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SF124 – Kill Bill: Vol. 1 (feat. Arne)

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Paula
... kann nicht hinsehen
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Daniel
... ist ein Weichei
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Arne
... kommt auf dem gelben Motorrad


That woman deserves her revenge

Wir beginnen mit der schwierigen Frage: Ja, was macht Shia LaBeouf? Wahrscheinlich das, was passiert, wenn man eine grüne Krawatte im Fernsehen trägt – the whole bloody affair. Beim eigentlichen Film, an den wir keinen Realismus anlegen, hat Paula dann sehr gelitten. Das hinderte sie aber nicht daran in einer Animesequenz Arne mit 88 Bodyguards auf einem gelben Motorrad in eine Klamotten-Boutique zum CD-Shoppen zu schicken. In Maos Propagandastudio können wir nicht hingucken, wie die Nasennebenhöhlen starker Frauen von Morgensternen getroffen werden. Das Weichei Daniel musste diesen Podcast zum Glück nicht in zwei Teile teilen, denn er ist runter vom Index. Do it! Just do it! Don’t let your dreams be dreams. Yesterday you said tomorrow. So just do it! Make your dreams come true. Just do it.

Vorgeplänkel

Unser Gast ist Arne. Seine Homebase ist der Enough Talk! Über Superhelden podcastet er in der Superhero Unit! ♦ Wir haben Proust wiedergesehen ♦ Daniel war in der Second Unit und hat über Harry Potter und der Orden des Phoenix gesprochen ♦ Shia LaBeouf macht #introductions

Die Eckdaten zu Kill Bill: Volume 1

Erscheinungsjahr: 2003
Regie: Quentin Tarantino
– Filmographie (als Produzent/Auswahl):
1993  Killing Zoe (Executive Producer)
1995 Four Rooms (Executive Producer)
1996 From Dusk Til Dawn (Executive Producer)
1996 Curdled (Executive Producer)
2005 Hostel (Executive Producer)
2007 Planet Terror/Death Proof/Grindhouse (Produzent)
2015 #15SecondScare  (Serie/Executive Producer)

KameraRobert Richardson
– Filmographie (Auswahl):
Seit 1987
 (Platoon) so ziemlich alle Oliver-Stone-Filme, auch Natural Born Killers (1994/Story von Tarantino) bis U-Turn 1997
Seit 1995 (Casino)  auch Scorseses Kameramann bis Hugo Cabret (2011)
1997 Wag the Dog
1998 Der Pferdeflüsterer
1999 Schnee, der auf Zedern fällt
Seit 2003 (Kill Bill) Tarantinos Kameramann (außer bei Death Proof)
2006 The Good Shepherd (von Robert De Niro)
2010 Eat Pray Love

Budget: 52 Mio $ (für beide Teile zusammen)
BesetzungUma Thurman (Die Braut), David Carradine (Bill), Lucy Liu (O-Ren Ishii), Daryl Hannah (Elle Driver), Vivica A. Fox (Vernita Green), Michael Madsen (Budd), Sonny Chiba (Hattori Hanzo), Chiaki Kuriyama (Gogo Yubari), Julie Dreyfus (Sofie Fatale) Gordon Liu (Johnny Mo)

Genre: Action, Rachefilm, Martial-Arts-Film, Eastern

Die Produktion von Kill Bill: Volume 1

Das Drehbuch zu Kill Bill I

Schon während Pulp Fiction planten Tarantino und Uma Thurman die Eckdaten der Geschichte. Doch nach Ende der Dreharbeiten verlor Tarantino das Projekt aus den Augen. Wie wir wissen, machte er zunächst  Jackie Brown. Danach begann Tarantino schon, an Inglourious Basterds zu schreiben. Eher zufällig traf er Uma Thurman wieder, sie sprachen über ihre alten Pläne und beschlossen das Projekt wieder aufzunehmen. Doch als das Drehbuch fertig war, wurde Thurman schwanger. So kam es, dass Kill Bill erst sechs Jahre nach Jackie Brown herauskam. Tarantino schenkte Uma Thurman das Script dann zu ihrem 30. Geburtstag. Für beide Teile zusammen war es 220 Seiten lang.

Die Crew von Kill Bill

Für Tarantino lag der Reiz in Kill Bill darin, dass er seine Grenzen austesten wollte: Er sagte im Interview, dass Action zu filmen zu den schwierigsten Regiearbeiten gehört. Er wollte testen, ob er das Talent dazu hat. Er nutzte Kill Bill, um sich dieses Handwerk selbst beizubringen. Als Vorbereitung auf die Rolle musste Uma Thurman John Woos The Killer (1989), Coffy (1973) (mit Pam Grier), und Sergio Leones A Fistful of Dollars (1964) gucken. Kameramann Robert Richardson wiederum bekam eine Liste von Cheh-Chang- und Shaw-Brothers-Filmen, um sich vorzubereiten. Tarantino wollte, dass er ihren speziellen Stil kennenlernt. Sonny Chiba spielte nicht nur Hattori Hanzo, er war auch Uma Thurmans Schwertkampftrainer. RZA vom Wu-Tang Clan wiederum machte für einige Szenen die Musik und das Sounddesign. Kill Bill 1 ist der erste Tarantino-Film, der dadurch in einigen Szenen einen Original-Score hat.

Yuen Wo-Ping war der Wire-Master bei der Action-Sequenz im House of the Blue Leaves. Er ist ein legendärer Martial-Arts-Regisseur und Choreograf, der unter anderen mehrere Jackie-Chan-Filme gedreht hat und die Wires bei unter anderem Crouching Tiger, Hidden Dragon und The Matrix. Bei der Anime-Sequenz führte Kazuto Nakazawa Regie. Produziert wurde sie vom Studio Production I.G., von dem unter anderem auch Ghost in the Shell stammt.

