The Martian wurde noch einen Schritt konkreter und fragte, was passiert, wenn wir anfangen, zum Mars zu reisen. Aber vor allem gab es Filme, die sich mit künstlicher Intelligenz beschäftigten: Ex Machina, Chappie und auf spezielle Marvel-Art auch Avengers II. Irgendwie gehört auch Tomorrowland in diesen Trend, aber der Film spielte in meiner Filterblase eine so kleine Rolle, dass ich das nicht näher bestimmen kann. Spannend ist auch, dass Interstellar, The Martian und Ex Machina zeigen, dass plötzlich Wissenschaftlichkeit und Realismus wieder eine größere Rolle spielen. Es wirkt so, als hätten wir uns nicht nur in Bezug auf CGI an den großen Phantastereien etwas sattgesehen und nun darf es ruhig wieder etwas realistischer werden.
traurig?
Was mich zum nächsten Punkt bringt:

12. Es darf ruhig ein wenig physisch werden

Ein zaghaftes Pflänzchen keimt in Hollywood und es macht mir große Hoffnung! CGI wird erwachsen. Zwar waren auch letztes Jahr wieder die Bombastschlachten das Non plus Ultra wie die beiden erfolgreichsten Filme des Jahres zeigten: Jurassic World und Avengers II. Aber schon im dritterfolgreichsten Film (Star Wars) wurde wieder echtes Dynamit eingesetzt. Auch Mockingjay II setzte nicht zu 100 Prozent auf den Greenscreen, sondern drehte in Berliner U-Bahn-Stationen und am alten Flughafen Tegel. Doch am meisten stand für diese Hoffnung Mad Max: Fury Road. Wichtig ist, dass in keinem der Filme komplett auf CGI verzichtet wurde. Aber es besteht die Hoffnung, dass wir in Zukunft eine gesunde Mischung aus Computeranimationen und praktischen Effekten zu sehen bekommen.
Brummmmm!

13. Starke Frauen

Star Wars, Mad Max und Mockingjay stehen auch für einen weiteren, äußerst erfreulichen Trend: Endlich sehen wir vermehrt starke Frauen. Rey, Furiosa und Katniss Everdeen waren die Speerspitze dieses Trends, aber auch dahinter gab es erfreuliches zu vermelden! Inside Out hatte weiblich konnotierte Protagonistinnnen, in Ex Machina wurde unter anderem auch die Objektivierung der Frau mitverhandelt, mit Jessica Jones verabschiedet sich Marvel vom Pimmelträgeruniversum, in dem Black Widow als Schlampe bezeichnet wird. Und sogar Filme, bei denen das Konzept am Ende nicht gaNZ aufging wie Terminator: Genisys und James Bond versuchten starke Frauen irgendwie miteinzubauen.
Rey!!!!

14. Der Einfluss des Computerspiels

Der Trend der langen Takes und POV-Shots läuft schon ein paar Jahre. Filme wie Children of Men, Gravity und Maniac sind in ihrer Ästhetik ganz klar vom Computerspiel beeinflusst. Aber 2015 wurde noch einmal eine Schaufel draufgepackt. Das zeigt nichts besser als die beiden One-Taker. Sei es der „gefakte“ in Form von Birdman oder der „echte“, präsentiert von Victoria. Dass Filme ohne sichtbare Schnitte funktionieren, zeigt ganz klar, dass Computerspiele unsere Sehgewohnheiten in diese Richtung verschoben haben. Und auch in der zweiten Reihe finden sich Filme, die das verdeutlichen: Saul fia folgt seinem Protagonisten wie ein Third-Person-Shooter und irgendwie gehört auch Tangerine, der komplett mit einem iPhone gefilmt wurde, in diese Kategorie, auch wenn hier nicht das Videospiel sondern eben das Smartphone unsere Sehgewohnheiten verändert hat. Oder vielleicht gehört Tangerine auch eher in die nächste Kategorie
Flieg, kleiner Birdman!

15. Everything is a Remix

Denn die Generation YouTube ist in Hollywood angekommen. The Lego Movie, Terminator, Jurassic World, Star Wars und auch ein bisschen James Bond zeigten, dass Remake und Sequel mehr und mehr verschmelzen. Wie sehr die Grenzen zwischen „echten Filmen“ und der Remixkultur von YouTube verschmelzen, zeigte nicht zuletzt der Kurzfilm Kung Fury, der ziemlich genau auf der Mitte dieser Grenze lag. Ich weiß, viele finden diesen Trend fragwürdig, aber ich finde ihn sehr spannend. Das ist die wirkliche Innovation des Jahres. Ob das eine neue Filmepoche einleiten wird oder nur eine Mode ist, muss sich noch zeigen. Aber es ist auf alle Fälle die derzeit spannendste, weil radikalste Entwicklung im Mainstream-Kino!
Die Tore öffnen sich.

Was haltet ihr von meinen Beobachtungen? Habe ich da ein Fünkchen Wahrheit gefunden oder bin ich nur ein Blinder, der von Farben redet? Hat mein nach Mustern suchendes Gehirn mich in die Irre geführt? Und welches Muster habe ich übersehen? Ich würde mich sehr freuen, mit euch darüber zu diskutieren!