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#Horrorctober 2 – The Toolbox Murders

Wir haben einen großen Sprung gemacht: Der nächste Kandidat für eine „Here’s Johnny!“-Szene stammt laut der IMDB aus dem Jahr 1978. Eine Zeit in der der Trope (oder das Zitat?) in Hollywood anscheinend virulent war …

Die Eckdaten zu The Toolbox Murders

Regie: Dennis Donnelly
– Filmographie (Auswahl):
1978 The Toolbox Murders
… davor und danach nur Folgen von Fernsehserien, darunter: The Amazing Spider-Man, Dallas, Charlie’s Angels, Hart aber herzlich, Trio mit vier Fäusten, The A-Team und Simon and Simon.
Besetzung: Cameron Mitchell (Vance Kingsley), Pamelyn Ferdin (Laurie Ballard), Wesley Eure (Kent Kingsley), Nicolas Beauvy (Joey Ballard)
Budget: 185.000 $
Genre: Horror, Slasher, Psycho-Thriller

Die Handlung in fünf Sätzen

Mit Spoilern …
so traurig

Ein Mörder bringt in einem Apartmentkomplex vier Frauen um und entführt eine fünfte. Da die Polizei im Dunkeln tappt, macht sich Joey, der Bruder der Entführten selbst daran, den Fall zu lösen. Mit der Unterstützung Kent Kingsley kommt er dem Entführer auf die Spur: Es war der Gärtner … äh, nein, … der Hausmeister – Kents Onkel! Doch Kent, die alte Ratte, hat ein doppeltes Spiel gepielt und bringt erst Joey und dann seinen Onkel um, um die Entführte für sich zu behalten. Aber die entführte Laurie bringt schließlich auch Kent um die Ecke und in einem Text am Ende erfahren wir, dass alles auf einer wahren Begebenheit beruht und erfahren datenschutzkritische Infos zur echten Laurie.

Filmisches Erzählen

Die erste halbe Stunde von The Toolbox Murders ist die Art von Horrorfilm, die ich sehr schätze: Drehbuch, Regie und Schauspieler/innen unterbieten sich gegenseitig in ihrer Performance, glauben aber zugleich, dass sie ganz große Kunst bieten. So wird Weglaufen anscheinend grundsätzlich überbewertet.

Exemparisch für die Qualität des Films sei nur folgende Szene Wiedergegeben: Ein Opfer in spe macht die Dusche an (natürlich während sie noch vollangezogen davor steht, das machen wir ja schließlich alle immer so), dann merkt sie, dass ihr Handtuch zum Trocknen noch in der Dusche hängt, da muss sie natürlich unter die Dusche treten und das Handtuch holen. Aber – ach – das ist jetzt dumm gelaufen, jetzt ist sie ja ganz nass! Da muss sie sich jetzt natürlich vor laufender Kamera ausziehen. Allerdings hat sie dann komplett vergessen, dass sie eben noch duschen wollte und zieht sich neue Klamotten an. Hä?

Auch schön ist, dass etwa die Polizei später Zeugen direkt neben einer nackten Frauenleiche befragt, während die Spusi da noch ihre Arbeit macht.

seems legit

Nachdem in knapp 30 Minuten vier Frauen sterben mussten und eine entführt wurde, entschieden sich die Drehbuchautor/innen Neva Friedenn, Robert Easter und Ann Kindberg dann leider dazu, jetzt doch mal eine Geschichte zu erzählen, was dann allerdings sehr langweilig wird.  Der Showdown wiederum ist so abgedreht, dass er mich nicht mehr fesseln konnte, wenngleich er noch einmal die Perle enthält, dass Kent Joeys Rücken mit Lösungsmittel bespritzt und Joey schreit: „Ooooh, my eyes!!!“

Die „Here’s Johnny“-Szene

Die fragliche Szene kommt schon nach 6:30 Minuten. Nachdem der Werkzeug-Mörder seinem ersten Opfer mit einem Bohrer schon einmal in den Arm gebohrt hat, entscheidet sich die gute Dame dann doch einmal zur Flucht. Sie zieht sich in einen Raum zurück, der vielleicht ein Bad ist – man kann es nie genau sehen und stellt sich mit dem Rücken zur Tür. Daraufhin bohrt der Mörder durch die Tür – nettes kleines Detail: Die Schauspielerin guckt schon lange bevor der Bohrer auftaucht an die Stelle, wo er gleich auftauchen wird. Jedenfalls scheint sie das so zu schocken, dass da ein Bohrer(!) durch die Holztür(!!) kommt, dass sie ihre Verteidigungsposition aufgibt und sich weiter in den Raum zurückzieht. Offensichtlich hielt sie es auch nicht für nötig, die Tür abzuschließen, denn der Mörder öffnet diese nach dem sinnlosen Bohrloch einfach und schnappt sich langsam wie ein Zombi sein Opfer, das nun der Meinung zu sein scheint, dass weiterer Widerstand zwecklos ist und sich zer- äh … bohren(?) lässt.

