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15 Trends, die uns das Filmjahr 2015 brachte

Ich kam dieses Jahr fast nicht dazu, ins Kino zu gehen, daher kann ich keinen Jahresrückblick machen, in dem Sinne, dass ich euch von Filmen vorschwärmen kann. Aber ich habe euch zugehört und euch gelesen und das gab mir vielleicht das, was mein ehemaliger Linuistik-Prof eine mittlere Distanz nannte. Eine mittlere Distanz braucht man, um etwas gut untersuchen zu können. Ich glaube jedenfalls, ein paar Trends erkannt zu haben, die das Filmjahr 2015 brachte und die ich insgesamt ziemlich spannend finde, weswegen ich – obwohl ich fast nichts gesehen habe – sagen kann: 2015 war ein gutes Jahr für den Film.

Manche dieser Trends, genau wie manche der Filme, die ich erwähnen werde, schwappen noch aus 2014 mit in meine Betrachtung rein und andere werden erst 2016 kommen, schließlich halten sich größere Entwicklungen nicht an Jahresabschnitte. Aber fangen wir an, zunächst noch mit ein paar Captain-Obvious-Punkten, die ich aber erwähnen muss, damit ich die 15 vollkriege 😉 . Wir werden uns dann zu den richtig spannenden Entwicklungen am Ende dieses Listicles steigern. Beginnen wir mit einigen Come-Backs:

I'll be back

1. „Star Wars ist zurück und geht nie wieder weg“

Den Satz habe ich mir von Christian von der Second Unit ausgeliehen und er trifft vollkommen zu. Star Wars: The Force Awakens leistete alles, was es leisten musste: Es war besser als die Prequels, es bot den alten Fans genug Nostalgie, um sich wieder jung zu fühlen und eine Hand voll guter Charaktere für die neuen Fans. Ob es ein guter Film war, kann ich noch nicht beurteilen, aber darum geht es mir hier und im folgenden Artikel nicht. Wir werden in Zukunft jedes Jahr einen Star-Wars-Film bekommen und auch Netflix scheint die dazugehörenden Serien zu bringen. Und wisst ihr was? Im Augenblick habe ich da richtig Bock drauf! Mal schauen, wann bei mir die Marvelmüdigkeit in Bezug auf diese weit, weit entfernte Galaxie eintritt.

Star Wars ist zurück

2. Pixar ist zurück

Nachdem Pixar uns in den 00ern etwa mit WALL.E und Up! ein Paar echte Perlen der Filmgeschichte geschenkt hatte, spulten sie in diesem Jahrzehnt nur ihr Pflichprogramm ab. Wir bekamen drei Fortsetzungen und in dem einzigen Jahr, in dem sie mit Brave mal was neues wagten, war das ziemlich inspirationslos und sie wurden vom Mutterkonzern Disney mit Frozen schlichtweg deklassiert. Habe ich schonmal erwähnt, dass Frozen ein fucking Meisterwerk ist und ihr den Film alle sehen müsst!?! Aber mit Inside Out ist Pixar jetzt endlich wieder in der Spur. Schön!

Joy!

3. Der Western ist zurück

Anders als mit dem Gangsterfilm in den 90ern, musste Tarantino sich diesmal richtig ins Zeug legen, damit Hollywood auf seinen großen Eisenbahnraub aufspringt. Nachdem der Großmeister mit Kill Bill 2 und Inglorious Basterds uns zunächst Westernthemen in anderen Genre-Gewändern vorsetzte, wurde er mit Django Unchained und nun The Hateful Eight plakativer. Und endlich raffte Hollywood, was er da machte und lieferte letztes Jahr mit Filmen wie The Revenant, Bone Tomahawk, Slow West oder Netflix‘ unsäglichen The Ridiculous 6 nach. Und auch 2016 wird sich dies, etwa mit Jane Got a Gun oder Brimstone fortsetzen.
Room for one more?

