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Die 16 besten Podcastfolgen 2016

Es ist wieder soweit. Ein weiteres Jahr ist um und immer, wenn mich jemand fragt: Daniel, woher hast du eigentlich deine brillante Allgemeinbildung und dein fundiertes Hintergrundwissen? Dann antworte ich: Ich habe derzeit 106 Podcast abonniert! Gut, eigentlich fragt mich das nie jemand … Dennoch kann nur ich das tun, was nun folgt. Aus einer langen Tradition heraus präsentiere ich euch die 16 besten Podcastfolgen des Jahres 2016!

And here we go ...

Lasst uns den Reigen beginnen! Das machen wir – wie könnte es im Spätfilm anders sein – mit einem Filmpodcast. Denn einen richtig feinen lieferte letztes Jahr die CineCouch ab:

Platz 16: CineCouch – Folge 170: Blockbusterkino

Der Blockbuster-Sommer hielt einige qualitative Tiefschläge für uns bereit. Allen voran schrieben Batman v. Superman und Suicide Squad dem anspruchsvolleren Publikum ein kollektives „DAFUQ?!?!?“ auf die Netzhaut. Das veranlasste die CineCouch im September sich einmal diesem merkwürdigen Wesen mit Namen „Blockbuster“ zu widmen. Herausgekommen sind über zwei Stunden interessantes, fundiertes und hochunterhaltsames Hörmaterial von vier der fünf Couchsitzer/innen.

Batman ist geknickt.

Platz 15: hr2 Der Tag – Heute schon gehasst? Aggression im Netz

Nach über fünf Jahren hat es doch tatsächlich mal wieder ein öffentlich-rechtlicher Podcast in meinen Catcher geschafft! hr2 Der Tag macht Essay-Sendungen, die sich mal besser, mal schlechter um ein aktuelles Thema drehen. Leider ist Hass im Netz sehr aktuell, doch wie hr2 Der Tag das Thema aufbereitet hat, war wirklich hörenswert! Da zahle ich doch gerne GEZ.

Platz 14: Superhero Unit #07 – Batman (1989)

Die deutsche Filmpodcastlandschaft erhielt dieses Jahr einige Neuzugänge! Einer davon war die Superhero Unit, auch wenn sie mit Arne vom Enough Talk! und Christian von der Second Unit von zwei alten Hasen gemacht wird. Die beiden schauen sich einmal chronologisch durchs Superhelden-Genre. Das ist oft sehr hörenswert. Und ihren bisherigen Höhepunkt lieferten die beiden im Juli mit ihrer Folge zu Tim Burtons Batman ab.

Dacing Robin

Platz 13: Anycast – ANY067 – Der Perspektivlosigkeit ganz nah

Mit Platz 13 ist ein Eintrag ins Podcast-Klassenbuch verbunden: Der Anycast muss wieder mehr Sendungen machen! Denn mir fehlt die gepflegte Laberrunde von Renke, Dennis und Cornelis. Dass sie diese Kunst beherrschen, haben zwei der drei nach den Landtagswahlen im März gezeigt. Ihr erinnert euch sicher an die braunen Ergebnisse und wo andere viel analysierten, da haben Renke und Dennis mal ganz gepflegt abgekotzt (ohne das Analyiseren ganz zu vergessen). Das war für ihre und unsere Psycho-Hygiene sehr gut. Unbedingt mehr davon!

Platz 12 – Übermedien – Zur Lage der Medien (1) – Vom Aufschaukeln und Zweifeln

Ich bin so alt und höre schon so lange Podcasts, dass ich mich an die beiden „Wir Müssen Reden„-Folgen erinnern kann, in denen Stefan Niggemeier und Sascha Lobo zu Gast waren. Und wenn mich nicht alles täuscht, haben beide damals dieses Podcasten eher belächelt. Aber das war ja schon 2012 respektive 2013 – also als Podcasts noch in kleinen finnischen Clubs spielten. Heutzutage casten Niggi und Lobo selbst und gemeinsam. Damit fingen sie im März 2016 an und gleich mit ihrer ersten Folge legten sie ein ordentliches Brett vor. Sie sprechen über Soziale Medien, wie diese Medien sich geändert haben und wie sie die Menschen verändern, die sie benutzen.

Platz 11: Diverse Talk! #014 – Träumen, Fliegen, Aufwachsen – Das Kino des Hayao Miyazaki (Feat. Tamino)

Wenn der Enough Talk! Gäste hat, dann wird er zum Diverse Talk! Und wenn – wie im Juli – Arne mit den anderen 50% der Second Unit, Tamino, redet, dann ergibt das die mit Abstand längste Sendung dieser Charts: 4 Stunden und 40 Minuten ließen sich die beiden Zeit, um verbal durch das filmische Lebenswerk des Anime-Regisseurs Hayao Miyazaki zu schlendern. Aber ich kann euch sagen: Das ist nicht eine Minute zu lang! In diesen 4:40 Stunden werden alle Klassiker von Miyazaki gebührend gefeiert, sei es Nausicaä, Totoro, Chihiro oder wie sie alle heißen. Setzt die Kopfhörer auf und haltet euch gut fest, denn hier wird geflogen!

Totoro fliegt

Honorable Mentions: Über den großen Teich gehört

Wie sich das gehört, schweife ich jetzt erst einmal ab. Denn in diesem Jahr haben es nur deutschsprachige Podcasts in meine Jahrescharts geschafft. Dennoch höre ich auch den einen oder anderen Cast aus Amerika, dem UK und … äh … München.

Da gibt es zum Beispiel dieses unbekannte Indieprojekt Serial. Das ist 2016 in die zweite Staffel gegangen. Die ist zwar nicht ganz so gut wie die erste, aber als kleinen Geheimtipp lass ich euch das mal hier stehen. Wer es hingegen eher etwas trockener, nicht so auf hochglanz produziert mag und der oder die gerne mal nachdenkt, dem oder der empfehle ich History of Philosophy Without Any Gaps – Der Name ist Programm …

Außerdem habe ich angefangen, intensiver This American Life zu hören – Ich weiß, das ist wie Pizza zu empfehlen: Jede weiß schon lange, dass das gut ist. Aber ich mache es trotzdem! Ihr fragt „Seriously?“ Und das zurecht, denn so hieß Folge 599 von TAL. Sie handelte von einigen der übelsten Lügen im US-Wahlkampf – einem der bestimmenden Themen im letzten Jahr. Wir werden darauf zurückkommen …

Weniger Aktuell sind die Themen, die You Must Remember This sich vornimmt – auch wenn es sich diesmal nicht so anfühlt. Bereits 2015 schaffte es Karina Longworth in meine Honorable Mentions und auch 2016 lieferte sie wieder eine verdammt gute Staffel über die Hollywood Blacklist ab: Über das Arbeitsverbot vieler Menschen in Hollywood zu Zeiten der Kommunistenjagd in den USA. Wichtiger Teil dieser Geschichte ist Charlie Chaplin und als YMRT die finale Rede aus der große Diktator wiedergab, da stiegen mir an der Bushaltestelle die Tränen in die Augen.

