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SF125 – Kill Bill: Vol. 2 (feat. die komplette Superhero Unit)

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Paula
... geht in Shia LaBeoufs neuesten Film
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Daniel
Talking Murderer
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Arne
... hat Salz in der Shotgun
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Christian
Der Mann mit drei Identitäten


Unfinished Business

Unser Skype-Gespräch gibt es nicht auf der Kinoleinwand, obwohl es dort wahrscheinlich mehr Zuschauer hätte als Shia LaBeoufs neuester Film. Dennoch haben wie weder Kosten noch Mühen gescheut, um Eastern und Western verschmilzen zu lassen: In dieser Folge hört ihr gleich beide Hälten der Superhero Unit, natürlich darf die Trademark der Enough-Talker nicht fehlen, wenn Supermans wahre Identität weggepiept wird. Paula trägt derweil Buds Hut und Daniel kommt zu the only conclusion, wenn er sich fragt, warum Bills Bruder Salz in seiner Shotgun hat. Kollektiv leiden wir am Talking Murderer Syndrome, wenn wir Elle Driver mit Daredevil vergleichen und fransen gewaltig aus in Diskussionen über Kinder, die das neue CGI sind, das heute gar nicht mehr gemacht wird. Aber keine Sorge: wir können kann ja alles spielen!

Vorgeplänkel

Diese Folge ist Teil des #oWEstern, auch dabei waren die Second Unit mit The Revenant, die CineCouch mit Die glorreichen Sieben, der Lichtspielcast mit Das finstere Tal und die Wiederaufführung mit The Ballad Of Cable Hogue. ♦ Unsere Gäste sind diesmal Arne und Christian von der Superhero Unit ♦ Wir sind müde ♦ Wir prousten ♦ Wir durften einen Artikel für das Magazin Kinemalismus über Breakfast Club schreiben ♦  Was macht eigentlich Shia LaBeouf? MEDITATION FOR NARCISSISTS und einen legendär unerfolgreichen Kinostart

Die Eckdaten von Kill Bill: Vol. 2

Erscheinungsjahr: 2004
Regie: Quentin Tarantino
– Filmographie als Script Doctor:
1994 It’s Pat 
1995 Crimson Tide – In tiefster Gefahr
1996 The Rock – Fels der Entscheidung

Budget: 52 Mio $ (für beide Teile zusammen)
BesetzungUma Thurman (Beatrix Kiddo), David Carradine (Bill), Michael Madsen (Budd), Daryl Hannah (Elle Driver), Gordon Liu (Pai Mei), Michael Parks (Esteban Vihaio), Perla Haney-Jardine (B. B.) und Samuel L. Jackson mit einem Gast-Auftritt als Organist Rufus in der Kapelle, in der das Massaker stattfand.
Genre: Western, Martial-Arts, Rachefilm

Die Produktion von Kill Bill: Volume 2

Robert Rodriguez übernahm die Musikauswahl für Kill Bill 2 für eine Gage von einem Dollar. Im Gegenzug führte Tarantino bei einer Szene von Sim City (2005) Regie – ebenfalls für einen Dollar.

Das Auto, das Beatrix Kiddo fährt, ist ein Karmann-Ghia Cabriolet, Typ 14 Baujahr 1972 von Volkswagen. Insgesamt wurden nur 176 dieser Wagen gebaut. Beim Dreh kamen zwei davon zum Einsatz weil Uma Thurman das erste crashte. Thurman fiel für eine Woche aus, um sich von den Folgen des Unfalls zu regenerieren.

Kill Bill wurde – natürlich – auf Film gedreht. Der Schwarz-Weiß-Teil des Films ist exakt eine Filmrolle lang. Das nerdigste Easteregg aus Tarantinos Filmographie. Den Dialog über Budds Hut schrieb Tarantino in den Film als Dis gegen Micheal Madsen. Tarantino selbst war es, der den Hut hasste, er versuchte Madsen davon zu überzeugen, ihn nicht beim Dreh zu tragen, aber Madsen bestand darauf. Tarantino gab schließlich nach und ließ Michael Madsen seinen Hut behalten, aber überreichte ihm am nächsten Tag die Drehbuchänderung mit entsprechenden Dialog.

Ursprünglich sollte der Showdown ein Schwertkampf bei Mondlicht am Strand sein, bei dem Beatrix ihr Brautkleid trägt. Aber Harvey Weinstein bestand darauf, dass die Szene geschnitten wird, da die Dreharbeiten schon so lange angedauert hatten. Daher lässt Tarantino Bill dieses geplante Ende dann nur erzählen. Die Flöte, die Bill spielt, hatte David Carradine selbst geschnitzt. Die Hacienda von Bill war in Wirklichkeit das damalige Haus von Heidi Klum und Seal.