Zoë Bell war Uma Thurmans Stuntfrau. Seit Kill Bill hat sie in jedem Tarantino-Film mitgewirkt: bei Death Proof, Django Unchained und The Hateful 8 als Schauspielerin und bei Inglourious Basterds als Stuntwoman. Die Szene, in der die Braut den Baseball in der Luft zerschneidet, war kein Trick,  Zoë Bell gelang das Kunststück am SetAußerdem verletzte sich Bell während der Dreharbeiten am Rücken. Sie erzählte aber niemandem davon, da sie Angst hatte, den Job zu verlieren und beendete den Dreh unter Schmerzen. Die Bilder im Haus von Vernita (Vivica A. Fox) stammen von Pam Griers Bruder.

Tarantino flog zum Location Scouting nach Japan. Am letzten Tag seines Trips vertrieb er sich die letzten Stunden vor seinem Heimflug mit Shopping. In einer Klamotten-Boutique hörte er eine CD der Band „The 5,6,7,8’s“. Tarantino bat die Verkäuferin in dem Laden, ihm die CD zu verkaufen. Sie antwortete, dass das nicht ginge, das sie ein Klamottenladen und kein CD-Laden seien. Tarantino bestand darauf, dass die Verkäuferin die Geschäftsführerin anrief, obwohl er wusste, dass dies sehr unhöflich in Japan war. Die Geschäftsführung willigte ein, Tarantino nahm die CD mit und engagierte die „The 5,6,7,8’s“ für die „House of the Blue Leaves“-Sequenz.

Der Dreh von Kill Bill

Kill Bill wurde teilweise on Location in Japan und China gedreht. Sie drehten die Indoor-Aufnahmen in den Bejing Studios in China, die für Maos Propaganda-Filme gebaut worden war. Tarantino wollte den Einfluss einer asiatischen Crew auf seinen Film. Absurderweise wurde Kill Bill in chronologischer Reihenfolge gedreht, anschließend dann aber unchronologisch zusammengeschnitten.

Die House-of-Blue-Leaves-Sequenz brauchte 8 Wochen, um abgedreht zu werden. Geplant waren eigentlich zwei. Aber Tarantino wollte sie perfekt hinbekommen, er sagte er wollte „one of the greatest, most exciting sequences in the history of cinema“ machen. Chiaki Kuriyama (Gogo) traf bei den Dreharbeiten versehentlich Tarantino, der neben der Kamera stand, mit ihrem Morgenstern am Kopf. Es scheint aber nichts weiter passiert zu sein. Der Longtake, bei dem the Bride im House of Blue Leaves in die Toilette geht und dort Sofie Fatale trifft, brauchte 6 Stunden um geprobt zu werden und 17 Takes, bis die Plansequenz saß.

Die Special Effects von Kill Bill

Die Crew verzichtete weitgehend auf Computer-Effekte. Um die Hommage zu vergrößern, wurden praktische Effekte verwendet. Um spritzendes Blut darzustellen wurden zum Beispiel Feuerlöscher verwendet sowie Kondome gefüllt mit Kunstblut, die die Stuntmen unter der Kleidung trugen. Über 1700 Liter Kunstblut kamen zum Einsatz. Für den Film wurden Schwerter und Schwerter-Zubehör im Wert von 60.000 $ angefertigt. Außerdem kamen Miniatursets  von Tokio aus dem jüngsten Godzilla-Film zum Einsatz: Godzilla, Mothra and King Ghidorah: Giant Monsters All-Out Attack (2001).

Filmisches Erzählen in Kill Bill: Vol. 1

Grindhouse

Kill Bill ist eine Homage und ein Mashup von Tarantino an das Grindhouse-Kino. Grindhouse ist ein Sammelbegriff für Low-Budget-Kinoproduktionen aus den 1970ern. Grindhouse-Filme umfassten Genres wie Martial Arts, Samurai, Blaxpoitation und Italo-Western. Der Begriff geht auf die Bezeichnung der Kinos zurück, in denen diese Art von Filme liefen – ähnlich wie die Nickelodeons der Stummfilm-Ära.

Tarantino sagte, dass Kill Bill sein Indiana Jones ist. So wie Spielberg und Lucas in Indiana Jones die Abenteuerfilme der 1940er wieder aufleben ließen, so remixte Tarantino Martial-Arts, Italo-Western, Samurai-Filme, Yakuza-Triller, Giallo und Brian de Palma.

Märchen und Realismus

Kill Bill ist ein ständiger Wechsel von realistischen Themen und märchenhaften. In einem Moment ist etwas ganz banales wie ein Suburb-Haus zu sehen – Im nächsten Moment bricht schon das Fantastische herein – ein Messerkampf auf Leben und Tod. Mit zunehmender Laufzeit driftet der dann immer mehr in sein eigenes Universum ab. Es ist ein Universum, in dem die Braut einfach mal mit einem Schwert ins Flugzeug steigen kann oder das Flugzeug offensichtlich an einem Faden hängt.

Rachefilm, Frauenrolle & Charakter der Braut

Kill Bill ist ein Rachefilm. Als solcher muss er sich den Vorwurf gefallen lassen, dass Rache immer eine ein bisschen billige Motivation für einen Protagonisten ist, damit wir mit ihm oder ihr mitfiebern und ihre Untaten verzeihen.

In Kill Bill 1 kommt hinzu, dass die typischen Tarantino-Dialoge weitgehend wegfallen. Während die ersten drei Filme des Regisseurs sehr Charakter-getrieben waren, ist dieser sehr Plott-getrieben. Allerdings wird die Braut sehr effizient charakterisiert. Zudem bekommt O-Ren Ishii eine großartige Backstory und wird dadurch zu einem wirklich würdigen Villain – sodass der Endkampf viel mehr Bedeutung erhält.

Das besondere an der Braut ist, dass sie von Tarantino fast nicht sexualisiert wird. Kill Bill bildet hier einen großen Gegensatz zu anderen Filmen der Epoche wie Tomb Raider, Resident Evil oder Underworld, in denen die Actionheldinnen in hautengen Latexanzügen kämpfen.

