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1903 – The Great Train Robbery

Was für ein Quantensprung! The Great Train Robbery von Edwin S. Porter ist zurecht berühmt. Nach der ganzen Pappe, die Méliès angschleppt hatte, wirkt der erste Western erfrischend realistisch. Nun gut, bis auf die Sterbeszenen: Offenbar muss jeder Mensch, der erschossen wird noch einmal die Arme in Höhe reißen, bevor er zu Boden sinken darf …

Der Film zeigt den titelgebenden Zugüberfall in 14 Szenen. Schneidet in einer Parallelmontage zwischen Orten hin und her und mischt gebaute Kulissen mit Originalschauplätzen. Wir bekommen versteckte Schnitte und eine Verfolgungsjagd zu sehen. Kurz: Wir sehen einen Film, der schon sehr viel näher an unseren heutigen Sehgewohnheiten ist, als alles, was ich bislang in dieser Reihe gesichtet habe. Besonders schön fand ich, wie die Verbindung zwischen der ersten und der zweiten Szene hergestellt wird, indem wir in Szene Eins den Zug hinter dem Fenster der Bahnstation sich bewegen sehen und diese Bewegung nach dem Schnitt aufgenommen wird, indem wir dann den Zug leinwandfüllend sehen, wie er zum Stehen kommt. Ich vermute, dass die Szene mit einer Leinwand hinter dem Fenster gedreht wurde.

Der Film etablierte zudem einige Tropes, die den Western und den gesamten Film prägten. Zum Beispiel das Bullet Dancing und das Durchbrechen der vierten Wand. Letzteres kommt daher in Form eines Schusses durch die Leinwand. Es ist quasi die Vorlage zu James Bonds Gunbarrel. Dass die Zuschauer dabei in Panik gerieten, dürfte ebenso ins Reich der Legenden gehören wie jene Panik beim Zug der Lumières.

Der Film wurde zum ersten Blockbuster, dem größten Erfolg der Edison-Studios und zum erfolgreichsten Film aller Zeiten bis 1915 The Birth of a Nation ihn ablösen sollte. Der Film hatte, wie gesagt, einen großen Impact auf die Filmentwicklung und neben der Gunbarrel zitiert ihn auch Scorseses Goodfellas mit dem Schuss durch die Leinwand als letzter Einstellung.

 

1899 – Cendrillon

Auch das letzte Jahr des 19. Jahrhunderts vergebe ich an Georges Méliès. In Cendrillon macht er zu ersten Mal, was auch heute noch beliebt ist: Er verfilmt mit Cinderella ein Märchen. Natürlich war es Aschenputtel! Allein für den Suchbegriff „Cinderella“ zeigt die IMDB 200 Treffer an und auch wir hatten ja schon einen Vertreter dieser Adaption im Spätfilm.

Méliès setzt bei seiner Verfilmung wieder auf seine bereits etablierten Tricks, Schnitte für magische Effekte einzusetzen. Während mich das in La lune à un mètre noch faszinierte, hat mein Interesse daran einen Film später schon stark nachgelassen. Zumal es so auf mich wirkt, als habe Méliès hier wesentlich schlampiger gearbeitet. Dass Méliès kein One-Trick-Pony ist, zeigt er hingegen dadurch, dass die Szenenwechsel nun auch Einzug in das Repertoire des Filmschaffenden gefunden haben.

Georges Méliès hatte übrigens ein Theater in Paris und die Lumières mieteten oben drüber ein Atelier. Dort sah Méliès zum ersten Mal den Cinématographen, aber die Lumières wollten ihn nicht verkaufen.  Deshalb besorgte sich Méliès dann einen von Edison, um seine eigenen Filme zu produzieren. Die damalige Filmwelt war noch klein …