Filmisches Erzählen in Kill Bill 2

Western oder Eastern?

Daniel vertritt die steile These, dass der erste Teil von Kill Bill ein Eastern ist, der zweite hingegen ein Western. Arne widerspricht und will die Trennung nicht so streng sehen. „Man kann den Western auch nich aus Kill Bill 1 rausrechnen“.

Natürlich sind beide Teile ein Mash-up aus verschiedensten Genres. So gibt es mit der Trainings-Sequenz natürlich einen großen Block Martial-Arts, es gibt den Zombiefilm – wenn die Hand aus dem Grab kommt, Survival – wenn die Braut im Sarg steckt. Aber wenn man die Komposition der beiden Filme betrachtet, dann liegt im ersten Teil der Fokus auf klassischen Eastern-Szenen wie dem „Tea House Fight“ oder dem „Garden Fight“. Im zweiten Teil läuft hingegen alles auf den großen Trope des Westerns hinaus: Das Duell. Der Film beginnt schon mit einen Zitat von The Searchers, um die Stimmung zu setzen. Während Beatrix im ersten Teil den Anzug von Bruce Lee trägt, läuft sie im zweiten mit Cowboystiefeln, Jeans und Karohemd rum und tritt den Showdown nicht mit ihrem Schwert sondern mit einer Pistole an und wird dann auch von Bill mit einer Pistole mit dem Wahrheitsserum angeschossen.

Weitere Unterschiede zwischen den beiden Teilen von Kill Bill

Das Tempo ist viel langsamer als im ersten Teil: Während der erste Film ein Plott-getriebenes Actionfeuerwerk war, kehren in Teil zwei von Kill Bill die typischen Tarantino-Dialoge zurück und machen den Film zu einem eher Charakter-getriebenen Werk. Während die Braut im ersten Teil agiert, wird sie hier zum Reagieren gezwungen: Während sie im ersten Teil viel austeilt, steckt sie hier vor allem viel ein.

Der Name der Braut

Warum wird der Name „Beatrix Kiddoh“ im ersten Teil von Kill Bill ausgepiept und ist hier zu hören? Ist das nur eine der vielen schrulligen Witze von Tarantino? Genau wie ihr Name nicht im ersten Teil gehört wurde, sah man auch Bill nie. Beides wird ziemlich früh in Teil zwei geändert. Ganz ohne Frage war das für Tarantino ein großer Spaß. Aber es kommt noch ein zweiter Aspekt hinzu: Die Braut ist in Kill Bill 1 ist im ersten Teil viel anonymer. Eine Token-Martial-Arts-Kämpferin auf einem Rachefeldzug. In Kill Bill: Vol. 2 erfahren wir ihre Backstory, die Schablone bekommt einen richtigen Charakter und hat sich damit einen Namen verdient.

Die Klammer um den Film

Tarantino liebt es Klammern um seine Filme zu packen. Reservoir Dogs beginnt mit einem Dialog über Madonna und endet mit einem gespiegelten Shot von Michelangelos Pietà. In Pulp Fiction spielen Prolog und Epilog im selben Diner und bilden eine (zweigeteilte) Szene. Jackie Brown ist zu Beginn Teil der Diegese, während extradiegetisch „Across the 110th Street“ läuft und am Ende ist sie aus der Diegese ausgestiegen, wenn wieder „Across the 110th Street“ läuft und sie mitsingt.

Kill Bill: Vol. 1 beginnt nun mit Nancy Sinatras “Bang Bang (My Baby Shot Me Down) “ – einem Lied, in dem Sinatra davon singt, wie ein Mann sie als Kind mit einer Spielzeugpistole erschießt und später ihr Herz bricht. Kill Bill: Vol. 2 endet dann damit, dass Bill zunächst so tut, als hätte Beatrix ihn mit einer Spielzeugpistole erschossen. Kurz darauf bricht sie ihm buchstäblich das Herz.

Die Sarg-Szene

Eine der stärksten Szenen in Kill Bill 2 ist die Sargszene. In der Mitte des Films wird Beatrix lebendig begraben. Der geübten Zuschauerin ist natürlich klar, dass sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht sterben kann. Die Frage ist also, wie kommt sie aus dieser ausweglosen Situation wieder raus? Eigentlich kann hier nur eine Deus ex Machina folgen. Denn sie liegt im Sarg und hat nichts, das ihr helfen kann. Aber ein bloßer Zufall als Rettung währe gecheatet. Daher folgt nun eine 30 minütige Rückblende, die uns erzählt, wie Beatrix die Fähigkeit erworben hat, sich aus dieser Situation zu befreien. Im Rahmen dieser Rückblende bekommen wir das vermeintlich unwichtige Detail der “Five Point Palm Exploding Heart Technique” erzählt, das sich später als Chekhovs Gun entpuppt und zum namensgebenden Kill führt. Das ist ein verdammt gutes Drehbuch!

