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SF68 – Wonder Boys (Daniels Lieblingsfilme)

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Paula
Überbezahlter Superstar
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Daniel
Verkannter Regisseur


I couldn’t stop

Unsere Suche nach Marilyn Monroes Jacke floppte leider. Was vielleicht an dem toten Hund lag, vielleicht aber auch an David Hasselhoffs neuem Lied. Für diese Screwball-Komödie, in der Iron Man mit Spider-Man in die Kiste hüpft, machten wir extra eine Spezialdiät in James Bonds roter Unterhose. Wir beiden Wunderkinder teasern den Unterschied zwischen Dragqueens und Transvestiten an während im Hintergrund Ratten rattern.

Vorgeplänkel & Abschweifungen

Stimmt hier ab, über welchen Anime-Film aus den 80ern, wir sprechen sollen ♦ Die meistgelogenen Bücher ♦ Unsere Folge zum Herr der Ringe. Der zweite Teil ist in Panung, versprochen! ♦ Die Simpsons-Suchmaschine ♦ Triggerwarnung ♦ Shelfies ♦ Der Werther-Effekt ♦ Fest kommt tatsächlich von Festum

Die Eckdaten zu Wonderboys

Erscheinungsjahr: 2000
Regie: Curtis Hanson
– Filmographie (Auswahl):
1972 Sweet Kill
1992 The Hand That Rocks The Cradle
1997 L. A. Confidential
2000 Wonder Boys
2002 8 Mile
2005 In Her Shoes
2012 Chasing Mavericks
Drehbuch: Steve Kloves
– Filmographie (Auswahl):
1989 The Fabulous Baker Boys
7 von 8 Potter-Drehbücher
2012 The Amazing Spider-Man
Budget: 55 Mio $$
Besetzung: Michael Douglas (Grady), Frances McDormand (Sara), Tobey Maguire (James), Robert Downey Jr. (Terry), Katie Holmes (Hannah)
Genre: Komödie, Tragikomödie, Screwball

Die Produktion von Wonder Boys

Der Film basiert auf dem gleichnamigen zweiten Roman von Michael Chabon. Dieser Roman ist autobiographisch gefärbt und thematisiert Chabons Arbeit an nie realisierten Roman Fountain City. Drehbuchautor Kloves war bekannt geworden durch das Drehbuch und die Regie von The Fabulous Baker Boys (1989), hatte dann nichts mehr im Filmgeschäft gemacht, bis er den Roman Wonderboys adaptierte, was zum Kickstart seiner Karriere führte.

Typisch für einen kleinen Film war, dass sich zunächst kein Studio fand, das ihn produzieren wollte. Erst als Michael Douglas auf das Drehbuch aufmerksam wurde und sich dahinterklemmte, konnte Paramount als Geldgeber gewonnen werden. Michael Douglas nahm übrigens für die Rolle über 12 Kilogramm zu. Dies machte er, indem er sich vor allem durch Pizza, Subs und Bier ernährte.

Robert Downey Jr. wiederum befand sich damals auf dem Tiefpunkt seiner Drogensucht. Während der Dreharbeiten war er auf Bewährung und musste kurz darauf wegen Verstoßes gegen die Bewährungsauglagen ins Gefängnis.

Der Film wurde vor Ort in Pitsburg gedreht. Ähnlich wie bei Fargo gab es im Jahr der Dreharbeiten einen ungewöhnlich frühen Frühling. Daher mussten Unmengen an Kunstschnee eingesetzt werden und in mehreren Szenen wurden Nadelbäume aufgestellt um austreibende Laubgewächse zu verstecken. Dieser erhöhte Aufwand für die Kulisse, war nicht zuletzt wegen des Drehplans doppelt anstrengend. Normalerweise werden ja alle Szenen an einem Drehort nacheinander gefilmt. Aber hier wurde wie damals The Shining in chronologischer Reihenfolge gefilmt.

Bob Dylan schrieb extra für den Film den Song ‚Things Have Changed‘:

Video auf Youtube

Filmisches Erzählen in Wonder Boys

Ist Wonder Boys eine Screwball-Komödie?

