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SF203 – Kikis kleiner Lieferservice (Japanuary)

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Dem Japanuary nach Japan folgend besprechen wir traditionell einen Film von Miyazaki

Frohes neues Jahr: Es ist Japanuary! Wir beginnen unser Jahr traditionell mit einer Reise nach Japan. Doch nicht bevor wir ausgiebig auf 2019 und die 2010er zurückgeblickt haben. Doch dann werden die Bleistifte gespitzt und die Pinsel in die Tusche getunkt. Mit der kleinen Hexe Kiki brechen wir in die Moderne auf. Wir finden dabei Stockholm, die Bedeutung des Namens Ghibli, Millenials mit Jobschwierigkeiten und die Macht der Frauenfreundschaft. Wir haben im Podcast also Kikis kleiner Lieferservice besprochen! Doch am Ende läuft alles wieder auf die Frage hinaus: Ist der Film besser als „Die Ritter der Kokosnuss“?

Titelbild der Episode 'Kikis kleiner Lieferservice'

Titelbild der Podcast-Episode ‚Kikis kleiner Lieferservice‘

Hier gibt es Patricks Crowdfunding.

Die Eckdaten von Kikis kleiner Lieferservice

Erscheinungsjahr: 1989
Regie: Hayao Miyazaki
Wir haben aus seiner Filmographie bereits besprochen:
1984 Nausicaä aus dem Tal der Winde
1986 Das Schloss im Himmel
1988 Mein Nachbar Totoro

Drehbuch: Hayao Miyazaki
Produktion: Hayao Miyazaki
Künstlerische Leitung: Hiroshi Ôno
Es ist spezialisiert auf Hintergründe in Animationsfilmen und -Serien. Diese hat er unter anderen gemacht bei:

  • Gargoyles (1994-95)
  • Für viele Disney-Direct-to-DVD-Filme: Mulan II,  Winnie Puuh auf großer Reise, Pocahontas 2, Cinderella 2, 101 Dalmatiner – Teil 2

Als künstlerischer Leiter war er auch tätig für:

  • Ein Brief an Momo (2011)
  • Ame & Yuki – Die Wolfskinder (2012)

Schnitt: Takeshi Seyama
Montierte unter anderem auch Castle in the Sky (1986), My Neighbor Totoro (1988),Grave of the Fireflies (1988), Akira (1988), Princess Mononoke (1997) und Paprika (2006).

Musik:  Joe Hisaishi
Hat die Musik bei allen Miyazaki-Filmen gemacht:

Budget: 6,9 Millionen Dollar (umgerechnet)

Genre:  Anime, Kinderfilm, Fantasy

Die Produktion von Kikis kleiner Lieferservice

Der Film basiert auf dem gleichnamigen Kinderbuch der japanischen Autorin Eiko Kadono. Miyazaki wollte erst nicht Regie führen, da er in der Produktion von Totoro steckte. Wenn wir den Rest seiner Filmographie betrachten, liegen immer mehrere Jahre zwischen seinen Filmen. Als das Drehbuch aber nicht vorankam übernahm Miyazaki das Schreiben und lieferte einen Rohentwurf des Drehbuchs im Juni 1988. Er merkte zu diesem Zeitpunkt, dass er schon zu tief in dem Projekt steckte, der Film schon so sehr seine Handschrift trug, dass er das Projekt niemand anderem im Studio überlassen wollte und übernahm selbst auch noch Regie und Produktion.

Das Buch muss wohl wesentlich episodischer sein als der Film, es wird einfach nur erzählt, was Kiki so beim Ausliefern erlebt und wen sie trifft. Um ein funktionierendes Drehbuch daraus zu machen, dramatisierte Miyazaki die Geschichte stark. Autorin Kadono hatte allerdings ein Vetorecht und war sehr unzufrieden mit den Änderungen. Das Projekt lief sogar Gefahr, im Drehbuchstadium auf Eis gelegt zu werden.

Miyazaki und Ghibli-Mitbegründer Toshio Suzuki (Spätfilm berichtete), statteten der Autorin daraufhin einen Besuch bei ihr Zuhause ab, sprachen mit ihr über das Projekt und luden sie zu einem Besuch ins Studio ein. Nach ihrem Besuch im Studio Ghibli beschloss Kadono, das Projekt weiterlaufen zu lassen.

Wir haben noch nie erklärt, was der Name ‚Ghibli‘ bedeutet: Der Name ‚Ghibli‘ geht auf eine italienische Bezeichnung, die wiederum arabischen Ursprungs ist, zurück, und bezeichnet einen heißen Sahara-Wüstenwind (Gibli قبلی), nach ihm wurde das italienische Flugzeug Caproni Ca.309 Ghibli benannt. Das brachte Flugzeug-Fan Miyazaki wiederum auf die Idee, dem Studio diesen Namen dem Studio zu geben. Es solle einen frischen Wind oder eher einen heißen Wind in die japanische Anime-Industrie bringen.

