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SF69 – The Diary of a Teenage Girl (Regisseurinnen-Reihe)

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Paula
Not a Teenage Girl
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Daniel
Not a Predator


Everybody wants to be touched

Wir sprachen über Sex! Sex, Sex, Sex … ein bisschen Liebe, aber vor allem über ganz viel Sex! Im Tagebuch eines Teenager-Mädchens fanden wir zwar kein Podcast-Gold, aber das Ende der Welt, Detektive im Erlebnisbad, uns woanders, 85 Drehbuchentwürfe, eine Schule bei Nacht, Charakterbögen, den Großen Preis in der Kategorie Generation 14plus, Seth Rogens Kamera und natürlich jede Menge Sex.

Vorgeplänkel

Paula: „Unsere begehrten Top 20 sind fast so wie das erste traditionelle Straßenfest.“ ♦ Rico, Oskar und der Diebstahlstein ♦ The Oracle of Bacon ♦ Der Explikator zu den Hintergünden des Orakels von Bacon ♦ Unsere Folge zu Witness for the Prosecution ♦ Unsere Kritik von Frankenstein (1910) ♦ Flat Earth Believers ♦ Wir.Müssen Reden über die flache Erde ♦ Harmontown über die flache Erde ♦ Ockhams Rasiermesser ♦ Chemtrails ♦ Daniel bei der Second Unit zu Her ♦ Paula und Daniel im Enough Talk zum künstlichen Menschen ♦ Abstimmung, welchen Anime-Film wir sehen sollen

Die Eckdaten zu The Diary of a Teenage Girl

Erscheinungsjahr: 2015
Regie: Marielle Heller
– Filmographie:
2015 The Diary of a Teenage Girl
2015 eine Folge von Transparent
2016 zwei Folgen von Casual
Angekündigt: The Case Against 8
Budget: 2 Millionen $ WOW!
Besetzung: Bel Powley (Minnie), Kristen Wiig (Charlotte), Alexander Skarsgård (Monroe)
Genre: Coming of Age, Period Pic

Die Produktion von The Diary of a Teenage Girl

Das Drehbuch

Der Film ist eine Adaption des gleichnamigen Romans von Phoebe Gloeckner. Bereits in den 00ern bekam Gloeckner einmal ein Angebot, das Buch zu verfilmen. Allerdings wollte das Studio damals ein Hollywood-Happy-End dranklatschen, in dem Minnie und Monroe heiraten (Diese Idee wird im Film sogar aufgegriffen und führt zu Minnies Tiefpunkt).

Marielle Heller bekam Diary 2007 von ihrer jüngeren Schwester zu Weihnachten geschenkt. Heller war fasziniert davon, wie selbstbewusst Minnie in dem Buch ihre Sexualität auslebt und wollte das Buch als Theaterstück adaptieren, weil es nichts vergleichbares im Coming-of-Age-Genre gab.

Marielle Heller bequatschte daraufhin Phoebe Gloeckner 10 Monate lang, um sie davon zu überzeugen, ihr die Rechte an dem Roman zu geben. Im Theaterstück spielte sie selbst Minnie. Das Stück hatte auch bereits multimediale Element, eine Idee, die sie später im Film wieder aufgreifen sollte. Es war eine sehr kleine Produktion (off off Broadway) in San Franzisko. Die erfolgreiche Theaterproduktion überzeugte Gloeckner, Heller dann auch die Rechte für den Film zu geben. Marielle Hellers Produzentin Anne Carey brachte sie 2012 dazu, sich mit dem Drehbuch beim „Sundance writer and director workshop“ – einem Workshop des Sundance Festivals – zu bewerben. Heller hatte das Drehbuch schon fertiggestellt und marschierte selbstbewusst in den Workshop, was sollten die ihr noch beibringen? Am Ende schrieb sie ca. 85 verschiedene Entwürfe bis das Drehbuch letztendlich fertig war.

