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SF114 – Das indische Tuch (Ein Edgar-Wallace-Film aus Paulas Kindheit)

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Paula
bewegt sich von Geisterhand
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Daniel
durchbricht die vierte Wand


Hier spricht Edgar Wallace!

Zwischen Jahresrückblicken und guten Vorsätzen blicken wir in dieser Folge nicht bloß auf 2016 und schmieden Pläne für 2017. Nein, wir haben auch einen Film aus Paulas Kindheit besprochen. Dabei fragten wir uns, ob Alfred Vohrer ein Genie ist, warum Eddi Arent immer Butler spielt, was eigentlich Shia LaBeouf macht und ob Klaus Kinski glücklich Särge durch Venedig trug. Wir besuchten erneut Filmische Welten und fanden eine moderne Inszenierung, die sich ihrer Künstlichkeit nicht nur wegen des von Geisterhand gelenkten Servierwagens bewusst ist. Außerdem stellten wir fest, dass Edgar Wallace‘ Morde nicht ganz so clever waren, wie er selbst dachte. Zum Kotzen!

Vorgeplänkel & Abschweifungen

Unsere guten Vorsätze: Öfter mit einer Gästin podcasten, weniger aber dafür bessere Folgen machen, unsere Reihen fortsetzen: Hitch, Halloweenspecial, Weihnachtsspecial, Regisseurinnen, Tarantino, Filme aus Paulas Kindheit, Horroctober und Followbruary ♦ Der Followbruary folgt direkt nach dieser Folge. Hier gibt es die Liste ♦ Wir haben begonnen den Proustfragebogen noch einmal zu beantworten, da sich einiges geändert haben könnte ♦ Was macht eigentlich Shia LaBeouf? Na, das hier!

Die Eckdaten von Das indische Tuch

Erscheinungsjahr: 1963
Regie: Alfred Vohrer
Produktion: Horst Wendlandt
Besetzung: Heinz Drache (Anwalt Frank Tanner), Elisabeth Flickenschildt (Lady Emily Lebanon), Klaus Kinski (Peter Ross), Hans Clarin  (der Sohn von Lord Lebanon), Eddi Arent (Butler Richard Maria Bonwit)
Genre: Krimi, Edgar-Wallace-Film, Grusel-Krimi, Komödie schwarze Komödie

Die Edgar-Wallace-Filme

Edgar Wallace lebte von 1875  bis 1932. Er war Journalist und Krimi-Autor. Spannend ist, dass er seinen ersten Roman 1905 „Die vier Gerechten“ im Eigenverlag herausbrachte. Das Buch wurde ein großer Erfolg aber zugleich ein finanzielles Desaster für Wallace. Als Marketing-Gag hatte er jedem, der die Art der Ermordung eines der Opfer des Buches erraten würde, einen Preis in Höhe von 500 Pfund versprochen. Leider war das Rätsel nicht so kompliziert, wie Wallace gedacht hatte und viele errieten die Methode. Die Zeitung, bei der Wallace arbeitete, die Daily Mail, rettete ihm den Hals, indem sie die Schulden zahlte, um schlechte Publicity für einen ihrer Angestellten zu vermeiden.

Bereits in den 1920ern und den frühen 30ern entstanden erste Adaptionen von Wallace‘ Werk in Deutschland. Diese waren ein großer Erfolg, von dem nicht zuletzt der Werbeslogan der Reihe „Es ist unmöglich, von Edgar Wallace nicht gefesselt zu werden!“ dem Publikum im Gedächtnis blieb. Im Nationalsozialismus wurden aber keine weiteren EW-Filme gedreht.

1955 kam dann Gerhard F. Hummel, damaliger Programmberater der Constantin Film auf die Idee, die Reihe neuaufleben zu lassen. Da Krimis in den Nachkriegsjahren aber nicht beliebt waren, scheute die Constantin zunächst das Risiko. Ende der 50er erwarb dann aber doch die Constantin-Tochter Rialto Film die Rechte an den Edgar-Wallace-Büchern und begann die Reihe, die heute meist gemeint ist, wenn von „Edgar-Wallace-Filmen“ gesprochen wird.

Zwischen 1959 und 1972 wurden von der Rialto insgesamt 32 Edgar-Wallace-Filme gedreht. Hinzu kamen noch einige von anderen Produktionsfirmen, bis die Rialto vor Gericht durchsetzte, dass nur sie die Rechte an den Filmen habe. Der erste EW-Film war Harald Reinls Verfilmung von DER FROSCH MIT DER MASKE (1959). Zu Reinl empfehlen wir unsere Folge zu Der Schatz im Silbersee.

Die Filme waren bis 1966 in Schwarz-Weiß und wurden im Breitbildformat Ultrascope (1:2,35) gedreht. Nach 1966 wurde die Filme dann in Farbe gedreht und nur noch im Verhältnis 1:1,85. Diese Anpassung wurde durchgeführt, um auf den Fernsehmarkt als Zweitverwertung abzuzielen. 1967 startete in Deutschland das Farbfernsehen. Die Reihe lief aus in einer Reihe von Co-Produktionen mit England und Italien, die aber der Erwartung des Publikums nicht mehr entsprachen. Sie hatten zwar noch immer ganz akzeptable Einspielergebnisse, aber die Produktionskosten stiegen und andere, modernere Genres wurde immer beliebter beim deutschen Kinopublikum.

Der Regisseur Alfred Vohrer

Prägend für die Edgar-Wallace-Filme wurde schließlich Regisseur Alfred Vohrer, der den ironisch-artifiziellen Stil der Filme schuf und bei den meisten Regie führte. Alfred Vohrer wurde 1914 geboren. Nachdem er beim württembergischen Staatstheater war, machte er ein Volontariat bei der Ufa. Im zweiten Weltkrieg war er Soldat und verlor seinen rechten Arm. Nach dem Krieg ging er zunächst zum Radio, wo er als Oberspielleiter bei Radio Stuttgart arbeitete. 1949 kam er dann zurück zum Film und arbeitete zunächst als Synchronregisseur. Er war unter anderem für die Synchronisation von Die Faust im Nacken (1954) und Die Brücke am Kwai (1957) verantwortlich.

Alfred Vohrer war homosexuell und lebte seit Mitte der 1950er mit seinem Lebensgefährten in Berlin-Dahlem. Sein Regiedebüt gab er 1958 mit Schmutziger Engel. Bei den Dreharbeiten von Bis dass das Geld euch scheidet (1960) lernte er den Produzenten Artur Brauner kennen und über ihn Horst Wendlandt, den Produktionschef der Rialto Film. Wendtland bot Alfred Vohrer die Regie für seinen ersten Edgar Wallace-Film Die toten Augen von London (1961) an. Insgesamt drehte Vohrer 14 Edgar-Wallace-Filme, unter anderem Das Gasthaus an der Themse (1962), Der Zinker (1963), Das indische Tuch (1963), Der Hexer (1964) und Neues vom Hexer (1965). Außerdem machte er drei Karl-May-Filme: Unter Geiern (1964), Old Surehand (1965) und Winnetou und sein Freund Old Firehand (1966).