Aspekte von Screwball aus der Wikipedia:

  • Viele Figuren in Screwball-Komödien fallen durch ihr schrulliges, temperamentvolles, kindliches oder exzentrisches Verhalten auf.
  • Konflikt zwischen Gegensätzen (vor allem zwischen Mann und Frau).
  • Am Ende des Filmes werden Konflikte nicht ausgeglichen, sondern es kommt zur friedlichen Koexistenz.
  • Hohe Dialoglastigkeit mit feinem und intelligentem Wortwitz.
  • Ein rasantes Tempo.
  • Eine raffiniert konstruierte Handlung.
  • An der Grenze zur Farce.
  • Visueller Slapstick.
  • Missverständnisse oder Geheimnisse zwischen den einzelnen Figuren.
  • Eine Beziehungskomödie

Interessant ist vor allem der letzte Punkt: Dass Screwball-Komödien Beziehungskomödien sind. Denn, wenn man Wonder Boys als Screwball betrachtet, stellt sich die Frage, was denn die zentrale Beziehung in diesem Film ist.

Nachtrag zum Podcast: Wir waren uns uneins, ob Antonia ein Transvestit ist oder eine Dragqueen. Unsere Verwirrung ist – zumindest laut der Wikipedia – verständlich, da es keine scharfe Abgrenzung zwischen den Begriffen gibt. Allerdings verwechselt Daniel Transvestitismus mit Travestie, wenn er behauptet, dass Transvestiten sich nur für die Bühne als Frauen kleiden.

Warum heißt der Film Wonder Boys?

Der Begriff „Wonder Boys“ wird verwendet wie der deutsche „Wunderkind“. Jemand, der oder die in jungen Jahren große Leistungen erbringt. James ist im Film der Wonder Boy, aber auch Grady ist ein ehemaliger Wonder Boy, der nun unter seinem frühen Ruhm leidet. Der Film verfügt außerdem über ein paar schöne Symbole für Wonder Boys. So spielt er in Pittsburgh. Pittsburgh selbst war quasi ein Wonder Boy. Einst war es eine reiche Industriestadt, doch nach der Stahlkrise in den 1970ern hatte sie mit hoher Arbeitslosigkeit zu kämpfen. Ein weiteres schönes Symbol ist die Schreibmaschine, die Grady benutzt. Sie ist ein Stück Technik, dass durch das Aufkommen des Computers genauso überholt ist wie Grady und sie wird ihm im Höhepunkt des Films auch zum Verhängnis. Ganz am Ende, als Grady sein Leben auf die Reihe gekriegt hat, schreibt er folgerichtig auch auf dem Computer. Verblichen ist auch Gradys Bademantel, der wie sein Träger schon bessere Tage gesehen hat.

Meeting with the Goddess

Sara (Frances McDormand) wird immer wieder mit Symbolen für eine Göttin in Verbindung gesetzt. So fährt sie eine Citroën DS. Wenn man DS auf Französisch ausspricht, ergibt das Déesse – Göttin. Auch ihr Gewächshaus wird von James als Himmel bezeichnet. Das „Meeting with the Goddess“ ist ein Punkt in der traditionellen Heldenreise. Spannend ist hier auch, dass Gradys Untermieterin Hannah (Katie Holmes) eigentlich als Love Interest aufgebaut wird, der Film sich dann aber nie dem Klischee hingibt, dass es wirklich zu einer Beziehung zwischen Grady und Hannah kommt, sondern Sara immer ganz klar die Goddess ist.

Cameo

Der Romanautor James Ellroy ist am Anfang auf der Party im Haus der Kanzlerin zu sehen. Ellroy schrieb den Roman L.A. Confidential, den Hanson zuvor verfilmt hatte.

Zitate & Referenzen

  • Auf der Party am Anfang zählt James prominente Suizide auf. Er nennt dabei den Namen des Schauspielers George Sanders. Später sieht man im Fernsehen eine Szene laufen aus Das Bildnis des Dorian Gray (1945) mit Sanders.
  • Terry kommt auf die Party am Anfang in Begleitung der Dragqueen (?) Miss Antonia Sloviak (Tony). Da Marilyn Monroe im Film insgesamt und besonders auf der Party eine große Rolle spielt, ist dies eine Referenz an Some Like It Hot (1959). In diesem Film hatte sich unter anderem Tony Curtis als Frau verkleidet.
  • Im Garten der Party beschreibt James das Gewächshaus als Himmel: das referenziert den Film Zardoz (1974).