Eine Fantheorie zum Tod von Bill

Es gibt eine Fantheorie, wonach Beatrix Bill gar nicht tötet. Hier die Argumente:

  • Bill fragt Beatrix, ob Pai Mei ihr die “Five Point Palm Exploding Heart Technique” beigebracht hat. Während sie das bestätigt, schüttelt sie aber den Kopf.
  • Beatrix schlägt nicht fünf Mal zu sondern sechs Mal!
  • Bill mach sechs Schritte und nicht fünf.
  • Als Beatrix auf dem Badezimmerboden liegt, sagt sie immer wieder „Thank you!“ Wem dankt sie da? Bill natürlich, der sie und B. B. hat gehen lassen!
  • Als man Bill im Abspann noch einmal sieht, liegt sein einer Fuß etwas anders.
  • Außerdem wird sein Name im Abspann nicht durchgestrichen.

The only conclusion based on this entire sequence is that Beatrix does not kill Bill in Kill Bill.“

Kritik an Kill Bill: Volume 2

Wie schon beim ersten Teil haben wir einige Kritikpunkte an dem Film diskutiert (Unsere seh hörenswerte Meinungen 😉 dazu gibt’s im Cast):

  • Budd fällt dem Talking Murderer Syndrome anheim und macht den klassischen Fehler, die Braut nicht einfach umzubringen. Stattdessen hat er einen typisch-komplizierten Plan, der natürlich schief geht. By The Way: Beatrix macht genau das gleiche mit Elle Driver.
  • Viele Menschen sehen Realismus und Naturalismus als die höchste Form der filmischen Darstellung an. Das ist aber etwas, auf das Tarantino komplett verzichtet. Seine Filme sind bewusst künstlich. Aus jeder Szene trieft die ganz offensichtliche Inszenierung. Das kann man natürlich auch kritisieren.
  • Der Film bietet nur Eskapismus: Er stellt Gewalt glamourös, als Fetisch und übernatürlich dar.

Tarantinos Entwicklung

Genauso untersuchen wir weiter, wie sich Tarantino als Regisseur entwickelt.

Starke Frauen: Beatrix schlägt in ihrem Auftreten einen schönen Bogen. Sie beginnt quasi als maximal weibliches Symbol – als schwangere Braut. Über weite Teile des Films tritt sie dann komplett unsexualisiert, androgyn auf. Am Ende ist ihre Präsenz dann wieder weiblich: Sie trägt einen Rock, einen figurbetonten Top und ist wieder Mutter.

Erlösungsgeschichte: Am Ende des Films, nachdem alles vorbei ist, liegt Beatrix halb weinend halb lachend am Boden im Bad eines Motels. Wie Arne schön feststellt, symbolisiert dies den finalen Erlösungsmoment, wenn ihr weinen aufgrund der traumatischen Erfahrungen in ein Lachen übergebt, dass sie tatsächlich überlebt hat und ihr eine Zukunft zusammen mit ihrer Tochter bevorsteht.

Musik: Der Soundtrack ist etwas schwächer als im ersten Teil.

Kamera: Wenn das Deadly Viper Assassination Squad am Anfang die Kapelle betritt, dreht die Kamera dezent weg, statt einmal mehr den Gewaltakt zu zeigen. Das ist ein Stilmittel, das Tarantino schon in der Folterszene in Reservoir Dogs angewandt hatte. Zweimal gibt es den Dead-Body-Shot zu sehen: Wenn die Braut am Boden liegt und Budd und sein Gehilfe über ihr stehen. Beim zweiten Mal liegt dann Budd und Elle Driver steht über ihm.

Schauspielerführung: Wir feiern David Carradine ab. Er spielt nicht nur gut und trägt nicht bloß gut die schrulligen Lines vor, die Tarantino ihm auf den Leib geschrieben hat – er geht komplett in der Rolle auf. Tarantino holt das Beste aus diesem Schauspieler heraus, der im Laufe seines Lebens kein glückliches Händchen bei der Wahl seiner Rollen hatte.