Beatrix Kiddoh muss sich aber einerseits den Vorwurf gefallen lassen, dass sie zu männlich ist. Sie hat keine Weiblichkeit mehr, sondern gebärdet sich männlich in ihrer Gewalt – dies ist nicht erstrebenswert. Andererseits wird dem Film oft vorgeworfen, dass er die Gewalt der Braut wieder aus ihrer Weiblichkeit heraus motiviert. Weil ihr das Kind genommen wurde, darf sie als Mutter Rache nehmen.

Hinzu kommt die problematische Vergewaltigungsszene: Zwar motiviert die Vergewaltigung Beatrix‘ Handeln nicht, aber dadurch, dass der Film damit beginnt, wird der dramaturgische Aufbau der Rape-Revenge-Filme der 1970er referenziert. Auf der anderen Seite darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass Tarantino die Vergewaltigungsszene eher zurückhaltend inszeniert und gerade nicht ins Zentrum der Handlung setzt.

Es kommt hinzu, dass die Vergewaltigung eine Folge von Bills Tötungsbefehl ist. Der ganze Film ist eine Emanzipationsgeschichte: Beatrix ist aus dem Deadly Viper Assassination Squad ausgestiegen, aber ihr wurde das Schlussmachen nicht gestattet. Daher versucht sie nun mit Gewalt den Ausstieg. Wir haben hier einmal mehr das Erlösungsmotiv in einem Tarantino-Film.

Aber auch die Emanzipationsgeschichte ist nicht unproblematisch. Es ist ein sehr alter und sehr konventioneller Trope, der immer wieder in Filmen durchgekaut wird. Dies ist kritikwürdig, weil diese Art der Geschichte dem Trauma nicht gerecht wird, das mit – speziell – einer Vergewaltigung einhergeht.

Abgesehen davon ist die Art und Weise wie Tarantino diese Emanzipationsgeschichte erzählt sehr elegant. In dem Moment, in dem Beatrix im Koma liegt ist ihr Geist ausgeschaltet, sie ist nur noch das, was Frauen oft im Film sind: Körper, Lustobjekt im wahrsten Sinne des Wortes. Nachdem sie erwacht ist und sich ihre beiden Vergewaltiger erledigt hat, kommt die Szene, in der sie ihre Beine dazu bringt sich wieder zu bewegen:

Youtube

In dieser Szene triumphiert ihr Geist buchstäblich über ihren Körper. Und anschließend wird sie von Tarantino nicht mehr sexualisiert sondern ist nur noch das Ärsche-kickende Bad-Ass.

Es soll natürlich nicht unerwähnt bleiben, dass Tarantino die beiden Vergewaltiger als absolut widerliche und ekelhafte Typen darstellt. Im Gegensatz zum Sexploitation-Film auf den Tarantino hier Bezug nimmt wird von Uma Thurman gar keine nackte Haut gezeigt. Es gibt keine (entschuldigt den unpassenden Ausdruck) „Schauwerte“.

Beatrix rächt sich übrigens immer mit gleicher Münze: Beim Massaker in der Kapelle überlebt ihr Kind. Sie lässt (ohne das Wissen um ihr Kind) die Tochter von Vernita Green am Leben. O-Ren Ishii trägt weiß wie ein Hochzeitskleid und kommt mit ihrer Entourage ins House of Blue Leaves. Beatrix bringt alle um, wie es ihr widerfuhr in der Kapelle. Bis auf Sofie Fatale, die nicht am Massaker beteiligt war, aber telefonierend daneben stand. Sie bekommt von der Braut den Telefonarm abgeschlagen.

Tarantinos Entwicklung

In dieser Reihe gucken wir uns einmal durch Tarantinos Karriere. Wir sahen bereits Reservoir Dogs, Pulp Fiction und Jackie Brown. Dabei vergleichen wir folgende Punkte:

Tarantinos Schauspiel: Tarantino hat hier nur eine Statisten-Rolle als einer der Crazy 88.

Schauspielerführung: Insgesamt zeigen die verschiedenen Schauspieler/innen ein großes Spektrum an nuanciertem Schauspiel. Wir sind uns uneinig über die Qualität der Szene, in der O-Ren den Yakuza-Boss köpft. Aber vor allem Uma Thurman zeigt die beste Leistung ihrer Karriere.

Starke Frauen: Während es bei Jackie Brown fast „nur“ eine starke Protagonistin gab, die sich in einer Männerwelt behaupten musste, ist hier nicht mehr nur die Braut eine starke Frau. Sie steht die ganze Zeit auch starken Antagonistinnen gegenüber. Zudem halten die Frauen in den Kämpfen immer länger durch als die Männer.

Dialoge: Insgesamt zeigt Kill Bill 1 weniger starke Dialoge als seine Vorgänger. Hervorzuheben sind aber die Eröffnungsszene und die Einführung von Hatori Hanzo.

Musik: Die Musik ist wieder traditionell stark. Wir loben besonders, dass sie noch besser auf die Bilder abgestimmt ist und dass sie ein schöner Hybrid aus westlicher und fernöstlicher Musik ist. Dabei arbeitet Tarantino schön mit Bild-Ton-Scheren. Wenn zum Beispiel bei der Schwertübergabe durch Hatori Hanzo oder im abschließenden Garden-Fight Bilder gezeigt werden, die von japanischer Folklore nur so triefen und dabei dann mexikanische oder Western-Musik läuft.

Gewalt: Kill Bill 1 ist der bisherige Höhepunkt oder Tiefpunkt (Je nachdem) in Tarantinos Gewaltorgien. Dabei ist auffällig, dass die Gewalt zu Beginn sehr geerdet und damit schwer zu ertragen ist. Mit fortlaufender Spielzeit wird sie dann immer comichafter und abgehobener. Zugleich nimmt die Quantität an Gewaltakten zu. Aber alles ist am Ende einfach nur noch überdreht.