Zum Heulen ist auch das Thema Gewalt, das zeigt, wie nah Chaplins Worte an unserer Zeit sind und das in einem Doppelpakt auf den Plätzen 10 und 9 beackert wurde …

Platz 10: Soziopod #043: Mein Kick, meine Ehre, meine männliche Gewalt

Der Soziopod hat dieses Jahr einige starke Folgen rausgehauen: Die Folgen über Luhman und Foucault waren schon ganz feine Kost. Aber das Rennen hat dann eine Folge aus dem Januar gemacht, denn in Zeiten, in denen sowohl rechtsradikale als auch islamistische Idioten sich in Gewalt üben, da brauchen wir Menschen, wie Doktor Köbel und Herrn Breitenbach, die uns erklären, warum Männer körperlich gewalttätig werden.

Platz 9: Forschergeist – FG030 Konflikt- und Gewaltforschung

Dass das Thema Gewalt leider nicht verschwand zeigte der Juni, denn hier konstatierte Tim Pritlove, dass das Thema aktuell und wichtig ist. Er sprach mit Andreas Zick vom Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Uni Bielefeld über Konflikte und Gewalt. Es ging um Fußball und Hooligans, Islamisten, rechte Gewalt und Hate Speech. Ganz unaufgeregt und wirklich außergewöhnlich aufschlussreich.

hugging

Platz 8: Explikator – Expl0448: Glyphosat

Erinnert ihr euch noch an Glyphosat? Das war im Mai un Juni ein verdammt heißes Thema … Folgefrage: Wisst ihr noch, wie die EU entschieden hat? Nein? Kleine Erinnerungsstütze: Der europäische Rat konnte keine Mehrheit finden für die Verlängerung der Zulassung des Herbizits. Daher hat die EU-Kommission die Zulassung … natürlich verlängert! Läuft bei der EU. Frage mich, warum die eigentlich so unbeliebt ist.

Aber auf einem anderen Blatt steht, wie gut oder böse Glyphosat denn eigentlich ist? Die einen beteten gegen den Unkrautvernichter an wie der Exorzist gegen die kleine Regan. Die anderen jazzten das Mittel zum Heilsbringer von Frieden und Wohlstand hoch. Den differenziertesten Beitrag zu dieser Debatte lieferte im Mai der Explikator. In ca. 10 Minuten ermöglichte er eine solide Meinungsbildung. Das brachte ihm Platz 8 in diesen Charts ein!

Platz 7: Second Unit #191 (Die Tribute von Panem – The Hunger Games)

Am 27. und 28. Mai ereignete sich unverhofft der @_noujoum-Doppelschlag in meinem Podcatcher. Zusammen mit ihren Co-Hosts lieferte Miriam Seyffarth zwei Sendungen zu zwei komplett unterschiedlichen Themen ab: Eine hörenswerter als die andere! Die eine Sendung war die Besprechung des Films The Hunger Games zusammen mit Christian von dieser Second Unit. Moment … Schon wieder die Second Unit? Die scheinen halbwegs anständige Podcasts zu machen … Die Hunger Games waren bislang ein Film, für den ich nur so latentes Interesse hatte: Mal gesehen, zur Kenntnis genommen, dass er eine starke Actionheldin hat, ansonsten wieder vergessen. Vielleicht zu unrecht. Denn Miriam und Christian schälten spannende Aspekte aus der Geschichte heraus. Das solltet ihr euch unbedingt mal anhören.

Haymitch approves

Platz 6: CRE212 Saudi Arabien

Die zweite Sendung im Mai mit Miriam war Tim Pritloves CRE. Dieser Tim ist auch so ein talentierter Nachwuchspodcaster. Er kann wirklich gute Interviews führen. Ihr solltet ihm vielleicht mal eine Chance geben … Pizza eben. Jedenfalls erzählte Miriam hier von ihren Auslandsaufenthalten in Ägypten und vor allem in Saudi Arabien. Das ist schon allein deshalb ein wichtiges Thema, weil wir in Zeiten leben, in denen ständig Angst vor Arabern geschürt wird. Aber wenn es so gemacht wird wie hier, dann ist das Thema nicht nur wichtig sondern auch überaus spannend aufbereitet. Vielen Dank dafür!

Honorable Mentions: Filmpodcasts

Wie schon im letzten Jahr muss ich mich ein bisschen dafür entschuldigen, dass diese Liste recht Filmpodcast-lastig ist. Ich bin mir sicher, es gibt ein paar gute Strick- oder Autopodcasts da draußen. Vielleicht empfiehlt sie mir jemand ja in den Kommentaren … Derweil schiebe ich euch mal ein paar Filmcasts hinterher. Denn, was qualitativ hochwertige Filmbesprechungen anbelangt, hat der deutschsprachige Podcastraum so einiges zu bieten!

Da gibt es zum Beispiel, die Abspanngucker. René Hoffmann und Alexander Sobolla haben erst 2016 mit dem Sprechen in Mikrofone angefangen, machen das aber so gut, dass sie schon jetzt zu den Casts gehören auf die ich mich freue. Habt ihr Westworld gesehen? Alexander und René liefern einen kritischen Blick auf die Hype-Serie.

Bereits 2015 begannen die Archivtöne ihr Archiv zu bestücken. Jan und Kamil haben eine sehr feine Herangehensweise an das Podcasten über Filme: Sie ziehen Zettel aus einem Hut, auf denen „Challenges“ stehen. Filme zu – teilweise obskuren – Themen, die sie dann besprechen. Zum Beispiel: „Filme mit einem Personalpronomen im Titel“ oder „Filme, in denen die Hauptfigur Vollbart trägt“.

Wenn du so viele Filmpodcasts hörst wie ich, dann kennst du ein lustiges Phänomen. Ich nenne das mal zusammenhangslos „Erschütterung der Macht“. Das ganze Jahr senden die verschiedenen Casts so vor sich hin, doch manchmal (zum Beispiel wenn ein neuer Star Wars erscheint) sprechen fast alle über den gleichen Film. Ein solcher Film war 2016 zum Beispiel Arrival. Ich könnte euch hier 20 – 30 Sendungen dazu verlinken. Aber ich beschränke mich auf eine: Der Longtake lieferte zu diesem Film eine sehr hörenswerte Sendung ab.