4. Die Siebziger sind zurück

Nachdem seit Jahren die 80er und 90er durchgenudelt werden, wurden 2015 gleich drei Franchises der 70er erfolgreich wieder aufgegriffen und ins 21. Jahrhundert geführt: Star Wars hatte ich schon erwähnt, Mad Max: Fury Road war in aller Munde und auch die Rocky-Fortsetzung Creed löste wohlwollende Kritiken und respektable Einspielergebnisse aus. Eine Alien-Fortsetzung ist bereits angekündigt uns es würde mich nicht wundern, wenn wir in naher Zukunft Neuverfilmungen oder Fortsetzungen von Dirty Harry, Jaws oder The Exorzist sehen werden.
Fury Road, take me home ...

5. Die Renaissance des guten Horrofilms

Doch das überraschendste „Comeback“ hatte 2015 meines Erachtens der Horrorfilm. Er war ja nie weg, aber er war ziemlich unspannend in den letzten Jahren. Von Ausnahmen abgesehen sahen wir nur Zombies (so sehr ich die mag, sie riechen langsam schon echt komisch), Found-Footage-Filme und Jump Scares. Doch dieses Jahr überschlug sich meine Filterblase vor Entzückung, weil Filme wie It Follows, The Babadook, What We Do In The Shadows, A Girl Walks Home Alone at Night und Ich seh, ich seh endlich wieder Kreativität in dieses Genre brachten. Eine sehr schöne Entwicklung.
Hello Ladies!

6. Agenten gehen immer

Kommen wir von den Come-Backs zu den Trends, die sich fortsetzten. Auch im vergangenen Jahr konnten die Studios sicher sein, dass Agentenfilme ihr Publikum finden. Egal, ob es gute Filme wie Mission: Impossible – Rogue Nation oder schlechte wie James Bond 007 – Spectre waren, die Menschen strömten in die Kinos, um Spione in Action zu sehen. Filme wie Kingsman: The Secret Service, Bridge of Spies, Spy und bedingt wohl auch Sicario konnten sich diesen anhaltenden Trend zunutze machen.
I don't gif a damn

7. Noch mehr Universen noch größer!

Dann hatten wir natürlich auch wieder jeeeeede Menge Superhelden. Marvel ließ nicht nur die Avengers und einen wirklich obskuren Superhelden über die große Leinwand tanzen, nach Agents of Shield legten sie mit Daredevil und Jessica Jones auch auf dem Serienmarkt nach. Besonders die letzten beiden Serien brachten einen angenehm frischen Wind in ein Franchise, das mich ansonsten zunehmend langweilt. Doch auch die Konkurrenz von DC legt nun nach. Nachdem einige Serien wie The Flash, Gotham und Supergirl gelauncht wurden, bekommen wir 2016 mit Batman v. Superman das Äquivalent zu den Avengers. Wie erwähnt wird auch Disney seine Galaxie im Krieg zu einem großen Universum mit Spin-Offs und Serien aufblasen. Und ich kann mir vorstellen, dass wir auch ähnliches mit dem Harry-Potter-Universum erleben werden, sofern das Spin-Off im nun anlaufenden Jahr ein Erfolg wird. Insgesamt finde ich den Trend spannend, denn er erweitert die Möglichkeiten, im Kino Geschichten zu erzählen. Ich bin vor allem gespannt, wann „erwachsene Filme“ auf den Zug aufspringen. Beipielsweise böten sich Wes Andersons Welten an, verflochten zu werden. Auch in Jim Jarmuschs „Only Lovers Left Alive“-Universum würde ich sehr gerne noch tiefer eintauchen … Mal schauen, was da noch geht.
Huiiiiiiiiii

8. Die Netflixication des Kinos

Spannend ist auch, dass genauso, wie Kinofilme nun auf den Serienmarkt und besonders auf Netflix und andere große Player im Streaming-Markt drängen, Netflix anfängt, für die große Leinwand zu produzieren. Mit Beasts of No Nation brachte das Unternehmen einen ersten Film in die Kinos. Die Kinos boykottierten ihn allerdings weitgehend, da Netflix den Film zeitgleich auch schon streamte. Aber auch Amazon legte mit Chi-Raq nach und Chef Jeff Bezos sagte kürzlich im Interview, dass er einen Oscar gewinnen will. Das ist meines Erachtens eine sehr spannende Entwicklung. Mal sehen, wo sie hinführen wird.
Whas geht ab?