Das Fazit

Ist das ein Zitat von Körkarlen und zitiert The Shining später diesen Film? Scheiße, nein! Es ist sogar fraglich, ob es sich überhaupt noch um jenen Trope handelt, den Broken Blossoms in die Filmsprache einführte. Zu guter letzt ist auch noch fraglich, ob man bei The Toolbox Murders überhaupt von Filmsprache sprechen kann! 😉

#Horrorctober 1 – Körkarlen

Und so beginnt er also, der #Horrorctober 2015. Der erste Film, den ich gesehen habe, war Körkarlen oder auch „Fuhrmann des Todes“, natürlich immer auf der Suche nach „Here’s Johnny“.

Eckdaten

Erscheinungsjahr: 1921
Deutscher Titel:
Der Fuhrmann des Todes
Regie: Victor Sjöström
– Filmographie (Auswahl):
1912 Ett hemligt giftermål
1921 Körkarlen
1924 He Who Gets Slapped
1926 The Scarlet Letter
1928 The Divine Woman
1928 The Wind
1937 Under the Red Robe

Besetzung: Victor Sjöström (David Holm), Hilda Borgström (Anna Holm), Tore Svennberg (Der Fuhrmann), Astrid Holm (Edit)
Genre: Horror, Drama, Low-Fantasy

Die Handlung in 5 Sätzen

Mit Spoilern …

Data ist schockiert

Die Heilsarmee-Schwester Edit bittet auf dem Todesbett, noch einmal den Säufer David Holm sehen zu dürfen, der hat da aber keinen Bock drauf. Stattdessen prügelt sich David lieber zu Tode, obwohl er zuvor noch erfahren hat, dass das an Silvester eine ganz schlechte Idee ist, weil man dann ein Jahr lang den Pferdekarren des Todes lenken und alle Toten abholen muss. Als der Fuhrmann dann kommt um seinen Job an David abzutreten, hat der natürlich keinen Bock darauf und diskutiert mit dem Fuhrmann. Daraufhin zeigt der Fuhrmann David noch einmal, was für ein Riesenarsch er im Leben war und führt ihn auch zur sterbenden Edit, an deren Tod David indirekt Schuld ist. Am Ende bereut David sein Leben aufrichtig, sodass er holterdipolter doch in seine jämmerliche Existenz zurückkehren darf, seine Frau vom erweiterten Suizid abhalten kann und NATÜRLICH verspricht er auch, dass er sich ab jetzt voll bessern wird!

Filmisches Erzählen

Nicht nur Charles Dickens dachte sich eines schönen Weihnachtsabends: „Hmmm, irgendwoher kommt mir der Rahmen der Handlung doch bekannt vor …“ Zugegeben, die Details zwischen Körkarlen und A Christmas Carol unterscheiden sich, aber ich sag mal, das eine hat das andere inspiriert.

Der Film selbst ist ganz okayisch: Anfangs hatte ich große Probleme, reinzukommen. Das lag aber vor allem an der Musik, die der Version unterlegt war, die ich sah: Sphärische Klänge, die sich nie änderten, egal, was auf dem Bildschirm zu sehen war. Musik kann man einem Stummfilm nicht vorwerfern, da in den allermeisten Fällen nicht überliefert ist, was damals im Kino zum Film gespielt wurde. Ich habe dann den Ton ausgeschaltet und selbst die Musik ausgewählt: Zum Beispiel „As Time Goes By“, wenn der Todeskarren durchs Land tuckert oder auch „The End“, wenn wir sehen, wie David stirbt.

https://www.youtube.com/watch?v=JSUIQgEVDM4

 

Der Film selbst hat zwar eine schön gruselige Atmosphäre, aber ein paar Plottlöcher und obendrein noch einige Pacing-Schwierigkeiten: Manchmal ist er recht zügig und modern geschnitten, dann sehen wir andererseits wieder gefühlte 20 Minuten ohne Schnitt, wie Heilsarmee-Schwestern irgendein Accessoir in ihrer neuen Mission aufhängen, ohne dass dies noch irgendeine weitere Rolle in der Handlung spielt. Und bevor jemand jammert, der oder die hier nicht so oft reinliest: Ja ich weiß, wie alt der Film ist, aber er erschien im gleichen Jahr, wie zum Beispiel Chaplins The Kid und bereits ein Jahr zuvor erschien Caligari. Beide Filme zeigen, was zu jener Zeit eigentlich schon möglich war in Sachen Storytelling.

