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SF167 – Der Mann, der zuviel wusste (1934/Hitchcock-Reihe)

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am Klavier


What could be more touching than that?

Endlich besprechen wir mal wieder einen Hitchcock! The Man Who Knew Too Much ist der Film, der den jungen Regisseur weltberühmt machte. Dabei erfahrt ihr, was Chruchill damit zu tun hatte, warum Peter Lorre hoffte, dass Hitch seine schlechten Englischkenntnisse nicht bemerkt, wie Hitch Kritik an den Nazis in den Thriller packt und warum er diesen Film 20 Jahre später noch einmal machte.

Die Eckdaten von The Man Who Knew Too Much (1934)

Erscheinungsjahr: 1934
Regie: Alfred Hitchcock
– Filmographie (Auswahl):
1925
The Pleasure Garden (sein Debüt/Spätfilm berichtete)
1927 The Lodger (gilt als der erste echte Hitchcock)
1929 Blackmail (sein erster Tonfilm, gilt noh als recht innovativ)

Doch danach geriet Hitchcock in eine Schaffenskrise, als deren Tiefpunkt das Melodrama …

1934 Waltzes from Vienna gilt.

Hitchcock litt unter den neuen Anforderungen des Tonfilms, das viele starre Equipment lief seinem dynamischen Stil mit einer fluiden Kamera entgegen. Aus seiner Zeit Babelsberg stammte noch die Technik der ‚entfesselten Kamera‘. Doch die neuen Anforderungen erlaubten das nicht mehr und Hitch fand lange keine Antwort darauf. Seine Filme waren langweilig geworden. Hitch schien einer von vielen talentierten Stummfilmregisseuren zu sein, der den Sprung zum Tonfilm nicht schaffte. Doch dann kam:

1934 The Man who knew too much

Drehbuch: Charles Bennett, (schrieb auch die Drehbücher zu folgende Hitchcock-Filmen: Foreign Correspondent, Sabotage, Secret Agent, Die 39 Stufen und Blackmail) als zweiter Drehbuchautor gilt D. B. Wyndham Lewis.

Bennett behauptete 1984 im Interview, dass Lewis nur ein paar Dialoge geschrieben habe, die es letztlich nicht in die finale Version des Films schafften. Es ist aber davon auszugehen, dass das Drehbuch eine Kooperation von mehreren Menschen war und sich nicht genau sagen lässt, wer was geschrieben hat.

Produktion: Michael Balcon (der damals gerade als Produzent zur Gaumont British Picture Corporation gewechselt war)
Kamera: Curt Courant (hat in 138 vor allem englischen oder französischen Filmen die Kamera geführt, u. a. beim Chaplin-Spätwerk Monsieur Verdoux (1947), Le Jour se Lève (1939/ein Film Noir Vorläufer), La Bête Humaine (1938 von Jean Renoir) und Frau im Mond (1929 von Fritz Lang)
Besetzung: Peter Lorre als Abott (M – Eine Stadt sucht einen Mörder 1931, Der Malteser Falken 1941, Casablanca 1942, Arsen und Spitzenhäubchen 1944), Leslie Banks als Bob Lawrence (in Hitchs Jamaica Inn 1939), Edna Best als Jill Lawrence (u. a. The Key (1934), von Michael Curtiz und The Ghost and Mrs. Muir (1947) von Joseph L. Mankiewicz)
Budget: 40.000 Pfund
Genre: Thriller

Die Produktion von Der Mann, der zuviel wusste (1934)

Von der Idee zum Drehbuch

Die allererste Idee zu ‚The Man who knew too much‘ kam Hitchcock bereits in seinen Flitterwochen 1926 in St. Moritz. Da stand er im Hotel am Fenster und sah den Eisläufern zu. Sein Einfall war, einen Thriller zu machen, bei dem ein Spion eine Botschaft mit Schlittschuhen ins Eis schreibt. In dem Hotel in St. Moritz machten Hitch und Alma Reville übrigens 45 Jahre lang Urlaub in der gleichen Suite.

Nachdem Waltzes from Vienna sowohl beim Publikum als auch bei der Kritik gefloppt war, wurde Hitchcocks Vertrag bei seinem alten Studio nicht verlängert. Michael Balcon, der schon früher mit Hitch zusammengearbeitet hatte, hörte davon und holte ihn zu Gaumont. Der Wechsel sollte sich äußerst positiv für Hitch auswirken, denn er bekam bei Gaumont mehr künstlerische Freiheit.

Als Grundlage für ‚The Man‘ diente eine Geschichte aus der damals populären Bulldog-Drummond-Detektiv-Reihe über eine internationale Verschwörung und ein Baby. Allerdings konnte das Studio nicht die Rechte an der Detektiv-Story bekommen, denn Studioboss John Maxwell war nicht bereit, die hohen Lizenzgebühren zu zahlen. Daher wurden nur grobe Eckpunkte des Plots verwendet. Der Titel stammt wiederum von einem Buch von G.K. Chesterton, Das aber inhaltlich nichts mit dem Film zu tun hat. Er wurde wohl nur genommenen, weil Hitchcock die Rechte daran besaß.