Erschütterung der Macht

Ein anderes Thema, das in der deutschsprachigen Filmpodcastlandschaft ein Dauerbrenner ist und das mich mittlerweile zu nerven beginnt, sind die 80er. Es soll ja Podcasts geben, die sich komplett der 80er-Nostalgie verschrieben haben …

the horror

Oh … falsches Jahrzehnt. Anyway! Wenn schon 80er-Nostalgie, dann kommt mir nur ein Podcast auf den Kopfhörer – Ein Pärchen, das mit ansprechend viel Kritikvermögen an die Sache herangeht ohne das Schwärmen zu vergessen: Das Bahnhofskino.  Angemessen unter Beweis gestellt haben sie diese Kunst zum Beispiel in diesem Arnold-Schwarzenegger-Double-Feature.

Okay, gleich habt ihr es geschafft, aber einen Filmpodcast habe ich noch für euch! Denn wenn Patrick vom Bahnhofskino und Christian von der Second Unit (der schon wieder!) zu Gast sind bei Dennis vom Lichtspielcast, um über David Fincher zu reden, dann ergibt das den besten Filmpodcast des Jahres und Platz 5 dieser Charts!

Platz 5: Lichtspielcast Bonusepisode – David Fincher Teil 2

Das ist ein bisschen gecheatet, denn Teil 1 müsst ihr natürlich auch hören, um Finchers Lebenswerk einmal komplett nacherzählt, analysiert und rezensiert zu bekommen. Aber der besagte erste Teil kam noch auf den letzten Drücker 2015 raus. Im zweiten Teil aus dem Januar erwarten euch fundiertes Wissen von Dennis, Christian und Patrick über die Jahre 2007 bis 2014 in Finchers Schaffen mit Filmen wie Zodiac, Social Network oder Gone Girl. Außerdem erwartet euch viel Schwärmerei über einen der besten lebenden Regisseure und etwas Stirnrunzeln über Benjamin Button.

Platz 4: Chaosradio – CR221 Künstliche Intelligenz

Schrieb ich vorhin, dass hr2 Der Tag, die einzige öffentlich-rechtliche Sendung in meinem Podcatcher ist? Nun, das stimmt nicht ganz … Denn zwar steckt ganz viel CCC im Chaosradio, aber eben auch etwas Radio Fritz. Im April stießen die Chaoten (SCNR!) das Tor zur Zukunft ganz weit auf, um uns endlich mal zu erklären, was es mit dieser künstlichen Intelligenz auf sich hat, von der jetzt alle reden. Dank fundiertem Wissen von Tobias, Benthor, Priska und Clemens einerseits und Marcus‘ eiserner Moderation andererseits kam am Ende eine Sendung heraus, die mehr Sience als Fiction war, dieses komplexe Thema angenehm runterkochte und entmystifizierte.

Es ist Zeit, das Treppchen zu betreten …

Platz 3: Erscheinungsraum – ER042 Wie Mazedonier mit Lügen im US-Wahlkampf Geld verdienten

Noch mehr nach Sience Fiction klingt diese Geschichte: Donald Trump wurde zum US-Präsidenten gewählt. Bekloppt, was? Aber da endet die Unglaublichkeit noch nicht. Verkrüzt wird uns oft erzählt, dass Trump wegen Fakenews zum Präsidenten wurde. Diese Fakenews wiederum wurden sich von ein Paar Jugendlichen in Veles, einer kleinen Stadt in Mazedonien ausgedacht. Das ist so unglaublich, das kann selbst nur Fakenews sein! Oder etwa nicht? Was würden wir dafür geben, wenn wir jemanden kennen würde, der oder die verlässlich Auskunft zu dieser Phantasterei geben könnte … Zum Glück kennt Katrin Rönicke den! In Ihrer Reihe Erscheinungsraum Ost sprach sie mit  Krsto Lazarevic über Fakenews, Veles und was da eigentlich dran ist. Herausgekommen ist ein exellentes Stück Journalismus und einer der Gründe, warum ich Podcasts liebe!

Trump Nice!

Und Silber geht an …

Platz 2: Fokus Europa – FE017 Außen- und Sicherheitspolitik

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber wenn ich an Russland und sein Verhältnis zum Westen denke, dann wird mir schon etwas mulmig zumute. Nennt mich einen unverbesserlichen Optimisten, aber bei all seiner Dummheit hoffe ich tatsächlich darauf, dass Donald Trump und sein Buddy Putin etwas Entspannung in die internationalen Beziehungen bringen. Das ist zwar nicht die schönste Lösung, die ich mir vorstellen kann, aber das ist Diplomatie selten. Und ich frage mich, wie lange sich West und Ost noch von Eskalation zu Eskalation hangeln können, bevor wirklich alles in die Luft fliegt.

Eine ganz andere Frage lautet: Wie konnten wir eigentlich in dieses Schlamassel hineingeraten? Als ich jung war, da hieß es immer, der Kalte Krieg ist jetzt vorbei und Russland unser Freund. Wie konnte von dort alles so dermaßen schief laufen? Das wusste im Mai Ulrich Kühn, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg in Fokus Europa zu berichten. Wer macht den Podcast noch gleich? Ach ja, ein gewisser Tim Pritlove. Ich frage mich, wo ich den Namen schon einmal gehört habe …

confused

And the winner is …

Platz 1: Technische Aufklärung – TA041 – Drohnen und der geheime Krieg

Eigentlich wollte ich hier noch eine Abschweifung über Geschichtspodcasts einschieben. Die habe ich 2016 neu für mich entdeckt und könnte euch den einen oder anderen empfehlen. Aber wenn ihr überhaupt bis hier gelesen habt, dann möchte ich euch nicht länger auf die Folter spannen: Die beste Podcastfolge des Jahres 2016 stammt von der Technischen Aufklärung! TA ist gewissermaßen auch ein Geschichtspodcast, denn normalerweise erfüllt der Cast eine zeitgeschichtliche Chronistenpflicht und berichtet aus dem Geheimdienst-Untersuchungsausschuss.

Als der Bundestag im August Sommerpause hatte, trat die Aufklärung mal einen Schritt vom Tagesgeschäft zurück, lud Norbert Schepers ein und sprach mit ihm über den geheimen Drohnenkrieg.

Wisst ihr, ich habe von meiner Oma tatsächlich noch den Spruch gehört: „Man hat es nicht gewusst“. Und wisst ihr was? Ich glaube meiner Oma sogar, dass sie nichts vom Holocaust gewusst hat. Sie war ein herzensguter Mensch. In den Jahren, die wir gemeinsam über diesen Planeten wanderten, hat sie immer stramm sozialdemokratisch gewählt und im Nationalsozialismus war sie eine junge Mutter von drei Kindern. Welche Menschenrechtsverbrechen genau in ihrem Land abliefen, hat sie wahrscheinlich nicht gewusst.

