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1934 – The Scarlet Empress

Daniel reist durch die Filmgeschichte. Welche Filme er schon sah, könnt ihr hier sehen. Welche noch kommen werden, erfahrt ihr hier.

Es wird Zeit, dass ich mich mal der Dietrich zuwende. The Scarlet Empress war der fünfte Film, den sie zusammen mit Josef von Sternberg drehte. Der Film ist das Ende einer erstaunlichen Kette von filmpolitischen Zusammenhängen. Alles fing mit mit Fritz Langs Metropolis an. Da dieser (zurecht) komplett gefloppt war, aber enorm viel gekostet hatte, musste die UFA Anteile an Paramount verkaufen. Das brachte Paramount den Vorteil von festen Vorführungsquoten in der Kinokette der UFA, aber auch die UFA profitierte neben der Geldspritze von der Partnerschaft. So konnte sie zum Beispiel den Star Emil Jannings (den ich hier auch schon einmal erwähnte) für die Verfilmung des Heinrich-Mann-Romans Der Untertan ausleihen. Jannings brachte von Sternberg als den Regisseur seiner Wahl mit und von Sternberg war hin und weg von dem jungen Talent, das die weibliche Hauptrolle in Der Blaue Engel spielte: Marlene Dietrich. Der Regisseur brachte die Dietrich nach Hollywood, was Paramount nur Recht war, denn sie suchten sowieso eine Antwort des Studios auf den Superstar Greta Garbo. Der Plan ging ganz wunderbar auf, wenngleich nicht jeder Film des Duos von Sternberg und Dietrich auch gut war. Besonders war die Dietrich genervt, dass von Sternberg sie immer wieder als die verführerische Femme fatale inszenierte, denn sie wollte auch andere Rollen spielen. Dieser Wunsch wurde ihr mit The Scarlet Empress schließlich erfüllt.

Josef von Sternberg: The Scarlet Empress. Copyright: Paramount.

Josef von Sternberg: The Scarlet Empress. Copyright: Paramount.

Dem Genre nach ist der Film ein klassisches Biopic, das uns vom Leben von Katharina der Großen von ihrer Kindheit bis zu ihrer Machtergreifung berichtet. Doch so konventionell das klingt und vom Drehbuch her auch ist, so außergewöhnlich ist dieser Film in anderen Aspekten. Allem voran fällt die groteske sureal-morbide Kulisse des Films auf. Überall im Zarenpalast stehen steinerne Skelette und andere unförmige Gruseligkeiten. Viele Türen sind viel zu groß, sodass die Protagonisten sich dagegen stemmen müssen, um sie zu öffnen. Weiter ist es der erste Film, den ich hier sehe, der Filmmusik zu bieten hat. Die Musik ist dabei schon stark expressiv, allerdings nur paraphrasierend: Sie unterstreicht nur die Bilder ohne eigene Akzente zu setzen. Allerdings gibt es einmal einen schönen Übergang von extradiegetischer zu diegetischer Musik: Musik, die die ganze Zeit im Hintergrund zu hören war, wird plötzlich durch Trompeter im Bild zum Teil der filmischen Erzählung.

Auch Kamera und Schnitt haben einiges zu bieten. Wie bei fast allen Filmen in den 30ern, die ich in dieser Reihe sah, sehen wir auch hier wieder eine Montage mit zusammenfassender Funktion. Diesmal wird eine Reihe von Foltermaßnahmen so zusammengefasst und dann hart kontrastiert mit einem Schnitt auf die zukünftige Katharina, welche im Garten schaukelt. Ein anderes Mal sehen wir einen schönen Kameraflug über die Tafel bei einem Festessen, der uns ganz ohne Worte die Geschichte der höfischen Dekadenz erzählt.

Bei so ausdrucksstarken Bildern ist es schade, dass der Film sich nicht darauf verlässt, sondern wie ein Stummfilm auf viele Texttafeln zurückgreift, um die Rahmengeschichte zu den verschiedenen Szenen zu erzählen. Dabei bricht The Scarlet Empress leider auch oft und völlig unnötig mit show, don’t tell.

Schließlich fand ich noch schade, dass sich darauf konzentriert wurde, die Jugend von Katharina II zu zeigen, zum einen war die Dietrich schon Mitte 30, als sie den Film drehte, sodass ihre Darstellung der naiven Teenagerin ungewollt bizarr wirkt. Zum anderen hätte mich persönlich mehr interessiert, wie Katharina schließlich zum Beinamen „die Große“ kam, anstatt zu sehen, wie schwer es das junge Ding im fernen Russland hatte.

1928 – La passion de Jeanne d’Arc

Nach meinem Ausflug in den #Horrorctober ist es an der Zeit, weiter durch ebenjene zu reisen. Mein Projekt „Jedes Jahr ein Film“ wird fortgesetzt. Allerdings langsamer als bisher, da ich wieder arbeite … Stehen geblieben waren wir 1928 und aus diesem Jahr stammt La passion de Jeanne d’Arc.

Wir sehen einen Lateral Tracking-Shot zu Etablierung der Szene, es folgt ein dramatischer Zoom auf den Bischoff, der der Verhandlung gegen Jeanne d’Arc vorsitzt. Wow! Dieser 87 Jahre alte Film beginnt mit so einer rasanten Kamera, als wäre es der neueste Streifen von Scorsese.

Der Film von Carl Theodor Dreyer hatte ein ähnlich hartes Schicksal wie sein Protagonistin: Er wurde, zensiert, verboten und verbrannte gleich zwei Mal, sodass er lange als verschollen galt, bis er 1981 in einer Psychiatrie in der Nähe von Oslo wiedergefunden wurde.

In den ersten zwanzig Minuten sehen wir ein Kammerspiel das mit einer so krass guten Kamera eingefangen wird, dass es zur Pflichtsichtung für jeden angehenden Regisseur gemacht werden sollte, damit er oder sie lernt, wir man Szenen in geschlossenen Räumen cinematisch darstellen kann.

Ich habe mich am Anfang gefragt, ob der Film dieses Niveau halten kann und Dreyer war schlau genug, zu wissen, dass Close-Ups, Zooms, Kameraschwenks und schnelle Schnitte auf Dauer zu ermüdend sind, um einen Film 80 Minuten lang zu tragen. Daher öffnet er die Szene und gibt uns zunächst andere Sets, um seine Kunst vorzuführen: Eine Folterkammer, die unglaublich erschreckend ist, ohne dass wir einen einzigen Folterakt sehen und die Zelle von Jeanne, in der ich bei einem Aderlass die erste richtig blutige Szene auf dieser Reise durch die Filmgeschichte sah. Auch einen Klassiker des Horrors: Den Totenschädel, aus dessen Augen Würmer kriechen, scheint La passion de Jeanne d’Arc etabliert zu haben.

Am Ende verlor mich der Film dann aber doch noch. Zum einen gibt Dreyer das Kammerspiel komplett auf und je größer die Sets werden, desto konventioneller wird sein Kamera. Das versucht er dann mit Aktionen zu kontrastieren, die zu sehr auf die Spitze getrieben sind. Etwa Shots von einer auf dem Kopf stehenden Kamera. Außerdem war ich den überdramatischen Gesichtsausdruck der Hauptdarstellerin Maria Falconetti, den wir fast ausschließlich als Close-Up zu sehen bekommen, leid.

Dennoch: Dieser Film trägt zu Recht den Stempel „Meisterwerk“.