Ab den 1970ern waren Vohrers neues Projekt, das wohl auch seine eigene Idee war, die Verfilmungen der Romane von Johannes Mario Simmel. Zum Beispiel Und Jimmy ging zum Regenbogen (1971), was ein großer Erfolg wurde. Daraufhin folgten Liebe ist nur ein Wort (1971),  Der Stoff aus dem die Träume sind (1972) und Alle Menschen werden Brüder (1973). 1976 beendete  der sonst unpolitische Regisseur seine Kinokarriere mit der Verfilmung des Anti-Nazi-Romans von Hans FalladaJeder stirbt für sich allein (1976).

Vohrer ging danach zum Fernsehen. Schon seit 1974 arbeitete er für die Serie Derrick und ab 1977 dann auch für Der Alte. Und in einer echten westdeutschen Fernsehregisseurkarriere darf natürlich auch nicht die Arbeit für Das Traumschiff (ab 1983) und Die Schwarzwaldklinik (ab 1985) fehlen. Vohrer starb überraschend am 3. Februar 1986 im Hotel Königshof in München an Herzversagen. Er war dort gewesen, um die Dreharbeiten für eine weitere Folge Der Alte anzutreten.

Wiederkehrende Schauspieler in den Edgar-Wallace-Filmen

Eine Reihe von Schauspielern kehrte bei den Edgar-Wallace-Filmen immer wieder: Eddi Arent spielte fast immer den Comic Relief, Siegfried Schürenberg den liebenswürdig-trotteligen Scotland-Yard-Boß (da das Scotland Yard in Das indische Tuch nicht vorkommt, spielt er diesmal einen Urwaldforscher), die Ermittler wurden meist von Joachim Fuchsberger oder wie hier von Heinz Drache  gespielt. Schließlich war da noch Klaus Kinski: Er gehörte immer zu den Verdächtigen, war oft verrückt und hatte Dreck am Stecken, aber war selten der eigentliche Täter.

Klaus Kinski

Klaus Kinski wurde 1926 in der Nähe von Danzig geboren. Sein bürgerlicher Name lautet Klaus Günter Karl Nakszynski. Im Zweiten Weltkrieg kämpfte er 1944 bei einer Fallschirmjägereinheit und geriet in den Niederlanden in britische Kriegsgefangenschaft. Bereits im Gefangenenlager spielte er erste Theaterrollen auf der provisorischen Lagerbühne.

Nach dem Krieg hatte er erste Engagements am Theater in Tübingen und Baden-Baden, bevor der Intendant Boleslaw Barlog ihn zum renommierten Schlosspark Theater nach Berlin holte. Hier feierte er seinen Durchbruch, insbesondere mit dem Stück „La voix humaine„, in dem er als Frau auftrat. Das war im prüden Berlin der 50er Jahre ein Skandal. Allerdings schmiss Barlog Kinski raus, nachdem dieser einmal vor Wut die Scheiben des Theaters einschlug.

Kinski machte sich dann als (wie er es nannte) „Ein-Mann-Wanderbühne“ einen Namen. Er trug unter anderem Werke von Nietzsche, Dostojewski, Tucholsky, Baudelaire und aus dem neuen Testament vor. Damit war er so erfolgreich, dass er 1960 sogar den Berliner Sportpalast füllte, in den 10.000 Menschen passten.

Klaus Kinskis Filmkarriere

Insgesamt spielte Kinski in 140 Filmen und Serien mit. Da er einen verschwenderischen Lebensstil hatte, war er bei der Auswahl seiner Rollen nicht wählerisch, sondern spielte teilweise beim größten Schund mit. Die meisten seiner Filme fand Kinski selbst „zum Kotzen“.

Bereits 1948 spielte Kinski in seiner ersten Rolle einen KZ-Hälftling in Eugen Yorks Drama Morituri. Der Film war im Nachkriegsdeutschland, das seine jüngste Vergangenheit noch nicht aufgearbeitet hatte, umstritten. Die Crew erhielt Drohbriefe und ein Hamburger Kino wurde sogar zerstört (wir konnten nicht herausfinden, wie). 1954 erhielt Kinski eine kleine Rolle in Roberto Rossellinis Film Angst.

Seinen Durchbruch hatte er dann in den 1960ern mit den Edgar-Wallace-Filmen. Sein erster Film war 1960 Der Rächer. Insgesamt spielte er in 16 Edgar-Wallace-Verfilmungen mit, meist den cholerischen oder wahnsinnigen Bösewicht. Das brachte ihm internationale Anerkennung ein.

So spielte er in Folge dessen 1965 den Anarchisten Kostoyed Amourski  in Doktor Schiwago. Und im gleichenJahr Wild in Sergio Leones Für ein paar Dollar mehr. Er spielte in vielen Italo-Western mit, am bekanntesten ist dabei sicher noch Leichen pflastern seinen Weg (1968) von Sergio Corbucci. Kritikeranerkennung erhielt er dann vor allem durch seine Zusammenarbeit mit Werner Herzog. Mit dem er in den 70ern und 80ern fünf Filme drehte:

Bei den Dreharbeiten zu Cobra Verde kam es zum endgültigen Bruch mit Werner Herzog. Werner Herzog hatte in seiner Dokumentation Mein liebster Feind – Klaus Kinski (1999) die Beziehung der beiden aufgearbeitet. 1981 spielte Kinski außerdem mit Jack Lemmon und Walter Matthau im letzten Billy-Wilder-Film Buddy Buddy.

1989 drehte er seinen letzten Film, bei dem er auch Regie führte und das Drehbuch schrieb: Paganini. hatte Jahre-lang versucht Paganini zu finanzieren. Schließlich fand er die Produzenten Carlo Alberto Alfieri und Augusto Caminito und drehte mit ihnen die drittklassige Fortsetzung Nosferatu in Venedig (1988). Im Gegenzug finanzierten sie Paganini. Allerdings vertritt sich Kinski mit den Produzenten. Daher wurde sein Film fast nie gezeigt und kam erst nach seinem Tod in die Kinos. Am 23. November 1991 starb Klaus Kinski in seinem Haus in Hollywood an Herzversagen.

