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#Horrorctober 3: Halloween

Interessantes sahen meine zum Schrecken weit aufgerissenen Augen, als ich Halloween sichtete: Wir finden nicht eine, sondern gleich zwei Referenzen in diesem Film an die Mörder-bricht-mit-Axt-durch-Tür-Szene.

Eckdaten

Regie: John Carpenter
– Filmographie (Auswahl):
1978 Halloween
1980 The Fog
1981 Escape from New York
1982 The Thing
1983 Christine
1986 Big Trouble in Little China
1988 They Live
Erscheinungsjahr: 1978
Budget: 300.000 $
Besetzung: Jamie Lee Curtis (Laurie), Donald Pleasence (Dr. Loomis), Tony Moran (Michael Myers)
Genre: Horror, Slasher

Die Handlung in fünf Sätzen

Mit Spoilern …

Muss das sein?

Der süße kleine Michael findet gar nicht gut, dass seine große Schwester Sex hatte und bringt sie um. Nach 15 Jahren flieht er aus der Psychiatrie und begibt sich an Halloween auf Sightseeing in seiner alten Heimatstadt. Dort muss der selbsterkorene Sittenwächter leider feststellen, dass die Jugend von heute total verdorben ist und man ihr mit einem Schlachtermesser Manieren beibringen muss. Nach drei Morden darf sich Laurie unter viel Geschrei als erstes Opfer wehren. Nachdem der olle Michael aber immer wieder aufsteht, egal, was man in ihn hineinsticht, kommt Dr. Loomis zur Hilfe und erschießt ihn … oder doch nicht?

Filmisches Erzählen

Ihre 300.000 Dollar investierten Carpenter und seine Co-Produzentin Debra Hill so geschickt, dass am Ende ein Film herauskam, der nicht nur ganz zurecht den Klassiker-Rang innehat, zudem spielte der Film alleine in den USA unglaubliche 45 Millionen Dollar ein.

Dass dies ein anderes Kaliber von Film ist, als The Toolbox Murders, merkte ich schon am ersten Shot: ein ca. sechs Minuten langer Point-of-View-Trackingshot, dessen Höhepunkt nicht etwa der Mord ist, sondern die Enthüllung, dass er von einem Kind begangen wurde.

Ich dachte immer, ich kenne diesen Film schon, aber ich muss einen der anderen Teile mal gesehen haben. So war ich positiv überrascht, wie wenig blutig der Film ist und wie viel Spannung er nur zugleich durch die Erwartungshaltung der Zuschauerinnen aufbaut. Carpenter unterstützt den Spannungsaufbau immer wieder mit unheilvollen Kameraeinstellungen, die die eigentliche Handlung aus der Bildmitte herausrücken und so ein Detail, wie eine offene Tür, der Blick über eine Schulter oder jener in einen Spiegel ins Bewusstsein des Publikums rücken. Mir gefiel auch sehr gut, dass der Film nur wenige Jumpscares einsetzt, denn ein Michael, der irgendwo schweigend im Hintergrund steht oder auch nur ein Atemgeräusch, das aus einer unverfänglichen Einstellung einen Point-of-View-Shot macht, sind gruseliger als alles, was ins Bild springen könnte.

„You can’t kill the Boogeyman“

Schön fand ich nicht zuletzt, wie Carpenter den kleinen Tommy einerseits und den Fernseher (in dem The Thing from Another World läuft) andererseits als Kassandra einsetzt, sodass wir und Laurie immer wieder gewarnt werden, es aber nichts nützt.

Allerdings hat der Film auch ein paar Schwächen: Allem voran ist die Musik zu aufdringlich. Damit meine ich nicht das berühmte Theme, sondern dass immer, wenn Michael irgendwo zu sehen ist, eine Fanfare ertönt, noch bevor die Augen die Chance hatten, ihn selbst zu entdecken. Etwas mehr Zurückhaltung und Vertrauen in die Kompetenz der Zuschauer wären hier schön gewesen. Dann ist die Präsentation der Leichen für Laurie schon arg ausgefuchst, anscheinend wusste Michael ganz genau wann sie sich wohin bewegt und hatte noch Zeit, gewiefte Tricktechnik anzubringen für den dramatischen Auftritt der Leichen. Ferner kommt Laurie nicht auf die Idee, das Haus zu verlassen, in dem alle ihre ermodeten Freunde liegen, bevor auch sie angegriffen wurde. Insgesamt fand ich den kompletten Showdown einfach nicht gruselig, einfach weil er zu vorhersehbar war.

