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SF114 – Das indische Tuch (Ein Edgar-Wallace-Film aus Paulas Kindheit)

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durchbricht die vierte Wand


Hier spricht Edgar Wallace!

Zwischen Jahresrückblicken und guten Vorsätzen blicken wir in dieser Folge nicht bloß auf 2016 und schmieden Pläne für 2017. Nein, wir haben auch einen Film aus Paulas Kindheit besprochen. Dabei fragten wir uns, ob Alfred Vohrer ein Genie ist, warum Eddi Arent immer Butler spielt, was eigentlich Shia LaBeouf macht und ob Klaus Kinski glücklich Särge durch Venedig trug. Wir besuchten erneut Filmische Welten und fanden eine moderne Inszenierung, die sich ihrer Künstlichkeit nicht nur wegen des von Geisterhand gelenkten Servierwagens bewusst ist. Außerdem stellten wir fest, dass Edgar Wallace‘ Morde nicht ganz so clever waren, wie er selbst dachte. Zum Kotzen!

Vorgeplänkel & Abschweifungen

Unsere guten Vorsätze: Öfter mit einer Gästin podcasten, weniger aber dafür bessere Folgen machen, unsere Reihen fortsetzen: Hitch, Halloweenspecial, Weihnachtsspecial, Regisseurinnen, Tarantino, Filme aus Paulas Kindheit, Horroctober und Followbruary ♦ Der Followbruary folgt direkt nach dieser Folge. Hier gibt es die Liste ♦ Wir haben begonnen den Proustfragebogen noch einmal zu beantworten, da sich einiges geändert haben könnte ♦ Was macht eigentlich Shia LaBeouf? Na, das hier!

Die Eckdaten von Das indische Tuch

Erscheinungsjahr: 1963
Regie: Alfred Vohrer
Produktion: Horst Wendlandt
Besetzung: Heinz Drache (Anwalt Frank Tanner), Elisabeth Flickenschildt (Lady Emily Lebanon), Klaus Kinski (Peter Ross), Hans Clarin  (der Sohn von Lord Lebanon), Eddi Arent (Butler Richard Maria Bonwit)
Genre: Krimi, Edgar-Wallace-Film, Grusel-Krimi, Komödie schwarze Komödie

Die Edgar-Wallace-Filme

Edgar Wallace lebte von 1875  bis 1932. Er war Journalist und Krimi-Autor. Spannend ist, dass er seinen ersten Roman 1905 „Die vier Gerechten“ im Eigenverlag herausbrachte. Das Buch wurde ein großer Erfolg aber zugleich ein finanzielles Desaster für Wallace. Als Marketing-Gag hatte er jedem, der die Art der Ermordung eines der Opfer des Buches erraten würde, einen Preis in Höhe von 500 Pfund versprochen. Leider war das Rätsel nicht so kompliziert, wie Wallace gedacht hatte und viele errieten die Methode. Die Zeitung, bei der Wallace arbeitete, die Daily Mail, rettete ihm den Hals, indem sie die Schulden zahlte, um schlechte Publicity für einen ihrer Angestellten zu vermeiden.

Bereits in den 1920ern und den frühen 30ern entstanden erste Adaptionen von Wallace‘ Werk in Deutschland. Diese waren ein großer Erfolg, von dem nicht zuletzt der Werbeslogan der Reihe „Es ist unmöglich, von Edgar Wallace nicht gefesselt zu werden!“ dem Publikum im Gedächtnis blieb. Im Nationalsozialismus wurden aber keine weiteren EW-Filme gedreht.

1955 kam dann Gerhard F. Hummel, damaliger Programmberater der Constantin Film auf die Idee, die Reihe neuaufleben zu lassen. Da Krimis in den Nachkriegsjahren aber nicht beliebt waren, scheute die Constantin zunächst das Risiko. Ende der 50er erwarb dann aber doch die Constantin-Tochter Rialto Film die Rechte an den Edgar-Wallace-Büchern und begann die Reihe, die heute meist gemeint ist, wenn von „Edgar-Wallace-Filmen“ gesprochen wird.

