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1931 – Frankenstein

Aaah … Das war schon besser! Und zwar im doppelten Sinne: Der Film war besser als der erste Frankenstein-Film, den ich in dieser Reihe gesehen hatte, aber vor allem war er besser als der erste Tonfilm Animal Crackers. Nein, ich korrigiere: Dies war der erste Tonfilm, denn nachdem Animal Crackers ja nicht viel mehr war als ein abgefilmtes Theaterstück, hatte ich die Befürchtung, dass das das Niveau ist, das mich in den 1930ern erwartete.

Wie wohltuend war es da, zu sehen, dass ausgerechnet der Theaterregisseur James Whale offensichtlich in den 20ern manchmal im Kino war, sodass er und sein Kameramann Arthur Edeson (der unter anderem auch Casablanca gefilmt hat) uns eine mehr als solide Kameraarbeit präsentieren. Wir sehen keine langweilig-statischen Bilder, sondern eine Kamera, die ständig in Bewegung ist. Auch die Montage wird hier wieder gekonnt einsetzt und Whale vergisst nicht zuletzt die damals schon fast zum guten Ton gehörende Portion Expressionismus.

Aber dieser Film steht und fällt mit Boris Karloff als Monster. Mit ihm wurde die berühmte Ikonographie erschaffen, die heute unweigerlich mit Frankensteins Monster verbunden ist. Im Vorspann wird, um die Spannung noch zu steigern, als Schauspieler des Monsters übrigens nur ein Fragezeichen angegeben. Und obwohl dieser Film, ähnlich wie die erste Verfilmung wieder einen unterkomplexen Grund für die Boshaftigkeit des Monsters angibt, macht Karloff den Unterschied. Diesmal ist die Begründung, dass Frankenstein versehentlich ein „abnormal brain“ verwendet, aber es gelingt es Boris Karloff dem Monster dennoch eine schöne Tiefe und Tragik zu verleihen. Das zeigt sich nie besser als in der Szene, in der das Monster gewissermaßen versehentlich ein kleines Mädchen tötet:

Die Szene beginnt mit einem erhobenen Zeigefinger, der Vater wird für den Tod des Kindes verantwortlich gemacht, denn er geht zur Arbeit und lässt es allein zurück. Das Kind fleht ihn noch einmal an, zu bleiben und mit ihm zu spielen, aber der Erwachsene hat natürlich keine Zeit – ein Trope, den wir von Momo bis Antichrist auf die eine oder andere Art immer wieder sehen werden. Das alleingelassene Mädchen lädt daraufhin das vorbeiziehende Monster ein, mit ihr an einem See zu spielen. Sie bringt der verzückten Kreatur bei, Blumen auf der Wasseroberfläche schwimmen zu lassen. Doch als das Monster keine Blumen mehr hat, wirft es das Kind ins Wasser. Das Kind ertrinkt und das Monster flieht, entsetzt darüber, was es getan hat.

Ich möchte aber noch einmal zurück zum Beginn des Films. Nach einem kurzen Prolog, auf den ich gleich noch kommen werde, sehen wir zu Etablierung einen langen Kameraschwenk über eine Beerdigungsgesellschaft. Das Bemerkenswerte an dieser Szene sind die Kulissen und die Beleuchtung. Die Bilder sind so düster und die Kulisse so minimalistisch-abstrakt, als würde die Szene von Murnau stammen. Die Ähnlichkeit zu den Sets von Faust ist verblüffend. Ein weiterer Beweis dafür, dass sich die Augen der Welt auf das deutsche Kino richteten, bevor die Nazis es kaputt machten. Dieser expressionistische Stil wird im Laufe des Films immer wieder aufgegriffen, aber abgewechselt mit detailreichen, realistischen Kulissen.

