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1936 – Mr. Deeds Goes To Town

Daniel reist durch die Filmgeschichte. Mittlerweile ist er im Jahr 1936 angekommen und hat den Klassiker Mr. Deeds Goes To Town von Frank Capra gesehen.

Über einen Frank-Capra-Film zu sagen, dass er konservativ ist, ist eigentlich nur eine Binsenweisheit. Aber Mr. Deeds ist richtig unangenehm stockkonservativ! Nach It Happend One Night, It’s A Wonderful Life und dem anderen Marsch, nämlich dem von Mr. Smith nach Washington war Mr. Deeds Goes To Town der vierte Film von Capracorn, den ich gesehen habe.

Doch während die anderen drei Filme einen schnuckeligen, herzerwärmenden, den kleinen Mann lobpreisenden Heart-of-America-Konservatismus präsentierten, ist Mr. Deeds einfach nur ekelig in your Face! Ein kulturpessimistischer Propagandafilm, der uns in jeder Szene klarmachen muss, dass alles am Stadtleben verachtenswert ist. Natürlich gilt das, wie immer bei Capra, fürs Großkapital. Da stimme ich linke Socke ihm ja sogar zu. Aber auch die Presse, die High Society, die Intellektuellen, die Juristen und die Oper (die sich erdreistet, keinen Gewinn zu erwirtschaften) sind alle nur böse, böse, herzlos und vor allem böse! Trotzdem nimmt der Film sich noch die Zeit, aus heiterem Himmel eine Rede zu schwingen, wie großartig Amerika ist. Auch wenn uns die ganze Zeit nur gezeigt wird, wie verdorben alle sind.

Rein filmisch war das Spannendste an Mr. Deeds, dass er uns wohl das Break-Up/Make-Up Scenario in Reinform vermacht hat: Die Reporterin Babe Bennet (ja, sie heißt wirklich so!) macht sich an den Millionenerben Longfellow Deeds (ja, er heißt wirklich so!) ran, um eine Story über ihn zu schreiben. Die beiden verlieben sich. Irgendwann bekommt Longfellow aber raus, dass Babe ihn hintergangen hat (Das ist das Schöne an einem Filmblog, dass man solche Sätze schreiben darf). Er macht natürlich Schluss, sein Herz ist gebrochen und alles geht den Bach runter, bis im dramatischen Finale Babe ihm und der Welt glaubhaft versichern kann, dass sie zwar falsch gehandelt hat, ihn aber dennoch aus ganzem Herzen liebt. Happy End.

Das ist heutzutage ein so klassischer Aufbau für Liebesgeschichten, dass wir ihn alle tausend Mal gesehen haben. Ich weiß nicht, ob Mr. Deeds der Erfinder dieses Tropes ist: In It happend one Night steckt er ansatzweise auch schon drin, aber nicht in dieser Reinform. Jedenfalls hat der Erfolg von Mr. Deeds bestimmt zum Erfolg des Tropes beigetragen.

1896 – The Kiss

Das Schöne daran, wenn etwas neu ist, sind die vielen ersten Male. Heutzutage wird es für einen Regisseur immer schwerer etwas genuin Neues zu erschaffen. Deshalb ragen Filme wie Pulp Fiction, Memento oder Boyhood, denen es dann doch gelingt, auch heraus.

1896 sah das noch ganz anders aus, da reichte es für William Heise schon, einfach eine Kamera aufzustellen und zu filmen wie ein Mann und eine Frau sich küssen. Schon war er in die Filmgeschichte eingegangen mit dem ersten Filmkuss. Und nicht nur das: The Kiss war ein Blockbuster! Die Leute rannten für diesen Kuss ins Kino, so wie sie es heute für die Avengers machen. Dabei ist es nicht einmal ein schöner Kuss, da hat uns die Filmgeschichte wahrlich schon bessere präsentiert. Aber natürlich gab es auch schon damals die Kulturpessimisten, die in diesem Kuss einen Sittenverfall sahen.

Heise war übrigens ein Mitarbeiter von Edison. Die Edison Manufacturing Company war quasi das Google des 19. Jahrhunderts und streckte seine Finger nach allem aus, was nach spannender Zukunftstechnik aussah.

Hauptsache der Schnurrbart ist gerichtet …