Zwischen 1959 und 1972 wurden von der Rialto insgesamt 32 Edgar-Wallace-Filme gedreht. Hinzu kamen noch einige von anderen Produktionsfirmen, bis die Rialto vor Gericht durchsetzte, dass nur sie die Rechte an den Filmen habe. Der erste EW-Film war Harald Reinls Verfilmung von DER FROSCH MIT DER MASKE (1959). Zu Reinl empfehlen wir unsere Folge zu Der Schatz im Silbersee.

Die Filme waren bis 1966 in Schwarz-Weiß und wurden im Breitbildformat Ultrascope (1:2,35) gedreht. Nach 1966 wurde die Filme dann in Farbe gedreht und nur noch im Verhältnis 1:1,85. Diese Anpassung wurde durchgeführt, um auf den Fernsehmarkt als Zweitverwertung abzuzielen. 1967 startete in Deutschland das Farbfernsehen. Die Reihe lief aus in einer Reihe von Co-Produktionen mit England und Italien, die aber der Erwartung des Publikums nicht mehr entsprachen. Sie hatten zwar noch immer ganz akzeptable Einspielergebnisse, aber die Produktionskosten stiegen und andere, modernere Genres wurde immer beliebter beim deutschen Kinopublikum.

Der Regisseur Alfred Vohrer

Prägend für die Edgar-Wallace-Filme wurde schließlich Regisseur Alfred Vohrer, der den ironisch-artifiziellen Stil der Filme schuf und bei den meisten Regie führte. Alfred Vohrer wurde 1914 geboren. Nachdem er beim württembergischen Staatstheater war, machte er ein Volontariat bei der Ufa. Im zweiten Weltkrieg war er Soldat und verlor seinen rechten Arm. Nach dem Krieg ging er zunächst zum Radio, wo er als Oberspielleiter bei Radio Stuttgart arbeitete. 1949 kam er dann zurück zum Film und arbeitete zunächst als Synchronregisseur. Er war unter anderem für die Synchronisation von Die Faust im Nacken (1954) und Die Brücke am Kwai (1957) verantwortlich.

Alfred Vohrer war homosexuell und lebte seit Mitte der 1950er mit seinem Lebensgefährten in Berlin-Dahlem. Sein Regiedebüt gab er 1958 mit Schmutziger Engel. Bei den Dreharbeiten von Bis dass das Geld euch scheidet (1960) lernte er den Produzenten Artur Brauner kennen und über ihn Horst Wendlandt, den Produktionschef der Rialto Film. Wendtland bot Alfred Vohrer die Regie für seinen ersten Edgar Wallace-Film Die toten Augen von London (1961) an. Insgesamt drehte Vohrer 14 Edgar-Wallace-Filme, unter anderem Das Gasthaus an der Themse (1962), Der Zinker (1963), Das indische Tuch (1963), Der Hexer (1964) und Neues vom Hexer (1965). Außerdem machte er drei Karl-May-Filme: Unter Geiern (1964), Old Surehand (1965) und Winnetou und sein Freund Old Firehand (1966).

Ab den 1970ern waren Vohrers neues Projekt, das wohl auch seine eigene Idee war, die Verfilmungen der Romane von Johannes Mario Simmel. Zum Beispiel Und Jimmy ging zum Regenbogen (1971), was ein großer Erfolg wurde. Daraufhin folgten Liebe ist nur ein Wort (1971),  Der Stoff aus dem die Träume sind (1972) und Alle Menschen werden Brüder (1973). 1976 beendete  der sonst unpolitische Regisseur seine Kinokarriere mit der Verfilmung des Anti-Nazi-Romans von Hans FalladaJeder stirbt für sich allein (1976).

Vohrer ging danach zum Fernsehen. Schon seit 1974 arbeitete er für die Serie Derrick und ab 1977 dann auch für Der Alte. Und in einer echten westdeutschen Fernsehregisseurkarriere darf natürlich auch nicht die Arbeit für Das Traumschiff (ab 1983) und Die Schwarzwaldklinik (ab 1985) fehlen. Vohrer starb überraschend am 3. Februar 1986 im Hotel Königshof in München an Herzversagen. Er war dort gewesen, um die Dreharbeiten für eine weitere Folge Der Alte anzutreten.