Die Rezeption von Wonder Boys

Der Film war ein großer Flopp. Obwohl er wohlwollende Kritiken erhielt, fand er beim Publikum keinen Anklang, als er im Februar 2000 anlief. Paramount vermutete, dass es an der falschen Marketing-Kampagne lag, die komplett auf Michael Douglas zugeschnitten war. Daher brachte das Studio zu Beginn der Award-Season im November 2000 erneut in die Kinos mit einer veränderten Marketing-Kampagne, die das starke Ensemble betonte. Der Vice Chairman von Paramount Rob Friedman kritisiert diese Entscheidung, da noch nie ein Flop bei einem Re-Release zum Erfolg geworden wäre. Er behielt auch im Fall von Wonder Boys recht. Wonder Boys spielte weltweit 33 Millionen Dollar ein und blieb damit weit hinter seinen Produktionskosten zurück.

In der Kinoversion von Wonder Boys erwähnt James in der Szene, in der er die Suizide Prominenter aufzählt, den Schauspieler Alan Ladd. Die Familie von Ladd protestierte dagegen. Die Ursache des Todes von Alan Ladd seien bis heute unklar und die Familie gehe von einem Unfall aus. Aus Respekt vor der Familie entschied sich das Produktionsteam daher, bei der DVD-Veröffentlichung die Szene leicht abzuwandeln, sodass Ladds Name nicht mehr fällt.

Preise & Bestenlisten

Zitate & Referenzen

  • In Tropic Thunder (2008) gibt es einen gefakten Trailer, in dem Toby Maguire und Robert Downey Jr. als „forbidden lovers“ zu sehen sind.
  • In Iron Man 2 wird Tony Stark (Robert Downey Jr.) einmal „Wonder Boy“ genannt.

Lesenswert & Hörenswert

The End!

#Horrorctober 4 – The Brood

Nur ein Jahr vor Kubricks The Shining drehte David Cronenberg The Brood. Zu sehen bekam ich auch hier kein Zitat und leider auch keinen guten Film

Eckdaten

Erscheinungsjahr: 1979
Regie: David Cronenberg
– Fimographie (Auswahl):
1979 The Brood
1986 The Fly
1991 Naked Lunch
1996 Crash
1999 eXistenZ
2005 A History of Violence
2007 Eastern Promisses
2012 Cosmopolis
Budget: ca. 1 Mio $
Besetzung: Oliver Reed (Dr. Raglan), Samantha Eggar (Nola Carveth), Art Hindle (Frank Carveth)
Genre: Horror

Die Handlung in fünf Sätzen

Mit Spoilern.

to much information

Die gute Nola Carveth ist in einer geschlossenen Therapie beim experimentellen Therapeuten Dr. Raglan. Nachdem die gemeinsame Tochter Candice Nola besucht hatte, entdeckt Frank Carveth Misshandlungsspuren und versucht vergeblich herauszufinden, was passiert ist. Da in der Zwischenzeit erst Oma, dann Opa und schließlich die Kindergärtnerin von Candice von mutierten Kindern ermordet wurden und zudem Candice entführt wurde, verfolgt Frank die Spur zurück zu Nola. Frank erfährt von Dr. Raglan, dass Nola die Mutantenkinder thelepatisch kontrolliert und versucht Nola abzulenken, während Dr. Raglan Candice aus den Klauen der Mutantenkinder befreit – natürlich geht der Plan schief. Am Ende entdeckt Frank, dass Nola die Mutantenkinder in einer ekligen, gewissermaßen externen Parthenogenese zur Welt bringt und bringt Nola dann doch lieber mal um, wodurch alle Mutantenkinder sterben und Candice gerettet werden kann … oder vielleicht doch nicht?

Filmisches Erzählen

Mmh … Der Film beginnt mit einer kruden Kritik an Sekten à la Scientology und/oder der Psychotherapie. Was genau er da kritisieren will, weiß wohl nicht einmal Cronenberg. Dieser Anfang ist so dermaßen unspannend, dass ich mit dem Schlaf kämpfen musste. Menschen reden und reden und reden. Versteht mich nicht falsch: Ich habe nichts gegen dialogische Filme. Einige meiner besten Freunde sind dialogische Filme! Aber dieser hat eine so unglaublich langweilige Kamera-Arbeit wie eine Vorabendserie. Fast 20 Minuten sehen wir nur stupide, statische: Shot – Reaction Shot – Totale.