Tarantino streitet sich mit einer Kritikerin im Fernsehen über die Gewalt in Kill Bill:

Youtube

Erlösungsgeschichte: Die Braut versucht wie fast alle Protagonisten bei Tarantino aus ihren Verhältnissen auszubrechen und strebt nach Erlösung. Sie will nicht länger Profikillerin sein. Da ihr dieses Ziel friedlich verwehrt wird, strebt sie es mit Gewalt an. Aber auch viele der Nebencharaktere streben den Ausstieg oder die Erlösung an. Vernita Green hat offensichtlich auch ihr Leben hinter sich gelassen, wird dann aber von der Vergangenheit eingeholt. Hatori Hanzo hat dem Schwertermachen abgeschworen und auch O-Ren Ishii hat eine andere Art von Erlösungsgeschichte: Durch ihren Aufstieg zur Yakuza-Bossin versucht sie die Dämonen ihrer Kindheit loszuwerden. Zu guter Letzt deutet auch der Teaser von Bud an, dass dieser nach Erlösung strebt.

Außenseiterin: Nach Jackie Brown ist Kill Bill der zweite Film, in dem eine Außenseiterin triumphiert.

Unchronologisch erzählt: Nach dem weitgehend chronologischen Jackie Brown ist Tarantino zurück zum unchronologischen Erzählen. Nicht die Zeitachse ist ihm wichtig sondern die dramaturgische Achse.

Vergleich mit Jackie Brown: Kill Bill ist gewissermaßen die Antithese zu Jackie Brown. Jackie ist langsam erzählt mit vielen langen Dialogen und kaum Gewalt. Kill Bill 1 hingegen rasant mit wenig Dialogen und viel Gewalt. Während Jackie sehr zurückhaltend und überlegt agiert, sieht die Braut buchstäblich rot. Jackie Brown ist sehr weiblich in ihrem Auftreten, Beatrix hingegen eher androgyn.

Die Kamera: Der dritte Kameramann in Tarantinos Karriere. Die Beleuchtung hat sich noch weiter verbessert. Robert Richardson orientiert seine Kameraführung sehr stark an den zitierten Filmen. Seien es die Crash-Zooms auf die Gesichter, die aus Martial-Arts-Filmen stammen oder seien es die Super-Close-Ups auf die Augen aus dem Italo-Western. Die weiterwandernde Kamera, die ihren Protagonisten verlässt um den Zuschauer auf einen anderen Aspekt aufmerksam zu machen, ist ein Markenzeichen Tarantinos. Sie kommt zum Beispiel in der Twisted-Nerve-Szen vor. De Palmas Splitscreen borgt sich Tarantino wieder aus. Außerdem dürfen der Trunk-Shot und der Dead-Body-Shot nicht fehlen. Ach ja, natürlich gibt es auch nackte Füße.

Kritikpunkte an Kill Bill: Vol. 1

Kill Bill 1 wurden viele Vorwürfe gemacht. Wir haben mal einige zusammengetragen:

  • Der Film ist hirnlos. Tarantino habe sechs Jahre gebraucht für seine bislang schwächste, unkreativste Geschichte. Warum?
  • Style over Substance: Eine Leistungsshow schöner Bilder mit nichts dahinter.
  • Rachegeschichten sind unterkomplex.
  • Es gibt zu viele und zu aufdringliche Filmzitate. Kill Bill 1 ist das filmische Äquivalent von Karaoke.
  • Der Film ist zu lang: Zwei Stunden und nur die Hälfte des Gesamtwerkes.

Easter Eggs & Tarantino-Universum

  • Der Name von Beatrix Kiddoh wird im ersten Teil dreimal gespoilert: Erst von Bill, am Anfang, wenn er sie „Kiddoh“ nennt, dann auf ihrem Flugticket und schließlich duch O-Rens Spruch „Tricks for Kids“ – Das war zugleich eine Referenz auf eine bekannte Frühstücksflocken-Werbung in den USA.
  • Der Texas Ranger Earl McGraw (Michael Parks), der mit seinem Sohn Edgar McGraw (James Parks) das Massaker untersucht, trat schon in From Dusk Till Dawn auf und kommt sowohl in Death Proof als auch in Planet Terror von Robert Rodriguez wieder vor.
  • Die Insel Okinawa , auf der Hatori Hanzo sein Restaurant hat, steht im Ruf, das schlechteste Sushi von ganz Japan anzubieten.
  • Als Die Braut in Kapitel 5 in Tokio den Flughafen verlässt, ist im Hintergrund ein Werbeplakat für  Red Apple zu sehen.
  • Der Wilhelm-Schrei wird gleich zweimal während der House of the Blue Leaves Sequenz benutzt.
  • Quentin Tarantino ist einer der Crazy 88.
  • O-Ren sagt zur Braut, dass ihr Kampf „not last five minutes“. 4 Minuten 59 später ist sie tot.

Fantheorie

Kill Bill: Vol. 1 (2003) und Kill Bill: Vol. 2 (2004) sind der gescheiterte Pilot für Fox Force Five aus Pulp Fiction (1994).

Zitate und Referenzen

    • Der Film beginnt mit dem Logo der Shaw Brothers – einem legendären Martial-Arts-Studio
    • Der Streit von Hatori Hanzo und seinem Assistenten stammt aus Fighting Back (1948)
    • Die „Kill List“ stammt aus Il mercenario (1968)
    • Die Rachegeschichte ist massiv beeinflusst von Lady Snowblood (1973)
    • Der Shot auf die Sonnenbrillen des Sheriffs ist aus Gone in 60 Seconds (1974)
    • Der gelbe Overall referenziert Game of Death (1978) mit Bruce Lee
    • Die Figur Hatori Hanzo stammt aus der Serie Shadow Warriors (Hattori Hanzô: Kage no Gundan/1980), er wurde auch damals schon von Sonny Chiba gespielt.
    • Revenge is a Dish best served cold kommt aus Star Trek II: Der Zorn des Khan (1982)
    • Die Rede, die die Braut an die Tochter von Vernita Green richtet stammt aus The Punisher (1989)
    • Die Sonnenbrille , die Beatrix Buck wegnimmt, ist die gleiche, die Christian Slater in True Romance (1993) trägt.
    • In der Unterhaltung mit Vernita malt Uma Thurman wieder ein Quadrat in die Luft wie in Pulp Fiction (1994)
    • Chiaki Kuriyama, die Gogo in Schuluninform spielt, hatte Tarantino in Battle Royale (2000) entdeckt.
    • Die Idee, in Anime zu wechseln übernahm Tarantino von dem indischen Film Aalavandhan (2001)

