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SF60 – Das Fenster zum Hof (Hitchcock-Reihe)

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Paula
Überbezahlter Superstar
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Daniel
Verkannter Regisseur


Rear Windows Ethics

Uns ist schon jetzt das Budget für 2016 ausgegangen, daher greifen wie in die 90er-Sitcom-Trickkiste und machen eine Clipshow. Wir blicken zurück auf das Jahr 2015 und voraus auf 2016. Aber natürlich besprechen wir auch einen Film: Hitchs Rear Window. Alles dreht sich dabei nicht bloß um die den voyeuristischen Abschied vom Mähnenwolf sondern auch um die Frage, ob wir eine neue Nummer 1 gefunden haben.

Vorgeplänkel

Paula zitiert Til Schweiger (frei) ♦ Bottle-Episode und Clipshow ♦ Wir werden uns dem Lebenswerk eines Regisseurs widmen und ihr könnt eine DVD von Night of the living Death gewinnen, wenn ihr wisst, welcher Regisseur das sein wird (Daniel hat das in den letzten Monaten immer mal wieder versteckt angeteasert) ♦ Außerdem dürft ihr abstimmen, welchen Film wir besprechen sollen ♦ Wir gedenken der Filmographie von David Bowie ♦ Paula beantwortete diese Frage ♦ Der Story-Arc des Mähnenwolfs ist abgeschlossen, 2016 hört ihr stattdessen etwas über die „Retter von New York“.

Die Eckdaten zu Rear Window

Erscheinungsjahr: 1954
Regie: Alfred Hitchcock
Drehbuch: John Michael Hayes
Bugdet: 1 Mio $
Besetzung: James Stewart (Jeff), Grace Kelly (Lisa), Raymond Burr (Thorwald), Thelma Ritter (Stella).
Genre: Thriller, Krimikomödie

Die Produktion von Das Fenster zum Hof

Das Drehbuch

Als Vorlage diente eine Kurzgeschichte von Cornell Woolrich (unter dem Pseudonym William Irish 1942 veröffentlicht). Zudem ergänzte Hitch diese Geschichte durch zwei reale Mordfälle: Zum einen die Idee, dass die Leiche zerhackt im Koffer davongetragen wurde; zum anderen das vermeintliche Alibi durch eine Afäre. Hitchcock und Drehbuchautor Hayes behielten von der Kurzgeschichte letztlich nur die Grundidee.

Das Casting

Ungewöhnlich für die Zeit war, dass James Stewart statt einer festen Gage einen Gewinnanteil bekam. Rear Window war ferner Grace Kellys zweiter Hitch nach Dial M For Murder. Die Rolle wurde ihr auf den Leib geschrieben. Hitch arrangierte, dass Kelly und Drehbuchautor John Michael Hayes Zeit zusammen verbringen, damit Hayes Kellys Charakter kennenlernt. Außerdem gibt es das Gerücht, dass Hitch Raymond Burr persönlich als den Mörder Thorwald gecastet hat. Angeblich soll es wegen der großen Ähnlichkeit zu Hitchs ehemaligen Produzenten David O. Selznick gewesen sein, dem Hitch eins auswischen wollte.

Die Kulisse

Der komplette Film wurde im Studio gedreht, dafür wurde der Hinterhof mit den 31 weiteren Wohnungen neben der von Jeff gebaut, zwölf Wohnungen waren vollständig eingerichtet. Es war das damals größte Set aller Zeiten.

The studio set is a copy of a real place, in Greenwich Village in New York. It is a precise copy of the environment, and takes precise note of the distance of the police station from the apartments, thus the police could have arrived there in about 5 minutes, as the film shows them doing.

Cinema Culture in Europe

Weil die Häuserfront zu hoch war für das Studio, ließ Hitch den Boden rausreißen. Der Hinterhof ist also eigentlich der Keller des Studios. Alle Wohnungen hatten Strom und fließend Wasser. Das Tageslicht wurde von einer Studiobeleuchtung simuliert. Es gab vier verschiedene Lichtarrangements für verschiedene Tages und Nachtzeiten. Das führte allerdings zu unerträglicher Hitze auf dem Set. Einmal wurde sogar die Sprinkleranlage ausgelöst, weil das Studio durch die vielen Scheinwerfer überhitzte.

Der Dreh

Hitch plante alles obsessiv durch, er schrieb am Drehbuch mit, er castete die wichtigsten Rollen und hatte zum Beispiel auch detaillierte Vorstellungen, wie die Kostüme von Grace Kelly aussehen sollten. Die extrem sorgfältige Planung führte dazu, dass Hitch später sagte, er habe den gesamten Film schon vor Drehbeginn im Kopf gehabt, sodass der eigentliche Dreh für ihn ziemlich langweilig war.