Diesen „Luxus“ haben wir nicht. Sollten unsere Kinder oder Enkel uns mal fragen, warum wir zuließen, dass flüchtende Menschen im Mittelmeer ertrinken oder warum sie unter anderem vor unseren Kampfdrohnen flohen, die ohne völkerrechtliche Legitimation und mit großem (verzeiht das Wort) Kollateralschäden Menschen ermordeten, dann können wir nicht sagen, „wir haben es nicht gewusst“. Denn dafür, dass wir zum Beispiel wissen, wie dieser geheime Krieg abläuft, dafür hat unter anderem die Technische Aufführung in diesem Jahr gesorgt. Deshalb ist TA041 die beste Podcastfolge des Jahres 2016,

sad

Die nächsten Podcast-Folgen-Charts gibt es 2017. Hoffentlich werden sie weniger deprimierend …

SF70 – Rebecca

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Paula
Schwarzer Pudel
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Daniel
Zweite Mrs. de Hesse


Back to the strange days of my life

In dieser Folge kämpft der Spätfilm gegen eine Ente so groß wie ein Pferd. Wir blicken zurück auf Manderley und sehen trashige griechische Götter, in der Definition von Gothic finden wir das „O“ von David O. Selznick und nach einer kurzen Pause auch ganz viel Orson Welles im Hollywood-Debüt von Hitchcock. Wir hoffen, eine Lesbe unter dem Hay’s Code traumatisiert euch nicht und ihr seid nicht „shocked and disappointed beyond words“, wenn wir über die Bedeutung von schwarzen Pudeln abschweifen und in diesem twisted Aschenputtel eine perfekte Treppenszene entdecken. Gehen wir in Medias Res!

Vorgeplänkel und Abschweifungen

Das Fenster zum Hof führt tatsächlich unsere Charts an ♦ Die Enough-Talk-Folge zu The Thing  ♦ Die Her-Folge in der Second Unit ♦ Die Her-Folge im Enough Talk! ♦ No Such Thing As A Fish über Roger Rabbit ♦ Harmontown über Pferde und Enten ♦ Metzlers Literaturlexikon* ♦ Das Blog von Frau Novemberregen

Die Eckdaten von Rebecca

Erscheinungsjahr: 1940
Regie: Alfred Hitchcock
Produzent: David O. Selznick
– Filmographie (Auswahl):
1933 King Kong
1939 Gone with the Wind
1940 Rebecca
1945 Spellbound
1947 The Paradine Case
1949 The Third Man
Budget: 1,3 Mio $
Besetzung: Joan Fontaine (Die zweite Mrs. de Winter), Laurence Olivier (Maximilian de Winter), Judith Anderson (Mrs. Danvers), George Sanders (Jack Favell)
Genre: Thriller, Drama, Mystery, Haunted House, Haunting Gothic Romance

Die Produktion von Rebecca

Hitch und Selznick

Rebecca ist die Geschichte zweier großer Egos, die aufeinanderprallten: Alfred Hitchcock und David O. Selznick. Diese beiden Titanen des Filmgeschäfts rangen vom ersten Moment miteinander, wessen Film Rebecca ist. Ist es ein weiterer Geniestreich des jungen Talents aus England oder der nächste große Wurf vom berühmten Hollywoodproduzent von Gone with the Wind. Es war ein Ringkampf, der erst am Abend der Oscarverleihung entschieden werden sollte. Denn aus diesem Machtkampf entstand entgegen aller Wahrscheinlichkeit ein großer Film. Rebecca war für 11 Oscars nominiert. Darunter der Oscar für die beste Regie (den Hitch bekommen sollte) und den für den besten Film (der an Selznick gehen würde). Lehnt euch zurück liebe Zuhörer und Zuhörerinnen und seit gespannt, wenn wir euch in den nächsten Stunden erzählen, wer diesen Machtkampf am Ende gewann.

Es begann alles mit The Man Who Knew To Much: Hitch hatte ab Mitte der 1930er Jahren in England eine Reihe von Welthits gedreht. Der erste war eben The Man Who Knew To Much 1934. Dies machte Hollywood auf das junge Talent aufmerksam und Hitch bekam Angebote von einigen Studios (Quelle: Truffaut*). Hitch entschied sich für Selznick, da dieser ein unabhängiger Produzent war. Er hatte sein eigenes Studio und arbeitete nicht für eines der großen Studios wie MGM oder Paramount. Hitchcock glaubte, dass dieser unabhängige Produzent auch seinem Regisseur mehr Freiheiten zugestehen würde als das strenge Studiosystem. Er hat sich sehr stark geirrt.

Selznick war es gewohnt, seine Produktionen bis ins kleinste Detail zu überwachen und zu kontrollieren. Für ihn waren Regisseure nur Handlanger, die das machen sollten, was Selznick befahl. Kein Wunder dass dieser Dickkopf mit Hitchcocks dickem Schädel zusammenprallte. Dabei hatte Hitch noch Glück, dadurch, dass Selznick noch in der Postproduktion seines Opus Magnum Gone with the Wind steckte, konnte er nicht an Hitchs Set sein und das ließ Hitch verhältnismäßig viel Freiheit. Allerdings schickte Selznick Hitch unzählige Memos was er wie machen sollte. Später sagte Hitch mal in einem Interview, er plane eines dieser Memos zu verfilmen mit dem Titel „The Longest Story Ever Told“.

Hitch hasste Selznick so sehr, dass er ihm in späteren Filmen immer wieder Tritte verpasste. Über den Mörder in Rear Window sprachen wir schon. Aber auch in North by Northwest gibt es so einen Nachtritt. Das „O“ in David O. Selznick war frei erfunden, quasi ein Künstlername, und hatte keine Bedeutung. In North by Northwest heißt Cary Grants Charakter Roger O. Thornhill. An einer Stelle des Films wird er gefragt, wofür das O steht und antwortet „Nothing!“

Das Drehbuch von Rebecca

Rebecca basiert auf einem Roman von Daphne du Maurier. Das Buch war eine weltweiter Bestseller gewesen und eines von Insgesamt drei du-Maurier-Romanen, die Hitch verfilmt hat: Die anderen waren The Birds und Hitchs letzter brittischer Film Jamaica Inn. Hitch hatte sich schon früher um die Rechte an Rebecca bemüht. Die Summe, die du Maurier dafür aufrief, hatte er aber nicht zahlen können. Da er nun gerade deshalb nach Hollywood gewechselt war, um mit Budgets arbeiten zu können, die die englischen Studios ihm nicht bieten konnten, war es für Hitch ein guter Testballon, Selznick darum zu bitten, Rebecca verfilmen zu können. Selznick willigte ein.