Die „Here’s Johnny!“-Szene

Die Suche nach der „Here’s Johnny“-Szene ist spannend, denn gleich zwei Szenen kommen in Frage. Allerdings bin ich mir sicher, dass Kubrick nicht Halloween referenziert. Stattdessen scheint Halloween sowohl Broken Blossoms als auch Körkarlen zu referenzieren. Auf Körkarlen scheint eine Szene nach 1:17:00 Stunden zu verweisen, in der Laurie vor Michael Myers flieht und ihn aus der Küche aussperrt. Myers schlägt mit der blanken Faust durch die Mitte der Tür, greift durch und öffnet die Tür. Die Kombination aus Küche, der Mitte der Tür und dem Griff zum Schloss lässt mich vermuten, dass Carpenter Körkarlen kannte. Es ist kein richtiges Filmzitat, da es zu viele Unterschiede gibt und alleine die Inszenierung schon komplett verschieden ist. Aber es ist vielleicht doch ein kleiner Kommentar auf Körkarlen. Eine Referenz auf Broken Blossoms sehen wir hingegen nach 1:22:30 Stunden. Laurie hat sich wie Lucy in einen Schrank gerettet. Doch Michael schlägt die dünnen Latten des Schranks heraus. Als er sich hineinbeugt, um Laurie zu erreichen, kommt es dann allerdings zur Variation, Laurie ergibt sich dem gewandelten Frauenbild entsprechend nicht wie Lucy in ihr Schicksal sondern wehrt sich, indem sie mit einem geradegebogenen Kleiderbügel Michael ins Auge sticht. Also auch hier kein Zitat, aber möglicherweise eine dezente Referenz zumindest aber die Verwendung des gleichen Tropes.

Das Fazit

The Shining zitiert Halloween nicht, allerdings scheint Halloween Körkarlen und Broken Blossoms in zwei verschiedenen Szenen lose zu referenzieren.

#Horrorctober 1 – Körkarlen

Und so beginnt er also, der #Horrorctober 2015. Der erste Film, den ich gesehen habe, war Körkarlen oder auch „Fuhrmann des Todes“, natürlich immer auf der Suche nach „Here’s Johnny“.

Eckdaten

Erscheinungsjahr: 1921
Deutscher Titel:
Der Fuhrmann des Todes
Regie: Victor Sjöström
– Filmographie (Auswahl):
1912 Ett hemligt giftermål
1921 Körkarlen
1924 He Who Gets Slapped
1926 The Scarlet Letter
1928 The Divine Woman
1928 The Wind
1937 Under the Red Robe

Besetzung: Victor Sjöström (David Holm), Hilda Borgström (Anna Holm), Tore Svennberg (Der Fuhrmann), Astrid Holm (Edit)
Genre: Horror, Drama, Low-Fantasy

Die Handlung in 5 Sätzen

Mit Spoilern …

Data ist schockiert

Die Heilsarmee-Schwester Edit bittet auf dem Todesbett, noch einmal den Säufer David Holm sehen zu dürfen, der hat da aber keinen Bock drauf. Stattdessen prügelt sich David lieber zu Tode, obwohl er zuvor noch erfahren hat, dass das an Silvester eine ganz schlechte Idee ist, weil man dann ein Jahr lang den Pferdekarren des Todes lenken und alle Toten abholen muss. Als der Fuhrmann dann kommt um seinen Job an David abzutreten, hat der natürlich keinen Bock darauf und diskutiert mit dem Fuhrmann. Daraufhin zeigt der Fuhrmann David noch einmal, was für ein Riesenarsch er im Leben war und führt ihn auch zur sterbenden Edit, an deren Tod David indirekt Schuld ist. Am Ende bereut David sein Leben aufrichtig, sodass er holterdipolter doch in seine jämmerliche Existenz zurückkehren darf, seine Frau vom erweiterten Suizid abhalten kann und NATÜRLICH verspricht er auch, dass er sich ab jetzt voll bessern wird!

Filmisches Erzählen

Nicht nur Charles Dickens dachte sich eines schönen Weihnachtsabends: „Hmmm, irgendwoher kommt mir der Rahmen der Handlung doch bekannt vor …“ Zugegeben, die Details zwischen Körkarlen und A Christmas Carol unterscheiden sich, aber ich sag mal, das eine hat das andere inspiriert.

Der Film selbst ist ganz okayisch: Anfangs hatte ich große Probleme, reinzukommen. Das lag aber vor allem an der Musik, die der Version unterlegt war, die ich sah: Sphärische Klänge, die sich nie änderten, egal, was auf dem Bildschirm zu sehen war. Musik kann man einem Stummfilm nicht vorwerfern, da in den allermeisten Fällen nicht überliefert ist, was damals im Kino zum Film gespielt wurde. Ich habe dann den Ton ausgeschaltet und selbst die Musik ausgewählt: Zum Beispiel „As Time Goes By“, wenn der Todeskarren durchs Land tuckert oder auch „The End“, wenn wir sehen, wie David stirbt.

https://www.youtube.com/watch?v=JSUIQgEVDM4

 

Der Film selbst hat zwar eine schön gruselige Atmosphäre, aber ein paar Plottlöcher und obendrein noch einige Pacing-Schwierigkeiten: Manchmal ist er recht zügig und modern geschnitten, dann sehen wir andererseits wieder gefühlte 20 Minuten ohne Schnitt, wie Heilsarmee-Schwestern irgendein Accessoir in ihrer neuen Mission aufhängen, ohne dass dies noch irgendeine weitere Rolle in der Handlung spielt. Und bevor jemand jammert, der oder die hier nicht so oft reinliest: Ja ich weiß, wie alt der Film ist, aber er erschien im gleichen Jahr, wie zum Beispiel Chaplins The Kid und bereits ein Jahr zuvor erschien Caligari. Beide Filme zeigen, was zu jener Zeit eigentlich schon möglich war in Sachen Storytelling.

