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SF70 – Rebecca

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Paula
Schwarzer Pudel
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Daniel
Zweite Mrs. de Hesse


Back to the strange days of my life

In dieser Folge kämpft der Spätfilm gegen eine Ente so groß wie ein Pferd. Wir blicken zurück auf Manderley und sehen trashige griechische Götter, in der Definition von Gothic finden wir das „O“ von David O. Selznick und nach einer kurzen Pause auch ganz viel Orson Welles im Hollywood-Debüt von Hitchcock. Wir hoffen, eine Lesbe unter dem Hay’s Code traumatisiert euch nicht und ihr seid nicht „shocked and disappointed beyond words“, wenn wir über die Bedeutung von schwarzen Pudeln abschweifen und in diesem twisted Aschenputtel eine perfekte Treppenszene entdecken. Gehen wir in Medias Res!

Vorgeplänkel und Abschweifungen

Das Fenster zum Hof führt tatsächlich unsere Charts an ♦ Die Enough-Talk-Folge zu The Thing  ♦ Die Her-Folge in der Second Unit ♦ Die Her-Folge im Enough Talk! ♦ No Such Thing As A Fish über Roger Rabbit ♦ Harmontown über Pferde und Enten ♦ Metzlers Literaturlexikon* ♦ Das Blog von Frau Novemberregen

Die Eckdaten von Rebecca

Erscheinungsjahr: 1940
Regie: Alfred Hitchcock
Produzent: David O. Selznick
– Filmographie (Auswahl):
1933 King Kong
1939 Gone with the Wind
1940 Rebecca
1945 Spellbound
1947 The Paradine Case
1949 The Third Man
Budget: 1,3 Mio $
Besetzung: Joan Fontaine (Die zweite Mrs. de Winter), Laurence Olivier (Maximilian de Winter), Judith Anderson (Mrs. Danvers), George Sanders (Jack Favell)
Genre: Thriller, Drama, Mystery, Haunted House, Haunting Gothic Romance

Die Produktion von Rebecca

Hitch und Selznick

Rebecca ist die Geschichte zweier großer Egos, die aufeinanderprallten: Alfred Hitchcock und David O. Selznick. Diese beiden Titanen des Filmgeschäfts rangen vom ersten Moment miteinander, wessen Film Rebecca ist. Ist es ein weiterer Geniestreich des jungen Talents aus England oder der nächste große Wurf vom berühmten Hollywoodproduzent von Gone with the Wind. Es war ein Ringkampf, der erst am Abend der Oscarverleihung entschieden werden sollte. Denn aus diesem Machtkampf entstand entgegen aller Wahrscheinlichkeit ein großer Film. Rebecca war für 11 Oscars nominiert. Darunter der Oscar für die beste Regie (den Hitch bekommen sollte) und den für den besten Film (der an Selznick gehen würde). Lehnt euch zurück liebe Zuhörer und Zuhörerinnen und seit gespannt, wenn wir euch in den nächsten Stunden erzählen, wer diesen Machtkampf am Ende gewann.

Es begann alles mit The Man Who Knew To Much: Hitch hatte ab Mitte der 1930er Jahren in England eine Reihe von Welthits gedreht. Der erste war eben The Man Who Knew To Much 1934. Dies machte Hollywood auf das junge Talent aufmerksam und Hitch bekam Angebote von einigen Studios (Quelle: Truffaut*). Hitch entschied sich für Selznick, da dieser ein unabhängiger Produzent war. Er hatte sein eigenes Studio und arbeitete nicht für eines der großen Studios wie MGM oder Paramount. Hitchcock glaubte, dass dieser unabhängige Produzent auch seinem Regisseur mehr Freiheiten zugestehen würde als das strenge Studiosystem. Er hat sich sehr stark geirrt.

Selznick war es gewohnt, seine Produktionen bis ins kleinste Detail zu überwachen und zu kontrollieren. Für ihn waren Regisseure nur Handlanger, die das machen sollten, was Selznick befahl. Kein Wunder dass dieser Dickkopf mit Hitchcocks dickem Schädel zusammenprallte. Dabei hatte Hitch noch Glück, dadurch, dass Selznick noch in der Postproduktion seines Opus Magnum Gone with the Wind steckte, konnte er nicht an Hitchs Set sein und das ließ Hitch verhältnismäßig viel Freiheit. Allerdings schickte Selznick Hitch unzählige Memos was er wie machen sollte. Später sagte Hitch mal in einem Interview, er plane eines dieser Memos zu verfilmen mit dem Titel „The Longest Story Ever Told“.

Hitch hasste Selznick so sehr, dass er ihm in späteren Filmen immer wieder Tritte verpasste. Über den Mörder in Rear Window sprachen wir schon. Aber auch in North by Northwest gibt es so einen Nachtritt. Das „O“ in David O. Selznick war frei erfunden, quasi ein Künstlername, und hatte keine Bedeutung. In North by Northwest heißt Cary Grants Charakter Roger O. Thornhill. An einer Stelle des Films wird er gefragt, wofür das O steht und antwortet „Nothing!“

Das Drehbuch von Rebecca

Rebecca basiert auf einem Roman von Daphne du Maurier. Das Buch war eine weltweiter Bestseller gewesen und eines von Insgesamt drei du-Maurier-Romanen, die Hitch verfilmt hat: Die anderen waren The Birds und Hitchs letzter brittischer Film Jamaica Inn. Hitch hatte sich schon früher um die Rechte an Rebecca bemüht. Die Summe, die du Maurier dafür aufrief, hatte er aber nicht zahlen können. Da er nun gerade deshalb nach Hollywood gewechselt war, um mit Budgets arbeiten zu können, die die englischen Studios ihm nicht bieten konnten, war es für Hitch ein guter Testballon, Selznick darum zu bitten, Rebecca verfilmen zu können. Selznick willigte ein.

A pro pos Testballon: Den ließ Selznick auch aufsteigen. Um zu testen, ob der Roman sich in ein Drehbuch umsetzen ließ, beauftragte Selznick einen jungen Radioregisseur, ein Hörspiel aus dem Stoff zu produzieren. Das Talent vom Radio hatte zudem mit seinem Hörspiel „The War of the Worlds“ gerade einen großen Hit gelandet und Selznick hoffte auf entsprechende Mitnahmeeffekte für Rebecca. Die Rede ist natürlich von Orson Welles. Als Resultat des Hörspiels trug Selznick Hitchcock übrigens auf, die Titelheldin wie im Roman namenlos zu lassen. Hitch hatte geplant, sie nach der Autorin Daphne zu nennen.

Auch der Rest von Hitchs Drehbuch gefiel Selznick nicht. Wie gewohnt hatte Hitch zusammen mit seinen Drehbuchautorinnen Michael Hogan und Joan Harrison sich viele Freiheiten vom Original genommen und vor allem viel Humor in die Story hineingeschrieben. Das brachte ihm ein Memo von Selznick ein, in dem der Produzent schrieb, er sei „shocked and disappointed beyond words … We bought Rebecca and we intend to make Rebecca.“ Bei einem anderen Aspekt war Selznick viel eher zu Änderungen bereit: Er überlegte lange, den Titel „Rebecca“ nicht zu verwenden, da er ihm zu jüdisch klang.

Hörempfehlung: You Must Remember This zur Hollywood-Blacklist

Der Name wurde letztlich beibehalten, im Gegensatz zum Ende des Romans, in dem offenbart wird, dass Maximilian de Winter Rebecca erschossen hat. Das widersprach dem Hays Code, dem zufolge – wir hatten das Thema schon öfter – Verbrecher nicht ungestraft davonkommen dürfen. Entsprechend wurde es abgeändert.

Die Dreharbeiten von Rebecca

Die Spannungen zwischen Hitch und Selznick nahmen auch während der Dreharbeiten nicht ab. Da Selznick noch immer mit Gone With The Wind beschäftigt war, beauftragte er den Regieassistenten Eric Stacey und das Script-Girl Lydia Schiller ihm jeden Tag alles zu berichten, was Hitchcock macht. Als Hitch das rausbekam, hat er die beiden wohl ziemlich gemobbt. Zum Beispiel erzählte er gerne in Meetings, in denen Schiller anwesend war, so lange obszöne Anekdoten, bis die Script-Supervisorin fassungslos den Raum verließ.