Drehbuchautor Charles Bennett hatte selbst eine Vergangenheit beim British Intelligence Service. Er hatte während des ersten Weltkrieges für ihn gearbeitet. Diese Erfahrung ließ er angeblich in das Skript einfließen.

Ein weiterer Einfluss war wahrscheinlich das „Lindbergh Kidnapping“ 1932 – 1934 – ein Fall bei dem das 1,5 Jahre alte Kind des berühmten Piloten Charles Lindbergh entführt und ermordet wurde. Der Fall und der anschließende Prozess erzeugten eine enorme Medienaufmerksamkeit. Reporter H. L. Mencken nannte sie „the biggest story since the Resurrection“.

Wie bereits in den Eckdaten erwähnt entstand das eigentliche Drehbuch dann wahrscheinlich und einer Kollaboration, was auch typisch wäre für Hitchcocks Arbeitsweise. Die Drehbuchautoren, Alfred und Alma, der befreundete Regisseur und „Associate Producer“ Ivor Montagu und der befreundete Drehbuchautor Angus MacPhail trafen sich bei den Hitchcocks und entfallteten nach und nach die Geschichte, indem sie alle ihre Vorschläge einbrachten.

Auch der Shootout am Ende hatte ein reales Vorbild. 1911 hatte sich in London eine Anarchistengruppe in einem Haus verschanzt. Der Polizei gelang es nicht, die Belagerten auszuheben, und so musste die Armee geholt werden. Der Vorfall ist in der englischen Kriminalgeschichte als „Belagerung der Sidney Street“ bekannt. Damals war Churchill Polizeichef in London. Er hat die Operation geleitet.

Die englische Zensurbehörde wollte zunächst verhindern, dass die Szene gedreht wird, denn sie hielt die wahren Begebenheiten für einen Makel der englischen Polizeigeschichte und wollte diesen nicht wieder aufwärmen. Schließlich bekam Hitch nur die Auflage, dass die Waffen alte Waffen sein sollten, die die Polizisten nicht mitbrächten sondern von einem Antiquitätenhändler holten.

Die englische Polizei ist traditionell unbewaffnet. Von 120.000 Polizisten in England und Wales tragen nur ca. 6.000 eine Waffe (und auch das erst seit dem 11. September). Als 1829 die Metropolitan Police gegründet wurde, ging unter der Bevölkerung die Angst um, dass die neue Sicherheitsbehörde – genau wie das damals gefürchtete Militär – repressiv werden könnte. Aus diesem Grund wurde das Prinzip „policing by consent“ eingeführt. Diese Idee, dass die Polizei primär der Bevölkerung und nicht dem Staat gegenüber verpflichtet ist, hat in Großbritannien bis heute Gültigkeit.

Das Casting von Peter Lorre

Peter Lorre war in der Weimarer Republik ein Star gewesen. Fritz Langs M hatte ihn weltberühmt gemacht, auf der Bühne hatte er unter anderem mit Bertold Brecht zusammengearbeitet. Doch dann kamen die Nazis an die Macht und das bedeutete für den Juden Auftrittsverbot. Lorre floh schon 1933 aus Berlin über Wien und die Tschecheslowakei nach Paris.

Obwohl er sehr gut Französisch sprach, bekam er in Frankreich nur wenige kleine Rollen. Zudem litt er unter eine Morphiumabhängigkeit und musste eine Entziehungskur machen, was seine kleinen Ersparnisse verschlang. Vor ‚The Man Who Knew Too Much‘ lebte er völlig verarmt mit seiner Freundin Celia Lovsky in einem kleinen Apartment in Paris.

Ivor Montagu kam auf die Idee, diesen Peter Lorre als den Attentäter zu besetzen und erinnerte Hitch an Lorres Preformance in ,M – Eine Stadt sucht einen Mörder‘. Hitch war von dem Vorschlag angetan und ließ ein Telegramm nach Paris schicken.

Peter Lorre war so arm, dass er sich die Reisekosten nach London von seinem Bruder leihen musste. Hinzu kam, dass der Schauspieler nur sehr schlecht Englisch sprach. Da er die Rolle unbedingt brauchte, versuchte er, dies im ersten Gespräch mit Hitchcock zu verheimlichen, indem er viel lachte, lächelte und auf alles, was der Regisseur sagte, mit „Yes“ antwortete. Denn Lorre glaubte, dass ein „No“ zu viele Erklärungen im Anschluss erfordere.

Überraschenderweise funktionierte das nicht und die Crew war sich vollkommen im Klaren, dass Peter Lorres Englisch armselig war. Dennoch war Hitch von dem Deutschen so überzeugt, dass er ihn nicht nur in der kleinen Rolle des Attentäters besetzte, sondern zum Obergangster machte.

Lorre hängte sich zum Dank auch richtig rein, arbeitete in der Vorbereitung bis spät in der Nacht an seiner Rolle, übersetzte sich alle seine Lines mit einem Wörterbuch ins Deutsche, um sie zu verstehen und lernte die Zeilen teilweise mithilfe von phonetischen Transkriptionen.