Das Casting

Bel Powleys Agent schickte ihr das Drehbuch zu und sie war so begeistert, dass sie sich mit einem unortodoxen Video bewarb: Sie saß darin in ihrer Unterwäsche auf dem Bett und spielte eine Szene vor. Im Anschluss sprach Powley auf dem Video Marielle Heller direkt an und erzählte ihr, wie gut sie sich mit Minnie identifizieren kann. Heller und Powley skypten daraufhin und verstanden sich so gut, dass Bel Powley die Rolle bekam.

Alexander Skarsgård wiederum erzählte in einem Interview, dass es ihm genauso ging wie Heller: Er las das Drehbuch und dachte sich, dass er so etwas noch nie gesehen hatte. Skarsgård sagte, dass 95% aller Drehbücher, die er liest, eigentlich nur Variationen von schon existierenden Geschichten sind. Diary war etwas völlig Neues und er fragte sich, warum er so einen Film noch nie gesehen hatte.

Die Dreharbeiten

Die Schulszenen von Diary of a Teenage Girl wurden in der Lincoln Middle School in Alameda, Kalifornien. Da die Schulleitung aber moralische Bedenken gegen den Inhalt des Drehbuchs anmeldete, bekam die Crew nur die Genehmigung nachts dort zu filmen. Daher drehten sie alle Szenen in der Schule in nur einer Nacht mit Flutlicht vor den Fenstern.

Im Film ist Minnie ein Fan der Comiczeichnerin Aline Kominsky. Es sind immer wieder Comicelemente im Stil von Kominsky in den Film integriert. Eine Szene, in der Minnie die Straße entlanggeht und sich mit der Comicversion von Aline Kominsky unterhält, bezeichnete Kameramann Brandon Trost als die am schwersten zu filmende des ganzen Films.

Da der Film in den 1970ern spielt, durften nur Oldtimer am Straßenrand stehen, Statisten mussten mit entsprechender Kleidung ausgestattet sein, gleichzeitig musste die Crew die Passanten zurückhalten, ohne dass sie wegen des knappen Budgets die Straße großräumig absperren konnten. Das alles sollte während des Sonnenuntergangs gefilmt werden, sodass sie wenig Zeit hatten. Trost musste die ganze Zeit darauf achten, dass der Straßenverkehr, Werbeplakate und Fußgänger auf der anderen Straßenseite nicht im Bild sind. Eigentlich hätte er dafür eine Steadicam gebraucht. Das die Crew sich die aber nicht leisten konnte, saß Trost für den Shot mit der Kamera auf einem „Doorway Dolly“ – einem sehr leichten Kamerawagen, ähnlich einem Bollerwagen, der gezogen wurde und filmte die Selbstgespräche führende Bel Powley.

Filmisches Erzählen in The Diary of a Teenage Girl

Minnies Charakterentwicklung

Das Video über den Unterschied zwischen Jurassic Park und Jurassic World:

Youtube

In diesem Video geht es um Charakterentwicklung und die Frage, wie verdient sind Payoff-Momente in einem Film. Während dies in Jurassic Park hervorragend gemacht wird, ist das bei Jurassic World gerade nicht der Fall.

The Diary of a Teenage Girl ist ein Film, der uns ganz hervorragend Minnies Charakterentwicklung zeigt, wodurch sich ein hervorragender Payoff-Moment ergibt. Zu Beginn erfahren wir, dass Minnie zum ersten Mal Sex hatte und meint, dass sie nun offiziell eine Frau sei. Doch dann sehen wir sie 90 Minuten lang dumme, kindliche Entscheidungen fällen. Doch am Ende gibt es eine Szene, in der sie Monroe, ihrer Affäre wiederbegegnet und das Gespräch, das beide führen, zeigt uns, dass Minnie nun, nach allem was sie erlebt hat, wirklich erwachsen geworden ist.

Das wird interessant kontrastiert mit der Szene, in der Minnie am Ende in die Arme ihrer Mutter zurückkehrt und die Mutter sich weigert, über Minnies Erfahrungen zu sprechen. Im Gegensatz zu Minnie hat die Mutter überhaupt nichts gelernt, was Minnies Entwicklung noch mehr unterstreicht.