Hitch wiederum war es gewohnt, seine Filme „in der Kamera zu scheiden“. Er hatte eine Szene vor Drehbeginn schon genau im Kopf und drehte dann nur das Material, dass er brauchte. Das wiederum ärgerte Selznick ganz gewaltig. Denn er war es gewohnt, von den Regisseuren viele verschiedene Varianten einer Szene gefilmt zu bekommen und dann selbst im Schneideraum zu entscheiden, was er davon verwendete.

Das hielt Selznick nicht davon ab, Hitch in seinen Job reinzureden. Später wurde Hitchcock nicht müde, die Anekdote zu erzählen, wonach Selznick wollte, dass am Ende über dem brennenden Manderley der Rauch ein großes „R“ formt. Hitch fand dies viel zu dick aufgetragen und entschied sich dann dafür, den Film mit der brennenden Bettwäsche enden zu lassen, auf der „R“ eingestickt ist. Allerdings dürfen wir nicht unerwähnt lassen, dass Selznick die Geschichte mit dem Rauch-„R“ immer abgestritten hat.

Selznick war so unzufrieden, mit der Art und weise, wie Hitchcock den Film inszenierte, dass er zwischenzeitlich überlegte, die Produktion abzubrechen. Er war so verunsichert, dass er sein Frau Irene bat, sich das bereits gedrehte Material anzusehen, um ihm einen Rat zu geben, ob es sich überhaupt lohnte, weiterzumachen. Irene Mayer Selznick sah sich die gedrehten Szenen an und versicherte Selznick, dass sie exzellent waren.

Die Spannungen zwischen Hitch und Selznick waren auch nicht die einzigen Verwerfungen am Set. Laurence Olivier hatte sich stark dafür eingesetzt, dass seine Frischverlobte Vivien Leigh die Rolle der zweiten Mrs. de Winter spielt. Selznick und Hitch entschieden sich aber dagegen, da Leigh nicht zum grauen Maus-Image passte. Nach einem langen Casting, in dem Selznick werbewirksam so ziemlich jede zweite Hollywoodschauspielerin antreten ließ, entschieden sich er und Hitch für Joan Fontaine. Aus Rache, behandelte Olivier Fontaine während des Drehs wie den letzten Dreck. Hitch, der alte Fiesling, beschloss das auszunutzen und erzähle Fontaine, dass alle im Team sie hassen würden. Er machte dies, damit sie besonders niedergeschlagen und verunsichert wurde und so besonders gut die Rolle der zweiten Mrs. de Winter spielen konnte. Fontaine berichtete später auch, dass Olivier eine unangenehme Angewohnheit hatte: Wenn er einen Take versaute, pflegte der zu fluchen. Fontaine sagte, dass sie dabei Worte hörte, die sie bislang nur an Klowänden gesehen hatte.

Die komplette Second Unit und Joan Fontaine mussten drei Tage im Krankenhaus verbringen, weil sie sich beim Filmen der Szene, in der die zweite Mrs de Winter nach Manderley anreist mit Giftefeu vergiftet hatten. Vor einer Szene, in der sie weinen sollte, bat Joan Fontaine Judith Anderson (Mrs. Danvers), sie zu orfeigen, damit ihr das Weinen leichter fiel. Anderson wollte das aber nicht, woraufhin Hitch zur Tat schritt und Fontaine eine scheuerte.

Die Dreharbeiten waren ursprünglich für eine Dauer von 36 Tagen angesetzt. Insgesamt dauerte der Dreh dann aber 63 Tage, unter anderem, weil Joan Fontaine die Grippe bekam und weil die Gewerkschaft der Bühnenarbeiter streikte. Nachdem Hitch dann die Dreharbeiten offiziell beendet hatte. Übernahm Selznick die Regie, und ließ einige Szenen noch einmal neu drehen, die ihm nicht gefielen, insbesondere das Finale mit dem brennenden Manderley.

Kameraarbeit & Special Effects in Rebecca

Hitch und sein Kameramann George Barnes verwendeten „deep focus photography“ in Rebecca: Dabei wird mit sehr kleiner Blende bei stark ausgeleuchteten Set gefilmt, um den Effekt zu erzielen, dass sowohl Sachen im Vordergrund als auch im Hintergrund scharf zu sehen sind. Ein Jahr später machte Citizen Kane die „deep focus photography“ sehr populär.

Dem Team gelang es nicht, ein Haus zu finden, das Selznick als Manderley gefiel. Daher entschlossen sie sich eine Miniatur zu bauen. In einem zweiten Studio wurde noch ein Modell von der Ruine von Manderley gebaut, nur für die Eröffnungsszene. Viele innenarchitekturelle Details von Manderley waren „Matte Paintings“: Dabei werden meist auf Glasscheiben Details des Bildes aufgemalt. Die Scheibe wird dann zwischen der Kameralinse und dem Set platziert. Matte Paintings wurden teilweise auch beim Feuer am Ende verwendet. Außerdem recycelte Selznick hier Bilder von Flammen, die er schon für die „Burning of Atlanta“-Szene in Gone With the Wind verwendet hatte.

Filmisches Erzählen in Rebecca

Die erste Szene

In der ersten Szene sehen wir eine Kamerafahrt durch die Gitter eines Tores, einen gewundenen Pfad hinauf bis zu den Ruinen des Anwesens Manderley. Begleitet wird die Kamerafahrt durch den Voice Over der namenlosen Protagonistin, die klarmacht, dass es sich um einen Traum handelt und dass sie nie wieder nach Manderley zurückkehren kann. Im Traum erscheint es ihr, als gingen in den Fenstern der Ruine die Lichter an. Direkt im Anschluss gibt es einen harten Schnitt auf Maxim, der auf einer Klippe steht und sich ins Meer stürzen will.

Interessant ist an dieser Eröffnung, dass der Voice Over aus ihr eine subjektive Kamera macht – ein kreativer Einsatz vom sonst oft langweiligen Stilmittel des Voice Overs. Dann ist die Eröffnung interessant, weil Hitch hier sein altes Motto anwendet, uns Informationen zu geben, um dadurch die Spannung zu erhöhen: Wir sehen das Manderley zerstört ist, wir erfahren, dass die zweite Mrs. de Winter nie wieder zurückkehren kann und dass mit dem Haus die „strange days of my life“ verbunden waren. Der dritte spannende Aspekt ist, dass durch die sich einschaltenden Lichter das Leitmotiv des Spuks gesetzt wird. Außerdem wird klargemacht, dass Manderley selbst ein Protagonist dieses Films ist. Es folgt der harte Schnitt auf den suizidalen Maxim, der klarmacht, dass auch Maxims Verhältnis zu Manderley problematisch ist.

Die Charaktere in Rebecca

Maxim

Maxim ist depressiv, er leidet unter Rebeccas Tod. Gleich in der ersten Begegnung mit der namenlosen Protagonistin zeigt sich ihre weitere Beziehung. Sie hält ihn vom Suizid ab und er beschimpft sie dafür. Im weiteren Verlauf wird er weiter autoritär in dieser Beziehung auftreten, sie hingegen unterwürfig.

Ein wichtiges Thema in Rebecca ist die Verarbeitung von Traumata. Maxims vermeintlicher Todschlag an Rebecca ist das größte Trauma des Films. Anscheinend ist für Traumata wesentlich, dass das traumatische Erlebnis immer wieder durchlebt wird. Dieses Wiederdurchleben zieht sich durch den Film und beginnt damit, dass Maxim die zweite Mrs. de Winter an dem Ort kennenlernt, an dem er mit Rebecca seine Flitterwochen verbrachte.