Wiederkehrende Schauspieler in den Edgar-Wallace-Filmen

Eine Reihe von Schauspielern kehrte bei den Edgar-Wallace-Filmen immer wieder: Eddi Arent spielte fast immer den Comic Relief, Siegfried Schürenberg den liebenswürdig-trotteligen Scotland-Yard-Boß (da das Scotland Yard in Das indische Tuch nicht vorkommt, spielt er diesmal einen Urwaldforscher), die Ermittler wurden meist von Joachim Fuchsberger oder wie hier von Heinz Drache  gespielt. Schließlich war da noch Klaus Kinski: Er gehörte immer zu den Verdächtigen, war oft verrückt und hatte Dreck am Stecken, aber war selten der eigentliche Täter.

Klaus Kinski

Klaus Kinski wurde 1926 in der Nähe von Danzig geboren. Sein bürgerlicher Name lautet Klaus Günter Karl Nakszynski. Im Zweiten Weltkrieg kämpfte er 1944 bei einer Fallschirmjägereinheit und geriet in den Niederlanden in britische Kriegsgefangenschaft. Bereits im Gefangenenlager spielte er erste Theaterrollen auf der provisorischen Lagerbühne.

Nach dem Krieg hatte er erste Engagements am Theater in Tübingen und Baden-Baden, bevor der Intendant Boleslaw Barlog ihn zum renommierten Schlosspark Theater nach Berlin holte. Hier feierte er seinen Durchbruch, insbesondere mit dem Stück „La voix humaine„, in dem er als Frau auftrat. Das war im prüden Berlin der 50er Jahre ein Skandal. Allerdings schmiss Barlog Kinski raus, nachdem dieser einmal vor Wut die Scheiben des Theaters einschlug.

Kinski machte sich dann als (wie er es nannte) „Ein-Mann-Wanderbühne“ einen Namen. Er trug unter anderem Werke von Nietzsche, Dostojewski, Tucholsky, Baudelaire und aus dem neuen Testament vor. Damit war er so erfolgreich, dass er 1960 sogar den Berliner Sportpalast füllte, in den 10.000 Menschen passten.

Klaus Kinskis Filmkarriere

Insgesamt spielte Kinski in 140 Filmen und Serien mit. Da er einen verschwenderischen Lebensstil hatte, war er bei der Auswahl seiner Rollen nicht wählerisch, sondern spielte teilweise beim größten Schund mit. Die meisten seiner Filme fand Kinski selbst „zum Kotzen“.

Bereits 1948 spielte Kinski in seiner ersten Rolle einen KZ-Hälftling in Eugen Yorks Drama Morituri. Der Film war im Nachkriegsdeutschland, das seine jüngste Vergangenheit noch nicht aufgearbeitet hatte, umstritten. Die Crew erhielt Drohbriefe und ein Hamburger Kino wurde sogar zerstört (wir konnten nicht herausfinden, wie). 1954 erhielt Kinski eine kleine Rolle in Roberto Rossellinis Film Angst.

Seinen Durchbruch hatte er dann in den 1960ern mit den Edgar-Wallace-Filmen. Sein erster Film war 1960 Der Rächer. Insgesamt spielte er in 16 Edgar-Wallace-Verfilmungen mit, meist den cholerischen oder wahnsinnigen Bösewicht. Das brachte ihm internationale Anerkennung ein.

So spielte er in Folge dessen 1965 den Anarchisten Kostoyed Amourski  in Doktor Schiwago. Und im gleichenJahr Wild in Sergio Leones Für ein paar Dollar mehr. Er spielte in vielen Italo-Western mit, am bekanntesten ist dabei sicher noch Leichen pflastern seinen Weg (1968) von Sergio Corbucci. Kritikeranerkennung erhielt er dann vor allem durch seine Zusammenarbeit mit Werner Herzog. Mit dem er in den 70ern und 80ern fünf Filme drehte:

Bei den Dreharbeiten zu Cobra Verde kam es zum endgültigen Bruch mit Werner Herzog. Werner Herzog hatte in seiner Dokumentation Mein liebster Feind – Klaus Kinski (1999) die Beziehung der beiden aufgearbeitet. 1981 spielte Kinski außerdem mit Jack Lemmon und Walter Matthau im letzten Billy-Wilder-Film Buddy Buddy.