Als dann die erste Horror-Szene kommt, entfesselt Cronenberg seine Kamera, nur um danach wieder zur Trias der Langeweile zurückzukehren. Gegen Ende steigert sich dann zum Glück die Schlagzahl der Spannungsmomente, aber so richtig vom Hocker konnte mich das nie reißen. Das lag einmal mehr an der grenzenlosen Dummheit der Protagonistinnnen. Sie werden von KINDERN angegriffen, aber statt sich mal zu wehren oder wegzulaufen, geben sie sich schicksalsvoll dem Sterben so hin. Als dann Frank sich einmal nicht ergibt, ist es auch erwartbar einfach, eines dieser Mutantenkinder abzuschütteln und im Bad einzusperren. Am intelligentesten im ganzen Film verhält sich ein Kindergartenkind, das als einziges von allen Opfern oder Zeugen mal auf die Idee kommt wegzulaufen und dabei um Hilfe zu rufen.

Das andere Problem sind Plottlöcher, die größer sind als so mancher Mondkrater: So erklärt einmal ein Pathologe Frank ausführlich, was es mit dem Mutantenkind auf sich hat, obwohl Frank kein Polizist oder ähnliches ist. Anscheinend teilt die Polizei Verwandten immer alle Spuren einer Ermittlung mit, es ist ja offensichtlich nicht denkbar, dass jemand aus dem Familienkreis der Opfer etwas damit zu tun haben könnte.

oh wait!

Außerdem wird Dr. Raglan den ganzen Film über als Hauptverdächtiger aufgebaut, im Showdown bedarf es dann aber nichts weiter als seiner Beteuerung, dass nicht er der Schurke ist, sondern dass Franks verrückte Frau das Schindluder treibt, um Frank von der Unschuld des Doktors zu überzeugen. Pffff …

Die „Here’s Johnny-Szene“

Die verdächtige Szene kommt nach 1:26:00 Stunden. Candice flieht vor einer Horde Mutantenkinder und verbarikadiert sich hinter einer Tür. Die Mutanten schlagen immer wieder gegen die Tür, bis ihre Fäuste durchbrechen. Doch dann erwürgt Frank seine nah-zukünftig verstorbene Frau und mit ihr fallen alle Mutanten tot um. Anschließend greift dann Frank durch das Loch in der Tür, um sie zu entriegeln und schließt Candice in die Arme. Dieser Griff dürfte zum Eintrag in der IMDB geführt haben. Allerdings bezieht sich meines Erachtens weder The Shining auf The Brood, noch handelt es sich um ein Zitat von Körkarlen, einfach weil der Kontext überhaupt nicht stimmt.

Fazit

Der Griff zum Schloss dürfte den Eintrag als Referenz in der IMDB erbracht haben. Allerdings ist die Gemeinsamkeit so gering, dass ich in Analogie zur Linguistik sagen würde, dass The Brood nicht einmal die Syntax des Tropes aus Broken Blossoms oder Körkarlen übernimmt, sondern allenfalls seine Morphologie. Es besteht sogar noch eher Ähnlichkeit zu Halloween, dadurch dass auch hier keine Axt benutzt wird, um die Tür zu zerstören.

Damit habe ich alle Filme durch, die in der IMDB als Referenz-Vorlagen von The Shining gelistet wurden. Broken Blossoms setzte den Trope des Mörders mit der Axt, Körkarlen erweiterte ihn um den ikonischen Griff durch die Tür, The Toolbox Murders variierte ihn mit einer Bohrmaschine, Halloween referenzierte sowohl Broken Blossoms als auch Körkarlen in zwei verschiedenen Szenen, aber es waren auch keine richtigen Filmzitate, schon alleine, weil Michael Myers gar keine Axt benutzte und The Brood streifte den Trope nur am Rande.

Der chronologisch nächste Film ist The Shining, aber besprechen werden wir den erst im Podcast an Halloween. Davor kommen dann im #Horrorctober noch eine Reihe von Filmen, die sich vermeintlich auf The Shining beziehen.  Mal schauen, ob und was die Filme nach The Shining aus der Mörder-bricht-mit-Axt-durch-Tür-Szene machten.