Das Verhältnis von Liebe und sexueller Anziehung

Minnies Familiensituation wird so beschrieben, dass ihre Mutter alleinerziehend ist, Alkoholikerin, aber lebensfroh im Easy-Living-Stil der 1970er. Nichtsdestotrotz ist sie mit ihrer Erzieherinnenrolle total überfordert und vernachlässigt Minnie und ihre Schwester. Dies führt zu Minnies mangelndem Selbstvertrauen.

Minnie findet sich selbst hässlich und versucht Selbstbestätigung durch andere zu bekommen. Dabei verwechselt sie Liebe und Sex. Monroe ist nicht durch und durch ein Arsch, sein eigentlicher Missbrauch von Minnie besteht darin, dass er nicht erkennt, dass diese 15-Jährige nicht zwischen Liebe und Sex unterscheiden kann. Inszenatorisch wird dies durch eine unzuverlässige Erzählerin unterstützt: Während Minnie keine klassische Hollywood-Schönheit ist, sind alle Menschen, die sie begehrt, unwahrscheinlich attraktiv.

Kritikpunkte an Diary of a Teenage Girl

Man kann kritisieren, dass der Film es sich dadurch etwas leicht macht, dass er die Geschichte als Period Pic erzählt. So kann man das unangenehme Gefühl, dass sich aus dem Setting ergibt, in dem ein Mann sowohl mit Mutter als auch Tochter Sex hat, leicht beiseiteschieben mit: „Ach, das waren halt andere Zeiten.“

Manche Kritiker/innen mahnten an, dass der Film Missbrauch verharmlose. Paula gibt zu bedenken, dass es tatsächlich weniger problematische wäre, wenn Minnie ihre Erfahrungen nur mit Gleichaltrigen gemacht hätte. Daniel kritisiert die Kritik dahingehend, dass es nicht so ist, dass alle Männer lieb und brav sind, aber wenn sie diesen Film sehen, werden sie zu Vergewaltigern. Männer haben noch nie eine Entschuldigung gebraucht, um Frauen zu missbrauchen. Daher ist es ungerechtfertigt, einem Film einen Strick daraus zu drehen, der sich zur Aufgabe gemacht hat, als einer der ersten zu zeigen, dass Teenager-Mädchen genauso sexuell verwirrt sind wie Teenager-Jungs. Paula gibt zu bedenken, dass Monroe nicht unsympatisch dargestellt wird und vielleicht nicht jede/r merkt, dass er ein Trottel ist. Stattdessen macht zum Beispiel die Mutter immer nur Minnie Vorwürfe. Skarsgård sagte dazu im Interview:

I was really intrigued by Monroe, actually. I was thinking, How can I make this character not so predatory? Because you make it too easy for the audience if they can just dislike him for the entire movie. For me, it was about how do you find a way in without making him a creep. How do you make him weak and vulnerable, and maybe even likable?

Alexander Skarsgård im Interview

Zeigen & Urteilen

Der Film macht es den Zuschauern nicht leicht, er gibt keinen moralischen Kompass vor und sagt uns nicht, wie wir uns fühlen sollen. Er zeigt Sex zwischen einem 35-Jährigen und einer 15-Jährigen, aber er urteilt nicht darüber.

Die Kamera

Trotz des supergeringen Budgets sieht Diary richtig gut aus. Man merkt allerdings hier und da, dass Heller und Trost ein paar Tricks verwenden, um das mangelnde Geld zu verstecken. So ist der Film budgetbedingt nur mit Handkamera gedreht. Um das zu kaschieren, zeigt Trost sehr viele Close-ups. Das unterstützt einerseits sehr gut das gute Mienenspiel von Bel Powley und kann andererseits davon ablenken, dass der Film keine großartigen Kamerafahrten, Flüge oder Kranshots zeigen kann.

Dennoch gelingt es der Regisseurin und ihrem Kameramann immer wieder schön mit der Kamera zu erzählen. So geht die Kamera manchmal raus, wenn Minnie sich einsam fühlt und zeigt uns plötzlich nicht mehr ihr Gesicht bildschirmfüllend sondern sie als kleines Wesen in einem großen Raum.