Die Twisted-Nerve-Szene

  • Die gepfiffene Melodie aus der Twisted-Nerve-Szene stammt aus dem gleichnahmigen Film von 1968.
  • Daryll Hannahs Charakter referenziert den Film They Call Her One Eye (1973)
  • Der Splitscreen referenziert Brian de Palma, der diesen in verschiedenen Filmen einsetzt – zum Beispiel in Carrie (1976)
  • Der Mordversuch mit Giftspritze aus der Twisted Nerve-Szene stammt aus Black Sunday (1977)

Die Rezeption von Kill Bill: Vol. 1

Kill Bill 1 spielte 181 Mio $ weltweit ein – also mehr als das Dreifache des Gesamtbudgets für beide Filme. Es wurde Tarantinos erfolgreichster Film bis dahin. Kill Bill war geplant und gedreht in einem Film. Miramax-Boss Harvey Weinstein kam dann auf die Idee, den Film in zwei Teile zu teilen. Tarantino willigte ein, da er nur so viele Szenen drinlassen konnte, die ansonsten dem Schnitt zum Opfer gefallen wären.

Die Amerikanische Jugendschutzbehörde MPAA wollte eigentlich, dass die House of Blue Leaves Szene rausgeschnitten wird. Als Kompromiss einigten sie sich auf Schwarz-Weiß. Im asiatischen Release des Films ist sie weiterhin in Farbe. Der MPAA war auch bereits der Trailer ein Dorn im Auge. Obwohl er keine Gewalt zeigte, sah man die blutverschmierten Klamotten der Braut. Extra dafür führte die MPAA eine „no blood policy“ ein: Kill Bill und alle Filme danach mussten das Color-Grading ihrer Trailer so anpassen, dass Blut entweder braun oder schwarz ist. In der Fernsehversion wurde aus dem „Pussy Waggon“ „Party Waggon“.

2004 erschien die DVD zunächst in einer Taranino-untypisch spartanischen Ausgabe. Tarantino begründete das damit:  „I’ve been holding off because I’ve been working on it for so long that I just wanted a year off from Kill Bill“. 2011 erschien der Cut Kill Bill: The whole bloody affair. Beide Filme in einem und eine längere Anime-Sequenz

Quentin Tarantino besitzt den „Pussy Wagon“. Er fuhr ihn 2004 jeden Tag, um Kill Bill: Vol. 2 zu promoten. Das Auto wurde außerdem sowohl an Missy Elliott für ihr Video „I’m Really Hot“ vermietet, als auch für „Telephone“ von Lady Gaga und Beyoncé Knowles.

Preise und Bestenlisten

Lesenswert

Produktion

Reviews & Analysen

Everything is a Remix über Star Wars und Kill Bill (nach dem Abspann):

Die Frauenrolle in Kill Bill

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The End.

Die 16 besten Podcastfolgen 2016

Es ist wieder soweit. Ein weiteres Jahr ist um und immer, wenn mich jemand fragt: Daniel, woher hast du eigentlich deine brillante Allgemeinbildung und dein fundiertes Hintergrundwissen? Dann antworte ich: Ich habe derzeit 106 Podcast abonniert! Gut, eigentlich fragt mich das nie jemand … Dennoch kann nur ich das tun, was nun folgt. Aus einer langen Tradition heraus präsentiere ich euch die 16 besten Podcastfolgen des Jahres 2016!

And here we go ...

Lasst uns den Reigen beginnen! Das machen wir – wie könnte es im Spätfilm anders sein – mit einem Filmpodcast. Denn einen richtig feinen lieferte letztes Jahr die CineCouch ab:

Platz 16: CineCouch – Folge 170: Blockbusterkino

Der Blockbuster-Sommer hielt einige qualitative Tiefschläge für uns bereit. Allen voran schrieben Batman v. Superman und Suicide Squad dem anspruchsvolleren Publikum ein kollektives „DAFUQ?!?!?“ auf die Netzhaut. Das veranlasste die CineCouch im September sich einmal diesem merkwürdigen Wesen mit Namen „Blockbuster“ zu widmen. Herausgekommen sind über zwei Stunden interessantes, fundiertes und hochunterhaltsames Hörmaterial von vier der fünf Couchsitzer/innen.

Batman ist geknickt.

Platz 15: hr2 Der Tag – Heute schon gehasst? Aggression im Netz

Nach über fünf Jahren hat es doch tatsächlich mal wieder ein öffentlich-rechtlicher Podcast in meinen Catcher geschafft! hr2 Der Tag macht Essay-Sendungen, die sich mal besser, mal schlechter um ein aktuelles Thema drehen. Leider ist Hass im Netz sehr aktuell, doch wie hr2 Der Tag das Thema aufbereitet hat, war wirklich hörenswert! Da zahle ich doch gerne GEZ.

Platz 14: Superhero Unit #07 – Batman (1989)

Die deutsche Filmpodcastlandschaft erhielt dieses Jahr einige Neuzugänge! Einer davon war die Superhero Unit, auch wenn sie mit Arne vom Enough Talk! und Christian von der Second Unit von zwei alten Hasen gemacht wird. Die beiden schauen sich einmal chronologisch durchs Superhelden-Genre. Das ist oft sehr hörenswert. Und ihren bisherigen Höhepunkt lieferten die beiden im Juli mit ihrer Folge zu Tim Burtons Batman ab.

Dacing Robin

Platz 13: Anycast – ANY067 – Der Perspektivlosigkeit ganz nah

Mit Platz 13 ist ein Eintrag ins Podcast-Klassenbuch verbunden: Der Anycast muss wieder mehr Sendungen machen! Denn mir fehlt die gepflegte Laberrunde von Renke, Dennis und Cornelis. Dass sie diese Kunst beherrschen, haben zwei der drei nach den Landtagswahlen im März gezeigt. Ihr erinnert euch sicher an die braunen Ergebnisse und wo andere viel analysierten, da haben Renke und Dennis mal ganz gepflegt abgekotzt (ohne das Analyiseren ganz zu vergessen). Das war für ihre und unsere Psycho-Hygiene sehr gut. Unbedingt mehr davon!