Superhelden-Quatschkram

Christian kritisiert die Superman-Interpretation von Bill. Bill sagt das Superman die wahre Identität ist und Clark Kent das Kostüm – Supermans Kritik an der Menschheit. Christian legt Wert darauf, dass Superman eine Dreifach-Identität hat: Hinzu kommt noch Kal-El, die Geburtsidentität. Clark Kent wiederum ist die Identität, in der Superman aufwächst. Superman ist die Symbiose seiner Veranlagung (Kal-El) und seiner Erziehung (Clark Kent). Arne wendet ein, dass es verschiedene Inkarnationen von Superman gibt. Manche, die eher zu Christians Lesart passen, aber auch andere, die eher zu Bills sich passen.

Pai Mei

Unabhängig vom Superhelden-Quatschkram bringt Tarantino mit Pai Mei wieder das Comic-hafte in den Film. Die komplette Sequenz ist so abgehoben, dass man sich vorstellen kann, dass Pai Mei tatsächlich nur die Legende ist, von der Bill zu Beginn der Sequenz erzählt.

Easter Eggs & Tarantinos Universum

Zitate und Referenzen in Kill Bill: Vol. 2

Die Rezeption von Kill Bill 2

Der Film spielte 153 Mio weltweit ein. Beide Filme zusammen also 334 Mio bei 52 Mio Budget. The Whole Bloody Affair wurde damals in Cannes gezeigt. Beim ersten Testscreening in Austin, Texas bekam Kill Bill 2 fünf Minuten lange Standing Ovations. Die Reaktion war so beeindruckend, dass Harvey Weinstein darauf verzichtete, die Zuschauer den obligatorischen Fragebogen ausfüllen zu lassen.

Uma Thurman und Daryl Hannah konnten sich nicht ausstehen. Bei der Promo-Tour wurde streng darauf geachtet, dass die beiden in Hotels und Kinos sich nicht begegnen müssen. In Cannes gab es getrennte Bereiche für die beiden bei der After-Show-Party und als sie bei den  MTV Movie Awards 2005 in der Kategorie „Best Fight“ gewannen, ging nur Hannah hin.

Tarantino  hat wiederholt angekündigt, dass es einen Teil 3 geben soll.

Preise & Bestenlisten von Kill Bill 2

Lesenswert

The End.

Die 16 besten Podcastfolgen 2016

Es ist wieder soweit. Ein weiteres Jahr ist um und immer, wenn mich jemand fragt: Daniel, woher hast du eigentlich deine brillante Allgemeinbildung und dein fundiertes Hintergrundwissen? Dann antworte ich: Ich habe derzeit 106 Podcast abonniert! Gut, eigentlich fragt mich das nie jemand … Dennoch kann nur ich das tun, was nun folgt. Aus einer langen Tradition heraus präsentiere ich euch die 16 besten Podcastfolgen des Jahres 2016!

And here we go ...

Lasst uns den Reigen beginnen! Das machen wir – wie könnte es im Spätfilm anders sein – mit einem Filmpodcast. Denn einen richtig feinen lieferte letztes Jahr die CineCouch ab:

Platz 16: CineCouch – Folge 170: Blockbusterkino

Der Blockbuster-Sommer hielt einige qualitative Tiefschläge für uns bereit. Allen voran schrieben Batman v. Superman und Suicide Squad dem anspruchsvolleren Publikum ein kollektives „DAFUQ?!?!?“ auf die Netzhaut. Das veranlasste die CineCouch im September sich einmal diesem merkwürdigen Wesen mit Namen „Blockbuster“ zu widmen. Herausgekommen sind über zwei Stunden interessantes, fundiertes und hochunterhaltsames Hörmaterial von vier der fünf Couchsitzer/innen.

Batman ist geknickt.

Platz 15: hr2 Der Tag – Heute schon gehasst? Aggression im Netz

Nach über fünf Jahren hat es doch tatsächlich mal wieder ein öffentlich-rechtlicher Podcast in meinen Catcher geschafft! hr2 Der Tag macht Essay-Sendungen, die sich mal besser, mal schlechter um ein aktuelles Thema drehen. Leider ist Hass im Netz sehr aktuell, doch wie hr2 Der Tag das Thema aufbereitet hat, war wirklich hörenswert! Da zahle ich doch gerne GEZ.

Platz 14: Superhero Unit #07 – Batman (1989)

Die deutsche Filmpodcastlandschaft erhielt dieses Jahr einige Neuzugänge! Einer davon war die Superhero Unit, auch wenn sie mit Arne vom Enough Talk! und Christian von der Second Unit von zwei alten Hasen gemacht wird. Die beiden schauen sich einmal chronologisch durchs Superhelden-Genre. Das ist oft sehr hörenswert. Und ihren bisherigen Höhepunkt lieferten die beiden im Juli mit ihrer Folge zu Tim Burtons Batman ab.