1989 drehte er seinen letzten Film, bei dem er auch Regie führte und das Drehbuch schrieb: Paganini. hatte Jahre-lang versucht Paganini zu finanzieren. Schließlich fand er die Produzenten Carlo Alberto Alfieri und Augusto Caminito und drehte mit ihnen die drittklassige Fortsetzung Nosferatu in Venedig (1988). Im Gegenzug finanzierten sie Paganini. Allerdings vertritt sich Kinski mit den Produzenten. Daher wurde sein Film fast nie gezeigt und kam erst nach seinem Tod in die Kinos. Am 23. November 1991 starb Klaus Kinski in seinem Haus in Hollywood an Herzversagen.

Klaus Kinskis Charakter

Kinski war zu Lebzeiten in psychologischer Behandlung und unternahm mehrere Suizidversuche. Er litt an Hypochondrie und körperlichen Krankheiten. Bei den Dreharbeiten zu Cobra Verde brach er einmal zusammen.

Kinski war berühmt als Exzentriker. Zum Beispiel war er dafür bekannt, dass er seine Rollen nicht probte. Er sagte dazu: „Hin- und Herlatschen, damit die Regisseure auch mal sehen, warum sie keine Fantasie haben, das mache ich nicht.“ Ein Angebot von Fellini schmetterte er aufgrund der geringen Gage mit den Worten „Laß Dich in den Arsch ficken“ ab. Über Werner Herzog sagte er „Herzog ist ein miserabler, gehässiger, missgünstiger, vor Geiz und Geldgier stinkender, bösartiger, sadistischer, verräterischer, erpresserischer, feiger und durch und durch verlogener Mensch.“ Das Drehbuch zu Aguirre nannte er ‚analphabetisch primitiv‘. Bei Cobra Verde tickte er dann vollkommen aus. Kinski versuchte an manchen Tagen selbst Regie zu führen. Er ließ Herzog den Kameramann Thomas Mauch feuern: „Dieser Mauch hatte nicht eine einzige Aufnahme im Kasten, die nicht auf den Misthaufen gehörte.“. Unterbrach die Dreharbeiten, weil er schmollte, dass Herzog eine Szene in seiner Abwesenheit drehte. Und bei der letzten Szene steigert er sich so in sein Schauspiel rein, dass er fast ertrunken wäre.

Kindesmissbrauchsvorwurf gegen Klaus Kinski

„Kinskis provozierende Selbstdarstellung wurde Teil einer Medienpersona, die das Prahlen mit sexuellem Missbrauch als Exzentrik verklärte.“

Frankfurter Rundschau

Bereits in seiner Autobiografie „Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund“ von 1975 hatte er geschrieben, dass er Sex mit einer 13-Jährigen hatte (und seiner Mutter und seiner Schwester, was Kinskis Brüder aber abstritten).

1991 prahlte er in seinem Buch „Ich brauche Liebe“ damit, ein inzestuöses Verhältnis mit seiner Tochter Nastassja Kinski zu haben. Sie widersprach dem und wollte ihren Vater auf Gegendarstellung verklagen. Dazu kam es aber wegen des Todes von Klaus Kinski nicht mehr. 1999 sagte Nastassja  dem Guardian, ihr Vater habe sie nie sexuell missbraucht, „auf andere Weise aber schon“. Er habe sie zwar nicht geschlagen, „aber niederträchtig beschimpft“ und begrapscht. 2013 erhob Kinskis Tochter Pola Kinski schwere Vorwürfe: Ihr Vater habe sie sexuell missbraucht. In einem Stern-Interview erzählte der jüngste Sohn Nikolai Kinski hingegen, er habe niemals erlebt, dass sein Vater aggressiv oder ausfallend geworden sei: „Mein Vater war privat der sanfteste Mensch, den man sich vorstellen konnte“.