In diesem Zusammenhang ist auch eine freudianische Interpretation ganz interessant:

„Some scholars insist that „Rebecca“is one of the few Hollywood films to actively explore Freud’s Electra Complex. (The heroine, who is appropriately unnamed, finds love with the very paternal Maxim. As she steadily moves toward independence she faces harsh censure and possible destruction by an array of mother figures.)“

The Picture Show Man

These: Das wichtigste Thema für Hitchcock sind nicht die Thriller oder Kriminalfälle. Stattdessen mach Hitch immer Filme über die Beziehung zwischen Männern und Frauen. Und er zeigt in seinen Filmen stets ein sehr pessimistisches Bild, vertritt die Position, dass diese Beziehung zum Scheitern verurteilt ist.

Die Variante der problematischen Beziehung, die in Rebecca erzählt wird, ist die missbräuchliche Beziehung (abusive relationship). Maxim ist autoritär, unterdrückt die Namenlose. Durch ihre Namenlosigkeit wird diese Unterdrückung noch hervorgehoben (neben der Tatsache, dass sie immer im Schatten von Rebecca steht). Um über den Tod von Rebecca und seine Schuldgefühle hinwegzukommen, holt sich Maxim ein Mäuschen, das er glaubt, kontrollieren zu können. Daniel vertritt die These, dass Rebecca ein feministischer Film ist, da Hitch die starke patriarchale Rolle von Maxim in der Beziehung kritisiert. Paula gibt zu bedenken, dass die beiden starken Frauen im Film (Rebecca und Mrs. Danvers) die Villains sind.

Interessant ist, dass sich das Rollenverhältnis nach dem Twist wandelt. Dann ist Maxim schwach, aber die zweite Mrs. de Winter nutzt das nicht aus, sondern unterstützt ihn.

Mrs. Danvers

Mrs Danvers ist die Verbündete der toten Rebecca. Sie hasst die zweite Mrs. de Winter und will sie am Ende sogar in den Tod treiben, weil sie das Vermächtnis von Rebecca gefährdet sieht. Spannend ist vor allem eine Szene, die heute exemplarisch ist für „Queer Hollywood“: Die Darstellung von Homosexualität unter dem Hays Code. Anscheinend wurde Homosexualität auch schon im Roman zumindest angedeutet, zumindest sprach das Hays Office Selznick eine explizite Warnung aus:

„Joseph Breen, head of the Production Code, sent a strongly worded message to David O. Selznick explicitly forbidding any suggestion of  a relationship between Mrs. Danvers and Rebecca. Berenstein quotes directly from one of these letters in her article: “If any hint of this creeps into this scene, we will of course not be able to approve the picture.” Yet all of these things made it in to the final cut, regardless.“

Vivien Leigh & Laurence Olivier

Dennoch strich Hitch die Szene nicht komplett. Er inszenierte sie so: Die zweite Mrs. de Winter hat das alte Zimmer von Rebecca entdeckt und wird dabei von Mrs. Danvers überrascht. Die Haushälterin hält daraufhin einen Monolog, dass Rebecca viel cooler war und die namenlose Protagonistin nie in ihre Fußstapfen wird treten können. Im Rahmen dieses Monologs zeigt sie der zweiten Mrs. de Winter das Negligé von Rebecca und zeigt mit der durchscheinenden Hand, wie transparent es ist. Dies ist ein erotisches Symbol, das zumindest darauf hindeutet, das Mrs. Danvers in Rebecca verliebt war, möglicherweise hatten sie sogar eine Affäre. Für die Sehgewohnheiten unter dem Hays Code reichte diese kurze Szene aus, Homosexualität zu verdeutlichen und war zugleich das Äußerste, was Hitchcock wagen konnte, ohne zensiert zu werden.

Uns fiel auf, dass Mrs. Danvers optisch wie in der Inszenierung große Ähnlichkeit hat mit Severus Snape aus Harry Potter. Abgesehen von Haaren und Kleidung wird sie oft von unten angeleuchtet gezeigt. Außerdem hatte Judith Anderson die Regieanweisung bekommen, möglichst wenig zu blinzeln und (unterstützt durch ihr langes Kleid) sieht man sie kaum laufen. Sie taucht plötzlich auf und wenn sie sich bewegt, das schwebt sie fast.

Rebecca

Obwohl Rebecca nie zu sehen ist, ist sie eine eigene Protagonistin im Film. Rebecca wird immer als unbeschreiblich schön … äh … beschrieben. Damit ist sie der Kontrast der unscheinbaren zweiten Mrs. de Winter. Während die namenlose Protagonistin aschblondes, glattes Haar hat, erfahren wir, dass Rebecca schwarze Locken hatte.

In der Dialogszene, in der wir von Maxim erfahren, wie Rebecca starb, ist die tote fast anwesend. Dieses Paradox wird durch eine fantastische Kameraführung realisiert, indem die Kamera den unsichtbaren Bewegungen Rebeccas folgt und sie dadurch wieder zum Leben erweckt.

Eine weitere Repräsentation von Rebecca im Film ist ihr kleiner, schwarzer Cocker Spaniel Jasper. Der Hund ist im Haus immer an Orten anwesend, die der namenlosen Protagonistin explizit als mit Rebecca verbunden präsentiert werden. Er führt die zweite Mrs. de Winter sogar in die Hütte am Meer, in der Rebecca starb.

Die zweite Mrs. de Winter

„The reason Rebecca still grips lies in the fact that we can all see ourselves in Fontaine’s role: everyone plunged into a new and unfamiliar milieu has felt her uncertainty and fear that they are the wrong person, in the wrong place.“

The Guardian

Die namenlose Protagonistin freundet sich letztlich mit Jasper an, was auch gut ihren Charakterbogen symbolisiert: Sie lässt sich nicht abschütteln. Von der grauen Maus wächst sie nach und nach trotz aller Widrigkeiten in die Rolle der Hausherrin hinein.

Rebecca ist eine twisted Aschenputtelgeschichte. Die namenlose Protagonistin ist das Aschenputtel, das vom Prinzen aufs Schloss mitgenommen wird. Doch was folgt ist kein Märchen, das Schloss Manderley ist ein sehr abweisender Ort. Das Anwesen ist fast schon ein eigener Protagonist: Alles ist riesig, sodass die Protagonistin stets verloren wirkt. Die Türen sind viel zu groß, sodass die Türklinken auf Gesichtshöhe sind und der Kamin ist so riesig, dass er droht die zweite Mrs. de Winter zu verschlucken, als sie davor steht. In einer Szene sitzt die Namenlose allein an einem Tisch und isst, während die Kamera nach hinten den Tisch entlangfährt, sodass die Einsamkeit mit dem Holzhammer sichtbar wird.

Das Aschenputtel hat in diesem Film sogar eine Treppenszene. Die Namenlose kommt im Kostüm auf den Ball, doch statt wie im Märchen bewundert zu werden, sind alle entsetzt, weil sie sich genauso gekleidet hat, wie es Rebecca stets tat. Sie flüchtet dann vom Ball und verliert zwar nicht den Schuh aber ihren Hut.

Who wins the scene?

Hier das Video von Every Frame A Painting:

Youtube

Und hier die Szene, in Rebecca, in der Die Kamera wunderbar klarmacht, wer die Szene gewinnt:

Youtube

Die Szene beginnt mit einem Two-Shot von der Namenlosen und Maxim, die beiden sind eng beisammen, das Bild drückt Harmonie aus. Mrs. Van Hopper betritt die Szene und stellt sich buchstäblich zwischen das junge Glück. Jetzt kommt der erste Schnitt: Maxim dominiert die Szene, er ist der einzige, der uns anguckt. Außerdem überragt er die beiden Frauen. Die Namenlose ist verunsichert an den rechten, dunklen Bildrand gedrückt.

Im Moment, als Maxim die Verlobung mit der Namenlosen verkündet, zoomt die Kamera auf Mrs. Van Hopper. Im ersten Close-up der Szene sehen wir ihr Gesicht von Lächeln auf Empröung wechseln. Sie ist eindeutig im Hintertreffen. Kurzer One-Shot auf die Namenlose, die die Verlobung bestätigt. Dann folgt wieder ein Three-Shot, aber diesmal aus einem neutralen Winkel. Wir sehen Mrs. Van Hopper ihre Fassung wiedergewinnen. In dieser Phase dreht sie immer von Maxim zur Namenlosen und zurück. Als sie sich gefangen hat, hat sie sich komplett zu Maxim gedreht, der Namenlosen den Rücken zugewandt. Sie beginnt die Szene zu dominieren.