Dacing Robin

Platz 13: Anycast – ANY067 – Der Perspektivlosigkeit ganz nah

Mit Platz 13 ist ein Eintrag ins Podcast-Klassenbuch verbunden: Der Anycast muss wieder mehr Sendungen machen! Denn mir fehlt die gepflegte Laberrunde von Renke, Dennis und Cornelis. Dass sie diese Kunst beherrschen, haben zwei der drei nach den Landtagswahlen im März gezeigt. Ihr erinnert euch sicher an die braunen Ergebnisse und wo andere viel analysierten, da haben Renke und Dennis mal ganz gepflegt abgekotzt (ohne das Analyiseren ganz zu vergessen). Das war für ihre und unsere Psycho-Hygiene sehr gut. Unbedingt mehr davon!

Platz 12 – Übermedien – Zur Lage der Medien (1) – Vom Aufschaukeln und Zweifeln

Ich bin so alt und höre schon so lange Podcasts, dass ich mich an die beiden „Wir Müssen Reden„-Folgen erinnern kann, in denen Stefan Niggemeier und Sascha Lobo zu Gast waren. Und wenn mich nicht alles täuscht, haben beide damals dieses Podcasten eher belächelt. Aber das war ja schon 2012 respektive 2013 – also als Podcasts noch in kleinen finnischen Clubs spielten. Heutzutage casten Niggi und Lobo selbst und gemeinsam. Damit fingen sie im März 2016 an und gleich mit ihrer ersten Folge legten sie ein ordentliches Brett vor. Sie sprechen über Soziale Medien, wie diese Medien sich geändert haben und wie sie die Menschen verändern, die sie benutzen.

Platz 11: Diverse Talk! #014 – Träumen, Fliegen, Aufwachsen – Das Kino des Hayao Miyazaki (Feat. Tamino)

Wenn der Enough Talk! Gäste hat, dann wird er zum Diverse Talk! Und wenn – wie im Juli – Arne mit den anderen 50% der Second Unit, Tamino, redet, dann ergibt das die mit Abstand längste Sendung dieser Charts: 4 Stunden und 40 Minuten ließen sich die beiden Zeit, um verbal durch das filmische Lebenswerk des Anime-Regisseurs Hayao Miyazaki zu schlendern. Aber ich kann euch sagen: Das ist nicht eine Minute zu lang! In diesen 4:40 Stunden werden alle Klassiker von Miyazaki gebührend gefeiert, sei es Nausicaä, Totoro, Chihiro oder wie sie alle heißen. Setzt die Kopfhörer auf und haltet euch gut fest, denn hier wird geflogen!

Totoro fliegt

Honorable Mentions: Über den großen Teich gehört

Wie sich das gehört, schweife ich jetzt erst einmal ab. Denn in diesem Jahr haben es nur deutschsprachige Podcasts in meine Jahrescharts geschafft. Dennoch höre ich auch den einen oder anderen Cast aus Amerika, dem UK und … äh … München.

Da gibt es zum Beispiel dieses unbekannte Indieprojekt Serial. Das ist 2016 in die zweite Staffel gegangen. Die ist zwar nicht ganz so gut wie die erste, aber als kleinen Geheimtipp lass ich euch das mal hier stehen. Wer es hingegen eher etwas trockener, nicht so auf hochglanz produziert mag und der oder die gerne mal nachdenkt, dem oder der empfehle ich History of Philosophy Without Any Gaps – Der Name ist Programm …

Außerdem habe ich angefangen, intensiver This American Life zu hören – Ich weiß, das ist wie Pizza zu empfehlen: Jede weiß schon lange, dass das gut ist. Aber ich mache es trotzdem! Ihr fragt „Seriously?“ Und das zurecht, denn so hieß Folge 599 von TAL. Sie handelte von einigen der übelsten Lügen im US-Wahlkampf – einem der bestimmenden Themen im letzten Jahr. Wir werden darauf zurückkommen …

Weniger Aktuell sind die Themen, die You Must Remember This sich vornimmt – auch wenn es sich diesmal nicht so anfühlt. Bereits 2015 schaffte es Karina Longworth in meine Honorable Mentions und auch 2016 lieferte sie wieder eine verdammt gute Staffel über die Hollywood Blacklist ab: Über das Arbeitsverbot vieler Menschen in Hollywood zu Zeiten der Kommunistenjagd in den USA. Wichtiger Teil dieser Geschichte ist Charlie Chaplin und als YMRT die finale Rede aus der große Diktator wiedergab, da stiegen mir an der Bushaltestelle die Tränen in die Augen.