Die Produktion von Das indische Tuch

Das indische Tuch war der 16. deutschsprachige Edgar-Wallace-Film. Um Produktionskosten zu sparen, wurde der Film fast komplett im Studio gedreht. Es gab lediglich zwei Außenaufnahmen. Das Schloss wurde als Matte Painting auf einen Vorhang gezeichnet. Der Satz „Hallo! Hier spricht Edgar Wallace“ wurde von Regisseur Alfred Vohrer gesprochen.

Der Film hat fast gar nichts mehr mit dem Roman gemein. Stattdessen wurde viel von Agatha Christies Roman Und dann gabs keines mehr eingearbeitet. Der Titel von Christies Roman wurde von „Gutmenschen“ geändert und hieß im Original 10 kleine *hier einen übel-rassistischen Begriff einfügen*.

Filmisches Erzählen in Das indische Tuch

Die erste Szene & Künstlichkeit der Inszenierung

Das indische Tuch beginnt mit einem Matte Painting: Das Schloss in dem die Handlung spielt wird gezeigt. Eigentlich soll ein Matte Painting täuschend echt aussehen. Doch das gemalte Schloss am Anfang von Das indische Tuch sieht extrem künstlich aus – zudem wabern davor noch sehr unglaubwürdige ‚Nebelschwaden‘ offensichtlich aus Trockeneis.

Doch diese offensichtlichen Budgetlimitierungen werden im nächsten Moment durch einen Bruch der filmischen Illusion ironisch kommentiert: Das Matte Painting war auf einen Vorhang gemalt, der nun hochgezogen wird.

Das nächste Bild ist nicht weniger grotesk und unterstreicht die selbstbewusste Künstlichkeit, die sich fortan durch die gesamte Inszenierung zieht: Wir sehen Hans Clarin am Klavier sitzen. Hinter ihm steht eine absurd große Beethoven-Büste und obendrein befindet sich noch ein ausgestopftes Pferd im Zimmer.

Mit diesen beiden ersten Bildern verdeutlicht der Film sofort, dass er keinerlei Anspruch hat, realistisch zu sein. Dieser Verzicht auf Realismus waren ein Markenzeichen der Edgar-Wallace-Filme. Zugleich war und ist er etwas sehr besonderes im deutschen Kino, in dem der Realismus bis heute das Ideal der filmischen Inszenierung ist. Die Inszenierung soll zum Verschwinden gebracht werden: Kamera, Musik und Schnitt sollen so unauffällig sein, dass sie sich ganz in den Dienst der Handlung stellen. Das indische Tuch bricht sehr bewusst und sehr selbstbewusst mit diesem Ideal – er ist ein Gegenentwurf.

Dies zieht sich durch den gesamten weiteren Film: Er glänzt mit unkonventionellen Zooms und Kameraschwenks. Wir sehen die Morde immer aus einer subjektiven Perspektive – Hände halten vor der Kamera das mordbringende indische Tuch. Es gibt einen Servierwagen, der von Geisterhand fährt und der ganze Film endet mit einem Bruch der vierten Wand, indem Edgar Wallace als Alleinerbe ausgerufen wird. Wir sehen hier Stilmittel, die wir auch bei Monty Python oder Bertold Brecht wiederfinden.

Bedeutung der Edgar-Wallace-Filme für das deutsche Nachkriegskino

Die Edgar-Wallace-Filme waren erstaunlich modern für ihre Zeit. Sie erschienen in einer Zeit, in der stockkonservative Heimatfilme das deutsche Kino dominierten. Die Ermittler in den EW-Filmen waren Stadtmenschen – Menschen von Welt – zugleich aber bieder und ideale Schwiegersöhne.

Die Themen, die verhandelt wurden, hielten der deutschen Wirtschaftswunder-Gesellschaft einen Spiegel vor. Es ging vor allem um Geld und Intrigen. Die Morde wurden nur wegen materialistischer Motive begangen, so wie sich im Nachkriegsdeutschland vieles nur noch um Geldverdienen und Konsum drehte.