Spannend ist, dass in den ersten Minuten gleich mehrfach die vierte Wand durchbrochen wird. Das beginnt mit einem Prolog, in dem ein Erzähler vermeintlich vor den Vorhang des Kinos tritt und die Zuschauer vor dem warnt, was sie gleich zu sehen bekommen. Und dieses Mittel – die Druchbrechung um den Horror zu steigern – setzt Whale noch zweimal ein, wenn Frankenstein dramatische Ankündigungen macht. So haben zum Beispiel er und sein Assistent gerade einen frisch beerdigten ausgebuddelt, da streichelt Frankenstein fast schon liebevoll über den Sarg und verkündigt uns in die Kamera, dass der Körper darin nicht tot sei, „He’s just resting. Waiting for a new life to come.“

Der Film setzte fraglos viele Tropes für den Horrorfilm, beziehungsweise etablierte vorhandene Tropes weiter. Drei sind mir noch wichtig zu erwähnen: Wie schon die erste Adaption und Das Phantom der Oper, so wartet auch dieser Frankenstein-Film wieder lange, bis das Monster zu sehen ist. Erst nach 29 von 80 Minuten tritt es auf. Der Auftritt ist dabei eine clevere Referenz an die stumme Erstverfilmung. Wie dort ist der Schrecken zunächst nicht im Bild, sondern wird uns durch die Reaktion der Protagonisten angekündigt. Im Stummfilm von 1910 war dies noch dadurch geschehen, dass sich Frankensteins Blick auf etwas außerhalb des Frames richtet. Hier, im Tonfilm, geschieht das gleiche, nur mit Geräuschen! Wir sehen die besorgten Gesichter von Frankenstein und seinem Mentor Dr. Waldman, während wir die schlurfenden Schritte des Monsters hören.

Der zweite erwähnenswerte Trope zeigt, wieviel Frankenstein in Jurassic Park steckt. Auch dort hatte Spielberg ja dramatisch lange gewartet, bis er uns die Dinos zeigte. Und von Frankenstein hatte Spielberg sicher auch ein Motiv, das Jurassic Park durchzieht: Die Hybris der Wissenschaft. Beide Filme sind massiv wissenschaftskritisch und benutzen die Kritik, dass der Wissenschaftler sich mit Gott gleichsetzt. Dieser von Frankenstein etablierte Trope sollte Hollywood stark beeinflussen.

Eng damit verbunden ist der dritte Trope, den er vom Original aufgreift und so weiter verfestigt. Frankenstein ist wahrscheinlich der Archetyp des verrückten Professors, der noch ungezählte Reinkarnationen bekommen sollte.

Aber der Film ist bei allem Lob, das ich hier ausschütte, auch kein Meisterwerk. Oft ist er dafür einfach ein bisschen zu einfach gestrickt. So ist Erweckung des Monsters trotz groß aufgefahrener Kulisse ziemlich unspektakulär und noch unspektakulärer erklärt: Frankenstein hat irgendwelche Strahlen entdeckt, die wieder zum Leben erwecken können. Auch dass das Gehirn des Monsters das eines Verbrechers ist und „only evil can come of it“, ist eine allzu billige Erklärung. Dann wird quasi die ganze Schuld für die Erschaffung des Monsters auf den Quasimodo-gleichen Assistenten Frankensteins abgeschoben, der hier als das eigentliche Monster gezeichnet wird. Dies geschieht um Dr. Frankenstein zu entlasten und ihm zu guter Letzt ein Happy End zu ermöglichen. Denn nachdem der Mob das Monster getötet hat, darf Frankenstein mit seiner frisch angetrauten glücklich sein. Dieses Ende wurde übrigens speziell für den Massengeschmack geschrieben. Im Originaldrehbuch musste Frankenstein noch sterben, aber bei Testscreenings war das nicht gut angekommen, also maßschneiderte man ihm ein Happy End. Ziemlich uncool, wenn ihr mich fragt …

Fazit:

It’s alive!

#Horrorctober 6 – The Return of the Living Dead

Auch dieser Film bot mir kein Zitat: Nicht jede kaputte Tür ist eine Referenz auf The Shining. Allerdings hatte The Return of the Living Dead äußerst amüsante 1:30 Stunden zu bieten.

Erscheinungsjahr: 1985
Regie: Dan O’Bannon
– Filmographie:
1985
The Return of the Living Dead
1991
The Resurrected
Außerdem als Drehbuch-Autor (Auswahl):
1974 Dark Star
1979 Alien
1981 Dead & Buried
1985 The Return of the Living Dead
1990
Total Recall
1997
Bleeders

Budget: 4 Mio $
Besetzung: Clu Gulager (Burt), James Karen (Frank), Don Calfa (Ernie), Thom Mathews (Freddy)
Genre: Horror, Zombiefilm

Die Handlung in fünf Sätzen

Mit Spoilern …

Ärger

Freddy hat seinen ersten Tag als Angestellter in einem Autopsiebedarf-Versandhandel. Sein Kollege Frank erzählt ihm, dass unten im Keller Fässer stehen, in denen sich die Zombies aus The Night of the Living Dead befinden. Die beiden gehen in den Keller und öffnen versehentlich ein Fass. Die Zombieapokalypse bricht aus. Am Ende sind alle tot.

