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#Horrorctober 1 – Körkarlen

Und so beginnt er also, der #Horrorctober 2015. Der erste Film, den ich gesehen habe, war Körkarlen oder auch „Fuhrmann des Todes“, natürlich immer auf der Suche nach „Here’s Johnny“.

Eckdaten

Erscheinungsjahr: 1921
Deutscher Titel:
Der Fuhrmann des Todes
Regie: Victor Sjöström
– Filmographie (Auswahl):
1912 Ett hemligt giftermål
1921 Körkarlen
1924 He Who Gets Slapped
1926 The Scarlet Letter
1928 The Divine Woman
1928 The Wind
1937 Under the Red Robe

Besetzung: Victor Sjöström (David Holm), Hilda Borgström (Anna Holm), Tore Svennberg (Der Fuhrmann), Astrid Holm (Edit)
Genre: Horror, Drama, Low-Fantasy

Die Handlung in 5 Sätzen

Mit Spoilern …

Data ist schockiert

Die Heilsarmee-Schwester Edit bittet auf dem Todesbett, noch einmal den Säufer David Holm sehen zu dürfen, der hat da aber keinen Bock drauf. Stattdessen prügelt sich David lieber zu Tode, obwohl er zuvor noch erfahren hat, dass das an Silvester eine ganz schlechte Idee ist, weil man dann ein Jahr lang den Pferdekarren des Todes lenken und alle Toten abholen muss. Als der Fuhrmann dann kommt um seinen Job an David abzutreten, hat der natürlich keinen Bock darauf und diskutiert mit dem Fuhrmann. Daraufhin zeigt der Fuhrmann David noch einmal, was für ein Riesenarsch er im Leben war und führt ihn auch zur sterbenden Edit, an deren Tod David indirekt Schuld ist. Am Ende bereut David sein Leben aufrichtig, sodass er holterdipolter doch in seine jämmerliche Existenz zurückkehren darf, seine Frau vom erweiterten Suizid abhalten kann und NATÜRLICH verspricht er auch, dass er sich ab jetzt voll bessern wird!

Filmisches Erzählen

Nicht nur Charles Dickens dachte sich eines schönen Weihnachtsabends: „Hmmm, irgendwoher kommt mir der Rahmen der Handlung doch bekannt vor …“ Zugegeben, die Details zwischen Körkarlen und A Christmas Carol unterscheiden sich, aber ich sag mal, das eine hat das andere inspiriert.

Der Film selbst ist ganz okayisch: Anfangs hatte ich große Probleme, reinzukommen. Das lag aber vor allem an der Musik, die der Version unterlegt war, die ich sah: Sphärische Klänge, die sich nie änderten, egal, was auf dem Bildschirm zu sehen war. Musik kann man einem Stummfilm nicht vorwerfern, da in den allermeisten Fällen nicht überliefert ist, was damals im Kino zum Film gespielt wurde. Ich habe dann den Ton ausgeschaltet und selbst die Musik ausgewählt: Zum Beispiel „As Time Goes By“, wenn der Todeskarren durchs Land tuckert oder auch „The End“, wenn wir sehen, wie David stirbt.

 

Der Film selbst hat zwar eine schön gruselige Atmosphäre, aber ein paar Plottlöcher und obendrein noch einige Pacing-Schwierigkeiten: Manchmal ist er recht zügig und modern geschnitten, dann sehen wir andererseits wieder gefühlte 20 Minuten ohne Schnitt, wie Heilsarmee-Schwestern irgendein Accessoir in ihrer neuen Mission aufhängen, ohne dass dies noch irgendeine weitere Rolle in der Handlung spielt. Und bevor jemand jammert, der oder die hier nicht so oft reinliest: Ja ich weiß, wie alt der Film ist, aber er erschien im gleichen Jahr, wie zum Beispiel Chaplins The Kid und bereits ein Jahr zuvor erschien Caligari. Beide Filme zeigen, was zu jener Zeit eigentlich schon möglich war in Sachen Storytelling.