Hitch selbst hielt sich während des Drehs nur in Jeffs Apartment auf. Alle Schauspieler hatten Knöpfe im Ohr, über die sie Regieanweisungen bekamen. In der Szene, in der das Pärchen mit Matratze vom Balkon flüchten muss, weil es zu regnen anfängt gab Hitchcock ihnen extra widersprüchliche Regieanweisungen über Funk, damit sie sich stritten, was dann im Film zu sehen ist.

Filmisches Erzählen in Rear Window

Die erste und die letzte Szene

Youtube

In der erste Szene bekommen wir jede Menge Informationen von der Kamera bevor überhaupt der erste Dialog beginnt. Ein Paradebeispiel für eine gute erzählende Kamera. Zunächst bekommen wir einen Schwenk über den Hof, in dem wir alle Mini-Dramen eingeführt bekommen, die im Laufe des Films parallel zur Haupthandlung erzählt werden. Wir sehen das Thermometer und erfahren so, dass es sehr heiß ist. Wir sehen die Fotos in Jeffs Apartment und lernen so, dass er Fotograph ist und welche Art von Bilder er macht. Wir sehen das Bild des Autounfalls und die zerstörte Kamera, die uns darauf hinweisen, wie Jeff sich das Bein gebrochen hat. Wir sehen ein Negativ von Lisa, Jeffs Love-Interest, und bekommen so einen Hinweis auf Jeffs Einstellung in Bezug auf Lisa, außerdem wird uns ein Stapel Magazine mit Lisa auf dem Cover gezeigt, wodurch wir auch noch erfahren, welchen Job und Status Lisa hat. Und wir sehen den schwitzenden Jeff im Rollstuhl mit Gips, auf dem Lisa unterschrieben hat: „Here lie the broken bones of L. B. Jefferies“, wodurch wir auch noch einen Hinweis auf Lisas humorvollen Charakter bekommen. Das ist wirklich die ganz große Kunst des filmischen Erzählens!

Am Ende spiegelt Hitchcock dann diese Kamerafahrt:

Youtube

Im Hof sehen wir die Konklusion aller Minidramen, wir sehen wieder das Thermometer, das eine geringere Temperatur anzeigt, wir sehen Jeff nun mit zwei Gipsbeinen und Lisa in praktischer Kleidung (erstmals im Film trägt sie Hosen), die eine Abenteuerbuch liest, das sie dann aber, als sie merkt, dass Jeff schläft, gegen ein Magazin tauscht.

Each narrative is given it’s own closure: a new dog is introduced, Miss Lonely hearts is visiting with the songwriter, Miss Torso’s boyfriend comes home from the army, and Lars’ apartment is being painted over to get ready for new tenants. The final shot of the film shows the blinds of the rear window closing, hiding the cinematic world as the film draws to a close.

The Artifice

Reflexionen über die Beziehungen zwischen Männern und Frauen

Hitchcock nutzt die angesprochenen Minidramen in den verschiedenen Hinterhoffenstern, um Statements über die Liebe und die Ehe zu machen. Von links nach rechts sehen wir:

  • Die Frischverheirateten: Symbol der noch jungen Liebe, die den ganzen Tag Sex haben. Am Ende ist dort aber der Alltag eingekehrt und sie streiten sich.
  • Miss Torso: Die heißbegehrte Single-Frau, die von unzähligen Männern umworben wird. Am Ende zeigt sich, dass sie ihrem Freund, einem Soldaten, treu geblieben ist.
  • Das Ehepaar, das auf dem Balkon schläft: Dies ist die normale, gut laufende, routinierte Beziehung.
  • Die Thorvalds stehen für die zerrüttete Ehe.
  • Miss Lonelyheart ist die alte Jungfer, die sich nach der Liebe sehnt, ohne sie zu finden.
  • Der Komponist schließlich ist der ewiger Junggeselle, der ein Workaholic ist, Partys schmeißt, doch am Ende die Liebe (Miss Lonelyheart) findet.

Starke Frauen, schwache Männer

Rear Window fällt auf eigentümliche Art und Weise aus den sonst sehr problematischen Frauenbildern bei Hitchcock heraus. Einerseits stecken durchaus Rollen-Klischees der 50er in diesem Film (Lisa will heiraten, Jeff nicht, Jeff ist der Abenteurer, den Lisa domestizieren will etc.). Außerdem gilt der Film als Paradebeispiel für Male Gaze, den männlichen Blick des Kinos: Wir sehen alles aus Jeffs Perspektive, der als Voyeur Frauen objektifiziert.