Cameos, Zitate & Referenzen

  • In der Szene in der Bar, in der Minnies Mutter will, dass Minnie und Monroe heiraten, stürmt Minnie aus der Bar. Danach zeigt die Kamera noch kurz eine rauchende Frau. Das ist Phoebe Gloeckner, die Autorin.
  • In der Schule nennen zwei Mädchen Minnie „Bitch“. Es sind Gloeckners Töchter.
  • Minnies Mutter heißt Charlotte, genau wie Lolitas (1962) Mutter.

Die Rezeption von The Diary of a Teenage Girl

Der Film spielte mit 2,2 Millionen Dollar sein Budget wieder ein – ein Achtungserfolg. Und er erhielt überwiegend positive Kritiken.

Preise & Bestenlisten

Lesenwert

The End!

Die 15 besten Podcast-Folgen des Jahres 2015

Mein Podcatcher fängt derzeit 93 verschieden Podcasts ein. Ich kann also mit Fug und Recht behaupten, ich höre euch alle! ? Nun gut, ich höre natürlich nicht jede einzelne Folge, schließlich habe ich auch noch so etwas wie ein Leben.
Erzähl mir nix!

Aber dennoch maße ich mir an, einen fast halbguten Überblick über die deutsche Podcastlandschaft zu haben, die ich dann mit ein paar amerikanischen und britischen Casts würze. Wahrscheinlich kommt jetzt gleich irgendjemand und ruft: Ich höre aber mehr! Egal, denn trotzdem kann nur ich und niemand sonst auf der ganzen Welt das machen, was jetzt folgt:

Ich präsentiere euch die 15 besten Podcastfolgen des Jahres 2015! Diese Liste wurde notariell beglaubigt und ihr könnt das natürlich anders sehen, aber dann habt ihr halt Unrecht.

Tanzen!

Also fangen wir an:

Platz 15: Rusty Reels – RR058 – 100 Jahre Film – Rückblick 1940-49

Rusty Reels ist ein Filmpodcast, der unter anderem durch die Filmgeschichte reist. Ganz ähnlich so, wie ich das hier in Schriftform mache. Gut, sie haben nicht ganz vorne angefangen, sondern sind erst mit dem Langfilm im Jahr 1914 mit Cabiria eingestiegen. Mittlerweile sind sie im Jahr 1951 bei A Streetcar Named Desire angelangt. Aber ich möchte euch eine andere Folge empfehlen. Den Jahreshöhepunkt und auch den Höhepunkt des gesamten Podcasts bisher stellte die Folge RR058 dar. Wolfgang und Stefan blicken auf die 40er-Jahre zurück, ordnen sie in einen filmhistorischen Kontext ein und wählen ihre favorisierten Filme und schauspielerischen Leistungen. Das ist alles sehr hörenswert!

Platz 14: kleinercast – Unsere Anfänge im Internet

Als Piloten des kleinercasts entschied sich das Team von KLEINERDREI, vertreten durch Anika, Anne, Lucie und Nicole auf das bewährte Konzept des Laberpodcasts zurückzugreifen. Genauer gesagt: Opa Oma erzählt vom Krieg. Die vier erzählen von ihren Anfängen in diesem Internet. Dabei kann man als Hörer/in richtig schön nostalgisch werden, wenn die vier über Erfahrungen mit AOL, Modems, Chats etc. berichten. Die komplett weibliche Perspektive ist dabei eine schöne Erfrischung im noch immer männlich dominierten Podcast-Deutschland und besonders bei einer Geschichte, die man etwa von Freaks oder Dilettanten schon allzuoft als Testosteron-Cocktail gehört hat.

Platz 13: Soziopod #039: Hetzender Hass und hässliche Hetze – Wo bleibt die Zivilisierung im Netz!?