Zum Heulen ist auch das Thema Gewalt, das zeigt, wie nah Chaplins Worte an unserer Zeit sind und das in einem Doppelpakt auf den Plätzen 10 und 9 beackert wurde …

Platz 10: Soziopod #043: Mein Kick, meine Ehre, meine männliche Gewalt

Der Soziopod hat dieses Jahr einige starke Folgen rausgehauen: Die Folgen über Luhman und Foucault waren schon ganz feine Kost. Aber das Rennen hat dann eine Folge aus dem Januar gemacht, denn in Zeiten, in denen sowohl rechtsradikale als auch islamistische Idioten sich in Gewalt üben, da brauchen wir Menschen, wie Doktor Köbel und Herrn Breitenbach, die uns erklären, warum Männer körperlich gewalttätig werden.

Platz 9: Forschergeist – FG030 Konflikt- und Gewaltforschung

Dass das Thema Gewalt leider nicht verschwand zeigte der Juni, denn hier konstatierte Tim Pritlove, dass das Thema aktuell und wichtig ist. Er sprach mit Andreas Zick vom Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Uni Bielefeld über Konflikte und Gewalt. Es ging um Fußball und Hooligans, Islamisten, rechte Gewalt und Hate Speech. Ganz unaufgeregt und wirklich außergewöhnlich aufschlussreich.

hugging

Platz 8: Explikator – Expl0448: Glyphosat

Erinnert ihr euch noch an Glyphosat? Das war im Mai un Juni ein verdammt heißes Thema … Folgefrage: Wisst ihr noch, wie die EU entschieden hat? Nein? Kleine Erinnerungsstütze: Der europäische Rat konnte keine Mehrheit finden für die Verlängerung der Zulassung des Herbizits. Daher hat die EU-Kommission die Zulassung … natürlich verlängert! Läuft bei der EU. Frage mich, warum die eigentlich so unbeliebt ist.

Aber auf einem anderen Blatt steht, wie gut oder böse Glyphosat denn eigentlich ist? Die einen beteten gegen den Unkrautvernichter an wie der Exorzist gegen die kleine Regan. Die anderen jazzten das Mittel zum Heilsbringer von Frieden und Wohlstand hoch. Den differenziertesten Beitrag zu dieser Debatte lieferte im Mai der Explikator. In ca. 10 Minuten ermöglichte er eine solide Meinungsbildung. Das brachte ihm Platz 8 in diesen Charts ein!

Platz 7: Second Unit #191 (Die Tribute von Panem – The Hunger Games)

Am 27. und 28. Mai ereignete sich unverhofft der @_noujoum-Doppelschlag in meinem Podcatcher. Zusammen mit ihren Co-Hosts lieferte Miriam Seyffarth zwei Sendungen zu zwei komplett unterschiedlichen Themen ab: Eine hörenswerter als die andere! Die eine Sendung war die Besprechung des Films The Hunger Games zusammen mit Christian von dieser Second Unit. Moment … Schon wieder die Second Unit? Die scheinen halbwegs anständige Podcasts zu machen … Die Hunger Games waren bislang ein Film, für den ich nur so latentes Interesse hatte: Mal gesehen, zur Kenntnis genommen, dass er eine starke Actionheldin hat, ansonsten wieder vergessen. Vielleicht zu unrecht. Denn Miriam und Christian schälten spannende Aspekte aus der Geschichte heraus. Das solltet ihr euch unbedingt mal anhören.

Haymitch approves

Platz 6: CRE212 Saudi Arabien

Die zweite Sendung im Mai mit Miriam war Tim Pritloves CRE. Dieser Tim ist auch so ein talentierter Nachwuchspodcaster. Er kann wirklich gute Interviews führen. Ihr solltet ihm vielleicht mal eine Chance geben … Pizza eben. Jedenfalls erzählte Miriam hier von ihren Auslandsaufenthalten in Ägypten und vor allem in Saudi Arabien. Das ist schon allein deshalb ein wichtiges Thema, weil wir in Zeiten leben, in denen ständig Angst vor Arabern geschürt wird. Aber wenn es so gemacht wird wie hier, dann ist das Thema nicht nur wichtig sondern auch überaus spannend aufbereitet. Vielen Dank dafür!

Honorable Mentions: Filmpodcasts

Wie schon im letzten Jahr muss ich mich ein bisschen dafür entschuldigen, dass diese Liste recht Filmpodcast-lastig ist. Ich bin mir sicher, es gibt ein paar gute Strick- oder Autopodcasts da draußen. Vielleicht empfiehlt sie mir jemand ja in den Kommentaren … Derweil schiebe ich euch mal ein paar Filmcasts hinterher. Denn, was qualitativ hochwertige Filmbesprechungen anbelangt, hat der deutschsprachige Podcastraum so einiges zu bieten!