Als Mrs. Van Hopper versucht, die Hochzeitsplanung an sich zu reißen, zoomt die Kamera auf einen Two-Shot von ihr und der Namenlosen – Van Hopper hat ihr noch immer den Rücken zugewandt. Als der Two-Shut bis auf ein Close-up hineingezoomt hat, dreht sie sich und gibt ihrer Noch-Begleitdame den Befehl, ihr Gepäck wieder heraufbringen zu lassen. Die Namenlose will den Befehl folgen und geht um Mrs. Van Hopper herum zur Tür. Sie steht jetzt zwischen ihrer Chefin und Maxim.Die Kamera schwenkt und Van Hopper muss sogar noch einen Schritt machen, der (zugegeben etwas unelegant) nur dafür dafür da ist uns nun Maxim zu zeigen, der die Namenlose aufhält. Er und der Spielball dieses Machtkampfes stehen jetzt so, dass wir ihre Gesichter klar ausgeleuchtet sehen, währen Van Hopper dunkel an den Bildrand gedrängt nur von hinten zu sehen ist. Maxim hat die Kontrolle zurück. Wir sehen einen kurzen Reverse-Shot, als Van Hopper noch einmal zaghaft versucht, die Kontrolle wieder an sich reißen. Das Scheitert und wir sind zurück im Three-Shot, in dem Maxim und die Namenlose dominieren.

Dann geht Maxim ab, um das Gepäck zu holen. Die Namenlose gibt daraufhin freiwillig ihre überlegene Position auf und geht nach Links aus dem Frame. Von Van Hopper im Profil kritisch beäugt. Im Moment, da Van Hopper allein im Frame ist, äußert sie den Vorwurf, dass die Namenlose sie betrogen hat.

Schnitt auf die erste Totale: Van Hopper stehen an den Rändern des Bilds, die Namenlose hat Van Hopper den Rücken zugedreht, während sie sich die Vorwürfe anhören muss. Van Hopper geht auf sie zu, die Kamera zoomt bis zu einer amerikanischen Einstellung von den Beiden. Die Namenlose zeigt Van Hopper noch immer den Rücken. Van Hopper zündet sich eine Zigarette an, sie dominiert die Szene nun total. Was durch einen One-Shot von ihr unterstrichen wird. Kurzer Reverse-Shot, als die Namenlose zaghaft beginnt, sich zu verteidigen. Dann ein Two-Shot, in dem sich die Namenlose umgedreht hat und beide nun kurze Zeit gleichwertig sind.

Doch während Van Hopper ihr prophezeit, welch schweres Schicksal sie auf Manderley haben wird, geht Van Hopper von der Namenlosen weg, die Kamera folgt in einem Schwenk bis Van Hopper vor eine Spiegel steht und jetzt buchstäblich einen Two-Shot mit sich selbst hat. Sie dominiert total. Kurzer Reactionshot, dann dreht sich Van Hopper um und blickt macht im Close-Up die Namenlose weiter fertig. Doch jetzt hat sie den Bogen überspannt, die Namenlose verweist sie des Zimmers und die Kamera folgt ihr dabei in einem Schwenk, während sie im Angriff auf Van Hopper zugeht. Van Hopper verlässt das Zimmer, die Kamera folgt in einem weiteren Schwenk, an dessen Ende sie in der Tür steht. Van Hopper ist nun klein im Hintergrund während die Namenlose von hinten gesehen den Vordergrund des Bildes dominiert. Sie hat gewonnen.

Doch als Van Hopper geht, gibt sie der Namenlosen den einzigen Namen, den sie je haben wird: Mrs. de Winter. Die Kamera zoomt heraus bis zur Totalen, in der wir Mrs. de Winter halbabgewandt, alleine und klein im großen Zimmer stehen sehen. Im letzten Frame hat sie die Szene doch noch verloren.

Das ist sehr, sehr geile Kameraarbeit!

Hitchcocks Cameo

Man sieht ihn in der 123. Minute des Films hinter einer Telefonzelle entlanggehen, kurz nachdem Jack Favell darin ein Telefongespräch mit Mrs. Danvers geführt hat.

Wikipedia

Das Cameo ist so unscheinbar, dass wir es nicht erkannt hätten, wenn wir es nicht vorher gelesen häten.

Die Rezeption von Rebecca

„First, it is the finest job of direction accomplished by a master director and may justly be called Alfred Hitchcock’s masterpiece.“

Zeitgenössische Kritik von The Daily News

Kehren wir zurück zur Oscarverleihung. Ihr alle kennt die Geschichte: Hitch sollte weder diesen noch irgendeinen anderen Oscar gewinnen. Und Selznick? Der gewann! Rebecca erhielt neben dem Oscar für die beste Kamera auch den für den besten Film. Selznick war der erste Produzent, dem es gelang , den wichtigsten Oscar zweimal in Folge zu gewinnen (Gone with the wind, Rebecca). Rebecca war übrigens der einzige Film, der bislang den Oscar für den besten Film gewinnen konnte, ohne den für die beste Regie oder das beste Drehbuch zu bekommen.

Im Interview mit Truffaut urteilte Hitch dann auch: Rebecca ist kein Hitchcock-Film, da er zu humorlos sei, ein Frauenfilm sei und Selznick Hitchs Drehbuch abgelehnt habe. Allerdings gestand er ein, dass der Film gut gealtert sei, obwohl er nicht genau weiß warum. DAs Interview wurde 1962 geführt (Quelle: Truffaut*).

Selznick hatte übrigens Rebecca am Tag, als die Oscarnominierungen bekanntgegeben wurden, noch einmal in LA in die Kinos gebracht. Als zusätzliche Werbemaßnahme brachte er sogar den Gouverneur dazu den Hollywood Boulevard für einen Tag in „Rebecca Boulevard“ umzubenennen. Rebecca war ein großer Erfolg und spielte insgesamt 6 Millionen Dollar ein (1,3 Mio Budget, mehr als das Vierfache). Die Nazis benutzten den Roman Rebecca als Grundlage für einen Code während des zweiten Weltkriegs.

Wie so oft, hatte auch Rebecca ein juristisches Nachspiel: 1944 verklagte Edwina Levin MacDonald David O. Selznick, Daphne Du Maurier und die Produktionsfirmen. Ihrer Meinung nach, war Rebecca ein Plagiat ihres Roman „Blind Windows“. 1948 urteilte der New Yorker District Court, dass es zwar genug Parallelen gibt, die belegen, dass Du Maurier „Blind Windows“ kannte und sich daran orientiert hat, dass aber keine Urheberrechtsverletzung vorliege, weil sie etwas eigenes damit geschaffen habe. Die Klägerin erlebte das Urteil nicht mehr, sie war inzwischen verstorben.

Wie wir schon im Teaser in Folge 69 verraten haben, war Rebecca in Spanien so erfolgreich, dass dort die Art von Jacken, die ironischerweise ausgerechnet Joan Fontaine im Film trug noch heute „Rebeccas“ genannt werden.

Preise und Bestenlisten

  • Rebecca war der Auftaktfilm bei der ersten Berlinale
  • Rebecca gewann den Oscar für den besten Film in einem außergewöhnlich starken Jahr. Die anderen Nominierten waren: The Grapes of Wrath, The Philadelphia Story, The Great Dictator und Foreign Correspondent.
  • Rebecca steht in der IMDB-Bestenliste derzeit auf Platz 156 (Juli 2016).
  • Auf Rotten Tomatoes ist er mit den seltenen 100% bewertet.
  • Der Film ist gelistet in den“1001 Movies You Must See Before You Die“ von Steven Schneider.
  • Außerdem ist er in zwei AFI-Listen zu finden: In „100 Years…100 Thrills“  steht er auf Platz 80 und in „100 Years…100 Heroes and Villains“ steht Mrs. Danvers auf Platz 31.
  • Und die American Society of Cinematographers wählte Rebecca auf Platz 18 der besten Filme von 1894 bis 1949.

