Who needs reasons, when you’ve got heroin?
Hätte sich Obi-wan in diesem Film nicht die Überdosis gegeben, hätte er wohl nie die Chance bekommen, später Anakin Skywalker auszubilden. In sieben Wochen drehte Danny Boyle seinen Film mit der vielleicht besten Exposition der letzten 20 Jahre. Mit Antiheld und Voice-Over kratzt der Film dabei an der Tür des Film Noirs und musste für den amerikanischen Markt neu synchronisiert werden. Wir sprechen über Filmmusik und darüber, ob ein Film eine moralische Verantwortung hat. Fazit: „Er ist halt ein Kumpel, was kann man da machen?“
„Aber der Katze ging’s gut…“
Nein, wir sprachen nicht über Pulp Fiction, sondern über Trainspotting!
Eckdaten
Erscheinungsjahr: 1996
Genre: Literaturverfilmung, Drogenfilm, Komödie
Budget: $3.500.000
Regie: Danny Boyle
– Filmographie (Auswahl):
- 127 Hours 2010
- Slumdog Millionär 2008
- 28 Tage später 2002
- The Beach 2000
- Lebe lieber ungewöhnlich 1997
- Trainspotting 1996
- Kleine Morde unter Freunden 1994
Trainspotting war der Durchbruch für Ewan McGregor
Nachtrag zu 300
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Die Produktion von Trainspotting
Das Casting
Für die Rolle des Begbie war zwischenzeitlich mal Christopher Eccleston vorgesehen. Ecclestone spielte später den Doctor aus Doctor Who.
Der Dreh
Das Aufkochen des Heroins wurde mit Hilfe von Glucosepulver dargestellt. Und für das Fixen wurde eine Armprothese mit Venen gebastelt.
Der Film wurde nur sieben Wochen abgedreht. Obwohl er zu großen Teilen in Edinburgh spielt, wurden die meißten Szenen in einer alten Zigarettenfabrik in in Glasgow gedreht. Wegen des knappen Budgets wurden die meißten Szenen in „One Take“ gedreht.
In der Toilettenszene wurde Schokolade als Deko benutzt.
Die gegnerischen Fußballspieler in der Exposition sind der Calton Athletic Club, eine Drogenberatungsstelle, die die Filmcrew als Experten beriet.
Die Synchronisation
Für die Veröffentlichung in den USA mussten die ersten 20 Minuten neu synchronisiert werden, weil die Schauspieler im brittischen Original so breites Schottisch sprechen, dass es in Amerika unverständlich war.
In der deutschen Synchronversion des Films findet sich ein fetter Fehler. Im Voice-Over der Originalversion, während Renton als Makler arbeitet, sagt er: „There was no such thing as society and even if there was, I most certainly had nothing to do with it.“ Der Teil: „There is no such thing as society“ ist ein Zitat Margaret Thatchers. Die deutsche Synchronisation hat das nicht mitbekommen und macht daraus „Hier gab’s nur die Gesellschaft, und nichts anderes“.
Filmisches Erzählen
Nachtrag zum Podcast: Der Name Trainspotting
Trainspotting ist ein brittisches Hobby, bei dem Menschen Zugnummern sammeln. Der Film heißt so, weil Fixen auf Außenstehende genauso sinnlos wirkt wie das Hobby. Es gibt eine alternative Erklärung für den Titel: wenn ein Zug auf dich zurast, hilft das Wegsehen nichts mehr, du musst ihn ansehen, ihn „spotten“.
Die Exposition
Die Exposition setzt das Tempo des Films. Der Song „Lust for Life„, von Iggy Pop unterstreicht im Beat die Geschwindigkeit und mit den Lyrics die Story des Films. Sucht ist hier Lifestyle, dies ist kein Film der über Süchtige trauert, kein langsamer Abstieg in den Sumpf. Dieser Film rennt. Während der Exposition thematisiert der Voiceover die gesellschaftskritische Komponente des Films.
Das erste Drittel des Films
Im ersten Drittel verabschiedet sich der Film vom traditionellen Storytelling, indem er nur einzelne Episoden zeigt. Das ist fraglos ein Erbe von Pulp Fiction. Trainspotting ist aber letztlich nicht ganz so konsequent wie Trainspotting. Denn durch Rentons Voice Over werden die Episoden dann doch wieder in Kontext gesetzt.
Voice Over
Boyle manipuliert uns in bester Hitch Manier. Indem er Renton uns den Film im Voice Over erzählen lässt, macht er ihn sympatisch. Wir seine Sicht der Dinge, obwohl er oft objektiv betrachtet amoralisch handelt.