A pro pos Testballon: Den ließ Selznick auch aufsteigen. Um zu testen, ob der Roman sich in ein Drehbuch umsetzen ließ, beauftragte Selznick einen jungen Radioregisseur, ein Hörspiel aus dem Stoff zu produzieren. Das Talent vom Radio hatte zudem mit seinem Hörspiel „The War of the Worlds“ gerade einen großen Hit gelandet und Selznick hoffte auf entsprechende Mitnahmeeffekte für Rebecca. Die Rede ist natürlich von Orson Welles. Als Resultat des Hörspiels trug Selznick Hitchcock übrigens auf, die Titelheldin wie im Roman namenlos zu lassen. Hitch hatte geplant, sie nach der Autorin Daphne zu nennen.

Auch der Rest von Hitchs Drehbuch gefiel Selznick nicht. Wie gewohnt hatte Hitch zusammen mit seinen Drehbuchautorinnen Michael Hogan und Joan Harrison sich viele Freiheiten vom Original genommen und vor allem viel Humor in die Story hineingeschrieben. Das brachte ihm ein Memo von Selznick ein, in dem der Produzent schrieb, er sei „shocked and disappointed beyond words … We bought Rebecca and we intend to make Rebecca.“ Bei einem anderen Aspekt war Selznick viel eher zu Änderungen bereit: Er überlegte lange, den Titel „Rebecca“ nicht zu verwenden, da er ihm zu jüdisch klang.

Hörempfehlung: You Must Remember This zur Hollywood-Blacklist

Der Name wurde letztlich beibehalten, im Gegensatz zum Ende des Romans, in dem offenbart wird, dass Maximilian de Winter Rebecca erschossen hat. Das widersprach dem Hays Code, dem zufolge – wir hatten das Thema schon öfter – Verbrecher nicht ungestraft davonkommen dürfen. Entsprechend wurde es abgeändert.

Die Dreharbeiten von Rebecca

Die Spannungen zwischen Hitch und Selznick nahmen auch während der Dreharbeiten nicht ab. Da Selznick noch immer mit Gone With The Wind beschäftigt war, beauftragte er den Regieassistenten Eric Stacey und das Script-Girl Lydia Schiller ihm jeden Tag alles zu berichten, was Hitchcock macht. Als Hitch das rausbekam, hat er die beiden wohl ziemlich gemobbt. Zum Beispiel erzählte er gerne in Meetings, in denen Schiller anwesend war, so lange obszöne Anekdoten, bis die Script-Supervisorin fassungslos den Raum verließ.

Hitch wiederum war es gewohnt, seine Filme „in der Kamera zu scheiden“. Er hatte eine Szene vor Drehbeginn schon genau im Kopf und drehte dann nur das Material, dass er brauchte. Das wiederum ärgerte Selznick ganz gewaltig. Denn er war es gewohnt, von den Regisseuren viele verschiedene Varianten einer Szene gefilmt zu bekommen und dann selbst im Schneideraum zu entscheiden, was er davon verwendete.

Das hielt Selznick nicht davon ab, Hitch in seinen Job reinzureden. Später wurde Hitchcock nicht müde, die Anekdote zu erzählen, wonach Selznick wollte, dass am Ende über dem brennenden Manderley der Rauch ein großes „R“ formt. Hitch fand dies viel zu dick aufgetragen und entschied sich dann dafür, den Film mit der brennenden Bettwäsche enden zu lassen, auf der „R“ eingestickt ist. Allerdings dürfen wir nicht unerwähnt lassen, dass Selznick die Geschichte mit dem Rauch-„R“ immer abgestritten hat.

Selznick war so unzufrieden, mit der Art und weise, wie Hitchcock den Film inszenierte, dass er zwischenzeitlich überlegte, die Produktion abzubrechen. Er war so verunsichert, dass er sein Frau Irene bat, sich das bereits gedrehte Material anzusehen, um ihm einen Rat zu geben, ob es sich überhaupt lohnte, weiterzumachen. Irene Mayer Selznick sah sich die gedrehten Szenen an und versicherte Selznick, dass sie exzellent waren.

Die Spannungen zwischen Hitch und Selznick waren auch nicht die einzigen Verwerfungen am Set. Laurence Olivier hatte sich stark dafür eingesetzt, dass seine Frischverlobte Vivien Leigh die Rolle der zweiten Mrs. de Winter spielt. Selznick und Hitch entschieden sich aber dagegen, da Leigh nicht zum grauen Maus-Image passte. Nach einem langen Casting, in dem Selznick werbewirksam so ziemlich jede zweite Hollywoodschauspielerin antreten ließ, entschieden sich er und Hitch für Joan Fontaine. Aus Rache, behandelte Olivier Fontaine während des Drehs wie den letzten Dreck. Hitch, der alte Fiesling, beschloss das auszunutzen und erzähle Fontaine, dass alle im Team sie hassen würden. Er machte dies, damit sie besonders niedergeschlagen und verunsichert wurde und so besonders gut die Rolle der zweiten Mrs. de Winter spielen konnte. Fontaine berichtete später auch, dass Olivier eine unangenehme Angewohnheit hatte: Wenn er einen Take versaute, pflegte der zu fluchen. Fontaine sagte, dass sie dabei Worte hörte, die sie bislang nur an Klowänden gesehen hatte.

Die komplette Second Unit und Joan Fontaine mussten drei Tage im Krankenhaus verbringen, weil sie sich beim Filmen der Szene, in der die zweite Mrs de Winter nach Manderley anreist mit Giftefeu vergiftet hatten. Vor einer Szene, in der sie weinen sollte, bat Joan Fontaine Judith Anderson (Mrs. Danvers), sie zu orfeigen, damit ihr das Weinen leichter fiel. Anderson wollte das aber nicht, woraufhin Hitch zur Tat schritt und Fontaine eine scheuerte.

Die Dreharbeiten waren ursprünglich für eine Dauer von 36 Tagen angesetzt. Insgesamt dauerte der Dreh dann aber 63 Tage, unter anderem, weil Joan Fontaine die Grippe bekam und weil die Gewerkschaft der Bühnenarbeiter streikte. Nachdem Hitch dann die Dreharbeiten offiziell beendet hatte. Übernahm Selznick die Regie, und ließ einige Szenen noch einmal neu drehen, die ihm nicht gefielen, insbesondere das Finale mit dem brennenden Manderley.

Kameraarbeit & Special Effects in Rebecca

Hitch und sein Kameramann George Barnes verwendeten „deep focus photography“ in Rebecca: Dabei wird mit sehr kleiner Blende bei stark ausgeleuchteten Set gefilmt, um den Effekt zu erzielen, dass sowohl Sachen im Vordergrund als auch im Hintergrund scharf zu sehen sind. Ein Jahr später machte Citizen Kane die „deep focus photography“ sehr populär.