Auf der anderen Seite haben wir aber einen buchstäblich impotenten Helden. Durch seinen Gips bleibt Jeff während des ganzen Films passiv. Selbst im Showdown kann Jeff nicht aktiv werden sondern versucht den Villain durch Blitzlicht zu blenden und so zu verlangsamen. Damit schiebt er das Unvermeidliche aber nur hinaus. Auf der anderen Seite werden die beiden Frauen (Lisa und Stella) aktiv, sie übernehmen die Action. Stella und Lisa spionieren bei Thorvald und begeben sich in Gefahr und im Showdown wartet Jeff auf Lisa, die die Polizei holt. Allerdings bleibt Jef auch jederzeit derjenige, der die Fäden in der Hand hält und die Frauen rumschickt.

Voyeurismus

Jeff ist ein übler Voyeur, der den ganz Tag am Fenster hockt, um seine Nachbarn zu beobachten.  Hitchcock hält damit aber uns Zuschauer/innnen den Spiegel vor. Dies wird besonders in der Szene sichtbar, als Jeffs Freund von der Polizei ihm und Lisa erzählt, dass Thorvald kein Mörder ist. Hitch manipuliert uns hier, denn wir sind genau wie Jeff und Lisa enttäuscht, dass kein Mord stattgefunden hat. Später lässt er dann Lisa aussprechen (im „Rear Window Ethics“-Zitat zu hören), dass wir eigentlich pervers sind, dass wir wollen, dass Throvald seine Frau umgebracht hat.

Zentral ist hier die Szene in der die Balkon-Nachbarn herausfinden, dass ihr Hund umgebracht wurde und die Frau durch den Hof schreiend die Nachbarn anklagt, dass sich niemand emphatisch für die anderen interessiert. Dies ist eine klare Anklage auch gegen den Voyeur Jeff. Der später zum Beispiel den Suizid von Miss Lonelyheart in Kauf nimmt, weil ihn sein Kriminalfall mehr interessiert.

Filme über Wachung

Darüber hinaus ist Rear Window natürlich auch ein Überwachungsfilm und wir fragten uns, wie Überwachung inszeniert wird. Hitch kritisiert einerseits in Person von Stella die Überwachung durch Jeff, andererseits führt sie letztlich zum Erfolg. Darin zeigt sich das Überwachungsdilemma: Mittels Überwachung lassen sich Straftaten aufklären, zugleich gibt es viele unschuldige Opfer. So beglotzt Jeff den ganzen Tag Miss Torso, die in ihrer Unterwäsche in ihrer Wohnung umherläuft.

Allerdings wird hier durch Lisas Einbruch auch der Trope bedient, dass die Ermittlerin die Regeln oder Gesetze brechen muss für das größere Gut. Ein sehr klassisches aber auch sehr problematisches Erzählmuster.

Wie manipuliert uns Hitch?

Der Kuleshov-Effekt

Hitchcock arbeitet in Das Fenster zum Hof intensiv mit Reaction Shots. er zeigt uns immer Szenen auf dem Hof und dann anschließend das Gesicht von Jeff, das uns zeigt, wie wir die Szene zu interpretieren haben. Dabei wiederholt Hitch aber den Kuleshov-Effekt:

„The Russian film theorist [Kuleshov] noted how you could take a shot of an actor’s essentially blank face and, depending on what you intercut with it, change what the audience believes to be the emotion the actor is expressing.“

TCM

Wie effektiv Hitchcocks Montage war, zeigt eine Aussage von Jimmy Stuart. Stuart sagte in einem Interview, er könne sich gar nicht daran erinnern, den Charakter so gespielt zu haben.

High-Angle-Shot

In vielen Filmen benutzt Hitch genau einen High-Angle-Shot um eine zentrale Szene herauszustellen. In Das Fenster zum Hof setzt er ihn ein, als Jeff den Brief schreibt, in dem er Thorvald wissen lässt, dass er und Lisa von dem Mord wissen. Dieser Moment ist zentral, weil hier Jeff und Lisa nicht länger nur Beobachter sind, sondern sich erstmals aktiv ins Geschehen einmischen.

Treppen und Leitern

Hitch benutzt oft Treppen und Leitern, um von einer gefahrlosen in eine gefährliche Situation überzugehen. Die Treppe in Psycho oder das berühmte Treppenhaus aus Vertigo sind Beispiele. Hier steigt Lisa die Feuerleiter hoch, um in Thorvalds Wohnung einzubrechen.

The Emerging-Body-Shot

Hitchcock wählt seine Frames oft so, dass eine wichtige Information – oft eben eine Person –  zwischenzeitlich verborgen bleibt, um so Spannung aufzubauen. Hier benutzt er die Zwischenräume zwischen den Fenstern, um uns im Ungewissen zu lassen, was die Protagonisten dort tun, besonders natürlich in der Szene, als Lisa bei Thorvald eingebrochen ist.:

Hitch uses the walls between windows as anxiety-packed hiding places. Characters move from one window to the next, and when they disappear behind walls in the transitional space, we hold our breath to see if they emerge on the other side.