Da gibt es zum Beispiel, die Abspanngucker. René Hoffmann und Alexander Sobolla haben erst 2016 mit dem Sprechen in Mikrofone angefangen, machen das aber so gut, dass sie schon jetzt zu den Casts gehören auf die ich mich freue. Habt ihr Westworld gesehen? Alexander und René liefern einen kritischen Blick auf die Hype-Serie.

Bereits 2015 begannen die Archivtöne ihr Archiv zu bestücken. Jan und Kamil haben eine sehr feine Herangehensweise an das Podcasten über Filme: Sie ziehen Zettel aus einem Hut, auf denen „Challenges“ stehen. Filme zu – teilweise obskuren – Themen, die sie dann besprechen. Zum Beispiel: „Filme mit einem Personalpronomen im Titel“ oder „Filme, in denen die Hauptfigur Vollbart trägt“.

Wenn du so viele Filmpodcasts hörst wie ich, dann kennst du ein lustiges Phänomen. Ich nenne das mal zusammenhangslos „Erschütterung der Macht“. Das ganze Jahr senden die verschiedenen Casts so vor sich hin, doch manchmal (zum Beispiel wenn ein neuer Star Wars erscheint) sprechen fast alle über den gleichen Film. Ein solcher Film war 2016 zum Beispiel Arrival. Ich könnte euch hier 20 – 30 Sendungen dazu verlinken. Aber ich beschränke mich auf eine: Der Longtake lieferte zu diesem Film eine sehr hörenswerte Sendung ab.

Erschütterung der Macht

Ein anderes Thema, das in der deutschsprachigen Filmpodcastlandschaft ein Dauerbrenner ist und das mich mittlerweile zu nerven beginnt, sind die 80er. Es soll ja Podcasts geben, die sich komplett der 80er-Nostalgie verschrieben haben …

the horror

Oh … falsches Jahrzehnt. Anyway! Wenn schon 80er-Nostalgie, dann kommt mir nur ein Podcast auf den Kopfhörer – Ein Pärchen, das mit ansprechend viel Kritikvermögen an die Sache herangeht ohne das Schwärmen zu vergessen: Das Bahnhofskino.  Angemessen unter Beweis gestellt haben sie diese Kunst zum Beispiel in diesem Arnold-Schwarzenegger-Double-Feature.

Okay, gleich habt ihr es geschafft, aber einen Filmpodcast habe ich noch für euch! Denn wenn Patrick vom Bahnhofskino und Christian von der Second Unit (der schon wieder!) zu Gast sind bei Dennis vom Lichtspielcast, um über David Fincher zu reden, dann ergibt das den besten Filmpodcast des Jahres und Platz 5 dieser Charts!

Platz 5: Lichtspielcast Bonusepisode – David Fincher Teil 2

Das ist ein bisschen gecheatet, denn Teil 1 müsst ihr natürlich auch hören, um Finchers Lebenswerk einmal komplett nacherzählt, analysiert und rezensiert zu bekommen. Aber der besagte erste Teil kam noch auf den letzten Drücker 2015 raus. Im zweiten Teil aus dem Januar erwarten euch fundiertes Wissen von Dennis, Christian und Patrick über die Jahre 2007 bis 2014 in Finchers Schaffen mit Filmen wie Zodiac, Social Network oder Gone Girl. Außerdem erwartet euch viel Schwärmerei über einen der besten lebenden Regisseure und etwas Stirnrunzeln über Benjamin Button.

Platz 4: Chaosradio – CR221 Künstliche Intelligenz

Schrieb ich vorhin, dass hr2 Der Tag, die einzige öffentlich-rechtliche Sendung in meinem Podcatcher ist? Nun, das stimmt nicht ganz … Denn zwar steckt ganz viel CCC im Chaosradio, aber eben auch etwas Radio Fritz. Im April stießen die Chaoten (SCNR!) das Tor zur Zukunft ganz weit auf, um uns endlich mal zu erklären, was es mit dieser künstlichen Intelligenz auf sich hat, von der jetzt alle reden. Dank fundiertem Wissen von Tobias, Benthor, Priska und Clemens einerseits und Marcus‘ eiserner Moderation andererseits kam am Ende eine Sendung heraus, die mehr Sience als Fiction war, dieses komplexe Thema angenehm runterkochte und entmystifizierte.

