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#Horrorctober – Prolog: Broken Blossoms

Die Tage werden kürzer, der Oktober, pardon, der #Horrorctober naht … Wie angekündigt möchte ich mich im Horrorctober mit der „Here’s Johnny“-Szene aus The Shining auseinandersetzen und diese Szene in anderen Filmen in anderen Formen suchen. Im letzten Blockpost hatte ich bereits die Szene selbst unter die Lupe genommen und darüber spekuliert, was sie ausmacht. Heute will ich mich dem ersten Film widmen, der laut der IMDB eine Mörder-bricht-mit-Axt-durch-Tür-Szene hat: Broken Blossoms. Da es sich noch nicht um einen Horrorfilm, sondern um eine Tragödie handelt, geschieht dies bereits im September.

Die Eckdaten

Erscheinungsjahr: 1919
Regie: D. W. Griffith
– Filmographie (Auswahl aus insgesamt 520(!!!) Filmen):
1909 A Trap for Santa Claus
1915 The Birth of a Nation
1916 Intolerance
1919 Broken Blossoms
1921 Orphans of the Storm
Besetzung: Lillian Gish (Lucy), Richard Barthelmess (The Yellow Man), Donald Crisp (Battling Burrows)
Budget: 88.000 $
Genre: Tragödie, Liebesfilm

Der Film stammt von D.W. Griffith, dessen widerliche Ode an den Rassismus The Birth of a Nation ich hier ja auch schon besprochen habe. Broken Blossoms gehört wie Intolerance zu den „Ich mach’s wieder gut“-Filmen von Griffith. So stellt Griffith hier die Europäer barbarisch dar und die Asiaten ihnen moralisch überlegen. Aber, ach, wie singen Kettcar so schön? „Das Gegenteil von gut ist gut gemeint“. So lässt Griffith, wie er es schon in The Birth of a Nation mit Schwarzen gemacht hat, auch hier wieder geschminkte Europäer Asiaten spielen. Gut, das könnte man noch damit entschuldigen, dass er es in den 1910er Jahren noch nicht besser wusste. Aber dass er glaubt, dass sich Chinesen SELBST „Yellow Men“ (oh man!) nennen, ist nur noch Ignoranz …

Die Handlung in 5 Sätzen

Mit Spoilern …

Der „Yellow Man“ (oh man!) geht nach London, um die barbarischen Europäer zum Buddhismus zu bekehren, muss sich dann aber als Händler durchschlagen. Derweil wird die süße kleine Lucy immer wieder von ihrem brutalen Vater Battling Burrows misshandelt. Der „Yellow Man“ (oh man!!) verliebt sich in Lucy ist aber zu „unschuldig“, um irgendeinen Move zu wagen. Als Papa Lucy einmal krankenhausreif schlägt, flieht sie zum „Yellow Man“ (oh man!!!), der sie gesund pflegt. Battling Burrows bekommt davon Wind, will seine Ehre wieder herstellen, indem er Lucy totschlägt (natürlich, wie auch sonst?!) und der „Yellow Man“ (oh man!!!!) bringt erst Battling Burrows um und nimmt sich dann selbst rituell das Leben.

Filmisches Erzählen

Der Film ist solide inszeniert, dabei geht ihm aber die inszenatorische Brillianz von The Birth of a Nation ab. Über weite Teile ist er geradezu unerträglich sentimental. Insbesondere von Griffiths Lieblingsschauspielerin Lillian Gish gibt es ungezählte Einstellungen, in denen sie tragisch in die Kamera blicken darf. Allerdings sind die Prügelszenen für die Zeit ungewöhnlich brutal und der Film nimmt in der letzten halben Stunde gut an Fahrt auf. Besonders erwähnenswert ist auf jeden Fall die Inszenierung eines Boxkampfes, die mit Sicherheit die Blaupause dafür geliefert hat, wie noch heute Boxen gefilmt wird. Griffith lässt hier zügig zwischen Totalen, Halbtotalen, Reaction-Shots des Publikums und Detailshots, wie etwa der Ringglocke hin- und herschneiden, das ist schon stark gemacht!