Jason Fraley

Hitchcocks Cameo

Youtube

Wir sehen Hitchcocks Cameo sehr früh im Film, als er in der Wohnung des Komponisten eine Uhr einstellt. Zu diesem Zeitpunkt seiner Karriere war das Hitchcock-Cameo schon so berühmt, dass er es immer bewusst an den Anfang seiner Filme packte, sodass die Zuschauer nicht länger darauf warten mussten, sondern sich auf den Film konzentrieren konnten.

Das Interessante ist, dass Hitch uns vermeintlich anguckt und später gespiegelt wird durch die Szene, in der Thorvald Jeff enttarnt, ihn und damit auch uns direkt anblickt. Die vierte Wand wird durchbrochen, um uns als Voyeure zu entlarven.

Der Ton in Das Fenster zum Hof

In Rear Window wird nur diegetischer Ton verwendet: Abgesehen vom Intro und Outro gibt es nur Ton, der seinen Ursprung in der filmischen Welt hat. Dennoch hat der Film Filmmusik, die dann aber immer eine Quelle im Hof hat. Allem voran ist diese Quelle der Komponist, der das Hauptthema „Lisa’s Theme“ im Laufe des Film komponiert und gerade in dem Moment, in dem Lisa bei Thorvald einbricht, um ihn zu überführen, stellt er es fertig. Der Moment, in dem Lisas Metamorphose zur Abenteurerin vollendet ist. Zugleich hält das Lied in einer der Nebenhandlungen Miss Lonelyheart davon ab, sich das Leben zu nehmen.

Nachtrag zum Podcast: Das Lied, das in den 1930ern (nicht 20ern) bekannt wurde, weil es so traurig war, dass es angeblich Menschen in den Suizid trieb war Szomorú Vasárnap (Gloomy Sunday).

Youtube

Die Rezeption von Das Fenster zum Hof

Rear Window war ein Riesenerfolg und spielte allein in den USA mit allen Re-Releases 36,8 Mio $ ein. Der Film ist der dritte, der Five Lost Hitchcocks, den wir hier besprechen (nach Vertigo und The Trouble with Harry), also jener Filme, deren Rechte bei Hitch lagen und die er nach der Kinovorführung bis zu seinem Tod unter Verschluss hielt. 1967 wurden die Filmnegative von Rear Window bei einem Brand zerstört. 1999 wurde der Film restauriert.

Preise & Bestenlisten

Zitate & Referenzen

Der Film bietet sich aufgrund des begrenzten Plotts gut an für Remakes oder Hommagen. Es gibt wirklich sehr viele verschiedene Adaptionen des Grundsettings, in dem ein Protagonist an sein Zimmer gefesselt ist und etwas schreckliches beobachtet. So wurde er etwa 1998 mit dem querschnittsgelähmten Christopher Reeve in der Hauptrolle neuverfilmt.

Copyright Fuckup

2007 gab es mit Disturbia eine Neuinterpretation des Stoffs von Regisseur D. J. Caruso mit Shia LaBeouf in der Hauptrolle. 2008 verklagten die Rechteinhaber, der Sheldon Abend Trust, die an Disturbia beteiligten Produktionsfirmen, dass sie das Copyright verletzt hätten. Aber 2010 unterlagen sie vor Gericht.

Einige weitere Beispiele für Filme und Serien, die das Grundthema aufgriffen oder variierten:

  •  Brian DePalma, der großer Hitch-Fan ist und unzählige Referenzen in seine Filme einbaut, verwendete in Sisters (1973) und Body Double (1984) das Motiv der spionierenden Nachbarn.
  • Die Knight-Rider-Folge Halloween Knight (1984) ist eine Variation
  • In Woody Allens Manhattan Murder Mystery (1993) wird das Thema des obsessiven Verdachts gegen Nachbarn aufgegriffen
  • In The Simpsons: Bart of Darkness (1994) schlüpft Bart in die Rolle
  • Friends (1994) der Running-Gag mit „Ugly Naked Guy“ ist ebenfalls eine Referenz
  • In Robert ZemeckisWhat Lies Beneath (2000) wird das Thema am Anfang des Films aufgegriffen
  • Die fabelhafte Welt der Amelie (2001) zollt Hommage in Form des Charakters Raymond Dufayel
  • Intime Fremde (2004) benutzt das Szenario am Anfang um Voyeurismus als Leitmotiv zu etablieren
  • Scream 4 (2011): Rear Window wird immer wieder wörtlich referenziert, schließlich beobachten zwei Protagonisten einen Mord durchs Fenster auf der anderen Straßenseite.
  • In Person of Interest: Super (2012) tauchen neben vielen anderen Referenzen der Rollstuhl und das Fernglas auf.
  • Castle: The Lives of Others (2013) – Castle schlüpft in die Rolle.