Kritik am Plott

Fragwürdig inszeniert ist, wie schnell und unwidersprochen der Anwalt die Ermittlungen übernimmt. Es ist ja nicht so, dass Anwälte eine höhere Qualifikation bei Mordermittlungen haben als die anderen anwesenden. Aber nachdem schonmal jemand in diesem Film ermordet wurde, sehen alle sofort ein, dass Tanner den Mord aufdecken soll. Woraufhin dieser sich auch erst einmal standesgemäß in Pose wirft und die anderen verhört.

Natürlich ist das alles nicht ernst gemeint: Dies zeigt sich ja schon darin, dass niemand in Das indische Tuch je über einen der vielen Morde geschockt ist.

Die Rezeption von Das indische Tuch

Der Film wurde von der FSK ab 16 Jahren freigegeben. Im Fernsehen wurde der Film in einer stark gekürzten Fassung im 4:3-Format ausgestrahlt. Der im Original farbige Vorspann wurde durch einen Schwarzweißvorspann ersetzt. 1991 wurde die FSK-Freigabe der gekürzten Version auf 12 Jahre heruntergesetzt. Inzwischen wurde der Film auch für en kleinen Bildschirm in der originalen Kinofassung veröffentlicht, die wieder ab 16 Jahren freigegeben ist. Im Vergleich mit den anderen Filmen steht der Film mit 1,9 Millionen Zuschauern eher schlecht da.

Quentin Tarantino hat sich in einem Interview mal als Alfred-Vohrer-Fan geoutet und sagte „Alfred Vohrer is a genius!“

Im Laufe der Jahre wurden viele Versuche unternommen, die Edgar-Wallace-Filme wieder aufleben zu lassen. Der erfolgreichste dieser Versuche ist sicherlich die Parodie Der Wixxer.

Lesenswert

The End.

SF68 – Wonder Boys (Daniels Lieblingsfilme)

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Überbezahlter Superstar
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Verkannter Regisseur


I couldn’t stop

Unsere Suche nach Marilyn Monroes Jacke floppte leider. Was vielleicht an dem toten Hund lag, vielleicht aber auch an David Hasselhoffs neuem Lied. Für diese Screwball-Komödie, in der Iron Man mit Spider-Man in die Kiste hüpft, machten wir extra eine Spezialdiät in James Bonds roter Unterhose. Wir beiden Wunderkinder teasern den Unterschied zwischen Dragqueens und Transvestiten an während im Hintergrund Ratten rattern.

Vorgeplänkel & Abschweifungen

Stimmt hier ab, über welchen Anime-Film aus den 80ern, wir sprechen sollen ♦ Die meistgelogenen Bücher ♦ Unsere Folge zum Herr der Ringe. Der zweite Teil ist in Panung, versprochen! ♦ Die Simpsons-Suchmaschine ♦ Triggerwarnung ♦ Shelfies ♦ Der Werther-Effekt ♦ Fest kommt tatsächlich von Festum

Die Eckdaten zu Wonderboys

Erscheinungsjahr: 2000
Regie: Curtis Hanson
– Filmographie (Auswahl):
1972 Sweet Kill
1992 The Hand That Rocks The Cradle
1997 L. A. Confidential
2000 Wonder Boys
2002 8 Mile
2005 In Her Shoes
2012 Chasing Mavericks
Drehbuch: Steve Kloves
– Filmographie (Auswahl):
1989 The Fabulous Baker Boys
7 von 8 Potter-Drehbücher
2012 The Amazing Spider-Man
Budget: 55 Mio $$
Besetzung: Michael Douglas (Grady), Frances McDormand (Sara), Tobey Maguire (James), Robert Downey Jr. (Terry), Katie Holmes (Hannah)
Genre: Komödie, Tragikomödie, Screwball

Die Produktion von Wonder Boys

Der Film basiert auf dem gleichnamigen zweiten Roman von Michael Chabon. Dieser Roman ist autobiographisch gefärbt und thematisiert Chabons Arbeit an nie realisierten Roman Fountain City. Drehbuchautor Kloves war bekannt geworden durch das Drehbuch und die Regie von The Fabulous Baker Boys (1989), hatte dann nichts mehr im Filmgeschäft gemacht, bis er den Roman Wonderboys adaptierte, was zum Kickstart seiner Karriere führte.

