Nach meinem Ausflug in den #Horrorctober ist es an der Zeit, weiter durch ebenjene zu reisen. Mein Projekt „Jedes Jahr ein Film“ wird fortgesetzt. Allerdings langsamer als bisher, da ich wieder arbeite … Stehen geblieben waren wir 1928 und aus diesem Jahr stammt La passion de Jeanne d’Arc.
Wir sehen einen Lateral Tracking-Shot zu Etablierung der Szene, es folgt ein dramatischer Zoom auf den Bischoff, der der Verhandlung gegen Jeanne d’Arc vorsitzt. Wow! Dieser 87 Jahre alte Film beginnt mit so einer rasanten Kamera, als wäre es der neueste Streifen von Scorsese.
Der Film von Carl Theodor Dreyer hatte ein ähnlich hartes Schicksal wie sein Protagonistin: Er wurde, zensiert, verboten und verbrannte gleich zwei Mal, sodass er lange als verschollen galt, bis er 1981 in einer Psychiatrie in der Nähe von Oslo wiedergefunden wurde.
In den ersten zwanzig Minuten sehen wir ein Kammerspiel das mit einer so krass guten Kamera eingefangen wird, dass es zur Pflichtsichtung für jeden angehenden Regisseur gemacht werden sollte, damit er oder sie lernt, wir man Szenen in geschlossenen Räumen cinematisch darstellen kann.
Ich habe mich am Anfang gefragt, ob der Film dieses Niveau halten kann und Dreyer war schlau genug, zu wissen, dass Close-Ups, Zooms, Kameraschwenks und schnelle Schnitte auf Dauer zu ermüdend sind, um einen Film 80 Minuten lang zu tragen. Daher öffnet er die Szene und gibt uns zunächst andere Sets, um seine Kunst vorzuführen: Eine Folterkammer, die unglaublich erschreckend ist, ohne dass wir einen einzigen Folterakt sehen und die Zelle von Jeanne, in der ich bei einem Aderlass die erste richtig blutige Szene auf dieser Reise durch die Filmgeschichte sah. Auch einen Klassiker des Horrors: Den Totenschädel, aus dessen Augen Würmer kriechen, scheint La passion de Jeanne d’Arc etabliert zu haben.
Am Ende verlor mich der Film dann aber doch noch. Zum einen gibt Dreyer das Kammerspiel komplett auf und je größer die Sets werden, desto konventioneller wird sein Kamera. Das versucht er dann mit Aktionen zu kontrastieren, die zu sehr auf die Spitze getrieben sind. Etwa Shots von einer auf dem Kopf stehenden Kamera. Außerdem war ich den überdramatischen Gesichtsausdruck der Hauptdarstellerin Maria Falconetti, den wir fast ausschließlich als Close-Up zu sehen bekommen, leid.
Dennoch: Dieser Film trägt zu Recht den Stempel „Meisterwerk“.