Filmisches Erzählen

Vom Prolog an, in dem das wunderbar doofe Pärchen Frank und Freddy die Katastrophe in Gang setzen bis zum letzten Skelett das sich aus seinem Grab erhebt, ist dieser Film ein wunderbar ekeliger Spaß. Da verzeihe ich sogar, dass eben  jener letzte Shot schon einmal zuvor im Film verwendet wurde. Alle Protagonisten sind dumm wie Brot und dennoch so liebevoll gezeichnet, dass man ihnen ihre bescheuerten Einfälle jederzeit abnimmt. So wird im Prolog schön etabliert, dass der Handel mit echten Skeletten mehr als nur halbseiden ist, was später dann sehr glaubhaft macht, dass der Boss des Unternehmens sich weigert, die Polizei oder gar das Militär zu rufen, als die Situation noch unter Kontrolle ist. Auch hätte den Protagonisten klar sein können, dass das Verbrennen eines lebenden Toten das Problem vergrößern wird, da schon dieser durch die Faulgase eines anderen Kadavers überhaupt zum Zombie wurde. Aber da Freddy und Frank nun einmal so dumm sind, nehme ich ihnen ihr Handeln voll ab.

Der Film ist zudem offensichtlich von einem talentierten Regisseur gemacht worden, so bekommen wir schöne epische Vorausdeutungen gezeigt wie aufgespießte flatternde Schmetterlinge oder den Handabdruck auf einem Tank. Eine knarrende Treppenstufe entpuppt sich als Chekhov’s Gun und einmal wird effektvoll der Vertigo-Effekt eingesetzt. Ich verstehe nicht, warum Dan O’Bannon, der auch für das Drehbuch von Alien mitverantwortlich war, danach kaum noch etwas sinnvolles gemacht hat.

Ein kleines persönliches Problem habe ich mit dem Film: Ich mag meine Zombies gerne klassisch, so wie sie von Romero erfunden wurden. Sie sollen dumm und langsam sein und man kann sie durch einen Kopfschuss ausschalten. Die Zombies in Return sind schnell und genauso intelligent wie Menschen, obendrein lassen sie sich durch nichts aufhalten. Selbst wenn der Kopf abgetrennt wurde, setzen beide Teile des Körpers ihre Mission fort. Allerdings geht der Film dann auch damit so konsequent um, dass es am Ende keine Rettung für niemanden geben wird. Denn diese Zombies sind unaufhaltsam.

Die Here’s Johnny“-Szene

Wie ich oben schon schrieb, war auch das wieder, wie schon bei Children of the Corn eine Fehlinformation. Nicht jede kaputte Tür ist gleich ein Zitat. Die fragliche Szene kommt nach 1:09:00 Stunden. Freddy ist zum Zombie geworden und wurde von den anderen in den Kapellenraum des Krematoriums gesperrt. Dort bricht er mit bloßen Fäusten durch das Holz der Tür – zugegeben in der Mitte – und stürzt sich dann einfach durch dieses Loch. Der Szene fehlen einfach zu viele Eigenschaften, als dass sie als Referenz an The Shining, Körkarlen oder Broken Blossoms durchgehen würde. Weder das Setting, noch die Kameraeinstellungen oder gar ikonische Bilder wie die Axt, der Griff zur Klinke und der eigentliche „Here’s Johnny“-Moment sind zu sehen.

Allerdings hat sie ein anderes ikonisches Bild, das ich erst kürzlich bei Spider-Man als Referenz auf den Horrorfilm erkannte: Die Hand, die aus dem Grab kommt. Ich frage mich, ob dieser Film das Bild erfunden hat oder ob auch er es zitiert …

Fazit

Dieser Film brachte mich bei meiner Suche nicht weiter, war aber dennoch keine Enttäuschung. Außerdem: „Braaaaaaaaiiiiiins!!!!“