Klaus Kinskis Charakter

Kinski war zu Lebzeiten in psychologischer Behandlung und unternahm mehrere Suizidversuche. Er litt an Hypochondrie und körperlichen Krankheiten. Bei den Dreharbeiten zu Cobra Verde brach er einmal zusammen.

Kinski war berühmt als Exzentriker. Zum Beispiel war er dafür bekannt, dass er seine Rollen nicht probte. Er sagte dazu: „Hin- und Herlatschen, damit die Regisseure auch mal sehen, warum sie keine Fantasie haben, das mache ich nicht.“ Ein Angebot von Fellini schmetterte er aufgrund der geringen Gage mit den Worten „Laß Dich in den Arsch ficken“ ab. Über Werner Herzog sagte er „Herzog ist ein miserabler, gehässiger, missgünstiger, vor Geiz und Geldgier stinkender, bösartiger, sadistischer, verräterischer, erpresserischer, feiger und durch und durch verlogener Mensch.“ Das Drehbuch zu Aguirre nannte er ‚analphabetisch primitiv‘. Bei Cobra Verde tickte er dann vollkommen aus. Kinski versuchte an manchen Tagen selbst Regie zu führen. Er ließ Herzog den Kameramann Thomas Mauch feuern: „Dieser Mauch hatte nicht eine einzige Aufnahme im Kasten, die nicht auf den Misthaufen gehörte.“. Unterbrach die Dreharbeiten, weil er schmollte, dass Herzog eine Szene in seiner Abwesenheit drehte. Und bei der letzten Szene steigert er sich so in sein Schauspiel rein, dass er fast ertrunken wäre.

Kindesmissbrauchsvorwurf gegen Klaus Kinski

„Kinskis provozierende Selbstdarstellung wurde Teil einer Medienpersona, die das Prahlen mit sexuellem Missbrauch als Exzentrik verklärte.“

Frankfurter Rundschau

Bereits in seiner Autobiografie „Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund“ von 1975 hatte er geschrieben, dass er Sex mit einer 13-Jährigen hatte (und seiner Mutter und seiner Schwester, was Kinskis Brüder aber abstritten).

1991 prahlte er in seinem Buch „Ich brauche Liebe“ damit, ein inzestuöses Verhältnis mit seiner Tochter Nastassja Kinski zu haben. Sie widersprach dem und wollte ihren Vater auf Gegendarstellung verklagen. Dazu kam es aber wegen des Todes von Klaus Kinski nicht mehr. 1999 sagte Nastassja  dem Guardian, ihr Vater habe sie nie sexuell missbraucht, „auf andere Weise aber schon“. Er habe sie zwar nicht geschlagen, „aber niederträchtig beschimpft“ und begrapscht. 2013 erhob Kinskis Tochter Pola Kinski schwere Vorwürfe: Ihr Vater habe sie sexuell missbraucht. In einem Stern-Interview erzählte der jüngste Sohn Nikolai Kinski hingegen, er habe niemals erlebt, dass sein Vater aggressiv oder ausfallend geworden sei: „Mein Vater war privat der sanfteste Mensch, den man sich vorstellen konnte“.

Die Produktion von Das indische Tuch

Das indische Tuch war der 16. deutschsprachige Edgar-Wallace-Film. Um Produktionskosten zu sparen, wurde der Film fast komplett im Studio gedreht. Es gab lediglich zwei Außenaufnahmen. Das Schloss wurde als Matte Painting auf einen Vorhang gezeichnet. Der Satz „Hallo! Hier spricht Edgar Wallace“ wurde von Regisseur Alfred Vohrer gesprochen.

Der Film hat fast gar nichts mehr mit dem Roman gemein. Stattdessen wurde viel von Agatha Christies Roman Und dann gabs keines mehr eingearbeitet. Der Titel von Christies Roman wurde von „Gutmenschen“ geändert und hieß im Original 10 kleine *hier einen übel-rassistischen Begriff einfügen*.

Filmisches Erzählen in Das indische Tuch

Die erste Szene & Künstlichkeit der Inszenierung

Das indische Tuch beginnt mit einem Matte Painting: Das Schloss in dem die Handlung spielt wird gezeigt. Eigentlich soll ein Matte Painting täuschend echt aussehen. Doch das gemalte Schloss am Anfang von Das indische Tuch sieht extrem künstlich aus – zudem wabern davor noch sehr unglaubwürdige ‚Nebelschwaden‘ offensichtlich aus Trockeneis.

Doch diese offensichtlichen Budgetlimitierungen werden im nächsten Moment durch einen Bruch der filmischen Illusion ironisch kommentiert: Das Matte Painting war auf einen Vorhang gemalt, der nun hochgezogen wird.

Das nächste Bild ist nicht weniger grotesk und unterstreicht die selbstbewusste Künstlichkeit, die sich fortan durch die gesamte Inszenierung zieht: Wir sehen Hans Clarin am Klavier sitzen. Hinter ihm steht eine absurd große Beethoven-Büste und obendrein befindet sich noch ein ausgestopftes Pferd im Zimmer.

Mit diesen beiden ersten Bildern verdeutlicht der Film sofort, dass er keinerlei Anspruch hat, realistisch zu sein. Dieser Verzicht auf Realismus waren ein Markenzeichen der Edgar-Wallace-Filme. Zugleich war und ist er etwas sehr besonderes im deutschen Kino, in dem der Realismus bis heute das Ideal der filmischen Inszenierung ist. Die Inszenierung soll zum Verschwinden gebracht werden: Kamera, Musik und Schnitt sollen so unauffällig sein, dass sie sich ganz in den Dienst der Handlung stellen. Das indische Tuch bricht sehr bewusst und sehr selbstbewusst mit diesem Ideal – er ist ein Gegenentwurf.

Dies zieht sich durch den gesamten weiteren Film: Er glänzt mit unkonventionellen Zooms und Kameraschwenks. Wir sehen die Morde immer aus einer subjektiven Perspektive – Hände halten vor der Kamera das mordbringende indische Tuch. Es gibt einen Servierwagen, der von Geisterhand fährt und der ganze Film endet mit einem Bruch der vierten Wand, indem Edgar Wallace als Alleinerbe ausgerufen wird. Wir sehen hier Stilmittel, die wir auch bei Monty Python oder Bertold Brecht wiederfinden.

Bedeutung der Edgar-Wallace-Filme für das deutsche Nachkriegskino

Die Edgar-Wallace-Filme waren erstaunlich modern für ihre Zeit. Sie erschienen in einer Zeit, in der stockkonservative Heimatfilme das deutsche Kino dominierten. Die Ermittler in den EW-Filmen waren Stadtmenschen – Menschen von Welt – zugleich aber bieder und ideale Schwiegersöhne.