Dem Team gelang es nicht, ein Haus zu finden, das Selznick als Manderley gefiel. Daher entschlossen sie sich eine Miniatur zu bauen. In einem zweiten Studio wurde noch ein Modell von der Ruine von Manderley gebaut, nur für die Eröffnungsszene. Viele innenarchitekturelle Details von Manderley waren „Matte Paintings“: Dabei werden meist auf Glasscheiben Details des Bildes aufgemalt. Die Scheibe wird dann zwischen der Kameralinse und dem Set platziert. Matte Paintings wurden teilweise auch beim Feuer am Ende verwendet. Außerdem recycelte Selznick hier Bilder von Flammen, die er schon für die „Burning of Atlanta“-Szene in Gone With the Wind verwendet hatte.

Filmisches Erzählen in Rebecca

Die erste Szene

In der ersten Szene sehen wir eine Kamerafahrt durch die Gitter eines Tores, einen gewundenen Pfad hinauf bis zu den Ruinen des Anwesens Manderley. Begleitet wird die Kamerafahrt durch den Voice Over der namenlosen Protagonistin, die klarmacht, dass es sich um einen Traum handelt und dass sie nie wieder nach Manderley zurückkehren kann. Im Traum erscheint es ihr, als gingen in den Fenstern der Ruine die Lichter an. Direkt im Anschluss gibt es einen harten Schnitt auf Maxim, der auf einer Klippe steht und sich ins Meer stürzen will.

Interessant ist an dieser Eröffnung, dass der Voice Over aus ihr eine subjektive Kamera macht – ein kreativer Einsatz vom sonst oft langweiligen Stilmittel des Voice Overs. Dann ist die Eröffnung interessant, weil Hitch hier sein altes Motto anwendet, uns Informationen zu geben, um dadurch die Spannung zu erhöhen: Wir sehen das Manderley zerstört ist, wir erfahren, dass die zweite Mrs. de Winter nie wieder zurückkehren kann und dass mit dem Haus die „strange days of my life“ verbunden waren. Der dritte spannende Aspekt ist, dass durch die sich einschaltenden Lichter das Leitmotiv des Spuks gesetzt wird. Außerdem wird klargemacht, dass Manderley selbst ein Protagonist dieses Films ist. Es folgt der harte Schnitt auf den suizidalen Maxim, der klarmacht, dass auch Maxims Verhältnis zu Manderley problematisch ist.

Die Charaktere in Rebecca

Maxim

Maxim ist depressiv, er leidet unter Rebeccas Tod. Gleich in der ersten Begegnung mit der namenlosen Protagonistin zeigt sich ihre weitere Beziehung. Sie hält ihn vom Suizid ab und er beschimpft sie dafür. Im weiteren Verlauf wird er weiter autoritär in dieser Beziehung auftreten, sie hingegen unterwürfig.

Ein wichtiges Thema in Rebecca ist die Verarbeitung von Traumata. Maxims vermeintlicher Todschlag an Rebecca ist das größte Trauma des Films. Anscheinend ist für Traumata wesentlich, dass das traumatische Erlebnis immer wieder durchlebt wird. Dieses Wiederdurchleben zieht sich durch den Film und beginnt damit, dass Maxim die zweite Mrs. de Winter an dem Ort kennenlernt, an dem er mit Rebecca seine Flitterwochen verbrachte.

In diesem Zusammenhang ist auch eine freudianische Interpretation ganz interessant:

„Some scholars insist that „Rebecca“is one of the few Hollywood films to actively explore Freud’s Electra Complex. (The heroine, who is appropriately unnamed, finds love with the very paternal Maxim. As she steadily moves toward independence she faces harsh censure and possible destruction by an array of mother figures.)“

The Picture Show Man

These: Das wichtigste Thema für Hitchcock sind nicht die Thriller oder Kriminalfälle. Stattdessen mach Hitch immer Filme über die Beziehung zwischen Männern und Frauen. Und er zeigt in seinen Filmen stets ein sehr pessimistisches Bild, vertritt die Position, dass diese Beziehung zum Scheitern verurteilt ist.

Die Variante der problematischen Beziehung, die in Rebecca erzählt wird, ist die missbräuchliche Beziehung (abusive relationship). Maxim ist autoritär, unterdrückt die Namenlose. Durch ihre Namenlosigkeit wird diese Unterdrückung noch hervorgehoben (neben der Tatsache, dass sie immer im Schatten von Rebecca steht). Um über den Tod von Rebecca und seine Schuldgefühle hinwegzukommen, holt sich Maxim ein Mäuschen, das er glaubt, kontrollieren zu können. Daniel vertritt die These, dass Rebecca ein feministischer Film ist, da Hitch die starke patriarchale Rolle von Maxim in der Beziehung kritisiert. Paula gibt zu bedenken, dass die beiden starken Frauen im Film (Rebecca und Mrs. Danvers) die Villains sind.

Interessant ist, dass sich das Rollenverhältnis nach dem Twist wandelt. Dann ist Maxim schwach, aber die zweite Mrs. de Winter nutzt das nicht aus, sondern unterstützt ihn.

Mrs. Danvers

Mrs Danvers ist die Verbündete der toten Rebecca. Sie hasst die zweite Mrs. de Winter und will sie am Ende sogar in den Tod treiben, weil sie das Vermächtnis von Rebecca gefährdet sieht. Spannend ist vor allem eine Szene, die heute exemplarisch ist für „Queer Hollywood“: Die Darstellung von Homosexualität unter dem Hays Code. Anscheinend wurde Homosexualität auch schon im Roman zumindest angedeutet, zumindest sprach das Hays Office Selznick eine explizite Warnung aus:

„Joseph Breen, head of the Production Code, sent a strongly worded message to David O. Selznick explicitly forbidding any suggestion of  a relationship between Mrs. Danvers and Rebecca. Berenstein quotes directly from one of these letters in her article: “If any hint of this creeps into this scene, we will of course not be able to approve the picture.” Yet all of these things made it in to the final cut, regardless.“

Vivien Leigh & Laurence Olivier

Dennoch strich Hitch die Szene nicht komplett. Er inszenierte sie so: Die zweite Mrs. de Winter hat das alte Zimmer von Rebecca entdeckt und wird dabei von Mrs. Danvers überrascht. Die Haushälterin hält daraufhin einen Monolog, dass Rebecca viel cooler war und die namenlose Protagonistin nie in ihre Fußstapfen wird treten können. Im Rahmen dieses Monologs zeigt sie der zweiten Mrs. de Winter das Negligé von Rebecca und zeigt mit der durchscheinenden Hand, wie transparent es ist. Dies ist ein erotisches Symbol, das zumindest darauf hindeutet, das Mrs. Danvers in Rebecca verliebt war, möglicherweise hatten sie sogar eine Affäre. Für die Sehgewohnheiten unter dem Hays Code reichte diese kurze Szene aus, Homosexualität zu verdeutlichen und war zugleich das Äußerste, was Hitchcock wagen konnte, ohne zensiert zu werden.