9. Erfolg ist planbar

Denn spannende Entwicklungen kann das Kino trotz einiger wirklich schöner Trends in 2015 (zu denen ich gleich komme, versprochen!) wirklich gebrauchen. Im Augenblick kann sich Hollywood einfach auf alten Konzepten ausruhen und die Menschen strömen trotzdem wie blöd ins Kino. Sage und schreibe ACHT der zehn erfolgreichsten Filme des Jahres waren Fortsetzungen! Der erfolgreichste Film des Jahres, Jurassic World hatte mehr als nur durchwachsene Kritiken. Aber warum sollte Hollywood mehr in gute Drehbücher investieren, wenn Mittelmaß reicht, um unglaubliche 1,7 Milliarden zu verdienen? Auch Disney ist auf dem besten Weg, die 4 Milliarden, die sie für Star Wars ausgaben, wieder einzuspielen.
Gaaanz langsam!

10. Young Adult wird erwachsen

Jetzt lehne ich mich mal aus dem Fenster: Ich prophezeie, dass die seit Anfang der 00er-Jahre anhaltende Welle von Young-Adult-Filmen langsam verebbt. Nach Harry Potter und Twilight endeten dieses Jahr nun auch die Hunger Games mit Mockingjay – Part 2 und die Versuche, ein neues Franchise für die Zielgruppe zu launchen, waren noch nicht vom ganz großen Erfolg gekrönt, zwar hatte Maze Runner: The Scorch Trials ein ganz beachtliches Einspielergebnis, aber es löste nicht annähernd so lebhafte Diskussionen in der Kritikerlandschaft aus, wie die oben erwähnten. Im Gegenteil dazu sah man unter den Blockbustern plötzlich wieder erstaunlich erwachsene Filme: The Martian, Mad Max, Mission Impossible und sogar Fifty Shades of Grey richteten sich allesamt eher an ältere Zuschauer. Auch wenn Star Wars neue junge Protagonisten präsentierte, so zeigt die starke Präsenz der alten Garde hier in die gleiche Richtung. Ich möchte behaupten, dass vieles von The 5th Wave abhängen wird, der 2016 erscheint. Wenn dieser Young-Adult-Film einschlägt, wird das Genre weiter dominieren. Falls nicht, werden wir mehr erwachsenere Filme sehen. Natürlich ist es nie ausgeschlossen, dass noch eine Überraschung geschieht und ein Film, den wir jetzt noch gar nicht auf dem Schirm haben, das Ruder wieder herumreißen wird.
Links, zwo, drei, vier ...

11. Near-Sience-Fiction ist der neue heiße Scheiß!

Spannend fand ich, wie sich langsam aber sicher die Near-Sience-Fiction zum neuen heißen Scheiß entwickelt. Sience-Fiction-Filme sehen wir seit Jahren in hoher Zahl. Aber 2015 war dahingehend anders, dass wir nicht mehr nur fantastische oder weit entfernte Welten sahen. Plötzlich waren es Probleme, die uns in wenigen Jahren oder Jahrzehnten beschäftigen werden, die wir auf der Leinwand sehen konnten. Das fing schon 2014 mit Interstellar an: Der Klimawandel zwingt die Menschheit, sich auch nach Lebensräumen außerhalb unseres Planeten umzusehen. The Martian wurde noch einen Schritt konkreter und fragte, was passiert, wenn wir anfangen, zum Mars zu reisen. Aber vor allem gab es Filme, die sich mit künstlicher Intelligenz beschäftigten: Ex Machina, Chappie und auf spezielle Marvel-Art auch Avengers II. Irgendwie gehört auch Tomorrowland in diesen Trend, aber der Film spielte in meiner Filterblase eine so kleine Rolle, dass ich das nicht näher bestimmen kann. Spannend ist auch, dass Interstellar, The Martian und Ex Machina zeigen, dass plötzlich Wissenschaftlichkeit und Realismus wieder eine größere Rolle spielen. Es wirkt so, als hätten wir uns nicht nur in Bezug auf CGI an den großen Phantastereien etwas sattgesehen und nun darf es ruhig wieder etwas realistischer werden.
traurig?
Was mich zum nächsten Punkt bringt:

12. Es darf ruhig ein wenig physisch werden

Ein zaghaftes Pflänzchen keimt in Hollywood und es macht mir große Hoffnung! CGI wird erwachsen. Zwar waren auch letztes Jahr wieder die Bombastschlachten das Non plus Ultra wie die beiden erfolgreichsten Filme des Jahres zeigten: Jurassic World und Avengers II. Aber schon im dritterfolgreichsten Film (Star Wars) wurde wieder echtes Dynamit eingesetzt. Auch Mockingjay II setzte nicht zu 100 Prozent auf den Greenscreen, sondern drehte in Berliner U-Bahn-Stationen und am alten Flughafen Tegel. Doch am meisten stand für diese Hoffnung Mad Max: Fury Road. Wichtig ist, dass in keinem der Filme komplett auf CGI verzichtet wurde. Aber es besteht die Hoffnung, dass wir in Zukunft eine gesunde Mischung aus Computeranimationen und praktischen Effekten zu sehen bekommen.
Brummmmm!

13. Starke Frauen

Star Wars, Mad Max und Mockingjay stehen auch für einen weiteren, äußerst erfreulichen Trend: Endlich sehen wir vermehrt starke Frauen. Rey, Furiosa und Katniss Everdeen waren die Speerspitze dieses Trends, aber auch dahinter gab es erfreuliches zu vermelden! Inside Out hatte weiblich konnotierte Protagonistinnnen, in Ex Machina wurde unter anderem auch die Objektivierung der Frau mitverhandelt, mit Jessica Jones verabschiedet sich Marvel vom Pimmelträgeruniversum, in dem Black Widow als Schlampe bezeichnet wird. Und sogar Filme, bei denen das Konzept am Ende nicht gaNZ aufging wie Terminator: Genisys und James Bond versuchten starke Frauen irgendwie miteinzubauen.
Rey!!!!

14. Der Einfluss des Computerspiels

Der Trend der langen Takes und POV-Shots läuft schon ein paar Jahre. Filme wie Children of Men, Gravity und Maniac sind in ihrer Ästhetik ganz klar vom Computerspiel beeinflusst. Aber 2015 wurde noch einmal eine Schaufel draufgepackt. Das zeigt nichts besser als die beiden One-Taker. Sei es der „gefakte“ in Form von Birdman oder der „echte“, präsentiert von Victoria. Dass Filme ohne sichtbare Schnitte funktionieren, zeigt ganz klar, dass Computerspiele unsere Sehgewohnheiten in diese Richtung verschoben haben. Und auch in der zweiten Reihe finden sich Filme, die das verdeutlichen: Saul fia folgt seinem Protagonisten wie ein Third-Person-Shooter und irgendwie gehört auch Tangerine, der komplett mit einem iPhone gefilmt wurde, in diese Kategorie, auch wenn hier nicht das Videospiel sondern eben das Smartphone unsere Sehgewohnheiten verändert hat. Oder vielleicht gehört Tangerine auch eher in die nächste Kategorie
Flieg, kleiner Birdman!

15. Everything is a Remix

Denn die Generation YouTube ist in Hollywood angekommen. The Lego Movie, Terminator, Jurassic World, Star Wars und auch ein bisschen James Bond zeigten, dass Remake und Sequel mehr und mehr verschmelzen. Wie sehr die Grenzen zwischen „echten Filmen“ und der Remixkultur von YouTube verschmelzen, zeigte nicht zuletzt der Kurzfilm Kung Fury, der ziemlich genau auf der Mitte dieser Grenze lag. Ich weiß, viele finden diesen Trend fragwürdig, aber ich finde ihn sehr spannend. Das ist die wirkliche Innovation des Jahres. Ob das eine neue Filmepoche einleiten wird oder nur eine Mode ist, muss sich noch zeigen. Aber es ist auf alle Fälle die derzeit spannendste, weil radikalste Entwicklung im Mainstream-Kino!
Die Tore öffnen sich.