Lesenswert & Sehenswert

 

SF39 – Star Trek II: Der Zorn des Khan (feat. Mathias)

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He’s dead already

In Gedenken an Leonard Nimoy haben wir uns mal wieder Verstärkung an Bord geholt und Mathias live aus Berlin zugeschaltet um der Zahn des Korn zu besprechen. Nachdem wir ersteinmal klären müssen, wie der Film überhaupt endet, laufen wir nicht weinend aus dem Kino, sondern spülen Khan weich, wobei wir offene Hemden, enge Hosen, schöne Brillen-Etuis und Windeln tragen. Ohne Textnachrichten und WLAN hatten wir aus Tradition nicht weniger technische Schwierigkeiten als die Enterprise in der Schlacht mit Khaaaaaaaan!

Bitte beachtet: Bei Minute 29:33 hängte sich mein Computer auf und zerschoss das fragile Audio-Setup mit Skype, es folgen zwei Minuten wirklich schlechter Klang, bei Minute 31:33 haben wir dann das Setup komplett umgestellt, was die Episode wieder hörbar macht, aber dazu führt, dass Mathias klingt, als spreche er durch ein Dosentelefon.

Vorgeplänkel

Unser Sponsor ist diesmal Khan, das Zitat stammt aus Star Trek II: The Wrath of Khan. Copyright: Paramount Home Entertainment Den Film könnt ihr hier auf Amazon* kaufen ♦ Wir klären noch einmal kurz das EndeDie Familie der Hunde unterscheidet sich in die Tribus Echte Füchse (Vulpini) und Echte Hunde (Canini). Wölfe und Mähnenwölfe sind verschiedene Gattungen, die zum Tribus der Canini gehören. Unsere Haushunde sind dann Unterarten der Wölfe ♦ Paula sucht einen Film und hat ihn auch schon gefunden (Siehe Kommentare) ♦ Paulas erste Star-Trek-Serie war TNG, ihre Lieblingsserie ist DS9, aber sie hat auch einen Platz im Herzen für Captain Janeway reserviert. Sie hat alle Star-Trek-Filme außer Star Trek IV gesehen. Mathias hat alles an TNG gesehen, er hat eine nostalgische Liebe für TNG aber DS9 ist seine Lieblingsserie ab dem Moment, in dem Captain Sisko Bart trägt. Daniels erste Serie war TNG, sie ist auch seine Lieblingsserie, allerdings erkennt der die Qualitäten von DS9 an.

Eckdaten

Regie: Nicholas Meyer
– Filmographie (Auswahl):

Drehbücher unter anderem für:

Besetzung: William Shatner (Admiral James T. Kirk), Leonard Nimoy (Captain Spock), DeForest Kelley (Dr. Leonard McCoy), James Doohan (Commander Montgomery Scott), George Takei (Lt. Com. Hikaru Sulu), Walter Koenig (Commander Pavel Chekov) Nichelle Nichols (Lt. Com. Nyota Uhura), Kirstie Alley (Lieutenant Saavik) Ricardo Montalbán (Khan Noonien Singh)
Erscheinungsjahr: 1982
Budget: 11 Mio $
Genre: Sience Fiction

Die Produktion von Star Trek II: Der Zorn des Khan

Der erste Star-Trek-Film hatte noch 35 Mio $ gekostet, er wurde zwar ein finanzieller Erfolg, aber von der Kritik zerrissen. Als Konsequenz bekam Star Trek II ein viel geringeres Budget und Gene Roddenberry wurde als Produzent entlassen. Roddenberrys Entlassung war vielleicht nicht die schlechteste Idee, denn sein Script für Wrath sah ursprünglich vor, dass die Crew in die Vergangenheit reist und Spock JFK erschießt. Allerdings wurde Rodenberry als Consultant behalten. Er torpedierte daraufhin die Produktion. So weigerte er sich mit den Produzenten zu reden, sondern schickte ihnen täglich etliche Memos mit seiner Fachmeinung.

Leonard Nemoy hatte eigentlich keine Lust mehr Spock zu spielen, Harve Bennett, der neue Produzent, schaffte es, ihn zu überreden, indem er die Sterbeszene ins Script einarbeite: Ein letzter großer Auftritt für Spock sollte es werden. Ursprünglich sollte Spock schon in der ersten Hälfte des Films sterben. Aber irgendjemand – Roddenberry – leakte das Script, woraufhin die Fans Amok liefen. Es folgte ein ausgereifter Shitstorm mit Protesten, Boykottaufrufen und sogar Morddrohungen. Benett bereitete dem ein Ende, indem er Gerüchte streuen ließ, dass das Studio eingeknickt sei und Spocks Tod aus dem Script gestrichen worden sei. Im Script rückte Spocks Tod zeitlich nach hinten als großer Höhepunkt des Films und zu Beginn wurde der Der Kobayashi-Maru-Test als falsche Fährte eingearbeitet.