Anfangs dachte ich auch bei der Darstellung des Fuhrmanns in Form einer durchscheinenden Doppelbelichtung: Okay, das ist jetzt auch nicht unbedingt State of The Art, Doppelbelichtungen hat Méliès schon in den 1890ern gemacht, aber die Art und Weise, wie Konsequent Regisseur Sjöström diese Darstellung durchgehalten hat um den Unterschied zwischen Leben und Tod zu symbolisieren, hat mich letzten Endes dann doch versöhnt. Genau wie der Film es auch mit fortlaufender Spielzeit schaffte, mich immer weiter reinzuziehen, sodass ich am Ende dann doch recht gefesselt war.

Die „Here’s Johnny“-Szene

Aber ich bin mal wieder aus einem anderen Grund hier, ich suche nach der Szene, in der ein Mörder sich durch eine Tür hackt. Allerdings ist mir zunächst ein anderes Zitat aufgefallen: Nach 5:59 Minuten sehen wir einen Shot, der doch verblüffend an das Ende von Blair Witch Project erinnert. Bislang dachte ich Blair Witch hätte Don’t Look Now zitiert, aber vielleicht beziehen sich beide Filme doch eher auf diesen hier …

Doch nun zur von mir gesuchten Szene. Diese beginnt bei 1:27:00 Stunden. Interessant ist zunächst einmal, dass auch hier wieder Alkoholismus das Motiv für die Tat ist. Das hatte ich bei Broken Blossoms noch als vollkommen unwichtig abgetan, aber nach einigem Nachdenken bin ich mir nicht mehr so sicher. Denn trotz aller Änderungen zur Buchvorlage, lässt sich der Film The Shining doch noch immer als Alkoholismus-Metapher interpretieren. Von daher sehe ich die Relevanz des Alkoholismus-Themas mittlerweile in einem anderen Licht.

Wie in The Shining sind hier der Axt-Mann und die Frau ein Ehepaar. Es wird ferner im Vorfeld der Szene das Thema Kindesmisshandlung genau wie in The Shining angedeutet. Allerdings kommt dann ein großer Unterschied. In Körkarlen schließt die Frau den Mann in der Küche ein, um sich vor ihm zu schützen. Dort holt er dann die Axt unter der Spüle hervor (wo auch sonst hebt man eine Axt auf), womit wir aber wieder eine gewisse Parallele zum Messer von Wendy haben, das sie ja vom Waschbeckenrand nimmt. Dann beginnt David zunächst auf die Türklinke einzuschlagen, nachdem das aber keinen Erfolg hat, schlägt er auf die Türmitte ein. Die Kameraeinstellung, in der wir das sehen, ist in der Tat sehr ähnlich zu jener in The Shining. Zwar ist sie nicht ganz so nah am Geschehen, aber es wurde auch von rechts gefilmt und ebenso wird immer wieder auf die Frontalansicht der Tür geschnitten, in der sich der Spalt auftut.

Zwar gibt es keinen „Here’s Johnny“-Moment, in dem David den Kopf durch den Spalt steckt, aber immerhin greift er genau wie Jack durch den Spalt zu Türklinke. Allerdings ist hier das Unterfangen erfolglos, weswegen David wieder auf die Klinke einschlägt, bis sich die Tür öffnet, womit die ganze Aktion komplett überflüssig war.^^

Der nächste Unterschied zu The Shining, besteht darin, dass sich die Ehefrau nicht wehrt, sondern ohnmächtig wird – gut das könnte wieder ein bewusster Kommentar von Kubrick auf ein sich verändertes Frauenbild sein. Allerdings ist auch wichtig, dass David zwar ein brutales Arschloch ist, aber nicht die Absicht hat, seine Frau und seine Kinder umzubringen.

Fazit

Fraglos wird in The Shining der gleiche Trope verwendet wie in Körkarlen, aber ist es auch ein direktes Zitat? Hmmm… Ich glaube schon, dass diese Szene Kubrick bekannt war und dass er sie auch referenziert, aber ein astreines Zitat ist das auch nicht, dafür gibt es zu viele Unterschiede. Die Ähnlichkeit beruht vor allem auf drei Shots, die große Parallelen haben, aber andere ikonische Bilder fehlen wieder.