Die Themen, die verhandelt wurden, hielten der deutschen Wirtschaftswunder-Gesellschaft einen Spiegel vor. Es ging vor allem um Geld und Intrigen. Die Morde wurden nur wegen materialistischer Motive begangen, so wie sich im Nachkriegsdeutschland vieles nur noch um Geldverdienen und Konsum drehte.

Kritik am Plott

Fragwürdig inszeniert ist, wie schnell und unwidersprochen der Anwalt die Ermittlungen übernimmt. Es ist ja nicht so, dass Anwälte eine höhere Qualifikation bei Mordermittlungen haben als die anderen anwesenden. Aber nachdem schonmal jemand in diesem Film ermordet wurde, sehen alle sofort ein, dass Tanner den Mord aufdecken soll. Woraufhin dieser sich auch erst einmal standesgemäß in Pose wirft und die anderen verhört.

Natürlich ist das alles nicht ernst gemeint: Dies zeigt sich ja schon darin, dass niemand in Das indische Tuch je über einen der vielen Morde geschockt ist.

Die Rezeption von Das indische Tuch

Der Film wurde von der FSK ab 16 Jahren freigegeben. Im Fernsehen wurde der Film in einer stark gekürzten Fassung im 4:3-Format ausgestrahlt. Der im Original farbige Vorspann wurde durch einen Schwarzweißvorspann ersetzt. 1991 wurde die FSK-Freigabe der gekürzten Version auf 12 Jahre heruntergesetzt. Inzwischen wurde der Film auch für en kleinen Bildschirm in der originalen Kinofassung veröffentlicht, die wieder ab 16 Jahren freigegeben ist. Im Vergleich mit den anderen Filmen steht der Film mit 1,9 Millionen Zuschauern eher schlecht da.

Quentin Tarantino hat sich in einem Interview mal als Alfred-Vohrer-Fan geoutet und sagte „Alfred Vohrer is a genius!“

Im Laufe der Jahre wurden viele Versuche unternommen, die Edgar-Wallace-Filme wieder aufleben zu lassen. Der erfolgreichste dieser Versuche ist sicherlich die Parodie Der Wixxer.

Lesenswert

The End.

SF43 – Der Herr der Ringe: Die Gefährten (Literatur-Special)

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Paula
Überbezahlter Superstar
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Daniel
Verkannter Regisseur


The world is changed

Im großen „The Book doesn’t matter“-Special markieren wir unser Revier, indem wir wie Gandalf Flüsse dekorieren. Nachdem wir Saurons „Find my Ring“-Software angeschmissen haben, finden wir einen perfekten Anfang, Saruman als 90er Webseite, Rada… du hast da was in den Haaren …gast, Deus ex Adler, ein Intermezzo mit Wölfen, Touristenattraktionen für Zwerge und das Dumbledoreproblem. Ach ja: Könnte bitte jemand Gimli erzählen, dass Moria suckt?

Vorgeplänkel

Paula erzählt, wie sie Herr der Ringe im Kino gesehen hat ♦ Der Anhalter landete auf dem 12. Platz unserer Charts und Pepi, Lucy, Bom und ihre Gang landeten auf dem letzten ♦ Dr. Paula beantwortet die Frage „Woher bekomme ich eine neuen Meerjungfrauenschwanz?“ ♦ Das Revier des Mähnenwolfs ist 25 – 60 Quadratkilometer groß und der Mähnenwolf markiert es an auffälligen Stellen durch Urinieren. Außerdem gibt es Grenzgänger ohne Reviere und Mähnenwölfe sind nachtaktiv

Eckdaten

Regie: Peter Jackson
– Filmographie folgt bei der nächsten HdR-Folge …
Besetzung: Elijah Wood (Frodo), Ian McKellen (Gandalf), Liv Tyler (Arwen), Viggo Mortensen (Aragorn), Sean Astin (Sam), Cate Blanchett (Galadriel), John Rhys-Davies (Gimli), Billy Boyd (Pipin), Dominic Monaghan (Merry), Christopher Lee (Saruman), Hugo Weaving (Elrond), Orlando Bloom (Legolas), Sean Bean (Boromir), Ian Holm (Bilbo)
Budget: $93 million
Erscheinungsjahr: 2001
Genre: Fantasy, Literaturverfilmung

Die Unterschiede zwischen Buch und Film

Vom Prolog bis zum Fest

Der Film beginnt mit einem Prolog über den Ring und geht dann wie der Ring zu Bilbo, der das Kapitel „Concerning Hobbits“ schreibt.

Das Buch beginnt mit dem Ringgedicht:

Drei Ringe den Elbenkönigen hoch im Licht,
Sieben den Zwergenherrschern in ihren Hallen aus Stein,
Den Sterblichen, ewig dem Tode verfallen, neun,
Einer dem dunklen Herrn auf dunklem Thron
Im Lande Mordor, wo die Schatten drohn.
Einen Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden,
Ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden
Im Lande Mordor, wo die Schatten drohn.

… dann geht es ohne weitere Erklärungen erst einmal ausführlich nur um die Hobbits.

Diese „What are the stakes?“-Änderung wurde einerseits aus Zeitgründen vorgenommen, im Buch wird in den Kapiteln „Der Schatten der Vergangenheit“ und „Elronds Rat“ auf insgesamt gut 100 Seiten erklärt, was der Ring ist und worin die Gefahr besteht. Dies muss für einen 3-Stunden-Film entsprechend verdichtet werden. Paula lobt die Änderung zudem als dramturgisch ansprechender, da sie gleich den Kontrast zwischen der epischen Geschichte des Rings und den kleinen Hobbits aufzeigt.

Der Gandalf im Buch ist viel strenger, rigoroser und mürrischer als der im Film, der für die Hobbitkinder kichernd ein kleines Vorab-Feuerwerk abbrennt. Dies ist eine typische Hollywood-Änderung, um den Charakter sympathischer zu machen.

Die nächste Änderung vom Film gegenüber dem Buch ist die Einfügung der Szene von Merry und Pipin, die die große Drachen-Rakete abbrennen. Dies ist eine Comic-Relief/Expositions-Änderung: Die Szene soll uns klar machen, wer in diesem Film für die Witze zuständig sein wird und dass Gandalf mit den beiden noch seine liebe Müh‘ und Not haben wird.

Als Bilbo auf dem Fest den Ring aufsteckt, lässt Gandalf im Buch einen Blitz erscheinen, dies wurde im Film weggelassen. Diese Änderung wurde vorgenommen, da wir hier zum ersten Mal die Fähigkeit des Rings sehen. Damit die Zuschauer nicht verwirrt werden, wurde das Unsichtbarwerden in Reinform inszeniert. Möglicherweise ist dies eine überflüssige Änderung, die darauf zurückgeht, dass Hollywood die Zuschauer regelmäßig unterschätzt.