Hass im Netz wie auf der Straße war ja leider eines der dominanten Themen des letzten Jahres. Wir. Müssen Reden widmete sich dem Thema genauso wie etwa Alternativlos, doch niemand machte das so fundiert und aufschlussreich wie Doktor Köbel und Herr Breitenbach. Die zwei wissen natürlich auch nicht DIE Antwort, aber sie regen ganz wunderbar zum Nachdenken an.

Platz 12: Hoaxilla #180 – ‚Phineas Gage‘

Phineas Gage ist ein spannender Mensch für Psychologen und Philosophen. Er überlebte eine schwere Kopfverletzung, durchlebte dadurch aber einen großen Charakterwandel. Nicht zuletzt sein Wertesystem veränderte sich durch den Unfall. Alexa und Alexander lassen den Fall in Folge 180 von Hoaxilla wieder aufleben.

Platz 11: Schöne Ecken – SE 97: Hannover, Zooviertel, hinter den Fassaden

Schöne Ecken – das sind die Jungs, die draußen rumlaufen und dabei in Mikrofone sprechen. Zwischendurch machen sie immer wieder crazy Shit, wie zum Beispiel mal wirklich nackt podcasten. Aber Anfang des Jahres 2015 gingen sie noch einen Schritt weiter: Sie klingelten bei fremden Menschen und fragten, ob sie mal reinkommen dürfen. Helge und Cornelius dabei zuzuhören, wie sie sich dazu überwinden müssen, tut schon fast körperlich weh. Es ist aber ein so spannendes Podcast-Experiment, dass es auf alle Fälle einen Platz in dieser Liste verdient hat.

Platz 10: ENOUGH TALK! #011 – WE ARE BACK… WHAT?

Hier ist es an der Zeit für ein Disclosure: Arne vom Enoughtalk war schon zweimal in diesem Podcast zu Gast (hier und hier) und ich war auch schon dort zu hören, ich könnte also an diesem Punkt dieser sonst absolut wertfreien Liste befangen sein!

Nach drei „Mainstream-Podcasts“ hier mal wieder eine wohl noch eher unbekannte Perle. Arne, René, mitlerweile auch Fabian und des Öfteren auch Gäste reden über Filme. Dabei haben sie so viel Fachwissen, dass das schon mal epische 3:38:00 Stunden dauern kann. Aber ein Heimspiel geben sie immer, wenn sie über Arnie sprechen, wie ihr Podcast-Name ja schon sagt. Das zeigen Arne und André hier, wenn sie den neuesten Terminatorfilm mehr oder weniger nacherzählen. Das ist hundert Mal lustiger und aufschlussreicher als der Film selbst!

Platz 9: 1337@kultur:~$ – Folge 53: Reiseliteratur

Zu 1337@kultur muss ich eigentlich auch nicht viel sagen, oder? maha spricht mit echten Nerds über ihr Fachwissen. Besonders hörenswert ist das immer dann, wenn er mit Gerhard Anger über Literatur spricht. Und wie die beiden in dieser Folge durch mehr als 2.400 Jahre Reiseliteraturgeschichte reisten, bereitete mir am Steuer meines Autos, das durch den Urlaub tuckerte, seeehr viel Freude!

Platz 8: WTF Podcast – Episode 638 – Sir Patrick Stewart

Gehen wir mal ganz kurz nach Amerika: Nachdem sogar Obama sich in Mike Marons Garage begeben hatte, um Gast in diesem Interview-Podcast zu sein, dachte ich mir, ich muss mir WTF auch mal anhören. Nicht jede Folge ist wirklich gut und die viele Werbung nervt gehörig. Allerdings gibt es zwischendurch immer wieder Perlen, wenn die Gäste entsprechend spannend sind. Und wer könnte spannender sein als der Captain, mein Captain? Ihr ahnt es bestimmt nicht, aber ich bin ein Trekkie. Ja, ja, so ist das und der beste Raumschiffcaptain aller Zeiten, das war Jean-Luc Picard. Der, beziehungsweise Sir Patrick Stewart ist hier zu Gast [Rechtschreibkorrektur, dank @pheraph] und ist eine verdammt coole Socke! Er spricht unter anderem darüber, wie er unter seinem Vater gelitten hat, wie er sich deshalb für Frauenrechte engagiert und wie er – nachdem er von einem Psychologen erfuhr, dass sein Vater wahrscheinlich PTSD hatte – sich jetzt zusätzlich auch noch für traumatisierte Veteranen einsetzt. Aber er spricht auch davon, dass all seine Shakespeare-Rollen ihn nur auf den Captain’s Chair vorbereitet haben ❤️. Als Ergänzung empfiehlt sich auch noch die Folge mit Sir Ian McKellen, der ja ein guter Kumpel von Stewart [s.o.] ist.