Was haltet ihr von meinen Beobachtungen? Habe ich da ein Fünkchen Wahrheit gefunden oder bin ich nur ein Blinder, der von Farben redet? Hat mein nach Mustern suchendes Gehirn mich in die Irre geführt? Und welches Muster habe ich übersehen? Ich würde mich sehr freuen, mit euch darüber zu diskutieren!

Louie

Ich habe Louie gebinge-watcht. In den letzten 3-4 Wochen habe ich die vier Staffeln der Serie von und mit Louis (mit „s“ statt „e“) C. K. verschlungen. Das ist etwas besonderes, da ich schon lange auf der Suche war nach einer neuen Serie, die mich fesselt aber keine fand. Selbst die üblichen Verdächtigen konnten mich bis auf Game of Thrones nicht bei der Stange halten. Nur Louie hat das seit langem wieder geschafft.

Dabei dürfte die Dramedy mir eigentlich nicht gefallen. Denn einerseits gehört sie zum Subgenre der Fremdschämserien: Wir sehen in einem fort Louie scheitern, von einem Fettnäpfchen ins nächste stapfen und schlechte Entscheidungen fällen. So macht er mal „aus versehen“ mit seiner Freundin Schluss, nur weil sein Auto im Parkverbot steht und ein andermal wird er dazu verurteilt, Milliardären bis an sein Lebensende monatlich 5.000 Dollar zu zahlen, weil er der Milliardärstochter versehentlich ins Gesicht schlug, als diese ihn kitzelte.

Normalerweise kann ich solche Fremdschämserien nicht ertragen, da sie mir fast physische Schmerzen bereiten und bin daher etwa schon früh bei Stromberg ausgestiegen.

Der andere Grund, warum Louie eigentlich nicht mein Ding sein dürfte ist, dass der Humor von Louie phasenweise auch auf Teenager-Niveau ist. So sind die Folgen immer mit Stand-Up-Auftritten durchsetzt, in denen er oft Witze reißt, die auch am Ballermann gut ankämen. Aber auch im handelnden Teil der Serie versucht schon mal ein Zahnarzt sich von Louie mittels Lachgas einen Blowjob zu erschleichen.

Over the Top

Es gibt noch ein drittes Problem an „Louie“: Die Serie ist manchmal einfach „Over the top“. Sie legt eine Schippe zu viel drauf. Ich möchte das an drei Szenen erläutern:

Zunächst die oben erwähnte Szene, in der Louie versehentlich mit seiner Freundin schlussmacht. Dies passiert nur, weil er im Parkverbot geparkt hat und deshalb im Café dauernd nervös aus dem Fenster blickt. Seine Freundin merkt, dass etwas mit ihm nicht stimmt und zieht dann lauter falsche Schlüsse, bis sie mit ihm schlussmacht, weil er das doch scheinbar will aber nicht den Mut hat. Da die Freundin komplett unsympathisch ist, lädt die Serie zur Spekulation ein, dass Louie die Trennung vielleicht auch ganz recht ist. So weit so gut: Als Louie schließlich zu seinem Auto kommt, ist dieses schließlich auch noch mitten in einer Baustelle gefangen. Das wäre eigentlich der perfekte Schluss für diese Szene. Aber „Louie“ geht noch einen Schritt weiter, indem dann der Bagger Louies Auto komplett zerschrottet.

In einer anderen Szene sieht man ganz wunderbar, wie eng es in einem Linienflugzeug ist, indem ein adipöser Sitznachbar buchstäblich auf Louie sitzt, aber Louie nicht etwa sauer wird, sondern versucht das mit Freundlichkeit zu ertragen. Diese grandiose Szene wird dann aber wieder übertrieben indem Louie ein Glas Wasser bestellt und von der Stewardess einen Fingerhut voll gebracht bekommt.