Die spannende Frage im Anschluss an Körkarlen ist: Wie viele Gemeinsamkeiten brauchen zwei Filme, damit man zweifelsfrei sagen kann, dass der eine den anderen zitiert. Mal sehen, was die anderen Filme mir noch so zu bieten haben …

1922 – Häxan

Ich habe seit 1901 keine Dokumentation mehr gesehen, daher kann ich nicht sagen, ob Häxan von Benjamin Christensen den State of the Art des Dokumentarfilms zeigt oder eher experimental war. Falls es ein Experiment war, dann ein gescheitertes. Ich hätte den Film wahrscheinlich ausgeschaltet, wenn ich ihn nicht für diese Reihe unbedingt hätte zu Ende gucken wollen. Ausgesucht hatte ich ihn, weil wir in unserer Blair-With-Project-Folge schon einmal angesprochen haben. Der Film hat natürlich das Problem, dass eine Doku im Gegensatz zu einem Spielfilm viel mehr Infos rüberbringen muss. Und da dem Medium die doppelte Informationsvermittlung über Bild und Ton abgeht, artet das eben in einen Texttafel-Exess aus. Aber niemand will einen Film lesen. Dann kann ich besser zum Buch greifen, denn da kann ich selbst die Geschwindigkeit bestimmen.

Aber über diese mediale Schwäche hinaus trifft er einige wirklich unglückliche inszenatorische Entscheidungen. So wechseln sich die unzähligen Texttafeln zu Beginn mit Abbildungen aus Büchern und Gemälden ab, was zum Einschlafen ist. Unterstützt wird das Klassenzimmer-Feeling noch dadurch, dass ein trashiger Zeigestock uns darauf hinweist, welche Elemente des Bildes wichtig sind. Erst nach 7:30 Minuten sehen wir das erste bewegte Bild, eine Animation. Es könnte eine Art Scherenschnitt mit Seilzügen sein … Jedenfalls ist es die erste Quasi-Animatronic, genaueres lässt sich aber nicht erkennen, da absurd viel Rauch vor die Höllenszene geblasen wird, sodass sie vollkommen verschleiert ist. Danach geht es wieder weiter mit dem statischen Wechsel von Bilder und Texttafeln und erst nach 13:45 Minuten sehen wir die erste inszenierte Szene.

Ich will nicht verschweigen, dass der expressionistisch beeinflusste Film, auch einige starke Bilder hat, Tropes setzt und auch die Tricktechnik voran bringt. So wird in einer Szene Stop-Motion rückwärts abgespielt um Geld wegfliegen zu lassen. Als ein Mönch wegen sündiger Gedanken ausgepeitscht wird, legt Christensen in einer Doppelbelichtung über die in der Totalen gefilmte Szene das schmerzverzerrte Gesicht des Sünders. Der Trope, dass der Hexentest darin besteht, zu prüfen, ob die Hexe schwimmen kann, wurde hier zwar nicht erfunden, da es sich ja um eine Doku handelt, aber in den Film eingeführt. Monty Python nimmt ihn später in Die Ritter der Kokosnuß auf, wir berichteten … Ebenso lief mir hier zum ersten Mal der Trope des Good Cop und Bad Cop über den Weg. Zwei Mönche gebärden sich während eines Hexenprozesses derart.

Die größte Schwäche des Films wiederum ist der Umstand, dass er sich nicht entscheiden kann. Einerseits will er über den Aberglauben aufklären und erklärt zum Beispiel vermeintliche Eigenarten von Hexen schön anachronistisch als Symptome der Hysterie. Andererseits will er dann auch wieder provozieren und verstören, indem er Hexenrituale zeigt, in denen dem Teufel der Hintern geküsst oder auch schon mal ein Baby gekocht wird.

Das Provozieren gelang ihm auf alle Fälle, er löste in Dänemark Entrüstung unter den Zuschauern und in Frankreich Protest der Kirche aus. In Deutschland wurde der Film sogar verboten und in vielen anderen Ländern stark zensiert.