Zitate & Referenzen

  • Es gab verschiedene Neuverfilmungen und Radioadaptionen von Rebecca. Teilweise wurden dabei die Originaldialoge wiederverwendet.
  • Citizen Kane referenziert sowohl den Anfang als auch das Ende von Rebecca
  • Außerdem hat Hitch einen Stuhl sowohl in  Suspicion (1941) als auch in Dial M for Murder (1954) wiederverwendet

Lesenswert

The End.

*Amazon-Link: Wenn ihr das Buch kauft, bekommen wir eine winzige Provision und freuen uns.

SF43 – Der Herr der Ringe: Die Gefährten (Literatur-Special)

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Paula
Überbezahlter Superstar
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Daniel
Verkannter Regisseur


The world is changed

Im großen „The Book doesn’t matter“-Special markieren wir unser Revier, indem wir wie Gandalf Flüsse dekorieren. Nachdem wir Saurons „Find my Ring“-Software angeschmissen haben, finden wir einen perfekten Anfang, Saruman als 90er Webseite, Rada… du hast da was in den Haaren …gast, Deus ex Adler, ein Intermezzo mit Wölfen, Touristenattraktionen für Zwerge und das Dumbledoreproblem. Ach ja: Könnte bitte jemand Gimli erzählen, dass Moria suckt?

Vorgeplänkel

Paula erzählt, wie sie Herr der Ringe im Kino gesehen hat ♦ Der Anhalter landete auf dem 12. Platz unserer Charts und Pepi, Lucy, Bom und ihre Gang landeten auf dem letzten ♦ Dr. Paula beantwortet die Frage „Woher bekomme ich eine neuen Meerjungfrauenschwanz?“ ♦ Das Revier des Mähnenwolfs ist 25 – 60 Quadratkilometer groß und der Mähnenwolf markiert es an auffälligen Stellen durch Urinieren. Außerdem gibt es Grenzgänger ohne Reviere und Mähnenwölfe sind nachtaktiv

Eckdaten

Regie: Peter Jackson
– Filmographie folgt bei der nächsten HdR-Folge …
Besetzung: Elijah Wood (Frodo), Ian McKellen (Gandalf), Liv Tyler (Arwen), Viggo Mortensen (Aragorn), Sean Astin (Sam), Cate Blanchett (Galadriel), John Rhys-Davies (Gimli), Billy Boyd (Pipin), Dominic Monaghan (Merry), Christopher Lee (Saruman), Hugo Weaving (Elrond), Orlando Bloom (Legolas), Sean Bean (Boromir), Ian Holm (Bilbo)
Budget: $93 million
Erscheinungsjahr: 2001
Genre: Fantasy, Literaturverfilmung

Die Unterschiede zwischen Buch und Film

Vom Prolog bis zum Fest

Der Film beginnt mit einem Prolog über den Ring und geht dann wie der Ring zu Bilbo, der das Kapitel „Concerning Hobbits“ schreibt.

Das Buch beginnt mit dem Ringgedicht:

Drei Ringe den Elbenkönigen hoch im Licht,
Sieben den Zwergenherrschern in ihren Hallen aus Stein,
Den Sterblichen, ewig dem Tode verfallen, neun,
Einer dem dunklen Herrn auf dunklem Thron
Im Lande Mordor, wo die Schatten drohn.
Einen Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden,
Ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden
Im Lande Mordor, wo die Schatten drohn.

… dann geht es ohne weitere Erklärungen erst einmal ausführlich nur um die Hobbits.

Diese „What are the stakes?“-Änderung wurde einerseits aus Zeitgründen vorgenommen, im Buch wird in den Kapiteln „Der Schatten der Vergangenheit“ und „Elronds Rat“ auf insgesamt gut 100 Seiten erklärt, was der Ring ist und worin die Gefahr besteht. Dies muss für einen 3-Stunden-Film entsprechend verdichtet werden. Paula lobt die Änderung zudem als dramturgisch ansprechender, da sie gleich den Kontrast zwischen der epischen Geschichte des Rings und den kleinen Hobbits aufzeigt.

Der Gandalf im Buch ist viel strenger, rigoroser und mürrischer als der im Film, der für die Hobbitkinder kichernd ein kleines Vorab-Feuerwerk abbrennt. Dies ist eine typische Hollywood-Änderung, um den Charakter sympathischer zu machen.

Die nächste Änderung vom Film gegenüber dem Buch ist die Einfügung der Szene von Merry und Pipin, die die große Drachen-Rakete abbrennen. Dies ist eine Comic-Relief/Expositions-Änderung: Die Szene soll uns klar machen, wer in diesem Film für die Witze zuständig sein wird und dass Gandalf mit den beiden noch seine liebe Müh‘ und Not haben wird.

Als Bilbo auf dem Fest den Ring aufsteckt, lässt Gandalf im Buch einen Blitz erscheinen, dies wurde im Film weggelassen. Diese Änderung wurde vorgenommen, da wir hier zum ersten Mal die Fähigkeit des Rings sehen. Damit die Zuschauer nicht verwirrt werden, wurde das Unsichtbarwerden in Reinform inszeniert. Möglicherweise ist dies eine überflüssige Änderung, die darauf zurückgeht, dass Hollywood die Zuschauer regelmäßig unterschätzt.

Saurons „Find my Ring“-Software & Magie in Mittelerde

Abschweifung: Wir rätseln, worin genau die Verbindung zwischen Sauron und dem Ring besteht. Wieviel bekommt er mit, wenn jemand den Ring aufsteckt? Außerdem fragen wir uns, wie Magie in Mittelerde funktioniert. Schließlich kommen wir auf magische Schwerter zu sprechen.

Von Bilbos Abgang bis Frodos Aufbruch

Im Buch verlässt Bilbo das Auenland wieder in Begleitung von Zwergen, im Film geht er allein. Dafür dürfte es zwei Gründe geben: Erstens ist der Cast des Films schon jetzt sehr groß und sie wollten ihn nicht noch weiter aufblähen. Zweitens ist so der Kontrast der kleinen Hobbits, die in die große Welt ziehen und dort auf wundersame Wesen treffen, besser in Szene gesetzt.

Im Buch wird explizit gesagt, dass niemand den Ring je wegwerfen würde, im Film hingegen lässt Bilbo den Ring „einfach“ fallen. Änderungsgrund: Das dramatische Bild – Film ist ein visuelles Medium!

Im Buch bricht Frodo sage und schreibe 17 Jahre nach Bilbo aus dem Auenland auf! Gandalf ist echt lange weg, um herauszufinden, was es mit dem Ring auf sich hat und der Aufbruch wird dann sehr vorsichtig als Umzug arrangiert, sodass niemand Verdacht schöpfen kann. Im Film wird die Zeitspanne nicht näher beschrieben, da sich die Hobbits allerdings nicht verändern, dürften keine 17 Jahre vergangen sein.

Abschweifung: Daniel vertritt die These, dass Tolkien in seinen Büchern seine Angst vorm Sterben verarbeitet.

Gandalf ist dann mal weg, Distanzen in Mittelerde & Frodos Alter

Abschweifung: Wir diskutieren Distanzen in Mittelerde.

Frodo ist im Buch bei seinem Aufbruch 50 Jahre alt, im Film hingegen ein Teenager. Dies ist einerseits ein Hollywood-Zugeständnis, um eine junge Zielgruppe zu erreichen, andererseits hebt es auch noch einmal mehr die Abhängigkeit von Frodo Gandalf und den anderen Gerfährten gegenüber hervor.

Gollums Backstory, Umzugswagen, ein sprechender Fuchs & Elben

Im Buch wird Gollums Backstory schon zu Beginn erzählt, in den Filmen passiert dies erst im dritten Teil. Dies ist eine dramaturgische Änderung, da der dritte Teil der Trilogie Gollums Teil ist, er spielt dort das Zünglein an der Waage.