Typisch für einen kleinen Film war, dass sich zunächst kein Studio fand, das ihn produzieren wollte. Erst als Michael Douglas auf das Drehbuch aufmerksam wurde und sich dahinterklemmte, konnte Paramount als Geldgeber gewonnen werden. Michael Douglas nahm übrigens für die Rolle über 12 Kilogramm zu. Dies machte er, indem er sich vor allem durch Pizza, Subs und Bier ernährte.

Robert Downey Jr. wiederum befand sich damals auf dem Tiefpunkt seiner Drogensucht. Während der Dreharbeiten war er auf Bewährung und musste kurz darauf wegen Verstoßes gegen die Bewährungsauglagen ins Gefängnis.

Der Film wurde vor Ort in Pitsburg gedreht. Ähnlich wie bei Fargo gab es im Jahr der Dreharbeiten einen ungewöhnlich frühen Frühling. Daher mussten Unmengen an Kunstschnee eingesetzt werden und in mehreren Szenen wurden Nadelbäume aufgestellt um austreibende Laubgewächse zu verstecken. Dieser erhöhte Aufwand für die Kulisse, war nicht zuletzt wegen des Drehplans doppelt anstrengend. Normalerweise werden ja alle Szenen an einem Drehort nacheinander gefilmt. Aber hier wurde wie damals The Shining in chronologischer Reihenfolge gefilmt.

Bob Dylan schrieb extra für den Film den Song ‚Things Have Changed‘:

Video auf Youtube

Filmisches Erzählen in Wonder Boys

Ist Wonder Boys eine Screwball-Komödie?

Aspekte von Screwball aus der Wikipedia:

  • Viele Figuren in Screwball-Komödien fallen durch ihr schrulliges, temperamentvolles, kindliches oder exzentrisches Verhalten auf.
  • Konflikt zwischen Gegensätzen (vor allem zwischen Mann und Frau).
  • Am Ende des Filmes werden Konflikte nicht ausgeglichen, sondern es kommt zur friedlichen Koexistenz.
  • Hohe Dialoglastigkeit mit feinem und intelligentem Wortwitz.
  • Ein rasantes Tempo.
  • Eine raffiniert konstruierte Handlung.
  • An der Grenze zur Farce.
  • Visueller Slapstick.
  • Missverständnisse oder Geheimnisse zwischen den einzelnen Figuren.
  • Eine Beziehungskomödie

Interessant ist vor allem der letzte Punkt: Dass Screwball-Komödien Beziehungskomödien sind. Denn, wenn man Wonder Boys als Screwball betrachtet, stellt sich die Frage, was denn die zentrale Beziehung in diesem Film ist.

Nachtrag zum Podcast: Wir waren uns uneins, ob Antonia ein Transvestit ist oder eine Dragqueen. Unsere Verwirrung ist – zumindest laut der Wikipedia – verständlich, da es keine scharfe Abgrenzung zwischen den Begriffen gibt. Allerdings verwechselt Daniel Transvestitismus mit Travestie, wenn er behauptet, dass Transvestiten sich nur für die Bühne als Frauen kleiden.

Warum heißt der Film Wonder Boys?

Der Begriff „Wonder Boys“ wird verwendet wie der deutsche „Wunderkind“. Jemand, der oder die in jungen Jahren große Leistungen erbringt. James ist im Film der Wonder Boy, aber auch Grady ist ein ehemaliger Wonder Boy, der nun unter seinem frühen Ruhm leidet. Der Film verfügt außerdem über ein paar schöne Symbole für Wonder Boys. So spielt er in Pittsburgh. Pittsburgh selbst war quasi ein Wonder Boy. Einst war es eine reiche Industriestadt, doch nach der Stahlkrise in den 1970ern hatte sie mit hoher Arbeitslosigkeit zu kämpfen. Ein weiteres schönes Symbol ist die Schreibmaschine, die Grady benutzt. Sie ist ein Stück Technik, dass durch das Aufkommen des Computers genauso überholt ist wie Grady und sie wird ihm im Höhepunkt des Films auch zum Verhängnis. Ganz am Ende, als Grady sein Leben auf die Reihe gekriegt hat, schreibt er folgerichtig auch auf dem Computer. Verblichen ist auch Gradys Bademantel, der wie sein Träger schon bessere Tage gesehen hat.