Platz 12 – Übermedien – Zur Lage der Medien (1) – Vom Aufschaukeln und Zweifeln

Ich bin so alt und höre schon so lange Podcasts, dass ich mich an die beiden „Wir Müssen Reden„-Folgen erinnern kann, in denen Stefan Niggemeier und Sascha Lobo zu Gast waren. Und wenn mich nicht alles täuscht, haben beide damals dieses Podcasten eher belächelt. Aber das war ja schon 2012 respektive 2013 – also als Podcasts noch in kleinen finnischen Clubs spielten. Heutzutage casten Niggi und Lobo selbst und gemeinsam. Damit fingen sie im März 2016 an und gleich mit ihrer ersten Folge legten sie ein ordentliches Brett vor. Sie sprechen über Soziale Medien, wie diese Medien sich geändert haben und wie sie die Menschen verändern, die sie benutzen.

Platz 11: Diverse Talk! #014 – Träumen, Fliegen, Aufwachsen – Das Kino des Hayao Miyazaki (Feat. Tamino)

Wenn der Enough Talk! Gäste hat, dann wird er zum Diverse Talk! Und wenn – wie im Juli – Arne mit den anderen 50% der Second Unit, Tamino, redet, dann ergibt das die mit Abstand längste Sendung dieser Charts: 4 Stunden und 40 Minuten ließen sich die beiden Zeit, um verbal durch das filmische Lebenswerk des Anime-Regisseurs Hayao Miyazaki zu schlendern. Aber ich kann euch sagen: Das ist nicht eine Minute zu lang! In diesen 4:40 Stunden werden alle Klassiker von Miyazaki gebührend gefeiert, sei es Nausicaä, Totoro, Chihiro oder wie sie alle heißen. Setzt die Kopfhörer auf und haltet euch gut fest, denn hier wird geflogen!

Totoro fliegt

Honorable Mentions: Über den großen Teich gehört

Wie sich das gehört, schweife ich jetzt erst einmal ab. Denn in diesem Jahr haben es nur deutschsprachige Podcasts in meine Jahrescharts geschafft. Dennoch höre ich auch den einen oder anderen Cast aus Amerika, dem UK und … äh … München.

Da gibt es zum Beispiel dieses unbekannte Indieprojekt Serial. Das ist 2016 in die zweite Staffel gegangen. Die ist zwar nicht ganz so gut wie die erste, aber als kleinen Geheimtipp lass ich euch das mal hier stehen. Wer es hingegen eher etwas trockener, nicht so auf hochglanz produziert mag und der oder die gerne mal nachdenkt, dem oder der empfehle ich History of Philosophy Without Any Gaps – Der Name ist Programm …

Außerdem habe ich angefangen, intensiver This American Life zu hören – Ich weiß, das ist wie Pizza zu empfehlen: Jede weiß schon lange, dass das gut ist. Aber ich mache es trotzdem! Ihr fragt „Seriously?“ Und das zurecht, denn so hieß Folge 599 von TAL. Sie handelte von einigen der übelsten Lügen im US-Wahlkampf – einem der bestimmenden Themen im letzten Jahr. Wir werden darauf zurückkommen …

Weniger Aktuell sind die Themen, die You Must Remember This sich vornimmt – auch wenn es sich diesmal nicht so anfühlt. Bereits 2015 schaffte es Karina Longworth in meine Honorable Mentions und auch 2016 lieferte sie wieder eine verdammt gute Staffel über die Hollywood Blacklist ab: Über das Arbeitsverbot vieler Menschen in Hollywood zu Zeiten der Kommunistenjagd in den USA. Wichtiger Teil dieser Geschichte ist Charlie Chaplin und als YMRT die finale Rede aus der große Diktator wiedergab, da stiegen mir an der Bushaltestelle die Tränen in die Augen.

Zum Heulen ist auch das Thema Gewalt, das zeigt, wie nah Chaplins Worte an unserer Zeit sind und das in einem Doppelpakt auf den Plätzen 10 und 9 beackert wurde …

Platz 10: Soziopod #043: Mein Kick, meine Ehre, meine männliche Gewalt

Der Soziopod hat dieses Jahr einige starke Folgen rausgehauen: Die Folgen über Luhman und Foucault waren schon ganz feine Kost. Aber das Rennen hat dann eine Folge aus dem Januar gemacht, denn in Zeiten, in denen sowohl rechtsradikale als auch islamistische Idioten sich in Gewalt üben, da brauchen wir Menschen, wie Doktor Köbel und Herrn Breitenbach, die uns erklären, warum Männer körperlich gewalttätig werden.

Platz 9: Forschergeist – FG030 Konflikt- und Gewaltforschung

Dass das Thema Gewalt leider nicht verschwand zeigte der Juni, denn hier konstatierte Tim Pritlove, dass das Thema aktuell und wichtig ist. Er sprach mit Andreas Zick vom Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Uni Bielefeld über Konflikte und Gewalt. Es ging um Fußball und Hooligans, Islamisten, rechte Gewalt und Hate Speech. Ganz unaufgeregt und wirklich außergewöhnlich aufschlussreich.

hugging

Platz 8: Explikator – Expl0448: Glyphosat

Erinnert ihr euch noch an Glyphosat? Das war im Mai un Juni ein verdammt heißes Thema … Folgefrage: Wisst ihr noch, wie die EU entschieden hat? Nein? Kleine Erinnerungsstütze: Der europäische Rat konnte keine Mehrheit finden für die Verlängerung der Zulassung des Herbizits. Daher hat die EU-Kommission die Zulassung … natürlich verlängert! Läuft bei der EU. Frage mich, warum die eigentlich so unbeliebt ist.