Film Noir
Der Film enthält Elemente des Film Noirs ohne vollends ein Film Noir zu sein: Voiceover und Antiheld sind klassische Film Noir Eigenheiten, außerdem ist der Film farbarm: blaße Farben, viel grau und braun, die Kulissen sind oft düster und heruntergekommen. Boyle sagte, dass das Setting von den Bildern von Francis Bacon beeinflusst ist.
Die Musik
Die drei Formen von Filmmusik nach Pauli:
- Paraphrasierung
- Polarisierung
- Kontrapunktierung
Vgl. Wikipedia
Trainspotting setzt alle drei Formen mustergültig ein. Bestes Beispiel ist die Kontrapunktierung von „perfect day“ von Lou Reed als Renton sich die Überdosis gibt.
Filmische Zitate
Die Exposition ist ein Mash Up aus The Clash’s Video „Bankrobber“:
…und dem Beatles Film „A hard days night“:
Es gibt außerdem zahlreiche weitere Beatles-Referenzen:
Als sie aufs Land fahren, und dem Zug hinterherschauen, arrangieren die Freunde sich, wie auf dem Backcover von Sgt. Pepper. (Im Trailer zu sehen). Auf dem Weg zum großen Drogendeal, gehen sie im Stile von „Abbey Road“ über die Straße (ebenfalls im Trailer). Die Szene, in der Renton morgens im Flur von Diane aufwacht, zitiert eine Szene aus „Help!„. Und die Mutter Oberin, der Dealer – im Englischen Original: „Mother Superior“ – referenziert den Beatles Song „Happiness is a warm Gun„. Im Song geht es um Heroin. Mit der Textzeile: „mother superior jump the gun„.
In der Volcano Bar sind die gleichen Schriftzüge an der Wand zu finden wie in der Moloko Bar in „A Clockwork Orange“. Außerdem läuft ein Lied der Band Heaven 17, die sich nach einer fiktiven Gruppe aus Burgess‘ Romanvorlage benannt hat.
Hier in Trainspotting:
Das berühmteste Zitat in Trainspotting ist aber wohl, das Baby, das während Rentons Cold Turkey, den Exorzisten zitiert, indem es seinen Kopf um 180° dreht:
Der Bechdel-Test
Der Bechdel-Test definiert eine notwendige Bedingung für einen nichtsexistischen Film: Im Film müssen mindestens zwei Frauen vorkommen, diese müssen Namen haben und sich über etwas anderes unterhalten als einen Mann. Trainspotting besteht den Test nicht.
Die Rezeption von Trainspotting
Das British Film Institute wählte den Film auf Platz 10 der besten britischen Filme aller Zeiten.
„British cinema has never been quite the same since.“
US-Senator Bob Dole, der 1996 gegen Bill Clinton als Präsidentschaftskandidat antrat, verurteilte Trainspotting, da der Film angeblich Drogenkonsum verherrliche. Später musste Dole zugeben, den Film nie gesehen zu haben. Das führte Paula und mich zu der Diskussion
Haben Filme eine moralische Verantwortung?
Einige Filme und Serien, die Debatten ob ihrer moralischen Qualität auslösten:
The Birth of a Nation (1915)
Triumpf des Willens (1935)
Dirty Harry (1971)
24 (Serie/2001-2010, Fortsetzung für 2014 geplant)
Prominente Beispiele für die Zensur von Filmen waren der Nationalsozialismus, der Hays Code und die Verbannung Charlie Chaplins aus den USA.
Was denkt ihr darüber? Haben Filme eine moralische Verantwortung?
Filmische Zitate
Trainspotting wird unter anderen referenziert in:
Lebe lieber ungewöhnlich (1997)
Lola rennt (1998)
Austin Powers – Spion in geheimer Missionarsstellung (1999)
Fight Club (1999)
Requiem for a Dream (2000)
3 Engel für Charlie (2000)
Lammbock (2001)
Saw (2004)
Match Point (2005)
Chuck – Folge: Chuck Versus the Helicopter (2007)
Slumdog Millionär (2008)
Dr. House – Folge: Adverse Events (2008)
Crank 2 – High Voltage (2009)
Nurse Jackie – Folge: Slow Growing Monsters (2012)
Außerdem erhielt er auch den Ritterschlag durch die Simpsons
Folge: The Regina Monologues (2003)
Letzter Funfact
Trainspotting 2 ist angekündigt…
Lesenswert
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