Uns fiel auf, dass Mrs. Danvers optisch wie in der Inszenierung große Ähnlichkeit hat mit Severus Snape aus Harry Potter. Abgesehen von Haaren und Kleidung wird sie oft von unten angeleuchtet gezeigt. Außerdem hatte Judith Anderson die Regieanweisung bekommen, möglichst wenig zu blinzeln und (unterstützt durch ihr langes Kleid) sieht man sie kaum laufen. Sie taucht plötzlich auf und wenn sie sich bewegt, das schwebt sie fast.

Rebecca

Obwohl Rebecca nie zu sehen ist, ist sie eine eigene Protagonistin im Film. Rebecca wird immer als unbeschreiblich schön … äh … beschrieben. Damit ist sie der Kontrast der unscheinbaren zweiten Mrs. de Winter. Während die namenlose Protagonistin aschblondes, glattes Haar hat, erfahren wir, dass Rebecca schwarze Locken hatte.

In der Dialogszene, in der wir von Maxim erfahren, wie Rebecca starb, ist die tote fast anwesend. Dieses Paradox wird durch eine fantastische Kameraführung realisiert, indem die Kamera den unsichtbaren Bewegungen Rebeccas folgt und sie dadurch wieder zum Leben erweckt.

Eine weitere Repräsentation von Rebecca im Film ist ihr kleiner, schwarzer Cocker Spaniel Jasper. Der Hund ist im Haus immer an Orten anwesend, die der namenlosen Protagonistin explizit als mit Rebecca verbunden präsentiert werden. Er führt die zweite Mrs. de Winter sogar in die Hütte am Meer, in der Rebecca starb.

Die zweite Mrs. de Winter

„The reason Rebecca still grips lies in the fact that we can all see ourselves in Fontaine’s role: everyone plunged into a new and unfamiliar milieu has felt her uncertainty and fear that they are the wrong person, in the wrong place.“

The Guardian

Die namenlose Protagonistin freundet sich letztlich mit Jasper an, was auch gut ihren Charakterbogen symbolisiert: Sie lässt sich nicht abschütteln. Von der grauen Maus wächst sie nach und nach trotz aller Widrigkeiten in die Rolle der Hausherrin hinein.

Rebecca ist eine twisted Aschenputtelgeschichte. Die namenlose Protagonistin ist das Aschenputtel, das vom Prinzen aufs Schloss mitgenommen wird. Doch was folgt ist kein Märchen, das Schloss Manderley ist ein sehr abweisender Ort. Das Anwesen ist fast schon ein eigener Protagonist: Alles ist riesig, sodass die Protagonistin stets verloren wirkt. Die Türen sind viel zu groß, sodass die Türklinken auf Gesichtshöhe sind und der Kamin ist so riesig, dass er droht die zweite Mrs. de Winter zu verschlucken, als sie davor steht. In einer Szene sitzt die Namenlose allein an einem Tisch und isst, während die Kamera nach hinten den Tisch entlangfährt, sodass die Einsamkeit mit dem Holzhammer sichtbar wird.

Das Aschenputtel hat in diesem Film sogar eine Treppenszene. Die Namenlose kommt im Kostüm auf den Ball, doch statt wie im Märchen bewundert zu werden, sind alle entsetzt, weil sie sich genauso gekleidet hat, wie es Rebecca stets tat. Sie flüchtet dann vom Ball und verliert zwar nicht den Schuh aber ihren Hut.

Who wins the scene?

Hier das Video von Every Frame A Painting:

Youtube

Und hier die Szene, in Rebecca, in der Die Kamera wunderbar klarmacht, wer die Szene gewinnt:

Youtube

Die Szene beginnt mit einem Two-Shot von der Namenlosen und Maxim, die beiden sind eng beisammen, das Bild drückt Harmonie aus. Mrs. Van Hopper betritt die Szene und stellt sich buchstäblich zwischen das junge Glück. Jetzt kommt der erste Schnitt: Maxim dominiert die Szene, er ist der einzige, der uns anguckt. Außerdem überragt er die beiden Frauen. Die Namenlose ist verunsichert an den rechten, dunklen Bildrand gedrückt.

Im Moment, als Maxim die Verlobung mit der Namenlosen verkündet, zoomt die Kamera auf Mrs. Van Hopper. Im ersten Close-up der Szene sehen wir ihr Gesicht von Lächeln auf Empröung wechseln. Sie ist eindeutig im Hintertreffen. Kurzer One-Shot auf die Namenlose, die die Verlobung bestätigt. Dann folgt wieder ein Three-Shot, aber diesmal aus einem neutralen Winkel. Wir sehen Mrs. Van Hopper ihre Fassung wiedergewinnen. In dieser Phase dreht sie immer von Maxim zur Namenlosen und zurück. Als sie sich gefangen hat, hat sie sich komplett zu Maxim gedreht, der Namenlosen den Rücken zugewandt. Sie beginnt die Szene zu dominieren.

Als Mrs. Van Hopper versucht, die Hochzeitsplanung an sich zu reißen, zoomt die Kamera auf einen Two-Shot von ihr und der Namenlosen – Van Hopper hat ihr noch immer den Rücken zugewandt. Als der Two-Shut bis auf ein Close-up hineingezoomt hat, dreht sie sich und gibt ihrer Noch-Begleitdame den Befehl, ihr Gepäck wieder heraufbringen zu lassen. Die Namenlose will den Befehl folgen und geht um Mrs. Van Hopper herum zur Tür. Sie steht jetzt zwischen ihrer Chefin und Maxim.Die Kamera schwenkt und Van Hopper muss sogar noch einen Schritt machen, der (zugegeben etwas unelegant) nur dafür dafür da ist uns nun Maxim zu zeigen, der die Namenlose aufhält. Er und der Spielball dieses Machtkampfes stehen jetzt so, dass wir ihre Gesichter klar ausgeleuchtet sehen, währen Van Hopper dunkel an den Bildrand gedrängt nur von hinten zu sehen ist. Maxim hat die Kontrolle zurück. Wir sehen einen kurzen Reverse-Shot, als Van Hopper noch einmal zaghaft versucht, die Kontrolle wieder an sich reißen. Das Scheitert und wir sind zurück im Three-Shot, in dem Maxim und die Namenlose dominieren.

Dann geht Maxim ab, um das Gepäck zu holen. Die Namenlose gibt daraufhin freiwillig ihre überlegene Position auf und geht nach Links aus dem Frame. Von Van Hopper im Profil kritisch beäugt. Im Moment, da Van Hopper allein im Frame ist, äußert sie den Vorwurf, dass die Namenlose sie betrogen hat.