Aber auf einem anderen Blatt steht, wie gut oder böse Glyphosat denn eigentlich ist? Die einen beteten gegen den Unkrautvernichter an wie der Exorzist gegen die kleine Regan. Die anderen jazzten das Mittel zum Heilsbringer von Frieden und Wohlstand hoch. Den differenziertesten Beitrag zu dieser Debatte lieferte im Mai der Explikator. In ca. 10 Minuten ermöglichte er eine solide Meinungsbildung. Das brachte ihm Platz 8 in diesen Charts ein!

Platz 7: Second Unit #191 (Die Tribute von Panem – The Hunger Games)

Am 27. und 28. Mai ereignete sich unverhofft der @_noujoum-Doppelschlag in meinem Podcatcher. Zusammen mit ihren Co-Hosts lieferte Miriam Seyffarth zwei Sendungen zu zwei komplett unterschiedlichen Themen ab: Eine hörenswerter als die andere! Die eine Sendung war die Besprechung des Films The Hunger Games zusammen mit Christian von dieser Second Unit. Moment … Schon wieder die Second Unit? Die scheinen halbwegs anständige Podcasts zu machen … Die Hunger Games waren bislang ein Film, für den ich nur so latentes Interesse hatte: Mal gesehen, zur Kenntnis genommen, dass er eine starke Actionheldin hat, ansonsten wieder vergessen. Vielleicht zu unrecht. Denn Miriam und Christian schälten spannende Aspekte aus der Geschichte heraus. Das solltet ihr euch unbedingt mal anhören.

Haymitch approves

Platz 6: CRE212 Saudi Arabien

Die zweite Sendung im Mai mit Miriam war Tim Pritloves CRE. Dieser Tim ist auch so ein talentierter Nachwuchspodcaster. Er kann wirklich gute Interviews führen. Ihr solltet ihm vielleicht mal eine Chance geben … Pizza eben. Jedenfalls erzählte Miriam hier von ihren Auslandsaufenthalten in Ägypten und vor allem in Saudi Arabien. Das ist schon allein deshalb ein wichtiges Thema, weil wir in Zeiten leben, in denen ständig Angst vor Arabern geschürt wird. Aber wenn es so gemacht wird wie hier, dann ist das Thema nicht nur wichtig sondern auch überaus spannend aufbereitet. Vielen Dank dafür!

Honorable Mentions: Filmpodcasts

Wie schon im letzten Jahr muss ich mich ein bisschen dafür entschuldigen, dass diese Liste recht Filmpodcast-lastig ist. Ich bin mir sicher, es gibt ein paar gute Strick- oder Autopodcasts da draußen. Vielleicht empfiehlt sie mir jemand ja in den Kommentaren … Derweil schiebe ich euch mal ein paar Filmcasts hinterher. Denn, was qualitativ hochwertige Filmbesprechungen anbelangt, hat der deutschsprachige Podcastraum so einiges zu bieten!

Da gibt es zum Beispiel, die Abspanngucker. René Hoffmann und Alexander Sobolla haben erst 2016 mit dem Sprechen in Mikrofone angefangen, machen das aber so gut, dass sie schon jetzt zu den Casts gehören auf die ich mich freue. Habt ihr Westworld gesehen? Alexander und René liefern einen kritischen Blick auf die Hype-Serie.

Bereits 2015 begannen die Archivtöne ihr Archiv zu bestücken. Jan und Kamil haben eine sehr feine Herangehensweise an das Podcasten über Filme: Sie ziehen Zettel aus einem Hut, auf denen „Challenges“ stehen. Filme zu – teilweise obskuren – Themen, die sie dann besprechen. Zum Beispiel: „Filme mit einem Personalpronomen im Titel“ oder „Filme, in denen die Hauptfigur Vollbart trägt“.

Wenn du so viele Filmpodcasts hörst wie ich, dann kennst du ein lustiges Phänomen. Ich nenne das mal zusammenhangslos „Erschütterung der Macht“. Das ganze Jahr senden die verschiedenen Casts so vor sich hin, doch manchmal (zum Beispiel wenn ein neuer Star Wars erscheint) sprechen fast alle über den gleichen Film. Ein solcher Film war 2016 zum Beispiel Arrival. Ich könnte euch hier 20 – 30 Sendungen dazu verlinken. Aber ich beschränke mich auf eine: Der Longtake lieferte zu diesem Film eine sehr hörenswerte Sendung ab.

Erschütterung der Macht

Ein anderes Thema, das in der deutschsprachigen Filmpodcastlandschaft ein Dauerbrenner ist und das mich mittlerweile zu nerven beginnt, sind die 80er. Es soll ja Podcasts geben, die sich komplett der 80er-Nostalgie verschrieben haben …

the horror

Oh … falsches Jahrzehnt. Anyway! Wenn schon 80er-Nostalgie, dann kommt mir nur ein Podcast auf den Kopfhörer – Ein Pärchen, das mit ansprechend viel Kritikvermögen an die Sache herangeht ohne das Schwärmen zu vergessen: Das Bahnhofskino.  Angemessen unter Beweis gestellt haben sie diese Kunst zum Beispiel in diesem Arnold-Schwarzenegger-Double-Feature.

Okay, gleich habt ihr es geschafft, aber einen Filmpodcast habe ich noch für euch! Denn wenn Patrick vom Bahnhofskino und Christian von der Second Unit (der schon wieder!) zu Gast sind bei Dennis vom Lichtspielcast, um über David Fincher zu reden, dann ergibt das den besten Filmpodcast des Jahres und Platz 5 dieser Charts!

Platz 5: Lichtspielcast Bonusepisode – David Fincher Teil 2

Das ist ein bisschen gecheatet, denn Teil 1 müsst ihr natürlich auch hören, um Finchers Lebenswerk einmal komplett nacherzählt, analysiert und rezensiert zu bekommen. Aber der besagte erste Teil kam noch auf den letzten Drücker 2015 raus. Im zweiten Teil aus dem Januar erwarten euch fundiertes Wissen von Dennis, Christian und Patrick über die Jahre 2007 bis 2014 in Finchers Schaffen mit Filmen wie Zodiac, Social Network oder Gone Girl. Außerdem erwartet euch viel Schwärmerei über einen der besten lebenden Regisseure und etwas Stirnrunzeln über Benjamin Button.