Platz 7: Wiederaufführung – WA044 Aliens

Die Wiederaufführung ist eigentlich der Fachpodcast für die richtig obskuren Filme. Kein Streifen ist zu alt oder zu gut versteckt, als dass Christian und Max sich nicht daran wagen, ihn auszubuddeln und zu sezieren. Dabei lassen die beiden zumeist den Hollywood-Mainstream links liegen. Wenn sie sich dann doch mal einen Film aus der Traumfabrik vornehmen, dann passiert so etwas wunderbares wie bei Aliens, wo dieses Meisterwerk von James Cameron durch die Experten in 1:24 Stunden gebührend gefeiert wird, ohne dass sie die fundierte Analyse vergessen.

Platz 6: KonScience – KNS029 Knusper, Knusper, CRISPR! Wer editiert meine DNA?

Holy Fuck! Schon mal was von CRISPR gehört? Nein? Hatte ich auch nicht. Und das ist definitiv ein Fehler, denn da kommt etwas ganz großes auf uns zu. CRISPR wird nicht nur die moderne Medizin umkrempeln, sondern auch enorm viele und komplexe Fragen an uns als Gesellschaft stellen, dazu was wir wie mit Gentechnik machen wollen. Deswegen solltet ihr diese Folge von KonScience hören, damit euch nicht der Angstschweiß ausbricht, wenn in ein paar Jahren Bild, BamS und Glotze wegen CRISPR Panik schüren werden. Neben anderen Themen legen Katrin und Mariëlle in über 1,5 Stunden ausführlich dar, was es damit auf sich hat. Anhören! Unbedingt!!

Honorable Mentions

Bevor wir die Top 5 betreten, will ich noch ein paar Podcasts nennen, aus denen sich nicht so gut einzelne Folgen herausheben lassen, sondern die man als ganzes oder von denen man zumindest große Teile hören muss. Serial brauche ich nicht zu verlinken, das hört ihr ja eh alle. Wenn ihr das mögt, dann hört euch unbedingt die Staffel zu den Charles-Manson-Morden aus You Must Remember This an – Dieser Real-Life-Krimi ist mindestens genauso spannend wie jener von Serial. Wenn ihr ein paar Stunden am Stück ungläubig lachen wollt, dann empfehle ich My Dad Wrote A Porno – der Name ist Programm. Und allen Trekkies empfehle ich den Voyager Rewatch Podcast, der in sieben Folgen die Serie aufarbeitet.

Platz 5: Harmontown – 167: Confirmed by a Well Respected Arborist

Zurück nach Amerika, genauer gesagt nach L. A. Harmontown wird immer sonntags live im Nerdmelt Showroom in L.A. aufgezeichnet. Dan Harmon, sein „Comptroller“ Jeff Davis und Dungeon-Master Spencer empfangen wechselnde Stammgäste und Stargäste, außerdem quatschen sie vor Publikum über alles, was ihnen in den Sinn kommt. Das ganze ist maximal postprivat. So kennen langjährige Hörer die komplette Beziehungsgeschichte zwischen Dan Harmon und seiner Frau Erin McGathy, die in dieser Folge mit einer Scheidung endet. Doch wie Harmon das erzählt, trieb mir vor lachen die Tränen in die Augen, denn er hat seine Nachbarn eingeladen und sie lesen einen SMS-Wechsel vor, in dem es eigentlich um Eukalyptus-Bäume auf der Grundstücksgrenze geht – sehr, sehr witzig! Die ganze Folge ist hörenswert, aber da bei Harmontown viele Inside-Jokes drinstecken, könnt ihr im Zweifel für das Glanzstück auch bis Minute 38 skippen, dann geht es rund!