Zurück zum Film:

Da die Romanvorlage in einem fiktiven Land in Nordeuropa angesiedelt war, gingen Miyazaki und die leitenden Mitarbeiter auf eine Studienreise nach Schweden, um sich inspirieren zu lassen. Ihre Hauptstationen waren Stockholm und Visby auf der schwedischen Insel Gotland. Das Design der Straßennamensschilder in der Stadt wurden von denen in Stockholm übernommen, auch die Namen selbst wurden teilweise von bestehenden Stockholmer Straßen und Plätzen abgeleitet.

67,317 Folien wurden für den Film gezeichnet.

Auf japanisch heißt der Film Majo no Takkyūbin, was soviel wie Lieferdienst der Hexe bedeutet. Allerdings ist „Takkyūbin“ eine Marken-Metonymie wie im Deutschen „Tempo“ und bezeichnet einen Dienst der Firma Yamato Transport. Obwohl es wohl rechtlich nicht nötig gewesen wäre, frug der dritte Ghibli-Gründer Takahata Yamato extra um Erlaubnis. Die Firma erlaubte nicht nur die Nutzung des Namens, sondern nutzte die Gelegenheit, als Sponsor des Films aufzutreten. Da ihr Logo eine schwarze Katze ist, die ein Junges trägt, passte ihnen der Film gut ins Konzept.

Lesenswert & Hörenswert

1922 – Häxan

Ich habe seit 1901 keine Dokumentation mehr gesehen, daher kann ich nicht sagen, ob Häxan von Benjamin Christensen den State of the Art des Dokumentarfilms zeigt oder eher experimental war. Falls es ein Experiment war, dann ein gescheitertes. Ich hätte den Film wahrscheinlich ausgeschaltet, wenn ich ihn nicht für diese Reihe unbedingt hätte zu Ende gucken wollen. Ausgesucht hatte ich ihn, weil wir in unserer Blair-With-Project-Folge schon einmal angesprochen haben. Der Film hat natürlich das Problem, dass eine Doku im Gegensatz zu einem Spielfilm viel mehr Infos rüberbringen muss. Und da dem Medium die doppelte Informationsvermittlung über Bild und Ton abgeht, artet das eben in einen Texttafel-Exess aus. Aber niemand will einen Film lesen. Dann kann ich besser zum Buch greifen, denn da kann ich selbst die Geschwindigkeit bestimmen.

Aber über diese mediale Schwäche hinaus trifft er einige wirklich unglückliche inszenatorische Entscheidungen. So wechseln sich die unzähligen Texttafeln zu Beginn mit Abbildungen aus Büchern und Gemälden ab, was zum Einschlafen ist. Unterstützt wird das Klassenzimmer-Feeling noch dadurch, dass ein trashiger Zeigestock uns darauf hinweist, welche Elemente des Bildes wichtig sind. Erst nach 7:30 Minuten sehen wir das erste bewegte Bild, eine Animation. Es könnte eine Art Scherenschnitt mit Seilzügen sein … Jedenfalls ist es die erste Quasi-Animatronic, genaueres lässt sich aber nicht erkennen, da absurd viel Rauch vor die Höllenszene geblasen wird, sodass sie vollkommen verschleiert ist. Danach geht es wieder weiter mit dem statischen Wechsel von Bilder und Texttafeln und erst nach 13:45 Minuten sehen wir die erste inszenierte Szene.

Ich will nicht verschweigen, dass der expressionistisch beeinflusste Film, auch einige starke Bilder hat, Tropes setzt und auch die Tricktechnik voran bringt. So wird in einer Szene Stop-Motion rückwärts abgespielt um Geld wegfliegen zu lassen. Als ein Mönch wegen sündiger Gedanken ausgepeitscht wird, legt Christensen in einer Doppelbelichtung über die in der Totalen gefilmte Szene das schmerzverzerrte Gesicht des Sünders. Der Trope, dass der Hexentest darin besteht, zu prüfen, ob die Hexe schwimmen kann, wurde hier zwar nicht erfunden, da es sich ja um eine Doku handelt, aber in den Film eingeführt. Monty Python nimmt ihn später in Die Ritter der Kokosnuß auf, wir berichteten … Ebenso lief mir hier zum ersten Mal der Trope des Good Cop und Bad Cop über den Weg. Zwei Mönche gebärden sich während eines Hexenprozesses derart.

Die größte Schwäche des Films wiederum ist der Umstand, dass er sich nicht entscheiden kann. Einerseits will er über den Aberglauben aufklären und erklärt zum Beispiel vermeintliche Eigenarten von Hexen schön anachronistisch als Symptome der Hysterie. Andererseits will er dann auch wieder provozieren und verstören, indem er Hexenrituale zeigt, in denen dem Teufel der Hintern geküsst oder auch schon mal ein Baby gekocht wird.

Das Provozieren gelang ihm auf alle Fälle, er löste in Dänemark Entrüstung unter den Zuschauern und in Frankreich Protest der Kirche aus. In Deutschland wurde der Film sogar verboten und in vielen anderen Ländern stark zensiert.