Archiv der Kategorie: Horrorctober

#Horrorctober 12 – Carrie (2013)

Der letzte #Horrorctober-Film bevor am Samstag der Schreckensmonat in unserem Halloweenspecial seinen Abschluss feiert! Freut ihr euch auch schon so wie ich? Aber noch sind wir nicht bei The Shining, sondern bei Carrie und das ist zugleich der erste Film einer Regisseurin, den ich hier besprochen habe. Kimberly Peirce hatte die Ehre auf dem gleichen Regiestuhl Platz zu nehmen, auf dem schon Brian De Palma saß.

Eckdaten

Erscheinungsjahr: 2013
Regie: Kimberly Peirce
– Filmographie:
1999 Boys Don’t Cry
2008 Stop-Loss
2013 Carrie
Budget: 30 Mio $
Besetzung: Chloë Grace Moretz (Carrie), Julianne Moore (Carries Mutter)
Genre: Horror, Coming of Age

Die Handlung in fünf Sätzen

Mit Spoilern …
Enttäuschung
Carrie beherrscht Telekinese und ist die Tochter einer religiösen Fanatikerin. Als die unaufgeklärte Carrie ihre erste Periode bekommt, schockt sie das nicht nur, sie wird auch von den anderen Mädchen für ihre Ahnungslosigkeit gehänselt. Doch Sue tut das Leid und sie organisiert, dass ihr Freund mit Carrie zur Prom-Night geht. Dort wird Carrie aber wieder von anderen Mädchen verarscht. Das bringt das Fass zum Überlaufen, Carrie flippt telekinetisch aus und am Ende sind fast alle tot.

Filmisches Erzählen

Alles in allem hat mir der Film ganz gut gefallen. Die Coming-of-Age-Aspekte sind solide erzählt und gewürzt mit dem Dreh, dass die klassischen Rollen wie Nerd, Coole(r) und Bully alle konsequent von Mädchen besetzt sind, während die einzige männliche Rolle eher den Part der „netten Freundin des Quaterbacks“, auf die der Nerd scharf ist, spielt.

So gut mir dieser Teil des Films gefallen hat, so schlecht gefiel mir aber der komplette Handlungsbogen rund um den Mutter-Tochter-Konflikt – und das trotz Julianne Moore! Erst einmal ist die Mutter absolut over the top, wodurch die Dramatik des anderen Erzählstranges komplett karikiert wird. Doch das andere und noch schwerwiegendere Problem ist, dass Carrie sich komplett inkonsistent verhält: Während sie in der Schule aufgrund ihres streng religiösen Backgrounds gemobbt wird und dort ein total unterdrücktes Mäuschen ist, agiert sie gegenüber ihrer Mutter rebellisch. Es ist überhaupt nicht ersichtlich, warum sie ausgerechnet gegenüber ihrer Unterdrückerin aufbegehren sollte, es ihr aber nicht gelingen soll, diese Rebellion in die Schule zu tragen in Form eines anderen Auftretens als jenem des religiösen Mäuschens. Erst im Finale gelingt ihr das, nachdem sie ihre telekinetische Macht (schöne Pubertätsmetapher) gelernt hat zu kontrollieren.

Das Problem, das die Ursache für diese merkwürdigen Widersprüche darstellt, ist meines Erachtens, dass Chloë Grace Moretz in die Hauptrolle gecastet wurde. Moretz Ist einfach zu hübsch für die Rolle. Das ist ein ganz klassisches Hollywood-Problem: Hier wird die Geschichte vom hässlichen Entlein variiert, bis auf das kleine „zu vernachlässigende“ Detail, dass das Entlein nie hässlich ist, sondern vom ersten Shot an ein hübsches Mädchen, auch wenn ihr sie noch so blass schminkt. Also müssen andere Gründe für ihre Außenseiterrolle herbeikonstruiert werden. Auch wenn ich mich an die De-Palma-Verfilmung nicht mehr erinnern kann, weil ich sie vor mittlerweile Jahrzehnten (oh man, bin ich alt) sah, so weiß ich zumindest noch, dass De Palma Im Casting ein geschickteres Händchen bewiesen hatte.

Das alles hörte sich jetzt ziemlich vernichtend an, aber so soll es gar nicht gemeint sein. Ich hatte insgesamt Spaß an dem Film, er baut große Spannung auf und das unvermeintlich böse Ende wird gut herbeigeführt.  Ich halte Kimberly Peirce für eine talentierte Filmemacherin, die ja auch mit Boys Don’t Cry schon gezeigt hat, dass sie noch Luft nach oben hat. Es ist sehr schade, dass sie nur drei Filme in 15 Jahren liefern konnte und hoffe, dass wir von ihr noch einiges zu sehen bekommen.

Die „Here’s Johnny“-Szene

… kommt nach 1:07:00 Stunden, ist aber kein The-Shining-Zitat, sondern nur eine weitere Variante des Tropes. Die Mutter spaltet mit blutigen Händen eine Tür und greift dann zum Schloss. Interessant ist, dass dieser Griff wie bei Körkarlen vergeblich ist.

Fazit

Ein ganz netter Film (sofern „nett“ das richtige Prädikat für einen Horrorfilm ist). Kein Shining-Zitat, aber zumindest habe ich jetzt so viele Variationen des Tropes vom Mörder, der sich mit einer Axt durch eine Tür hackt, gesehen, dass ich richtig Lust habe auf The Shining. Ihr hört von uns im großen Halloweenspecial!