Meeting with the Goddess

Sara (Frances McDormand) wird immer wieder mit Symbolen für eine Göttin in Verbindung gesetzt. So fährt sie eine Citroën DS. Wenn man DS auf Französisch ausspricht, ergibt das Déesse – Göttin. Auch ihr Gewächshaus wird von James als Himmel bezeichnet. Das „Meeting with the Goddess“ ist ein Punkt in der traditionellen Heldenreise. Spannend ist hier auch, dass Gradys Untermieterin Hannah (Katie Holmes) eigentlich als Love Interest aufgebaut wird, der Film sich dann aber nie dem Klischee hingibt, dass es wirklich zu einer Beziehung zwischen Grady und Hannah kommt, sondern Sara immer ganz klar die Goddess ist.

Cameo

Der Romanautor James Ellroy ist am Anfang auf der Party im Haus der Kanzlerin zu sehen. Ellroy schrieb den Roman L.A. Confidential, den Hanson zuvor verfilmt hatte.

Zitate & Referenzen

  • Auf der Party am Anfang zählt James prominente Suizide auf. Er nennt dabei den Namen des Schauspielers George Sanders. Später sieht man im Fernsehen eine Szene laufen aus Das Bildnis des Dorian Gray (1945) mit Sanders.
  • Terry kommt auf die Party am Anfang in Begleitung der Dragqueen (?) Miss Antonia Sloviak (Tony). Da Marilyn Monroe im Film insgesamt und besonders auf der Party eine große Rolle spielt, ist dies eine Referenz an Some Like It Hot (1959). In diesem Film hatte sich unter anderem Tony Curtis als Frau verkleidet.
  • Im Garten der Party beschreibt James das Gewächshaus als Himmel: das referenziert den Film Zardoz (1974).

Die Rezeption von Wonder Boys

Der Film war ein großer Flopp. Obwohl er wohlwollende Kritiken erhielt, fand er beim Publikum keinen Anklang, als er im Februar 2000 anlief. Paramount vermutete, dass es an der falschen Marketing-Kampagne lag, die komplett auf Michael Douglas zugeschnitten war. Daher brachte das Studio zu Beginn der Award-Season im November 2000 erneut in die Kinos mit einer veränderten Marketing-Kampagne, die das starke Ensemble betonte. Der Vice Chairman von Paramount Rob Friedman kritisiert diese Entscheidung, da noch nie ein Flop bei einem Re-Release zum Erfolg geworden wäre. Er behielt auch im Fall von Wonder Boys recht. Wonder Boys spielte weltweit 33 Millionen Dollar ein und blieb damit weit hinter seinen Produktionskosten zurück.

In der Kinoversion von Wonder Boys erwähnt James in der Szene, in der er die Suizide Prominenter aufzählt, den Schauspieler Alan Ladd. Die Familie von Ladd protestierte dagegen. Die Ursache des Todes von Alan Ladd seien bis heute unklar und die Familie gehe von einem Unfall aus. Aus Respekt vor der Familie entschied sich das Produktionsteam daher, bei der DVD-Veröffentlichung die Szene leicht abzuwandeln, sodass Ladds Name nicht mehr fällt.

Preise & Bestenlisten

Zitate & Referenzen

  • In Tropic Thunder (2008) gibt es einen gefakten Trailer, in dem Toby Maguire und Robert Downey Jr. als „forbidden lovers“ zu sehen sind.
  • In Iron Man 2 wird Tony Stark (Robert Downey Jr.) einmal „Wonder Boy“ genannt.

Lesenswert & Hörenswert

The End!