Benett holte Nicholas Meyer an Bord, einen jungen Regisseur, der ähnlich wie J. J. Abrams bei Star Trek: Into Darkness gar nichts mit Star Trek am Hut hatte. Meyer überarbeitete das Script noch einmal komplett und gab dem Film den militärischeren und nautischeren Look.

Wegen des knappen Budgets wurden alte Kullissen wiederverwendet: die für Star Trek I und die nie realisierte Fernsehserie Star Trek: Phase Two konstruiert worden waren. Unter anderem baute man die Kulisse der Brücke eines klingonischen Raumschiffs aus dem ersten Film zum Torpedoraum der Enterprise um. Für das Raumlabor Regula I verwendeten sie das Modell einer Raumstation aus dem ersten Film und drehten es von oben nach unten, um es anders erscheinen zu lassen. Im Set der Enterprise-Brücke wurde wegen des knappem Budgets sowohl die Kobayashi-Maru-Sequenz, als auch die Szenen auf der Brücke der Reliant gedreht. Es wurde nur etwas verändert. Zu guter Letzt nahm man auch noch alles an alten Paramount-Kulissen, was nicht niet- und nagelfest war: Zum Beispiel stammt die gemalte Skyline von San Francisco, die durch das Fenster von Kirks Appartement zu sehen ist, stammt aus Flammendes Inferno und das Modell eines Raumschiffs aus Die Eroberung des Weltalls von 1955 wurde als Sauerstofftank wiederverwendet.

Shatner mochte Meyers Drehbuch nicht. Daraufhin setzte der Regisseur sich mit ihm zusammen und ging auf Shatners Wünsche ein. Meyer überarbeitete das Drehbuch und schickte es Shatner zu, der daraufhin eine euphorische Nachricht auf Meyers Anrufbeantworter hinterließ. Meyer spielte diese Nachricht während des Drehs Shatner immer dann vor, wenn der wieder anfing zu motzen. Shatner ist für sein Overacting berüchtigt. Um die gewünschte Leistung von ihm zu erhalten, wandte Meyer einen Trick an: Er ließ Szenen solange wiederholen, bis Shatner müde wurde und nahm dann den letzten Take.

Die Spezialeffekte stammen von George Lucas’ Industrial Light & Magic. Der Genesis-Effekt gilt als erste komplette CGI-Szene in einem Spielfilm. Eine Unterabteilung von ILM erschuf die Szene. Aus dieser Abteilung ging später Pixar hervor.

Filmisches Erzählen in The Wrath of Khan

„In many ways, The Wrath of Khan feels more like a deconstruction of Star Trek than a celebration of it, a rather cynical exploration of the nuance of Gene Roddenberry’s utopian future.“

The m0vie Blog

Die erste Szene

Der Film beginnt mit einer Textzeile: „Im 23. Jahrhundert …“. Es folgt ein Shot von Spock aus dem Profil vor einem Bildschirm, auf dem man die Kontur der Enterprise sieht. Meyer wollte mit diesem Einstieg neue Fans erreichen, die sich mit Star Trek nicht auskennen und ihnen gleich die beiden berühmtesten Bilder von Star Trek zeigen: Spock und die Enterprise.

Der Kobayashi-Maru-Test

Der Kobayashi-Maru-Test ist ein No-Win-Szenario, das Sternenflotten-Kadetten durchlaufen müssen. Mathias fragte, ob in TNG erwähnt wid, ob Picard den Test abgelegt hat. Im offiziellen Serien- und Filme-Kanon ist dies nicht der Fall. Wir diskutierten, ob es ein Plottloch ist, dass den Studierenden nicht bekannt ist, dass der Test nicht zu bestehen ist. Mathias argumentiert, dass den Studenten einfach nicht gesagt wird, dass der Test nicht zu bestehen ist. Jeder glaubt dann, dass nur er oder sie selbst nicht bestanden haben.

Der Test bildet eine thematische Klammer um den Film, da am Ende, wenn Spock sich opfert das Dilemma wieder aufgegriffen wird, wonach Spock stirbt oder die Enterprise zerstört wird.