Saurons „Find my Ring“-Software & Magie in Mittelerde

Abschweifung: Wir rätseln, worin genau die Verbindung zwischen Sauron und dem Ring besteht. Wieviel bekommt er mit, wenn jemand den Ring aufsteckt? Außerdem fragen wir uns, wie Magie in Mittelerde funktioniert. Schließlich kommen wir auf magische Schwerter zu sprechen.

Von Bilbos Abgang bis Frodos Aufbruch

Im Buch verlässt Bilbo das Auenland wieder in Begleitung von Zwergen, im Film geht er allein. Dafür dürfte es zwei Gründe geben: Erstens ist der Cast des Films schon jetzt sehr groß und sie wollten ihn nicht noch weiter aufblähen. Zweitens ist so der Kontrast der kleinen Hobbits, die in die große Welt ziehen und dort auf wundersame Wesen treffen, besser in Szene gesetzt.

Im Buch wird explizit gesagt, dass niemand den Ring je wegwerfen würde, im Film hingegen lässt Bilbo den Ring „einfach“ fallen. Änderungsgrund: Das dramatische Bild – Film ist ein visuelles Medium!

Im Buch bricht Frodo sage und schreibe 17 Jahre nach Bilbo aus dem Auenland auf! Gandalf ist echt lange weg, um herauszufinden, was es mit dem Ring auf sich hat und der Aufbruch wird dann sehr vorsichtig als Umzug arrangiert, sodass niemand Verdacht schöpfen kann. Im Film wird die Zeitspanne nicht näher beschrieben, da sich die Hobbits allerdings nicht verändern, dürften keine 17 Jahre vergangen sein.

Abschweifung: Daniel vertritt die These, dass Tolkien in seinen Büchern seine Angst vorm Sterben verarbeitet.

Gandalf ist dann mal weg, Distanzen in Mittelerde & Frodos Alter

Abschweifung: Wir diskutieren Distanzen in Mittelerde.

Frodo ist im Buch bei seinem Aufbruch 50 Jahre alt, im Film hingegen ein Teenager. Dies ist einerseits ein Hollywood-Zugeständnis, um eine junge Zielgruppe zu erreichen, andererseits hebt es auch noch einmal mehr die Abhängigkeit von Frodo Gandalf und den anderen Gerfährten gegenüber hervor.

Gollums Backstory, Umzugswagen, ein sprechender Fuchs & Elben

Im Buch wird Gollums Backstory schon zu Beginn erzählt, in den Filmen passiert dies erst im dritten Teil. Dies ist eine dramaturgische Änderung, da der dritte Teil der Trilogie Gollums Teil ist, er spielt dort das Zünglein an der Waage.

Im Buch fällt die Entscheidung, dass Merry und Pippin nicht so spontan, wie im Film sondern ist von langer Hand geplant. Dies ist eine Änderung aus Zeitgründen, die allerdings auch eine Plottschwäche konstruiert, da sich Merry und Pippin „mal eben“ entscheiden, mit Frodo aus ihrer Heimat wegzugehen.

Im Buch taucht im Auenland ein sprechender Fuchs auf, dieser wurde im Film weggelassen. Grund der Änderung: der Stil des Buches ist zu Beginn noch viel näher am Kinderbuch „Der Hobbit“ und wird erst im Laufe der Geschichte immer epischer. Im Film hätte das hingegen einfach nur albern gewirkt.

Im Buch gibt es eine lange Begegnung zwischen den Hobbits und den Elben bereits im Auenland, im Film wird diese in der Special Extendend Edition nur kurz referenziert – Eine Änderung aus Zeitgründen. Allerdings sind die Elben im Buch auch albern, im Film hingegen immer bierernst und hochtrabend – eine dramaturgische Änderung, die vielleicht nicht die beste ist …

Abschweifung: Wir verraten, was unsere Lieblingsrassen in Mittelerde sind.

Vom Bauern Maggot bis nach Bockland

Im Buch gibt es einen langen Abschnitt mit dem Bauern Maggot, dieser wurde im Film auf zwei Referenzen zusammengekürzt. Im Buch werden die Hobbits außerdem ganz gemächlich zur Bockenburger Fähre kutschiert, im Film hingegen wird dies für einee weitere Action-Szene genutzt, um die Spannung hochzuhalten.

Im Buch ist dann in Bockland das vermeintliche neue Haus von Frodo und dort offenbaren dann Merry, Pippin, Fredegar Bolger und Sam Frodo, dass sie von seinem Plan, das Auenland zu verlassen, wissen und ihn begleiten werden. Im Film wurde diese Szene aus Zeitgründen komplett weggelassen.

Durch den alten Wald, vobei an Tom Bombadil bis nach Bree

Im Buch kommt dann ein langer Abschnitt, in dem sich die Hobbits im Alten Wald verirren, vom Alten Weidenmann angegriffen und von Tom Bombadil gerettet werden, dann bei Bombi abhängen und schließlich durch die Hügelgräberhöhen nach Bree reiten und dort von einem Grabwicht angegriffen werden. Dort werden sie dann noch einmal vom alten Tom gerettet. Im Film wurde dies alles weggelassen. Einerseits wieder aus Zeitgründen, andererseits weil es im Buch eine Abschweifung darstellt und nichts unmittelbar mit dem Ring zu tun hat. Außerdem singt Tom Bombadil die ganze Zeit und das hätte im Film albern gewirkt. Allerdings erzeugt dies ein Plottloch: Im Buch finden die Hobbits ihre Schwerter in dem Hügelgrab, im Film bekommen sie sie von Aragorn: „Ach übrigens, ich habe hier noch vier Schwerter, die ich immer mit mir rumschleppe …“

Abschweifung: Wir besprechen die Waffen unserer Wahl.

Im Buch kommt Merry In Bree nicht mit in die Kneipe, sondern geht spazieren. Außerdem gibt es noch einen Nebencharakter (Lutz Farnrich), der ein Spion Saurons ist und von dem die Gefährten auch das Pony Lutz kaufen. Im Film wird dies alles weggelassen, da es nicht wirklich viel zur Handlung beiträgt und das Pferd scheint einfach Aragorns Pferd zu sein.

Im Film rutscht Frodo der Ring im tänzelnden Pony auf den Finger, als er zu Pippin eilt, um zu verhindern, dass der sich verquatscht. Im Buch will zwar Frodo das auch verhindern, alles ist aber wieder gemächlicher inszeniert, Frodo fängt an zu singen und zu tanzen, um von Pippin abzulenken und dabei rutscht ihm der Ring in der Tasche auf den Finger. Dies ließe sich halt schlecht in einem Film zeigen, außerdem wird durch die Inszenierung der Charakter-Arc von Pippin noch mehr hervorgehoben, der Anfangs der Kleine ist, der nur Blödsinn macht und im Laufe der Trilogie dann erwachsen wird.