Anfangs dachte ich auch bei der Darstellung des Fuhrmanns in Form einer durchscheinenden Doppelbelichtung: Okay, das ist jetzt auch nicht unbedingt State of The Art, Doppelbelichtungen hat Méliès schon in den 1890ern gemacht, aber die Art und Weise, wie Konsequent Regisseur Sjöström diese Darstellung durchgehalten hat um den Unterschied zwischen Leben und Tod zu symbolisieren, hat mich letzten Endes dann doch versöhnt. Genau wie der Film es auch mit fortlaufender Spielzeit schaffte, mich immer weiter reinzuziehen, sodass ich am Ende dann doch recht gefesselt war.

Die „Here’s Johnny“-Szene

Aber ich bin mal wieder aus einem anderen Grund hier, ich suche nach der Szene, in der ein Mörder sich durch eine Tür hackt. Allerdings ist mir zunächst ein anderes Zitat aufgefallen: Nach 5:59 Minuten sehen wir einen Shot, der doch verblüffend an das Ende von Blair Witch Project erinnert. Bislang dachte ich Blair Witch hätte Don’t Look Now zitiert, aber vielleicht beziehen sich beide Filme doch eher auf diesen hier …

Doch nun zur von mir gesuchten Szene. Diese beginnt bei 1:27:00 Stunden. Interessant ist zunächst einmal, dass auch hier wieder Alkoholismus das Motiv für die Tat ist. Das hatte ich bei Broken Blossoms noch als vollkommen unwichtig abgetan, aber nach einigem Nachdenken bin ich mir nicht mehr so sicher. Denn trotz aller Änderungen zur Buchvorlage, lässt sich der Film The Shining doch noch immer als Alkoholismus-Metapher interpretieren. Von daher sehe ich die Relevanz des Alkoholismus-Themas mittlerweile in einem anderen Licht.

Wie in The Shining sind hier der Axt-Mann und die Frau ein Ehepaar. Es wird ferner im Vorfeld der Szene das Thema Kindesmisshandlung genau wie in The Shining angedeutet. Allerdings kommt dann ein großer Unterschied. In Körkarlen schließt die Frau den Mann in der Küche ein, um sich vor ihm zu schützen. Dort holt er dann die Axt unter der Spüle hervor (wo auch sonst hebt man eine Axt auf), womit wir aber wieder eine gewisse Parallele zum Messer von Wendy haben, das sie ja vom Waschbeckenrand nimmt. Dann beginnt David zunächst auf die Türklinke einzuschlagen, nachdem das aber keinen Erfolg hat, schlägt er auf die Türmitte ein. Die Kameraeinstellung, in der wir das sehen, ist in der Tat sehr ähnlich zu jener in The Shining. Zwar ist sie nicht ganz so nah am Geschehen, aber es wurde auch von rechts gefilmt und ebenso wird immer wieder auf die Frontalansicht der Tür geschnitten, in der sich der Spalt auftut.

Zwar gibt es keinen „Here’s Johnny“-Moment, in dem David den Kopf durch den Spalt steckt, aber immerhin greift er genau wie Jack durch den Spalt zu Türklinke. Allerdings ist hier das Unterfangen erfolglos, weswegen David wieder auf die Klinke einschlägt, bis sich die Tür öffnet, womit die ganze Aktion komplett überflüssig war.^^

Der nächste Unterschied zu The Shining, besteht darin, dass sich die Ehefrau nicht wehrt, sondern ohnmächtig wird – gut das könnte wieder ein bewusster Kommentar von Kubrick auf ein sich verändertes Frauenbild sein. Allerdings ist auch wichtig, dass David zwar ein brutales Arschloch ist, aber nicht die Absicht hat, seine Frau und seine Kinder umzubringen.

Fazit

Fraglos wird in The Shining der gleiche Trope verwendet wie in Körkarlen, aber ist es auch ein direktes Zitat? Hmmm… Ich glaube schon, dass diese Szene Kubrick bekannt war und dass er sie auch referenziert, aber ein astreines Zitat ist das auch nicht, dafür gibt es zu viele Unterschiede. Die Ähnlichkeit beruht vor allem auf drei Shots, die große Parallelen haben, aber andere ikonische Bilder fehlen wieder.

Die spannende Frage im Anschluss an Körkarlen ist: Wie viele Gemeinsamkeiten brauchen zwei Filme, damit man zweifelsfrei sagen kann, dass der eine den anderen zitiert. Mal sehen, was die anderen Filme mir noch so zu bieten haben …