Im Buch fällt die Entscheidung, dass Merry und Pippin nicht so spontan, wie im Film sondern ist von langer Hand geplant. Dies ist eine Änderung aus Zeitgründen, die allerdings auch eine Plottschwäche konstruiert, da sich Merry und Pippin „mal eben“ entscheiden, mit Frodo aus ihrer Heimat wegzugehen.

Im Buch taucht im Auenland ein sprechender Fuchs auf, dieser wurde im Film weggelassen. Grund der Änderung: der Stil des Buches ist zu Beginn noch viel näher am Kinderbuch „Der Hobbit“ und wird erst im Laufe der Geschichte immer epischer. Im Film hätte das hingegen einfach nur albern gewirkt.

Im Buch gibt es eine lange Begegnung zwischen den Hobbits und den Elben bereits im Auenland, im Film wird diese in der Special Extendend Edition nur kurz referenziert – Eine Änderung aus Zeitgründen. Allerdings sind die Elben im Buch auch albern, im Film hingegen immer bierernst und hochtrabend – eine dramaturgische Änderung, die vielleicht nicht die beste ist …

Abschweifung: Wir verraten, was unsere Lieblingsrassen in Mittelerde sind.

Vom Bauern Maggot bis nach Bockland

Im Buch gibt es einen langen Abschnitt mit dem Bauern Maggot, dieser wurde im Film auf zwei Referenzen zusammengekürzt. Im Buch werden die Hobbits außerdem ganz gemächlich zur Bockenburger Fähre kutschiert, im Film hingegen wird dies für einee weitere Action-Szene genutzt, um die Spannung hochzuhalten.

Im Buch ist dann in Bockland das vermeintliche neue Haus von Frodo und dort offenbaren dann Merry, Pippin, Fredegar Bolger und Sam Frodo, dass sie von seinem Plan, das Auenland zu verlassen, wissen und ihn begleiten werden. Im Film wurde diese Szene aus Zeitgründen komplett weggelassen.

Durch den alten Wald, vobei an Tom Bombadil bis nach Bree

Im Buch kommt dann ein langer Abschnitt, in dem sich die Hobbits im Alten Wald verirren, vom Alten Weidenmann angegriffen und von Tom Bombadil gerettet werden, dann bei Bombi abhängen und schließlich durch die Hügelgräberhöhen nach Bree reiten und dort von einem Grabwicht angegriffen werden. Dort werden sie dann noch einmal vom alten Tom gerettet. Im Film wurde dies alles weggelassen. Einerseits wieder aus Zeitgründen, andererseits weil es im Buch eine Abschweifung darstellt und nichts unmittelbar mit dem Ring zu tun hat. Außerdem singt Tom Bombadil die ganze Zeit und das hätte im Film albern gewirkt. Allerdings erzeugt dies ein Plottloch: Im Buch finden die Hobbits ihre Schwerter in dem Hügelgrab, im Film bekommen sie sie von Aragorn: „Ach übrigens, ich habe hier noch vier Schwerter, die ich immer mit mir rumschleppe …“

Abschweifung: Wir besprechen die Waffen unserer Wahl.

Im Buch kommt Merry In Bree nicht mit in die Kneipe, sondern geht spazieren. Außerdem gibt es noch einen Nebencharakter (Lutz Farnrich), der ein Spion Saurons ist und von dem die Gefährten auch das Pony Lutz kaufen. Im Film wird dies alles weggelassen, da es nicht wirklich viel zur Handlung beiträgt und das Pferd scheint einfach Aragorns Pferd zu sein.

Im Film rutscht Frodo der Ring im tänzelnden Pony auf den Finger, als er zu Pippin eilt, um zu verhindern, dass der sich verquatscht. Im Buch will zwar Frodo das auch verhindern, alles ist aber wieder gemächlicher inszeniert, Frodo fängt an zu singen und zu tanzen, um von Pippin abzulenken und dabei rutscht ihm der Ring in der Tasche auf den Finger. Dies ließe sich halt schlecht in einem Film zeigen, außerdem wird durch die Inszenierung der Charakter-Arc von Pippin noch mehr hervorgehoben, der Anfangs der Kleine ist, der nur Blödsinn macht und im Laufe der Trilogie dann erwachsen wird.

Im Buch hat der Wirt Butterblüm eine größere Rolle und ist ein Kumpel von Gandalf. Ferner hat Gandalf ihm vor einem halben Jahr einen Brief gegeben, dass Frodo sofort aufbrechen und nicht auf ihn, Gandalf, warten soll. Butterblüm hat vergessen den Brief abzuschicken, daher ist Frodo überhaupt erst in Gefahr geraten. Auch dies ist im Film wieder einer Kürzung zum Opfer gefallen, zudem wäre der Cast noch weiter aufgebläht worden, wenn Butterblüm vollumfänglich drin gewesen wäre.

Aber warum gibt es dann Arwen?

Abschweifung: Wir diskutieren, warum und inwieweit Arwen in den Film hineingeschrieben wurde. Außerdem rantet Daniel darüber, dass Klett-Cotta in der Taschenbuch-Ausgabe des Herrn der Ringe die Anhänge weggelassen hat. Absolute Frechheit!

In der Zwischenzeit, Lieblingshobbits, Lieblingsgefährten & die Wetterspitze

Im Buch folgt eine weitere Abschweifung, in der man erfährt, wie Fredegar Bolger in Bockland von schwarzen Reitern angegriffen wird. Hingegen wird der Angriff auf die Hobbitbetten in Bree nur retrospektiv erzählt. Im Film wurde ersteres weggelassen und zweiteres direkt gezeigt, denn Show, don’t tell!

Abschweifung: Wir sprechen über unsere Lieblingshobbits und Lieblingsgefährten.

Im Buch werden Aragorns Selbstzweifel mehr hervorgehoben als im Film. Was uns eigentlich besser gefällt …

Im Buch findet der Kampf auf der Wetterspitze nicht auf der Wetterspitze statt, sondern in einer Mulde an ihrem Fuß. Im Film wurde er auf die Spitze verlegt. Das ist eine Änderung gemäß des Mottos „Wirkung geht über Realismus“. Klar macht es plotttechnisch mehr Sinn am Fuß zu kampieren, wenn man unentdeckt bleiben möchte, aber die Spitze bietet uns halt bessere Bilder.

Gandalf als Dekorateur, Deus ex Machina & Arwens Unsterblichkeit

Im Film ruft Arwen den Fluss, im Buch hingegen ist der Fluss halt „Elronds Fluss“ und Gandalf hat die Pferde als Deko draufgepackt. Diese Änderung wurde vorgenommen, um dem Zuschauer eine Erklärung an die Hand zu geben, warum der Fluss kommt (Show, don’t tell).

Abschweifung: Wir reden über Magie als Deus Ex Machina. Daniel empfiehlt Die Königsmörder-Chronik von Patrick Rothfuss, die in Bezug auf Magie diesen Fehler umgehen.

Im Film schenkt Arwen Frodo dann ihre Unsterblichkeit, was im Buch hier nicht geschieht. Wir finden diese Änderung sehr schwach und verstehen auch nicht, warum sie vorgenommen wurde.

Bilbos Fratze, Balins Backstory, Zwergenstuff & lange 1. Hälften

Im Buch wird offen gelassen, ob sich Bilbos Gesicht tatsächlich zu einer Fratze verzieht, oder ob sich Frodo dies nur einbildet. Im Film kann diese Unsicherheit aufgrund des Medienbruchs nicht auftreten.

Im Buch wird Balin „des Herrn von Morias“ Backstrory erzählt. Im Film wurde dies aus Zeitgründen weggelassen, was leider zu dem Plottloch führt, dass Gimli die ganze Zeit nach Moria will und alle anderen zu wissen scheinen, dass das eine schlechte Idee ist.

Im Buch wird bei Elronds Rat außerdem erzählt, wie Sauron versucht, die Zwerge auf seine Seite zu ziehen, dies wird im Film als Abschweifung weggelassen.

