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1898 – La lune à un mètre

Es ist an der Zeit, Georges Méliès kennenzulernen und mit ihm einen Quantensprung im filmischen Erzählen. Méliès war einer der Superstars der ersten Regisseurengeneration. In der IMDB wird er als Regisseur von unglaublichen 538 Filmen geführt!

Und während die ersten drei Filme, die ich sah, im Grunde nicht mehr waren, als bloßes Kameradraufhalten, bekommen wir hier in La lune à un mètre eine richtige Geschichte erzählt:

Wir sehen einen Astronom in seinem Studierzimmer bei der Arbeit, dem verschiedenste Visionen widerfahren, inklusive einem unglaublich gruseligen Mond, der dem armen Mann übel mitspielt. Am Ende – Achtung: Spoiler 😉 – schafft die Mondgöttin (?) wieder Ordnung.

Ich finde beeindruckend, wie enorm der Fortschritt ist: Zunächst muss hier ein Drehbuch exitiert haben und Kulissen wurden gebaut. Aber das ist noch nicht einmal das Besondere. Denn beides kannte man ja bereits aus dem Theater. Nein, der wirklich spannende Punkt ist, dass die Montage nun erfunden ist. Und nicht nur das! Der Schnitt wird hier nicht nur als Mittel benutzt um mehrere Takes zu verbinden, nein, er wird gleich erzählerisch als Tricktechnik engesetzt. Ständig verschwinden Dinge oder erscheinen. Das ist teilweise noch etwas krude und nicht komplett nachzuvollziehen. Teilweise aber auch so beeindruckend, dass ein Tisch, auf dem der Astronom steht, verschwindet und wir ihn im Anschlussframe passend fallen sehen.

Aber am beeindruckensten ist, dass es sogar eine Stop-Motion-Sequenz gibt, von der ich nicht sagen kann, wie sie gemacht wurde, denn während sich links im Bild der Astronom normal weiterbewegt, sehen wir rechts Kreidezeichnungen sich bewegen. Wahrscheinlich hat Méliès das mit Doppelbelichtung gemacht.

https://www.youtube.com/watch?v=rzl_FDi5i8s

Ich bin beeindruckt!

1896 – Die Ankunft eines Zuges auf dem Bahnhof in La Ciotat

EDIT am 30.6.2015: Ich hatte den Film ursprünglich 1897 zugeordnet, wurde aber aufgeklärt, dass er schon 1896 erschien. Siehe Kommentare.

Ich schaue mich einmal durch die Filmgeschichte. Die Liste der Filme, die da kommen werden, könnt ihr übrigens hier bewundern. Meine selbstgestellte Bedingung war, dass ich den Film des jeweiligen noch nicht gesehen habe. Was mich vor allem in den 1990ern vor einige Probleme stellte. Ansonsten habe ich mir Mühe gegeben, einen schönen Genremix zu erzeugen und echte Klassiker mit schönem Trash zu durchsetzen.

Zum letzten Teil dieser Reihe hatte xtc123 übrigens eine feine Ergänzung. Eine Podcastfolge des Explikators, in der die Urheberrechtsverwirrungen der frühen Tage des Films thematisiert werden und welche Rolle Edison dabei spielte.

Aber jetzt kommen wir endlich zum Jahr 1897 1896 und dem zweiten Meilenstein der Lumières: Arrivée d’un train à La Ciotat. An diesem Film ist zweierlei bermekenswert:

Zum einen die Anekdote, dass die Menschen vor der Leinwand flüchteten, da sie dachten, ein Zug würde wirklich auf sie zufahren. So schön das klingt, so ist es dennoch bloß eine urbane Legende. Dieser Mythos beruht auf der Fehlannahme, dass der Film 1895 aus dem Nichts entstanden sei. Aber das stimmt ja nicht. Lediglich die Kamera war technisch vollendet. Die bewegten Bilder waren für das damalige Publikum ein alter Hut. Wenn ihr mehr wissen wollt, googelt mal „Laterna Magica“ oder besucht noch besser das Deutsche Filmmuseum hier in Frankfurt.

Das andere Bemerkenswerte an dem Film ist, dass er ein schönes Zeitzeugnis für die Stilmittel der frühen Filme war: Die Kamera war ja noch komplett statisch. Dieses Defizit wurde dadurch ausgeglichen, dass die Dynamik ins Bild gelegt wurde. Wir hatten das mal ganz kurz in Nosferatu angerissen. Aber von allen ganz alten Filmen, die ich bislang gesehen habe macht dies wohl Panzerkreuzer Potemkin am besten, wo ständig irgend etwas von links nach rechts oder von vorne nach hinten durchs Bild saust.

Im Gegensatz zu Letterboxd sagt YouTube übrigens, dass der Film aus 1895 stammt:

https://www.youtube.com/watch?v=b9MoAQJFn_8

Allerdings ist zumindest die Musik wohl nicht ganz authentisch …