Platz 4: Fokus Europa – FE012 Der Balkan und Europa

Die Flüchtlingswelle und die daraus resultierende Krise Europas zogen sich durch 2015 und damit auch durch die Podcastlandschaft. Während aber jeder normal denkende Mensch die Flüchtlinge aus Syrien hier Willkommen heißt, war immer wieder die üble Rede von den Wirtschaftsflüchtlingen vom Balkan. In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch einmal den Erscheinungsraum von Katrin Rönicke empfehlen, der mit der Reihe Erscheinungsraum Ost in vielen Folgen Osteuropa und nicht zuletzt den Balkan als Thema hat. Aber die beste Folge zum Thema kommt von Tim Pritlove. In 1:40 Stunden spricht er mit Rüdiger Rossig nicht nur über die Geschichte der Jugoslawienkriege sondern auch darüber was für einen riesengroßen Bockmist die EU auf dem Balkan gebaut hat, warum es so viele junge Menschen da wegzieht und warum Kanada davon profitiert, dass Deutschland diese Menschen nicht haben will.

Platz 3: The Canon – 12 THE SHAWSHANK REDEMPTION

Betreten wir das Treppchen. Noch ein letztes Mal richten wir unsere Ohren nach Amerika und hören noch einen letzten Filmpodcast in dieser zugegeben sehr filmlastigen Liste. Woran das wohl liegen mag? Jede, die sich schon einmal eingehender mit Filmklassikern beschäftigt hat, fragt sich, warum The Shawshank Redemption (Die Verurteilten) in der IMDB als der beste Film aller Zeiten gelistet wird. Amy Nicholson und Devin Faraci klären endlich mal auf, wie es zu diesem „Unfall“ kommen konnte.

Platz 2: Metrolaut 25 – Kultur des Dschihad

Silber geht an Metrolaut. Auch John F. Nebel und Kalle Kornblum kamen nicht am Thema des Jahres vorbei. Wie man zum Fluchthelfer wird, hatten sie schon in der ebenfalls sehr hörenswerten Folge 24 erzählt bekommen. Aber in Folge 25 gehen sie noch einen Schritt weiter! Hier lassen sie sich von Arne Vogelgesang anhand von Propaganda aufklären, wer eigentlich dieser IS ist, von dem alle reden und was seine Anziehungskraft auf junge Dschihadisten ausmacht.

Platz 1: Mikrodilettanten – 73 | Guess who’s back?!

And the winner is: die @Mikrodilettante! Es gab 2015 eine Reihe von Podcast-Comebacks: NSFW sind wieder da und auch Der Weisheit ging in die sehr hörenswerte Staffel 2. Aber niemand machte das mit dem Comeback so gut wie der ultimative Laberpodcast von den Mikrodilettanten. Nachdem sie erst im Mai ihr Ende verkündet hatten, waren sie nach vier Monaten schon wieder zurück (um dann für weitere vier Monate nicht zu senden^^). Aber Nicholas, Phil und Gero kamen nicht irgendwie zurück: Sie überließen erst einmal Tim und Holgi von NSFW die Mirkofone für 15 Minuten, bevor sie die beiden aus dem Studio „warfen“ und selbst das Ruder wieder in die Hand nahmen! Eine sehr, sehr tolle Idee. Ich hoffe derlei bekommen wir auch in 2016 wieder viel zu hören.

An dieser Stelle müsste ich euch nach euren Favoriten fragen, aber da diese Liste die absolute Wahrheit über die besten Podcastfolgen 2015 verbreitet, lasse ich das natürlich. Stattdessen könnt ihr mir ja bescheid geben, wenn ihr 2016 gute Folgen hört, dann erwäge ich die für den nächsten Rückblick. Bis dann!