Im Buch hat der Wirt Butterblüm eine größere Rolle und ist ein Kumpel von Gandalf. Ferner hat Gandalf ihm vor einem halben Jahr einen Brief gegeben, dass Frodo sofort aufbrechen und nicht auf ihn, Gandalf, warten soll. Butterblüm hat vergessen den Brief abzuschicken, daher ist Frodo überhaupt erst in Gefahr geraten. Auch dies ist im Film wieder einer Kürzung zum Opfer gefallen, zudem wäre der Cast noch weiter aufgebläht worden, wenn Butterblüm vollumfänglich drin gewesen wäre.

Aber warum gibt es dann Arwen?

Abschweifung: Wir diskutieren, warum und inwieweit Arwen in den Film hineingeschrieben wurde. Außerdem rantet Daniel darüber, dass Klett-Cotta in der Taschenbuch-Ausgabe des Herrn der Ringe die Anhänge weggelassen hat. Absolute Frechheit!

In der Zwischenzeit, Lieblingshobbits, Lieblingsgefährten & die Wetterspitze

Im Buch folgt eine weitere Abschweifung, in der man erfährt, wie Fredegar Bolger in Bockland von schwarzen Reitern angegriffen wird. Hingegen wird der Angriff auf die Hobbitbetten in Bree nur retrospektiv erzählt. Im Film wurde ersteres weggelassen und zweiteres direkt gezeigt, denn Show, don’t tell!

Abschweifung: Wir sprechen über unsere Lieblingshobbits und Lieblingsgefährten.

Im Buch werden Aragorns Selbstzweifel mehr hervorgehoben als im Film. Was uns eigentlich besser gefällt …

Im Buch findet der Kampf auf der Wetterspitze nicht auf der Wetterspitze statt, sondern in einer Mulde an ihrem Fuß. Im Film wurde er auf die Spitze verlegt. Das ist eine Änderung gemäß des Mottos „Wirkung geht über Realismus“. Klar macht es plotttechnisch mehr Sinn am Fuß zu kampieren, wenn man unentdeckt bleiben möchte, aber die Spitze bietet uns halt bessere Bilder.

Gandalf als Dekorateur, Deus ex Machina & Arwens Unsterblichkeit

Im Film ruft Arwen den Fluss, im Buch hingegen ist der Fluss halt „Elronds Fluss“ und Gandalf hat die Pferde als Deko draufgepackt. Diese Änderung wurde vorgenommen, um dem Zuschauer eine Erklärung an die Hand zu geben, warum der Fluss kommt (Show, don’t tell).

Abschweifung: Wir reden über Magie als Deus Ex Machina. Daniel empfiehlt Die Königsmörder-Chronik von Patrick Rothfuss, die in Bezug auf Magie diesen Fehler umgehen.

Im Film schenkt Arwen Frodo dann ihre Unsterblichkeit, was im Buch hier nicht geschieht. Wir finden diese Änderung sehr schwach und verstehen auch nicht, warum sie vorgenommen wurde.

Bilbos Fratze, Balins Backstory, Zwergenstuff & lange 1. Hälften

Im Buch wird offen gelassen, ob sich Bilbos Gesicht tatsächlich zu einer Fratze verzieht, oder ob sich Frodo dies nur einbildet. Im Film kann diese Unsicherheit aufgrund des Medienbruchs nicht auftreten.

Im Buch wird Balin „des Herrn von Morias“ Backstrory erzählt. Im Film wurde dies aus Zeitgründen weggelassen, was leider zu dem Plottloch führt, dass Gimli die ganze Zeit nach Moria will und alle anderen zu wissen scheinen, dass das eine schlechte Idee ist.

Im Buch wird bei Elronds Rat außerdem erzählt, wie Sauron versucht, die Zwerge auf seine Seite zu ziehen, dies wird im Film als Abschweifung weggelassen.

Das Buch Die Gefährten ist noch einmal in zwei Bücher unterteilt, bei denen das erste länger ist als das zweite. Im Film wurde hingegen dieser erste Teil stärker gekürzt als der zweite.

Saruman als 90er-Webseite, Radagast, antiklimatisches Schwert & beste Szene

Im Buch ist Saruman nicht wie im Film auf Saurons Seite gewechselt, sondern will den Ring für sich. Dies ist wohl eine typische Hollywood-Änderung, bei der die Drehbuchautoren glaubten, dass die Story vereinfacht werden muss.

Saruman ist im Buch jetzt auch nicht mehr Saruman, der Weiße, sondern Saruman der Bunte, dessen Gewand ständig die Farbe wechselt, das hätte im Film schon sehr trashig gewirkt.

Ferner erfahren wir, dass im Buch Gandalf ohne Kampf von Saruman gefangen genommen wurde. Im Film hingegen wurde hier eine weitere Action-Szene eingefügt, um die Spannung hochzuhalten.

Im Buch taucht Radagast kurz auf, im Film wurde er weggelassen, weil der Plott schon jetzt zu groß ist.

Im Buch nimmt Aragorn sein neu geschmiedetes Schwert gleich aus Bruchtal mit, im Film hat es einen großen Auftritt im dritten Teil. Im Buch ist diese Szene schon recht antiklimatisch: In einem Halbsatz wird das abgefrühstückt. Doch dieses schicksalsträchtige Schwert hat zurecht einen größeren Auftritt verdient.

Abschweifung: Wir sprechen über die besten Szenen. Und fragen uns, ob es andere ähnlich gute Einführungen von Protagonisten gibt, wie jene von Aragorn.

Intermezzo mit Wölfen, Zwergensprache, Boromir wirft den ersten Stein & Mellon

Im Buch gibt es einen weiteren Zwischenhöhepunkt, durch einen Kampf gegen Wölfe, im Film wurde dies weggelassen. Auch wenn die Szene anders beschrieben ist, hat jener Kampf gegen die Wolfsreiter im zweiten Film diese Funktion übernommen. Die Änderung wurde wahrscheinlich vorgenommen, da im ersten Film es schon genug Action gab, im zweiten hingegen noch ein Zwischenhöhepunkt gebraucht wurde.

Im Buch wird erwähnt, dass die Zwergensprache geheim ist, im Film spricht (in Die Zwei Türme) Aragorn hingegen Zwergisch. Den Comic-Relief-Moment im zweiten Film hätte man auch weglassen können, allerdings ist es auch voll das Nerdwissen, dass die Zwergensprache geheim ist und für die Handlung voll unwichtig.