In der dritten Szene, die ich als Beispiel heranziehen möchte für die Tendenz zu übertreiben, liegt Louie morgens im Bett und versucht vergeblich zu schlafen, weil die Müllabfuhr so einen Lärm macht. Es wird immer schön hin und her geschnittten zwischen dem sich im Bett wälzenden Louie und den Müllmännern. Irgendwann fällt einem auf, dass die Müllmänner nicht bloß ihren Job tun, sondern absichtlich mit Tonnen und Deckeln Lärm verursachen. Der Lacher ist da, die Serie könnte zur nächsten Szene voranschreiten. Tut sie aber nicht, sondern lässt die Müllmänner durch die Glasscheiben in Louies Schlafzimmer springen und dort ihren Radau fortsetzen…

Identifikationspotential

Und dennoch mag ich die Serie. Und zwar aus zwei Gründen: zum ersten kann ich mit Louie voll identifizieren. Er wohnt in der Großstadt (in seinem Fall New York) und muss sich mich mit den überteuerten Mieten rumschlagen. Zugleich hat er als Stand-Up-Comedian ein prekäres Beschäftigungsverhältnis. Er kämpft immer mit seinem Übergewicht. Aber vor allem ist er Vater zweier Töchter, muss sich mit deren Erziehung plagen, mit der Schule arrangieren und (vielleicht am schlimmsten) mit anderen Eltern interagieren. Im Gegensatz zu mir ist Louie geschieden und muss sich halbwöchentlich allein um seine Kinder kümmern. Aber das Identifikationspotential schöpft er schließlich vollends dadurch aus, dass er nicht so richtig im Klischee des Erwachsenenlebens angekommen ist. Er ist immer ein bisschen verpeilt, nie gut organisiert, durchgeplant, wohlsituiert und was man sonst noch so ist als Erwachsener. Aber dennoch ist er ein guter Vater, einfach weil er „da ist“ wie Pamela, eine wiederkehrende Nebenrolle – die Mutter eines Mitschülers seiner Tochter -, einmal sagt. Deshalb mag ich Louie.

Der andere Grund, warum ich die Serie mag, ist, der Blick von Louis C. K. Er hat fast permanent einen solch wunderbaren Hundeblick, dass man ihn einfach liebhaben muss. „I’m sorry“, ist seine am häufigsten geäußerte Floskel und dennoch trägt er sein Schicksal mit Würde. Das ist einfach eine tolle schauspielerische Leistung.

Meine Lieblingsfolge der Serie ist S3 E13 „New Year’s Eve“. Und diese Folge ist von so einer grandiosen tragikomischen Schönheit, dass sie geradezu an Chaplin erinnert. Daher möchte sie euch auch gar nicht spoilern, sondern raten: schaut sie euch an. Die 20 Minuten sind eine abgeschlossene Geschichte und sehr sehenswert. Danach könnt ihr euch entscheiden, ob ihr die Serie weitersehen wollt.

Louie wurde von FX Network produziert und wird laut IMDB auch noch fortgesetzt. Letzteres wäre meiner Meinung nach aber gar nicht nötig, da Staffel 4 eigentlich mit einem perfekten Serienfinale endet.

Leider erleidet Louie auch mal wieder den Urheberrechtsfrontalunfall, sodass lediglich Staffel 1 und 2 bei Amazon zu bekommen* sind, bei iTunes ist die Serie gar nicht vertreten, genausowenig wie auf Watchever. Lediglich auf Youtube finden sich ein paar Schnipsel. Aber ich gehe davon aus, dass ihr wisst, wie ihr sie dennoch sehen könnt.

P.S.: Wer mehr über die Absurditäten des Urheberrechts erfahren wollt, dann gibt es da so ein Buch… 😉

 

*Hinterhältiger Affili-Link: Wenn ihr die Serie kauft, bekommen wir eine kleine Provision.