Anfangs dachte ich auch bei der Darstellung des Fuhrmanns in Form einer durchscheinenden Doppelbelichtung: Okay, das ist jetzt auch nicht unbedingt State of The Art, Doppelbelichtungen hat Méliès schon in den 1890ern gemacht, aber die Art und Weise, wie Konsequent Regisseur Sjöström diese Darstellung durchgehalten hat um den Unterschied zwischen Leben und Tod zu symbolisieren, hat mich letzten Endes dann doch versöhnt. Genau wie der Film es auch mit fortlaufender Spielzeit schaffte, mich immer weiter reinzuziehen, sodass ich am Ende dann doch recht gefesselt war.

Die „Here’s Johnny“-Szene

Aber ich bin mal wieder aus einem anderen Grund hier, ich suche nach der Szene, in der ein Mörder sich durch eine Tür hackt. Allerdings ist mir zunächst ein anderes Zitat aufgefallen: Nach 5:59 Minuten sehen wir einen Shot, der doch verblüffend an das Ende von Blair Witch Project erinnert. Bislang dachte ich Blair Witch hätte Don’t Look Now zitiert, aber vielleicht beziehen sich beide Filme doch eher auf diesen hier …

Doch nun zur von mir gesuchten Szene. Diese beginnt bei 1:27:00 Stunden. Interessant ist zunächst einmal, dass auch hier wieder Alkoholismus das Motiv für die Tat ist. Das hatte ich bei Broken Blossoms noch als vollkommen unwichtig abgetan, aber nach einigem Nachdenken bin ich mir nicht mehr so sicher. Denn trotz aller Änderungen zur Buchvorlage, lässt sich der Film The Shining doch noch immer als Alkoholismus-Metapher interpretieren. Von daher sehe ich die Relevanz des Alkoholismus-Themas mittlerweile in einem anderen Licht.

Wie in The Shining sind hier der Axt-Mann und die Frau ein Ehepaar. Es wird ferner im Vorfeld der Szene das Thema Kindesmisshandlung genau wie in The Shining angedeutet. Allerdings kommt dann ein großer Unterschied. In Körkarlen schließt die Frau den Mann in der Küche ein, um sich vor ihm zu schützen. Dort holt er dann die Axt unter der Spüle hervor (wo auch sonst hebt man eine Axt auf), womit wir aber wieder eine gewisse Parallele zum Messer von Wendy haben, das sie ja vom Waschbeckenrand nimmt. Dann beginnt David zunächst auf die Türklinke einzuschlagen, nachdem das aber keinen Erfolg hat, schlägt er auf die Türmitte ein. Die Kameraeinstellung, in der wir das sehen, ist in der Tat sehr ähnlich zu jener in The Shining. Zwar ist sie nicht ganz so nah am Geschehen, aber es wurde auch von rechts gefilmt und ebenso wird immer wieder auf die Frontalansicht der Tür geschnitten, in der sich der Spalt auftut.

Zwar gibt es keinen „Here’s Johnny“-Moment, in dem David den Kopf durch den Spalt steckt, aber immerhin greift er genau wie Jack durch den Spalt zu Türklinke. Allerdings ist hier das Unterfangen erfolglos, weswegen David wieder auf die Klinke einschlägt, bis sich die Tür öffnet, womit die ganze Aktion komplett überflüssig war.^^

Der nächste Unterschied zu The Shining, besteht darin, dass sich die Ehefrau nicht wehrt, sondern ohnmächtig wird – gut das könnte wieder ein bewusster Kommentar von Kubrick auf ein sich verändertes Frauenbild sein. Allerdings ist auch wichtig, dass David zwar ein brutales Arschloch ist, aber nicht die Absicht hat, seine Frau und seine Kinder umzubringen.

Fazit

Fraglos wird in The Shining der gleiche Trope verwendet wie in Körkarlen, aber ist es auch ein direktes Zitat? Hmmm… Ich glaube schon, dass diese Szene Kubrick bekannt war und dass er sie auch referenziert, aber ein astreines Zitat ist das auch nicht, dafür gibt es zu viele Unterschiede. Die Ähnlichkeit beruht vor allem auf drei Shots, die große Parallelen haben, aber andere ikonische Bilder fehlen wieder.

Die spannende Frage im Anschluss an Körkarlen ist: Wie viele Gemeinsamkeiten brauchen zwei Filme, damit man zweifelsfrei sagen kann, dass der eine den anderen zitiert. Mal sehen, was die anderen Filme mir noch so zu bieten haben …