Es ist Zeit, das Treppchen zu betreten …

Platz 3: Erscheinungsraum – ER042 Wie Mazedonier mit Lügen im US-Wahlkampf Geld verdienten

Noch mehr nach Sience Fiction klingt diese Geschichte: Donald Trump wurde zum US-Präsidenten gewählt. Bekloppt, was? Aber da endet die Unglaublichkeit noch nicht. Verkrüzt wird uns oft erzählt, dass Trump wegen Fakenews zum Präsidenten wurde. Diese Fakenews wiederum wurden sich von ein Paar Jugendlichen in Veles, einer kleinen Stadt in Mazedonien ausgedacht. Das ist so unglaublich, das kann selbst nur Fakenews sein! Oder etwa nicht? Was würden wir dafür geben, wenn wir jemanden kennen würde, der oder die verlässlich Auskunft zu dieser Phantasterei geben könnte … Zum Glück kennt Katrin Rönicke den! In Ihrer Reihe Erscheinungsraum Ost sprach sie mit  Krsto Lazarevic über Fakenews, Veles und was da eigentlich dran ist. Herausgekommen ist ein exellentes Stück Journalismus und einer der Gründe, warum ich Podcasts liebe!

Trump Nice!

Und Silber geht an …

Platz 2: Fokus Europa – FE017 Außen- und Sicherheitspolitik

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber wenn ich an Russland und sein Verhältnis zum Westen denke, dann wird mir schon etwas mulmig zumute. Nennt mich einen unverbesserlichen Optimisten, aber bei all seiner Dummheit hoffe ich tatsächlich darauf, dass Donald Trump und sein Buddy Putin etwas Entspannung in die internationalen Beziehungen bringen. Das ist zwar nicht die schönste Lösung, die ich mir vorstellen kann, aber das ist Diplomatie selten. Und ich frage mich, wie lange sich West und Ost noch von Eskalation zu Eskalation hangeln können, bevor wirklich alles in die Luft fliegt.

Eine ganz andere Frage lautet: Wie konnten wir eigentlich in dieses Schlamassel hineingeraten? Als ich jung war, da hieß es immer, der Kalte Krieg ist jetzt vorbei und Russland unser Freund. Wie konnte von dort alles so dermaßen schief laufen? Das wusste im Mai Ulrich Kühn, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg in Fokus Europa zu berichten. Wer macht den Podcast noch gleich? Ach ja, ein gewisser Tim Pritlove. Ich frage mich, wo ich den Namen schon einmal gehört habe …

confused

And the winner is …

Platz 1: Technische Aufklärung – TA041 – Drohnen und der geheime Krieg

Eigentlich wollte ich hier noch eine Abschweifung über Geschichtspodcasts einschieben. Die habe ich 2016 neu für mich entdeckt und könnte euch den einen oder anderen empfehlen. Aber wenn ihr überhaupt bis hier gelesen habt, dann möchte ich euch nicht länger auf die Folter spannen: Die beste Podcastfolge des Jahres 2016 stammt von der Technischen Aufklärung! TA ist gewissermaßen auch ein Geschichtspodcast, denn normalerweise erfüllt der Cast eine zeitgeschichtliche Chronistenpflicht und berichtet aus dem Geheimdienst-Untersuchungsausschuss.

Als der Bundestag im August Sommerpause hatte, trat die Aufklärung mal einen Schritt vom Tagesgeschäft zurück, lud Norbert Schepers ein und sprach mit ihm über den geheimen Drohnenkrieg.

Wisst ihr, ich habe von meiner Oma tatsächlich noch den Spruch gehört: „Man hat es nicht gewusst“. Und wisst ihr was? Ich glaube meiner Oma sogar, dass sie nichts vom Holocaust gewusst hat. Sie war ein herzensguter Mensch. In den Jahren, die wir gemeinsam über diesen Planeten wanderten, hat sie immer stramm sozialdemokratisch gewählt und im Nationalsozialismus war sie eine junge Mutter von drei Kindern. Welche Menschenrechtsverbrechen genau in ihrem Land abliefen, hat sie wahrscheinlich nicht gewusst.

Diesen „Luxus“ haben wir nicht. Sollten unsere Kinder oder Enkel uns mal fragen, warum wir zuließen, dass flüchtende Menschen im Mittelmeer ertrinken oder warum sie unter anderem vor unseren Kampfdrohnen flohen, die ohne völkerrechtliche Legitimation und mit großem (verzeiht das Wort) Kollateralschäden Menschen ermordeten, dann können wir nicht sagen, „wir haben es nicht gewusst“. Denn dafür, dass wir zum Beispiel wissen, wie dieser geheime Krieg abläuft, dafür hat unter anderem die Technische Aufführung in diesem Jahr gesorgt. Deshalb ist TA041 die beste Podcastfolge des Jahres 2016,

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Die nächsten Podcast-Folgen-Charts gibt es 2017. Hoffentlich werden sie weniger deprimierend …