Im Buch wirft Boromir vor dem Tor von Moria den ersten Stein ins Wasser und wird von Frodo angewiesen, das Wasser nicht aufzuschrecken. Im Film macht dies Merry und der Spruch kommt von Aragorn. Da im Buch beides ziemlich „Out of Charakter“ ist, geht die Änderung schon klar.

Im Buch ist Boromir auch viel unsympathischer als im Film. Im Film ist der Charakter wesentlich ambivalenter, was ihn viel interessanter macht.

Im Buch kommt Gandalf selbst auf „Mellon“. Im Film ist es Frodo. Wir finden die Änderung gut, da sie Frodo aktiver macht und trotzdem zu seiner Rolle passt.

Dann kommt noch ein Ork, Türbann, Zwergentourismus & das Dumbledore-Problem

Im Buch spießt ein Ork Frodo auf, im Film hingegen der Troll. Die Änderung wurde vorgenommen, da die Szene im Buch etwas antiklimatisch wirkt: Erst machen die Gefährten den Troll fertig und dann kommt noch ein Ork dahergelaufen …

Im Buch gibt es einen ersten Kampf zwischen dem Balrog und Gandalf an der und durch die Tür von Balins Grabkammer, die Gandalf mit einem Bannspruch belegen will. Dies wurde im Film weggelassen, einerseits weil es extrem schwer zu inszenieren gewesen wäre und andererseits, weil man sich dadurch den dramatischen ersten Auftritt des Balrogs kaputtgemacht hätte.

Nachdem die Gefährten aus Moria geflohen sind, bekommst du im Buch rund um den Spiegelsee noch mehr Zwergen-Backstory. Paula kritisiert, dass dies im Film weggelassen wurde, da die Zwerge insgesamt viel zu kurz kommen. Daniel entgegenet, dass die Szene nach Moria im Film sehr stark ist und die Dramatik durch den Zwergentourismus kaputtgegangen wäre.

Abschweifung: Wir besprechen das Dumbledore-Problem.

Wo ist eigentlich Gollum? Lórien-Zeug & die schlechteste Szene

Im Buch wird bis zum Anduin nur angedeutet, dass Gollum die Gefährten verfolgt, im Film ist dies schon in Moria klar. Diese Änderung hätte nun nicht unbedingt eingeführt werden müssen.

Die Elbenstadt in Lórien wird im Buch mit Stadtmauer beschrieben, im Film wird dies nicht gezeigt: egal. Allerdings werden die Baumhäuser der Elben weniger spektakulär beschrieben, als sie im Film gezeigt werden. Die Änderung ist gut, da sie zu einem weiteren großen Bild führt.

Im Buch schaut auch Sam in Galadriels Spiegel und sieht das, was Frodo im Film sieht: Was gerade im Auenland abgeht. Im Film wurde dies weggelassen, da im dritten Teil aus Zeitgründen die Unterjochung des Auenlands auch weggelassen wurde. Im Podcast haben wir uns gestritten, was Frodo im Buch sieht, hier der Wortlaut:

„Sofort hellte sich der Spiegel auf, und er sah ein Land im Dämmerlicht. Dunkle Berge hoben sich in der Ferne vom blassen Himmel ab. Eine graue Straße zog sich hin und entschwand außer Sicht. Won weit hinten kam eine Gestalt langsam die Straße daher, kaum zu erkennen zuerst, dann im Näherkommen größer und deutlicher. Plötzlich begriff Frodo, dass sie ihn an Gandalf erinnerte. Fast hätte er den Zauberer beim Namen gerufen, da erkannte er, dass die Gestalt nicht in Grau, sondern in Weiß gekleidet war, in ein Weiß, das im Dämmerlicht ein wenig leuchtete, und in der Hand trug sie einen weißen Stab. Sie hielt den Kopf gesenkt, sodass er das Gesicht nicht erkennen konnte; und gleich wandte sie sich zur Seite um eine Biegung der Straße und verschwand aus dem Spiegelbild. Frodo kamen Zweifel: War ihm Gandalf erschienen, so wie er auf einer seiner einsamen Fahrten vor langer Zeit ausgesehen haben mochte, oder war es Saruman gewesen?
Nun wechselte das Bild. Kurz und klein, aber sehr deutlich sah er Bilbo in seinem Zimmer rastlos auf und ab gehen. Auf dem Tisch lagen allerlei Papiere kreuz und quer; Regen prasselte ans Fenster.
Nach einer Pause folgten viele rasch wechselnde Szenen, und Frodo wusste irgendwoher, dass sie in den Zusammenhang der großen Geschichte gehörten, in die er verwickelt war. Der Nebel lichtete sich und er sah etwas, das er noch nie gesehen hatt und doch gleich erkannte: das Meer. Dunkelheit zog herauf. Das Meer bäumte sich auf und wütete. Dann sah er gegen die Sonne, die blutrot in den Wolkentrümmern versank die schwarze Silhouette eines hochmastigen Schiffs, das mit zerfetzten Segeln von Westen herantrieb. Dann einen breiten Strom, der durch eine bevölkerte Stadt floss. Dann eine weiße Burg mit sieben Türmen. Dann wieder ein Schiff, eines mit schwarzen Segeln, aber nun war es wieder Morgen, und das Licht glitzerte im gekräuselten Wasser, und eine Fahne mit dem Wahrzeichen eines weißen Baums leuchtete in der Sonne. Ein Dunst wie von Rauch und Schlachtenstaub stieg auf, und wieder versank die Sonne in roter Glut, die bals zu einem grauen Nebel verblasste; und in den Nebel fuhr ein kleines Schiff mit blinkenden Lichtern hinaus. Es verschwand, und Frodo seufzte und wollte schon zurücktreten.
Doch plötzlich wurde der Spiegel ganz und gar dunkel, so dunkel, als hätte sich in der Welt des Gesichtssinns ein Loch aufgetan, und Frodo blickte ins Leere. In dek schwarzen Abgrund erschien ein einzelnes Auge, das wuchs und wuchs, bis es fast den ganzen Spiegel einnahm. So furchtbar sah es aus, dass Frodo wie festgewachsen davor stand, unfähig, zu scheien oder den Blick abzuwenden. Das Auge war mit Flammen umrandet, aber es selbst war glasig und gelb wie ein Katzenauge, wachsam und lauernd, und der schwarze Schlitz der Pupille öffnete sich über einem Abgrund, wie ein Fenster zum Nichts.“

Nachtrag zum Podcast: Wir hatten beide Recht. So würde ich (Daniel) diesen Abschnitt interpretieren: Das erste Bild ist klar Gandalf der Weiße, Bilbo ist auch klar. Das erste Schiff ist das Schiff auf dem Elendil nach Mittelerde kommt, nachdem seine Heimat Númenor untergegangen war (siehe Silmarillion). Die Stadt ist die alte Hauptstadt Osgiliath, die Burg ist Minas Tirith. Das Schiff mit den schwarzen Segeln, die Flagge und der Schlachtenstaub beschreiben die Schlacht um Minas Tirith und das kleine Schiff jenes Schiff, auf dem Frodo Mittelerde verlässt. Das Auge ist ganz klar das Auge von Sauron.