Das Buch Die Gefährten ist noch einmal in zwei Bücher unterteilt, bei denen das erste länger ist als das zweite. Im Film wurde hingegen dieser erste Teil stärker gekürzt als der zweite.

Saruman als 90er-Webseite, Radagast, antiklimatisches Schwert & beste Szene

Im Buch ist Saruman nicht wie im Film auf Saurons Seite gewechselt, sondern will den Ring für sich. Dies ist wohl eine typische Hollywood-Änderung, bei der die Drehbuchautoren glaubten, dass die Story vereinfacht werden muss.

Saruman ist im Buch jetzt auch nicht mehr Saruman, der Weiße, sondern Saruman der Bunte, dessen Gewand ständig die Farbe wechselt, das hätte im Film schon sehr trashig gewirkt.

Ferner erfahren wir, dass im Buch Gandalf ohne Kampf von Saruman gefangen genommen wurde. Im Film hingegen wurde hier eine weitere Action-Szene eingefügt, um die Spannung hochzuhalten.

Im Buch taucht Radagast kurz auf, im Film wurde er weggelassen, weil der Plott schon jetzt zu groß ist.

Im Buch nimmt Aragorn sein neu geschmiedetes Schwert gleich aus Bruchtal mit, im Film hat es einen großen Auftritt im dritten Teil. Im Buch ist diese Szene schon recht antiklimatisch: In einem Halbsatz wird das abgefrühstückt. Doch dieses schicksalsträchtige Schwert hat zurecht einen größeren Auftritt verdient.

Abschweifung: Wir sprechen über die besten Szenen. Und fragen uns, ob es andere ähnlich gute Einführungen von Protagonisten gibt, wie jene von Aragorn.

Intermezzo mit Wölfen, Zwergensprache, Boromir wirft den ersten Stein & Mellon

Im Buch gibt es einen weiteren Zwischenhöhepunkt, durch einen Kampf gegen Wölfe, im Film wurde dies weggelassen. Auch wenn die Szene anders beschrieben ist, hat jener Kampf gegen die Wolfsreiter im zweiten Film diese Funktion übernommen. Die Änderung wurde wahrscheinlich vorgenommen, da im ersten Film es schon genug Action gab, im zweiten hingegen noch ein Zwischenhöhepunkt gebraucht wurde.

Im Buch wird erwähnt, dass die Zwergensprache geheim ist, im Film spricht (in Die Zwei Türme) Aragorn hingegen Zwergisch. Den Comic-Relief-Moment im zweiten Film hätte man auch weglassen können, allerdings ist es auch voll das Nerdwissen, dass die Zwergensprache geheim ist und für die Handlung voll unwichtig.

Im Buch wirft Boromir vor dem Tor von Moria den ersten Stein ins Wasser und wird von Frodo angewiesen, das Wasser nicht aufzuschrecken. Im Film macht dies Merry und der Spruch kommt von Aragorn. Da im Buch beides ziemlich „Out of Charakter“ ist, geht die Änderung schon klar.

Im Buch ist Boromir auch viel unsympathischer als im Film. Im Film ist der Charakter wesentlich ambivalenter, was ihn viel interessanter macht.

Im Buch kommt Gandalf selbst auf „Mellon“. Im Film ist es Frodo. Wir finden die Änderung gut, da sie Frodo aktiver macht und trotzdem zu seiner Rolle passt.

Dann kommt noch ein Ork, Türbann, Zwergentourismus & das Dumbledore-Problem

Im Buch spießt ein Ork Frodo auf, im Film hingegen der Troll. Die Änderung wurde vorgenommen, da die Szene im Buch etwas antiklimatisch wirkt: Erst machen die Gefährten den Troll fertig und dann kommt noch ein Ork dahergelaufen …

Im Buch gibt es einen ersten Kampf zwischen dem Balrog und Gandalf an der und durch die Tür von Balins Grabkammer, die Gandalf mit einem Bannspruch belegen will. Dies wurde im Film weggelassen, einerseits weil es extrem schwer zu inszenieren gewesen wäre und andererseits, weil man sich dadurch den dramatischen ersten Auftritt des Balrogs kaputtgemacht hätte.

Nachdem die Gefährten aus Moria geflohen sind, bekommst du im Buch rund um den Spiegelsee noch mehr Zwergen-Backstory. Paula kritisiert, dass dies im Film weggelassen wurde, da die Zwerge insgesamt viel zu kurz kommen. Daniel entgegenet, dass die Szene nach Moria im Film sehr stark ist und die Dramatik durch den Zwergentourismus kaputtgegangen wäre.

Abschweifung: Wir besprechen das Dumbledore-Problem.

Wo ist eigentlich Gollum? Lórien-Zeug & die schlechteste Szene

Im Buch wird bis zum Anduin nur angedeutet, dass Gollum die Gefährten verfolgt, im Film ist dies schon in Moria klar. Diese Änderung hätte nun nicht unbedingt eingeführt werden müssen.

Die Elbenstadt in Lórien wird im Buch mit Stadtmauer beschrieben, im Film wird dies nicht gezeigt: egal. Allerdings werden die Baumhäuser der Elben weniger spektakulär beschrieben, als sie im Film gezeigt werden. Die Änderung ist gut, da sie zu einem weiteren großen Bild führt.

Im Buch schaut auch Sam in Galadriels Spiegel und sieht das, was Frodo im Film sieht: Was gerade im Auenland abgeht. Im Film wurde dies weggelassen, da im dritten Teil aus Zeitgründen die Unterjochung des Auenlands auch weggelassen wurde. Im Podcast haben wir uns gestritten, was Frodo im Buch sieht, hier der Wortlaut:

„Sofort hellte sich der Spiegel auf, und er sah ein Land im Dämmerlicht. Dunkle Berge hoben sich in der Ferne vom blassen Himmel ab. Eine graue Straße zog sich hin und entschwand außer Sicht. Won weit hinten kam eine Gestalt langsam die Straße daher, kaum zu erkennen zuerst, dann im Näherkommen größer und deutlicher. Plötzlich begriff Frodo, dass sie ihn an Gandalf erinnerte. Fast hätte er den Zauberer beim Namen gerufen, da erkannte er, dass die Gestalt nicht in Grau, sondern in Weiß gekleidet war, in ein Weiß, das im Dämmerlicht ein wenig leuchtete, und in der Hand trug sie einen weißen Stab. Sie hielt den Kopf gesenkt, sodass er das Gesicht nicht erkennen konnte; und gleich wandte sie sich zur Seite um eine Biegung der Straße und verschwand aus dem Spiegelbild. Frodo kamen Zweifel: War ihm Gandalf erschienen, so wie er auf einer seiner einsamen Fahrten vor langer Zeit ausgesehen haben mochte, oder war es Saruman gewesen?
Nun wechselte das Bild. Kurz und klein, aber sehr deutlich sah er Bilbo in seinem Zimmer rastlos auf und ab gehen. Auf dem Tisch lagen allerlei Papiere kreuz und quer; Regen prasselte ans Fenster.
Nach einer Pause folgten viele rasch wechselnde Szenen, und Frodo wusste irgendwoher, dass sie in den Zusammenhang der großen Geschichte gehörten, in die er verwickelt war. Der Nebel lichtete sich und er sah etwas, das er noch nie gesehen hatt und doch gleich erkannte: das Meer. Dunkelheit zog herauf. Das Meer bäumte sich auf und wütete. Dann sah er gegen die Sonne, die blutrot in den Wolkentrümmern versank die schwarze Silhouette eines hochmastigen Schiffs, das mit zerfetzten Segeln von Westen herantrieb. Dann einen breiten Strom, der durch eine bevölkerte Stadt floss. Dann eine weiße Burg mit sieben Türmen. Dann wieder ein Schiff, eines mit schwarzen Segeln, aber nun war es wieder Morgen, und das Licht glitzerte im gekräuselten Wasser, und eine Fahne mit dem Wahrzeichen eines weißen Baums leuchtete in der Sonne. Ein Dunst wie von Rauch und Schlachtenstaub stieg auf, und wieder versank die Sonne in roter Glut, die bals zu einem grauen Nebel verblasste; und in den Nebel fuhr ein kleines Schiff mit blinkenden Lichtern hinaus. Es verschwand, und Frodo seufzte und wollte schon zurücktreten.
Doch plötzlich wurde der Spiegel ganz und gar dunkel, so dunkel, als hätte sich in der Welt des Gesichtssinns ein Loch aufgetan, und Frodo blickte ins Leere. In dek schwarzen Abgrund erschien ein einzelnes Auge, das wuchs und wuchs, bis es fast den ganzen Spiegel einnahm. So furchtbar sah es aus, dass Frodo wie festgewachsen davor stand, unfähig, zu scheien oder den Blick abzuwenden. Das Auge war mit Flammen umrandet, aber es selbst war glasig und gelb wie ein Katzenauge, wachsam und lauernd, und der schwarze Schlitz der Pupille öffnete sich über einem Abgrund, wie ein Fenster zum Nichts.“