Platz 4: Chaosradio – CR221 Künstliche Intelligenz

Schrieb ich vorhin, dass hr2 Der Tag, die einzige öffentlich-rechtliche Sendung in meinem Podcatcher ist? Nun, das stimmt nicht ganz … Denn zwar steckt ganz viel CCC im Chaosradio, aber eben auch etwas Radio Fritz. Im April stießen die Chaoten (SCNR!) das Tor zur Zukunft ganz weit auf, um uns endlich mal zu erklären, was es mit dieser künstlichen Intelligenz auf sich hat, von der jetzt alle reden. Dank fundiertem Wissen von Tobias, Benthor, Priska und Clemens einerseits und Marcus‘ eiserner Moderation andererseits kam am Ende eine Sendung heraus, die mehr Sience als Fiction war, dieses komplexe Thema angenehm runterkochte und entmystifizierte.

Es ist Zeit, das Treppchen zu betreten …

Platz 3: Erscheinungsraum – ER042 Wie Mazedonier mit Lügen im US-Wahlkampf Geld verdienten

Noch mehr nach Sience Fiction klingt diese Geschichte: Donald Trump wurde zum US-Präsidenten gewählt. Bekloppt, was? Aber da endet die Unglaublichkeit noch nicht. Verkrüzt wird uns oft erzählt, dass Trump wegen Fakenews zum Präsidenten wurde. Diese Fakenews wiederum wurden sich von ein Paar Jugendlichen in Veles, einer kleinen Stadt in Mazedonien ausgedacht. Das ist so unglaublich, das kann selbst nur Fakenews sein! Oder etwa nicht? Was würden wir dafür geben, wenn wir jemanden kennen würde, der oder die verlässlich Auskunft zu dieser Phantasterei geben könnte … Zum Glück kennt Katrin Rönicke den! In Ihrer Reihe Erscheinungsraum Ost sprach sie mit  Krsto Lazarevic über Fakenews, Veles und was da eigentlich dran ist. Herausgekommen ist ein exellentes Stück Journalismus und einer der Gründe, warum ich Podcasts liebe!

Trump Nice!

Und Silber geht an …

Platz 2: Fokus Europa – FE017 Außen- und Sicherheitspolitik

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber wenn ich an Russland und sein Verhältnis zum Westen denke, dann wird mir schon etwas mulmig zumute. Nennt mich einen unverbesserlichen Optimisten, aber bei all seiner Dummheit hoffe ich tatsächlich darauf, dass Donald Trump und sein Buddy Putin etwas Entspannung in die internationalen Beziehungen bringen. Das ist zwar nicht die schönste Lösung, die ich mir vorstellen kann, aber das ist Diplomatie selten. Und ich frage mich, wie lange sich West und Ost noch von Eskalation zu Eskalation hangeln können, bevor wirklich alles in die Luft fliegt.

Eine ganz andere Frage lautet: Wie konnten wir eigentlich in dieses Schlamassel hineingeraten? Als ich jung war, da hieß es immer, der Kalte Krieg ist jetzt vorbei und Russland unser Freund. Wie konnte von dort alles so dermaßen schief laufen? Das wusste im Mai Ulrich Kühn, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg in Fokus Europa zu berichten. Wer macht den Podcast noch gleich? Ach ja, ein gewisser Tim Pritlove. Ich frage mich, wo ich den Namen schon einmal gehört habe …

confused

And the winner is …

Platz 1: Technische Aufklärung – TA041 – Drohnen und der geheime Krieg

Eigentlich wollte ich hier noch eine Abschweifung über Geschichtspodcasts einschieben. Die habe ich 2016 neu für mich entdeckt und könnte euch den einen oder anderen empfehlen. Aber wenn ihr überhaupt bis hier gelesen habt, dann möchte ich euch nicht länger auf die Folter spannen: Die beste Podcastfolge des Jahres 2016 stammt von der Technischen Aufklärung! TA ist gewissermaßen auch ein Geschichtspodcast, denn normalerweise erfüllt der Cast eine zeitgeschichtliche Chronistenpflicht und berichtet aus dem Geheimdienst-Untersuchungsausschuss.

Als der Bundestag im August Sommerpause hatte, trat die Aufklärung mal einen Schritt vom Tagesgeschäft zurück, lud Norbert Schepers ein und sprach mit ihm über den geheimen Drohnenkrieg.

Wisst ihr, ich habe von meiner Oma tatsächlich noch den Spruch gehört: „Man hat es nicht gewusst“. Und wisst ihr was? Ich glaube meiner Oma sogar, dass sie nichts vom Holocaust gewusst hat. Sie war ein herzensguter Mensch. In den Jahren, die wir gemeinsam über diesen Planeten wanderten, hat sie immer stramm sozialdemokratisch gewählt und im Nationalsozialismus war sie eine junge Mutter von drei Kindern. Welche Menschenrechtsverbrechen genau in ihrem Land abliefen, hat sie wahrscheinlich nicht gewusst.

Diesen „Luxus“ haben wir nicht. Sollten unsere Kinder oder Enkel uns mal fragen, warum wir zuließen, dass flüchtende Menschen im Mittelmeer ertrinken oder warum sie unter anderem vor unseren Kampfdrohnen flohen, die ohne völkerrechtliche Legitimation und mit großem (verzeiht das Wort) Kollateralschäden Menschen ermordeten, dann können wir nicht sagen, „wir haben es nicht gewusst“. Denn dafür, dass wir zum Beispiel wissen, wie dieser geheime Krieg abläuft, dafür hat unter anderem die Technische Aufführung in diesem Jahr gesorgt. Deshalb ist TA041 die beste Podcastfolge des Jahres 2016,

sad

Die nächsten Podcast-Folgen-Charts gibt es 2017. Hoffentlich werden sie weniger deprimierend …