Schnitt auf die erste Totale: Van Hopper stehen an den Rändern des Bilds, die Namenlose hat Van Hopper den Rücken zugedreht, während sie sich die Vorwürfe anhören muss. Van Hopper geht auf sie zu, die Kamera zoomt bis zu einer amerikanischen Einstellung von den Beiden. Die Namenlose zeigt Van Hopper noch immer den Rücken. Van Hopper zündet sich eine Zigarette an, sie dominiert die Szene nun total. Was durch einen One-Shot von ihr unterstrichen wird. Kurzer Reverse-Shot, als die Namenlose zaghaft beginnt, sich zu verteidigen. Dann ein Two-Shot, in dem sich die Namenlose umgedreht hat und beide nun kurze Zeit gleichwertig sind.

Doch während Van Hopper ihr prophezeit, welch schweres Schicksal sie auf Manderley haben wird, geht Van Hopper von der Namenlosen weg, die Kamera folgt in einem Schwenk bis Van Hopper vor eine Spiegel steht und jetzt buchstäblich einen Two-Shot mit sich selbst hat. Sie dominiert total. Kurzer Reactionshot, dann dreht sich Van Hopper um und blickt macht im Close-Up die Namenlose weiter fertig. Doch jetzt hat sie den Bogen überspannt, die Namenlose verweist sie des Zimmers und die Kamera folgt ihr dabei in einem Schwenk, während sie im Angriff auf Van Hopper zugeht. Van Hopper verlässt das Zimmer, die Kamera folgt in einem weiteren Schwenk, an dessen Ende sie in der Tür steht. Van Hopper ist nun klein im Hintergrund während die Namenlose von hinten gesehen den Vordergrund des Bildes dominiert. Sie hat gewonnen.

Doch als Van Hopper geht, gibt sie der Namenlosen den einzigen Namen, den sie je haben wird: Mrs. de Winter. Die Kamera zoomt heraus bis zur Totalen, in der wir Mrs. de Winter halbabgewandt, alleine und klein im großen Zimmer stehen sehen. Im letzten Frame hat sie die Szene doch noch verloren.

Das ist sehr, sehr geile Kameraarbeit!

Hitchcocks Cameo

Man sieht ihn in der 123. Minute des Films hinter einer Telefonzelle entlanggehen, kurz nachdem Jack Favell darin ein Telefongespräch mit Mrs. Danvers geführt hat.

Wikipedia

Das Cameo ist so unscheinbar, dass wir es nicht erkannt hätten, wenn wir es nicht vorher gelesen häten.

Die Rezeption von Rebecca

„First, it is the finest job of direction accomplished by a master director and may justly be called Alfred Hitchcock’s masterpiece.“

Zeitgenössische Kritik von The Daily News

Kehren wir zurück zur Oscarverleihung. Ihr alle kennt die Geschichte: Hitch sollte weder diesen noch irgendeinen anderen Oscar gewinnen. Und Selznick? Der gewann! Rebecca erhielt neben dem Oscar für die beste Kamera auch den für den besten Film. Selznick war der erste Produzent, dem es gelang , den wichtigsten Oscar zweimal in Folge zu gewinnen (Gone with the wind, Rebecca). Rebecca war übrigens der einzige Film, der bislang den Oscar für den besten Film gewinnen konnte, ohne den für die beste Regie oder das beste Drehbuch zu bekommen.

Im Interview mit Truffaut urteilte Hitch dann auch: Rebecca ist kein Hitchcock-Film, da er zu humorlos sei, ein Frauenfilm sei und Selznick Hitchs Drehbuch abgelehnt habe. Allerdings gestand er ein, dass der Film gut gealtert sei, obwohl er nicht genau weiß warum. DAs Interview wurde 1962 geführt (Quelle: Truffaut*).

Selznick hatte übrigens Rebecca am Tag, als die Oscarnominierungen bekanntgegeben wurden, noch einmal in LA in die Kinos gebracht. Als zusätzliche Werbemaßnahme brachte er sogar den Gouverneur dazu den Hollywood Boulevard für einen Tag in „Rebecca Boulevard“ umzubenennen. Rebecca war ein großer Erfolg und spielte insgesamt 6 Millionen Dollar ein (1,3 Mio Budget, mehr als das Vierfache). Die Nazis benutzten den Roman Rebecca als Grundlage für einen Code während des zweiten Weltkriegs.

Wie so oft, hatte auch Rebecca ein juristisches Nachspiel: 1944 verklagte Edwina Levin MacDonald David O. Selznick, Daphne Du Maurier und die Produktionsfirmen. Ihrer Meinung nach, war Rebecca ein Plagiat ihres Roman „Blind Windows“. 1948 urteilte der New Yorker District Court, dass es zwar genug Parallelen gibt, die belegen, dass Du Maurier „Blind Windows“ kannte und sich daran orientiert hat, dass aber keine Urheberrechtsverletzung vorliege, weil sie etwas eigenes damit geschaffen habe. Die Klägerin erlebte das Urteil nicht mehr, sie war inzwischen verstorben.

Wie wir schon im Teaser in Folge 69 verraten haben, war Rebecca in Spanien so erfolgreich, dass dort die Art von Jacken, die ironischerweise ausgerechnet Joan Fontaine im Film trug noch heute „Rebeccas“ genannt werden.

Preise und Bestenlisten

  • Rebecca war der Auftaktfilm bei der ersten Berlinale
  • Rebecca gewann den Oscar für den besten Film in einem außergewöhnlich starken Jahr. Die anderen Nominierten waren: The Grapes of Wrath, The Philadelphia Story, The Great Dictator und Foreign Correspondent.
  • Rebecca steht in der IMDB-Bestenliste derzeit auf Platz 156 (Juli 2016).
  • Auf Rotten Tomatoes ist er mit den seltenen 100% bewertet.
  • Der Film ist gelistet in den“1001 Movies You Must See Before You Die“ von Steven Schneider.
  • Außerdem ist er in zwei AFI-Listen zu finden: In „100 Years…100 Thrills“  steht er auf Platz 80 und in „100 Years…100 Heroes and Villains“ steht Mrs. Danvers auf Platz 31.
  • Und die American Society of Cinematographers wählte Rebecca auf Platz 18 der besten Filme von 1894 bis 1949.

Zitate & Referenzen

  • Es gab verschiedene Neuverfilmungen und Radioadaptionen von Rebecca. Teilweise wurden dabei die Originaldialoge wiederverwendet.
  • Citizen Kane referenziert sowohl den Anfang als auch das Ende von Rebecca
  • Außerdem hat Hitch einen Stuhl sowohl in  Suspicion (1941) als auch in Dial M for Murder (1954) wiederverwendet

Lesenswert

The End.

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