Nachtrag zum Podcast: Wir hatten beide Recht. So würde ich (Daniel) diesen Abschnitt interpretieren: Das erste Bild ist klar Gandalf der Weiße, Bilbo ist auch klar. Das erste Schiff ist das Schiff auf dem Elendil nach Mittelerde kommt, nachdem seine Heimat Númenor untergegangen war (siehe Silmarillion). Die Stadt ist die alte Hauptstadt Osgiliath, die Burg ist Minas Tirith. Das Schiff mit den schwarzen Segeln, die Flagge und der Schlachtenstaub beschreiben die Schlacht um Minas Tirith und das kleine Schiff jenes Schiff, auf dem Frodo Mittelerde verlässt. Das Auge ist ganz klar das Auge von Sauron.

Paula gibt zu bedenken, dass schon im Buch dadurch, dass der Spiegel nur zeigt, was sein könnte, es an einer glaubhaften Motivation für Frodo fehlt, überhaupt hineinzusehen. Daniel erwidert, dass diese Ungewissheit ein ganz klassischer Orakel-Trope ist. Dass die Szene dann überhaupt in den Film übernommen wurde, ist für Paula bloßer Fanservice. Daniel stimmt zu, dass die Abänderung im Film Frodo keinen Informationsgewinn geben, dass die Szene aber im Buch besser war, da dies hier durchaus der Fall ist.

Galadriel wird weiter im Buch bei ihrem Ring-Flash als schrecklich-schön beschrieben. Im Film ist sie zwar schrecklich, aber ist sie auch schön? Das ist auf eine typische CGI-Problematik zurückzuführen.

Abschweifung: Wir sprechen über die schlechteste Szene im Film.

Im Buch isst Gimli zu viel Lembas, im Film sind es Merry und Pippin. Die Änderung wurde gemacht, da es einfach viel besser zu den Hobbits passt, sich an Lembas zu überessen. Im Film wurde außerdem die Wirkung des Lembas noch potenziert. Dies geschah um den Comic-Relief noch zu erhöhen.

Im Buch wird ausführlich die „Magie“ der Mäntel erklärt, das fällt im Film weg. Das ist schade, da so die wichtige Szene im zweiten Film aus dem Nichts kommt. Die Gefährten bekommen im Buch außerdem teilweise andere Geschenke. Die Seile sind einfach nur Ausrüstungsgegenstände, wie die Boote, das Lembas und die Mäntel, die alle Gefährten bekommen. Das Amulett „Elessar – der Elbenstein„, dass Aragorn im Film von Arwen bekommt, bekommt er im Buch von Galadriel (es ist aber Arwens Stein). Es macht schon mehr Sinn, dass Arwen, Aragorn den Stein persönlich gibt … Der Elbenstein wird im Buch auch anders beschrieben: grün, in einer Adlerbrosche eingefasst. Im Film ist er perlmut und geformt als Engel, der einen Edelstein hält.

Im Buch bekommt Sam als Geschenk eine Schachtel mit „Dünger“. Die verwendet er im dritten Teil, um das Auenland wieder aufzuforsten, da im Film die Verwüstung des Auenlands weggelassen wurde, macht dieses Geschenk natürlich keinen Sinn mehr. Merry, Pippin und Boromir bekommen im Buch zudem Gürtel statt Dolche. Keinen Plan, warum das im Film geändert wurde.

Da ist Gollum! Und ein Nazgul! Und ein Showdown!

Im Buch gibt es noch eine zusätzliche Szene, in der Gollum mutmaßlich ein Boot klauen will, diese Szene wurde im Film gestrichen. Im Film wurde zudem der Zwischenhöhepunkt der Stromschnellen von Sarn Gebir gestrichen. Im Buch geraten die Gefährten hier in einen ersten Ork-Hinterhalt. Hier wirken die Elbenmäntel erstmals als Tarnmäntel. Außerdem tritt hier erstmals ein Nazgûl-Drache auf, der von Legolas abgeschossen wird. Im Anschluss an diesen Hinterhalt tragen die Gefährten ihre Boote am Westufer entlang an den Stromschnellen vorbei. Dass diese Szene im Film gestrichen wurde hatte neben den zeitlichen Gründen wohl vor allem einen dramturgischen: Damit die Nazgûl-Reittiere im zweiten Teil einen dramatischen ersten Auftritt bekommen können.

Die Konfrontation zwischen Boromir und Frodo auf dem Amon Hen ist im Buch viel ausführlicher. Außerdem sieht Frodo im Film mehr, als er mit aufgesteckten Ring auf dem Ausguck sitzt: Isengart, Kriegsvorbereitungen, Minas Tirith, Barad-dûr und das Auge. Als das Auge ihn dann fast entdeckt hat, hört Frodo eine Stimme, die ihm eingibt: „Zieh ihn aus, du Narr!“, wir spekulierten, dass dies Gandalf ist. Nach dieser Szene bleiben wir im Buch die ganze Zeit bei Frodo und Sam und sehen nicht den Kampf, der uns im Film gezeigt wird. Im Film trifft außerdem Aragorn noch mal auf Frodo sowie Merry und Pippin. Die Begegnung zwischen Frodo und Aragorn hat im Film einfach die Funktion noch einmal den Unterschied zwischen Aragorn und Boromir aufzuzeigen, zudem soll den beiden Helden der folgenden Teile noch ein letzter gemeinsamer Moment geschenkt werden. Es soll entsprechend auch das Herz erwärmen, dass die Freunde Merry und Pippin sich im Film noch verabschieden können. Dass der Kampf reingenommen wurde, ist auch klar: Filme brauchen Showdowns.

Im Film beginnt Frodo zudem im Laufe der Spielzeit schon die Auswirkungen der Macht des Rings zu spüren. Im Buch beginnt dies erst ab dem zweiten Teil. Da der Ring im Film weniger Zeit hat, zu zeigen, wie fies er ist, wurde das entsprechend mit hineingenommen. Genau wie die Szene beim Bergaufstieg, als Frodo den Ring verliert und Boromir ihn aufhebt.

Fantasyfilme im Allgemeinen

Paula empfiehlt den Sandalen-Film: Kampf der Titanen (1981). Daniel empfiehlt den trashigen Krull, Game of Thrones, der Zauberer von Oz sowie einige der Potter-Filme. Der Podcast Der Explikator hat mal das Problem von Fantasy im Kino in einer Folge behandelt. Die Gründe: Der Monomythos, die Lieblosigkeit in der Umsetzung, Deus ex Machina und zuviel CGI.

Bewertung von Film und Buch

Paula mag den Film sehr gerne, aber das Buch nicht so sehr: Sie mag Tolkiens Sprache nicht. Daniel findet die erste Stunde des Films perfekt inszeniert, denkt aber, dass er in der Mitte etwas nachlässt. Das Buch findet er auch spitze.

Paula gibt dem Film 98 Punkte, Daniel gibt ihm 89 Punkte. Hier unsere Charts.

The End.