Älter werden

Listen closely during one of the first scenes between Kirk and his trusted friend Dr. McCoy. McCoy is chiding Kirk for giving up his post as a captain on a ship in favor of “flying a computer console” as an admiral. It took a few viewings, but I finally caught a sound cue barely audible in the background of Kirk’s apartment: a steadily, softly, ticking clock.
“Jim,” McCoy says, “I’m your doctor, and I’m your friend. Get back your command. Get it back before you become part of this collection [of antiques]. Before you really do grow old.”
Tick…tick…tick…

Tom Leveen

Das Älterwerden und der Umgang mit dem Alter ist ein zentrales Thema in Star Trek II. Kirk wird bei seinem ersten Auftritt als Mythos inszeniert. Nachdem Saavik beim Kobayashi-Maru-Test gescheitert ist, öffnet sich eine Tür und Kirk tritt von hinten angestrahlt und von Rauch verhüllt in den Raum.

Während der kompletten Exposition wird dann dieser Mythos dekonstruiert: Kirk wird als alt dargestellt, er trägt eine Brille, er hat einen unehelichen Sohn. Außerdem wurde er zum Admiral „befördert“ und die Enterprise wurde außer Dienst gestellt. Als letzte Konsequenz dieses Hauptthemas steht dann am Ende der Tod von Spock.

Konsequenzen

„A young cadet is killed during Khan’s first attack on theEnterprise. The cadet, dying, grabs Kirk’s jacket, leaving a bloody handprint.“

Tom Leveen

Ein weiteres wichtiges Thema sind Konsequenzen. Kirk muss sich den Konsequenzen seiner früheren Taten stellen. Zentral ist hier natürlich, dass er Khan auf einem unbewohnten Planeten zurückließ. Anscheinend hatte Kirk der Sternenflotte nie bescheid gegeben, dass er Khan auf Ceti Alpha V zurückgelassen hat. Oder die Sternenkarten der Sternenflotte sind sehr schlecht, sodass der Crew der Reliant nicht auffällt, dass ein Planet des Systems fehlt, sodass sie Ceti Alpha V für Ceti Alpha VI halten (VI ist explodiert).

Aber auch die Nebenhandlung, dass Kirk einen Sohn hat, um den er sich nie gekümmert hat, spielt mit diesem Thema.

Der Tod von Spock verweist auch wieder auf dieses Thema. Der Logik folgend, dass „the needs of the many outweigh the needs of the view“, muss Spock in letzter Konsequenz sterben.

Der Look des Films

„So I said, ‘OK, this is ‘Hornblower’ in outer space; I’ve got it.’ When I wrote the script in 12 days it was very, very, very Navy, or, as my late wife used to say, ‘Nautical but nice.’“

Nicholas Meyer

Meyer wollte dem ganzen Film einen wirklichkeitsnäheren und militärischeren Look geben als in der Serie. Der neue Look zeigt sich zum Beispiel in den neuen Uniformen. Die neuen Uniformen lehnten sich an die napoleonischer Soldaten an.

I decided that this was going to be ‘Hornblower’ in outer space, so I said, ‘Okay, if this is going to be the Navy, let’s have them look like the Navy; they shouldn’t be walking around in pyjamas.’ Which seemed to me to be what the uniforms in the first movie and the TV show looked like.“

Nicholas Meyer

Außerdem wurde vor Star Trek II nie genau zwischen Föderation und Sternenflotte unterschieden, während dies hier ein explizites Thema ist, besonders von Kirks Sohn wird Militär-Kritik geäußert.

Ferner  wollte sich Meyer bewusst von Star Wars abheben, das ja gerade der große Hit war. In Star Wars werden die Raumschiffe stark an Flugzeuge angelehnt. Hingegen wollte Meyer die Raumschiffe in Star Trek eher mit Segelschiffen assoziiert wissen. Der Showdown im Nebel referenziert den Film Das Boot. Auch in der Sprache der Protagonisten wird viel Seefahrer-Slang benutzt und die Raumschiffe bewegen sich so träge wie Segelschiffe. Zudem stehen in Kirks Wohnung lauter Seefahrer-Assecoires und die Crew von Khan wirkt wie eine Piraten-Truppe – Sie kapern ja auch folgerichtig erst einmal ein Schiff.

Khan

Khans Leitmotiv ist Captain Ahab, er jagt Kirk, wie Ahab Moby-Dick jagt. Paula kritisiert, dass Khan weichgespült wirkt. Außer der Henkel-Hochheb-Szene und den Würmern im Ohr bricht er die Regel Show don’t tell. Er erzählt erstens immer, wie böse er ist und zweitens wie genetisch überlegen, aber zu sehen bekommen wir dies eher weniger.