#Horrorctober 11 – Maniac

Einmal mehr fand ich nur den Trope und kein Zitat. Sah ich dabei einen guten Film? Nun, das ist kompliziert. Ich bin mir nicht so sicher.

Eckdaten

Erscheinungsjahr: 2012
Regie: Franck Khalfoun
– Filmographie:
2007 P2
2009 Wrong Turn at Tahoe
2012 Maniac
2015 i-Lived
Budget: 6 Mio $
Besetzung: Elijah Wood (Frank), Nora Arnezeder (Anna), America Olivo (Franks Mutter)
Genre: Horror, Slasher

Die Handlung in fünf Sätzen

Mit Spoilern …
Warum?
Frodo, äh, Frank restauriert Schaufensterpuppen und wie wir spätestens seit Das weiße Rauschen wissen, macht dieser Job verrückt. Obendrein muss Frodo, äh, Frank auch noch verarbeiten, dass seine anscheinend alleinerziehende Mama mal Sex mit irgendwelchen Männern hatte. Als Therapie bringt Frodo, äh, Frank Frauen um, skalpiert sie und tackert die Skalps auf Schaufensterpuppen. Dann verliebt sich Frodo, äh, Frank. Am Ende sind alle tot.

Filmisches Erzählen

Maniac ist auf alle Fälle der interessanteste Film, den ich bislang in diesem #Horrorctober gesehen habe. Aber ist es auch ein guter Film? Da bin ich mir nicht so sicher. Interessant ist, dass ich in meinem Studium Anfang der 00er Jahre noch gelernt habe, dass Lady in the Lake aus dem Jahr 1947 gezeigt habe, dass Filme mit einer durchgehenden subjektiven Kamera nicht funktionieren. Geschichten mit Ich-Erzähler müssen auf der Leinwand anders erzählt werden. Das Experiment, dies Eins zu Eins umzusetzen, war gescheitert.

Mit Maniac hat Franck Khalfoun nach über 60 Jahren das Experiment wiederholt. Und ich finde nicht, dass er damit gescheitert ist. Gewiss, die Beschränkung, die er sich selbst auferlegt, führt zu ein paar Kuriositäten, wie zum Beispiel, dass er überall Spiegel aufhängen muss, um seinen Star dann doch manchmal zeigen zu können. Auch greift er auf einige Traumsequenzen zurück, um dann doch einmal das starre Korsett verlassen zu können und in der letzten Szene gibt er es dann plötzlich ganz auf. Dennoch bricht der Film nicht komplett auseinander. Ich glaube zwei Faktoren spielen Khalfoun in die Hände, sodass der Film einen besseren Eindruck machen kann als Lady in the Lake. Zum einen haben First-Person-Shooter unsere Sehgewohnheiten beeinflusst, sodass diese Perspektive auf uns nicht mehr so ungewohnt wirkt wie sie es noch 1947 tat. Zum anderen ist das Genre sicher besonders für einen solchen Film geeignet. Ich habe den Film auf einem Laptop mit Kopfhörern gesehen, was das geradezu intime Erlebnis, quasi selbst zu morden, noch verstärkte. Das ging soweit, dass ich es in manchen Szenen nicht aushielt und die Kopfhörer absetzen musste, weil mir das alles zu nahe ging.

Dennoch hat der Film ein Problem: Er macht einen schönen Build-up und vergisst dann den Pay-Off. Die gewählte Form eignet sich hervorragend für einen unzuverlässigen Erzähler. Und Khalfoun spielt damit auch sehr schön. So hinterlässt Frodo, äh, Frank bei seinen Morden jede Menge Spuren. Manchmal macht er unmögliche Ortwechsel zwischen zwei Schnitten, ein Opfer verfolgt er durch eine U-Bahn-Station, in der es anscheinend keine Überwachungskameras gibt und dann ermordet er die Frau auf einem Parkplatz, an dem Autos vorbeifahren, ohne sich um die Schreie des Opfers zu kümmern. Obendrein erzählt Anna im Showdown, dass sie nichts von anderen Opfern gehört habe – Eine Mordserie, bei der die Opfer skalpiert werden, würde doch wohl durch die Medien gehen. Und der ultimative Hinweis ist, dass Frodo, äh, Frank und Anna sich Das Cabinet des Dr. Caligari im Kino ansehen – die Mutter aller unzuverlässigen Erzählerinnnen. Wie gesagt: Das ist ein richtig schöner Build-up. Und was macht Khalfoun dann damit? Richtig: Nichts. Er lässt das alles unerklärt liegen. Stattdessen verlassen wir in der letzten Szene Franks Point of View und sehen, wie ein SWAT-Team seine Wohnung stürmt und dort all die Mannequins mit den Skalps seiner Opfer findet, sodass letztlich wohl doch alles genau so war, wie wir es sahen. Merkwürdig …

Die „Here’s Johnny“-Szene

Die fragliche Szene kommt nach 1:15:00 Stunden. Aber auch diesmal ist es kein Zitat. Zwar hat sich Anna auch mit einem Messer im Bad verbarrikadiert, aber Frodo, äh, Frank hackt nicht auf die Tür ein, sondern packt den zur Hilfe eilenden Nachbarn und schmeißt ihn einfach durch die Badezimmertür. Anschließend greift er auch nicht zur Türklinke, sondern tritt schlichtweg durch das Loch in den Raum.

Fazit

Ein interessanter Film, der aber nicht hält, was er verspricht und auch kein Shining-Zitat zu bieten hat. Es werden zwar als Elemente des Tropes verwendet, aber The Shining nicht direkt zitiert, dafür gibt es zu viele Unterschiede.