Paula gibt zu bedenken, dass schon im Buch dadurch, dass der Spiegel nur zeigt, was sein könnte, es an einer glaubhaften Motivation für Frodo fehlt, überhaupt hineinzusehen. Daniel erwidert, dass diese Ungewissheit ein ganz klassischer Orakel-Trope ist. Dass die Szene dann überhaupt in den Film übernommen wurde, ist für Paula bloßer Fanservice. Daniel stimmt zu, dass die Abänderung im Film Frodo keinen Informationsgewinn geben, dass die Szene aber im Buch besser war, da dies hier durchaus der Fall ist.

Galadriel wird weiter im Buch bei ihrem Ring-Flash als schrecklich-schön beschrieben. Im Film ist sie zwar schrecklich, aber ist sie auch schön? Das ist auf eine typische CGI-Problematik zurückzuführen.

Abschweifung: Wir sprechen über die schlechteste Szene im Film.

Im Buch isst Gimli zu viel Lembas, im Film sind es Merry und Pippin. Die Änderung wurde gemacht, da es einfach viel besser zu den Hobbits passt, sich an Lembas zu überessen. Im Film wurde außerdem die Wirkung des Lembas noch potenziert. Dies geschah um den Comic-Relief noch zu erhöhen.

Im Buch wird ausführlich die „Magie“ der Mäntel erklärt, das fällt im Film weg. Das ist schade, da so die wichtige Szene im zweiten Film aus dem Nichts kommt. Die Gefährten bekommen im Buch außerdem teilweise andere Geschenke. Die Seile sind einfach nur Ausrüstungsgegenstände, wie die Boote, das Lembas und die Mäntel, die alle Gefährten bekommen. Das Amulett „Elessar – der Elbenstein„, dass Aragorn im Film von Arwen bekommt, bekommt er im Buch von Galadriel (es ist aber Arwens Stein). Es macht schon mehr Sinn, dass Arwen, Aragorn den Stein persönlich gibt … Der Elbenstein wird im Buch auch anders beschrieben: grün, in einer Adlerbrosche eingefasst. Im Film ist er perlmut und geformt als Engel, der einen Edelstein hält.

Im Buch bekommt Sam als Geschenk eine Schachtel mit „Dünger“. Die verwendet er im dritten Teil, um das Auenland wieder aufzuforsten, da im Film die Verwüstung des Auenlands weggelassen wurde, macht dieses Geschenk natürlich keinen Sinn mehr. Merry, Pippin und Boromir bekommen im Buch zudem Gürtel statt Dolche. Keinen Plan, warum das im Film geändert wurde.

Da ist Gollum! Und ein Nazgul! Und ein Showdown!

Im Buch gibt es noch eine zusätzliche Szene, in der Gollum mutmaßlich ein Boot klauen will, diese Szene wurde im Film gestrichen. Im Film wurde zudem der Zwischenhöhepunkt der Stromschnellen von Sarn Gebir gestrichen. Im Buch geraten die Gefährten hier in einen ersten Ork-Hinterhalt. Hier wirken die Elbenmäntel erstmals als Tarnmäntel. Außerdem tritt hier erstmals ein Nazgûl-Drache auf, der von Legolas abgeschossen wird. Im Anschluss an diesen Hinterhalt tragen die Gefährten ihre Boote am Westufer entlang an den Stromschnellen vorbei. Dass diese Szene im Film gestrichen wurde hatte neben den zeitlichen Gründen wohl vor allem einen dramturgischen: Damit die Nazgûl-Reittiere im zweiten Teil einen dramatischen ersten Auftritt bekommen können.

Die Konfrontation zwischen Boromir und Frodo auf dem Amon Hen ist im Buch viel ausführlicher. Außerdem sieht Frodo im Film mehr, als er mit aufgesteckten Ring auf dem Ausguck sitzt: Isengart, Kriegsvorbereitungen, Minas Tirith, Barad-dûr und das Auge. Als das Auge ihn dann fast entdeckt hat, hört Frodo eine Stimme, die ihm eingibt: „Zieh ihn aus, du Narr!“, wir spekulierten, dass dies Gandalf ist. Nach dieser Szene bleiben wir im Buch die ganze Zeit bei Frodo und Sam und sehen nicht den Kampf, der uns im Film gezeigt wird. Im Film trifft außerdem Aragorn noch mal auf Frodo sowie Merry und Pippin. Die Begegnung zwischen Frodo und Aragorn hat im Film einfach die Funktion noch einmal den Unterschied zwischen Aragorn und Boromir aufzuzeigen, zudem soll den beiden Helden der folgenden Teile noch ein letzter gemeinsamer Moment geschenkt werden. Es soll entsprechend auch das Herz erwärmen, dass die Freunde Merry und Pippin sich im Film noch verabschieden können. Dass der Kampf reingenommen wurde, ist auch klar: Filme brauchen Showdowns.

Im Film beginnt Frodo zudem im Laufe der Spielzeit schon die Auswirkungen der Macht des Rings zu spüren. Im Buch beginnt dies erst ab dem zweiten Teil. Da der Ring im Film weniger Zeit hat, zu zeigen, wie fies er ist, wurde das entsprechend mit hineingenommen. Genau wie die Szene beim Bergaufstieg, als Frodo den Ring verliert und Boromir ihn aufhebt.

Fantasyfilme im Allgemeinen

Paula empfiehlt den Sandalen-Film: Kampf der Titanen (1981). Daniel empfiehlt den trashigen Krull, Game of Thrones, der Zauberer von Oz sowie einige der Potter-Filme. Der Podcast Der Explikator hat mal das Problem von Fantasy im Kino in einer Folge behandelt. Die Gründe: Der Monomythos, die Lieblosigkeit in der Umsetzung, Deus ex Machina und zuviel CGI.

Bewertung von Film und Buch

Paula mag den Film sehr gerne, aber das Buch nicht so sehr: Sie mag Tolkiens Sprache nicht. Daniel findet die erste Stunde des Films perfekt inszeniert, denkt aber, dass er in der Mitte etwas nachlässt. Das Buch findet er auch spitze.

Paula gibt dem Film 98 Punkte, Daniel gibt ihm 89 Punkte. Hier unsere Charts.

The End.