Die Axtmörder-Szene

Aber hier geht es ja eigentlich um eine andere Szene: Nach 1:17 Stunden bricht der Papa mit der Axt durch die Tür. Zitiert Kubrick diese Szene? Ich glaube nicht, denn im Akt des Durchbruchs enden schon fast die Gemeinsamkeiten. In Broken Blossoms ist zwar auch eine Frau die Gejagte und ein Mann jagt sie, aber es handelt sich um Tochter und Vater. Der Vater ist auch nicht direkt verrückt, sondern ein brutaler Alkoholiker. Lucy versteckt sich auf nicht in einem Bad sondern in einem begehbaren Schrank, ferner wehrt sie sich nicht, sondern ergibt sich komplett ihrer Panik um kurz darauf zu sterben. Allerdings schneidet Griffith wie Kubrick immer zwischen beiden Seiten der Tür hin und her. Ferner schlägt Battling Burrows das Loch genau wie Jack Torrance in der Mitte der Tür, aber statt das Loch zu nutzen, um die Tür zu öffnen, zieht er Lucy einfach durch das Loch aus dem Schrank heraus. Der größte Unterschied ist schließlich, dass die Szene unterbrochen wird, um im Crosscut den heraneilenden „Yellow Man“ (oh man!!!!!) zu zeigen.

Das Fazit

Broken Blossoms wird zwar nicht direkt von The Shining zitiert, hat aber den Trope gesetzt. Erstmals bricht ein Mörder auf der Leinwand mit einer Axt durch eine Tür. Die Inszenierung des Mädchens, das in der Falle sitzt, während ihr Schicksal unausweichlich naht, war so intensiv, dass es für viele Filmemacher in der Zukunft verlockend war, ihre Version der Mörder-bricht-mit-Axt-durch-Tür-Szene zu drehen.

1919 – Harakiri

Der erste Weltkrieg ist vorbei, es wird Zeit, dass Fritz Lang die Bühne betritt und mit ihm die goldene Generation des deutschen Films. Ein Faktor führten vor allem zum Aufschwung des deutschen Kinos: Wir haben ja alle in der Schule gelernt, wie übel der Vertrag von Versailles der deutschen Wirtschaft mitspielte. Außer der Filmwirtschaft! Denn durch die Abwertung der Mark waren deutsche Filme günstig und dadurch beliebt auf dem internationalen Markt, zugleich spülte das harte Devisen in die Kassen der Studios, mit denen sie immer neue Projekte realisieren konnten.

Harakiri wurde von Lang zwischen den beiden Teilen seines Zweiteilers Die Spinnen quasi an Ort und Stelle gedreht: In Hagenbecks Tierpark und mit einem Großteil der Crew aus Die Spinnen. Die weibliche Hauptrolle spielt Lil Dagover, genau wie nur ein Jahr später im berühmten Cabinet des Doctor Caligari.

Der Film ist eine Adaption von Madame Butterfly, ich kenne die Vorlage nicht, kann daher nicht sagen, wie nah der Film an der Vorlage ist. Der Film galt wie Langs Debut als verschollen, bis in den 1980ern eine Kopie in Amsterdam entdeckt wurde, daher ist die im Netz verfügbare Version auch mit holländischen Texttafeln ausgestattet. Archive.org bietet dazu noch englische Untertitel. Allerdings muss ich warnen: Die Qualität des Films ist unerträglich, stellenweise erkennt man nicht das geringste und ich habe mir vorab die Zusammenfassung der Wikipedia durchgelesen, um überhaupt etwas zu verstehen.

Was bleibt mir zum Film zu sagen? Ich musste stellenweise mit em Schlaf kämpfen, wofür natürlich die schlechte Bildqualität verantwortlich war, aber darüber hinaus lässt sich mehr erahnen als sehen, dass der Film auch nicht so superspannend ist. Lang lässt zwar sein Talent aufblitzen und manche Szenen sind gut gefilmt, so eine der ersten im Schrein, die viele Einstellungswechsel beinhaltet oder die Szene, in der Olaf in Europa sitzt und an O-Take-San denkt, die dann in diese Szene geschnitten wird, wie sie sehnsüchtig aufs Meer blickt. Bei anderen Shots, etwa den mit Lampions geschmückten Booten, kann man ahnen, dass sie wohl schön arrangiert waren, als man sie noch erkennen konnte. Doch die Mehrzahl der Einstellungen ist langweilig-konventionell gefilmt: Wir sehen viele Dialoge in jeweils einer Totalen, die nur von Texttafeln unterbrochen wird. Außerdem bewegen sich die Menschen meist wie in Zeitlupe, ich glaube, damit sollte der deutsche Cast japanischer wirken. Erwähnswert ist noch die Kreisblende, die wir nach The Birth of a Nation nun auch hier wieder zu sehen bekommen – Star Wars lässt grüßen.

Eines noch, so viel Spoiler müsst ihr mir gestatten: Olaf ist ein Riesenarsch!