Plottlöcher

Wir streiten, ob der Kobayashi-Maru-Test ein Plottloch ist. Außerdem ob der Genesis-Torpedo und Marcus‘ Angst, dass Projekt Genesis als Waffe missbraucht werden könnte, Plottlöcher sind. Mathias verweist außerdem darauf, dass Spocks Sarg in der Athmosphäre des Genesis-Planeten zu detonieren scheint, später aber unversehrt auf der Oberfläche liegt. Einig sind wir uns hingegen, dass die Tatsache, dass Khan Chekov wiedererkennt kein Plottloch ist, da sie sich Offscreen in der Enterprise über den Weg gelaufen sein können. Hingegen kritisiert Mathias, dass Kirk und Marcus wegen einer schlechten Verbindung nicht kommunizieren können, aber nicht auf die Idee kommen, eine Textnachricht zu schicken.

Utilitarismus

Spocks Leitsatz …

„the needs of the many outweigh the needs of the view or the one“

… ist redundant, da rein logisch der Einzelne schon impliziert ist, wenn vom Wohl einiger die Rede ist. Im Film wird dies so ostentativ betont, da es sich natürlich um eine epische Vorausdeutung handelt. Das philosophische Prinzip dahinter ist der Utilitarismus. Der Utilitarismus geht auf Jeremy Bentham (1748–1832) und John Stuart Mill (1806–1873) zurück. Bentham war übrigens der Typ, der auf eigenen Wunsch nach seinem Tod mumifiziert wurde und seitdem in einer Vitirine des Londoner University College rumhockt. Als ethisches Prinzip ist der Utilitarismus natürlich nicht rein logisch, wie Spock behauptet, sondern eine Werte-Entscheidung. Das Streben nach Glück ist ein Grundprinzip des Utilitarismus, der das größtmögliche Glück für die größtmögliche Zahl erreichen will. In den USA ist diese Philosophie weit verbreitet und The Pursuit of Happyness ist sogar ein Grundrecht. Das dem Utilitarismus zugrundeliegende Mehrheitsprinzip gilt außerdem als ein Grundprinzip der Demokratie. Allerdings sieht Daniel das kritisch und folgt eher Karl Popper, der als demokratisches Grundprinzip nicht das Mehrheitsprinzip sondern die Möglichkeit des friedlichen Machtwechsels ansieht. Aber das führt jetzt zu weit …

 Zitate & Referenzen

  • Das Genesis-Projekt referenziert die Bibel.
  • Meyer sagte, Kirk erinnere ihn an Captain Horatio Hornblower von C. S. Forester, weswegen der dem Film den beschriebenen nautischen Look gab.
  • Spock schenkt Kirk A Tale of Two Cities von Charles Dickens. In A Tale of Two Cities stirbt auch jemand am Ende einen Opfertod. Außerdem liest Kirk den berühmten ersten Satz vor: „It was the best of times, it was the worst of times„.
  • Im Regal von Khan stehen die Bücher Paradise Lost, King Lear und Herman Melvilles Moby Dick.
  • Moby-Dick ist wie gesagt Khans Leitmotiv. Wie Captain Ahab nicht von Moby Dick ablassen kann, so kann Khan nicht von Kirk ablassen. Khan lässt während des ganzen Films einen Handschuh an. Dies könnte man als Metapher für Ahabs Holzbein sehen. Khan zitiert an einer Stelle auch Ahab direkt: “To the last I will grapple with thee… For hate sake… I spit my last breath at thee!”
  • Der Zorn des Khan ist eine Fortsetzung der Star-Trek-TOS-Episode Space Seed.
  • Wie erwähnt, referenziert der Showdown im Nebel Das Boot.

Die Rezeption von Star Trek II: The Wrath of Khan

TWOK fleshes out the Trek universe into a living, breathing world. The interaction between Kirk, Spock and McCoy is first rate, these are the characters we loved on TV, they’re right at the heart of the story, as they should be, and not at the expense of the still excellent special effects.

Den of Geek!

Der Film erhielt positive Kritiken, er wurde vor allem im Vergleich mit Star Trek I sehr gelobt. Der Zorn des Khan gilt heute als das erste Reboot des Star-Trek-Franchises und hatte einen enormen Einfluss auf alle kommenden Star-Trek-Serien und Filme. So wurden fortan alle Villains in Star Trek immer mit Khan verglichen, was seinen Höhepunkt in Star Trek: Into Darkness fand, in dem Khan einfach wiederverwertet wurde.

„Every single Star Trek movie that came after The Wrath of Khan was completely judged in contrast to this one. And part of the problem with TNG-era Trek films, and even some Trek TV, is that they tried to succeed by emulating the aesthetics, tone, and plot of this movie.“

TOR.COM

Der Film war auch ein großer finanzieller Erfolg, er spielte weltweit 97 Mio $ ein und damit fast das neunfache seiner Produktionskosten. 2002 erschien ein Director’s Cut auf DVD.

Zitate & Referenzen

Lesenwert, Sehenswert & Hörenswert

The End.

*Hinterhältiger Affiliate-Link: Wenn ihr den Film kauft, bekommen wir eine winzige Provision und freuen uns.