Lorre bekam von der Crew übrigens den Spitznamen „Der Wandelnde Mantel“, da er stets einen Mantel trug, der ihm bis zu den Füßen reichte.

Der Dreh und die Musik von ‚The Man Who Knew Too Much‘

Hitch hatte schon damals die Vorliebe, möglichst alles im Studio zu drehen. So schickte er nur seine Second Unit aus, um vor Ort ein paar Establishment Shots zu machen. Selbst die Eröffnungsszenen wurden trotz Hitchs Leidenschaft für St. Moritz nicht in dem Ort in den Alpen gedreht, sondern so, wie es Hitch am liebsten hatte: Im Studio in London.

Sowohl im Original als auch im Remake findet das Attentat in der Royal Albert Hall in South Kensington statt. Allerdings wurde auch das Innere der Oper im Studio nachgebaut. Um das Publikum darzustellen, wurde das sogenannte Schüfftan-Verfahren verwendet (benannt nach dem Erfinder: Kameramann Eugen Schüfftan). Es wurde eine Fotografie der leeren Zuschauerränge gemacht. Auf die malte der Künstler Fortunino Matania das Publikum. Allerdings wurden Teile der Fotografie ausgeschnitten. Dann wurden Filmaufnahmen mit einigen wenigen Statisten auf den sonst leeren Zuschauerrängen gemacht, während das Foto mit Hilfe eines Spiegels so zwischen Kamera und Motiv platziert wurde, das es die Reste des Publikums auffüllte.

Extra für diesen Film schrieb der australische Komponist Arthur Benjamin die Storm Clouds Cantata, die perfekt auf die Attentatsszene abgestimmt ist. Sie kommt daher auch im Remake zum Einsatz. Da der Tonfilm gerade erst erfunden worden war, hat der Film außer im Vor- und Abspann keine extradiegetische Musik. Der Stand der Technik erforderte es, dass Musik wie die Tanzmusik am Anfang oder die Stirm Clouds Cantata live eingespielt wurden.

Filmisches Erzählen in ‚Der Mann, der zuviel wußte‘

Wie erzählt der Film seine Geschichte?

Der MacGuffin

‚The Man Who Knew Too Much‘ gilt als der erste Hitchcock mit einem richtigen MacGuffin. Also einem austauschbaren Storyelement, das nur dazu dient, die Protagonisten in die Handlung zu schubsen. Was ist es? Die Nachricht über das geplante Attentat.

Set Pieces in ‚The Man Who Knew Too Much‘

Der Film ist einer der ersten von Hitchcock, der mit „Set Pieces“ arbeitet. Ein Set Piece ist eine kleine abgeschlossene Erzählung innerhalb der großen Erzählung. Der Klassiker unter den Set Pieces ist die Verfolgungsjagd. Das Problem von Set Pieces ist, dass sie einen Film episodisch wirken lassen (Die Erzählform ist „und dann und dann und dann …“ vgl. Every Frame A Painting).

Um das zu vermeiden arbeitet Hitch mit Hooks – Szenenübergängen, die die verschiedenen Setpieces filmisch verbinden. Es muss aber auch eine erzählerische Verbindung geben, oder JA, diese ergeben sich durch erzählerische Muster. Die Frage muss beantwortet sein, warum die Protagonisten das alles machen. Hitchcock Erklärung ist hier die Suche nach dem Kind und das damit verbundene Entschlüsseln der Nachricht.

Es gibt sechs Sequenzen/Set Pieces:
  1. St. Moritz
  2. Zurück in London
  3. Der Zahnarzt
  4. Die Sonnenanbeter-Sekte
  5. Die Albert-Hall-Sequenz
  6. Die Belagerung

Die Klammer um den Film

Der Film beginnt mit dem Satz “Are you all right, sir?” Und endet mit “It’s all right.” Weiterhin beginnt der Film damit, dass Jill auf Tontauben schießt und nicht trifft, da Abbott sie ablenkt (2. Szene). Im Höhepunkt lenkt sie dann Ramon mit ihrem Schrei ab, sodass er nicht trifft. Der Film endet damit, dass Jill auf Ramon schießt und trifft.

Outstanding Moments

Die Albert-Hall-Sequenz

Hitch bringt hier die Dynamik der Stummfilm-Inszenierung zurück: Eine bewegte Kamera, Point of View Shots, Unschärfe als Indiz für Jill’s Panik, Crosscutting mit den Kidnappern. Passend zur Musik baut die Kamera ein Crescendo auf, indem die Schnitte immer schneller werden, synchron zur Musik. Dann kommt der Trackingshot weg von Jill.

Hitchs Cameo

Mit einem schwarzen Regenmantel bekleidet überquert er nach etwa einer halben Filmstunde die Straße, direkt nach der Zahnarzt-Szene, wenn der Bus vorbei fährt, bevor Bob und Clive die Kapelle betreten.

Worum geht‘s wirklich?

Frauenrollen

Jill macht alle entscheidenden Schritte und rettet am Ende den Tag. Sie hat die aktivere Heldenrolle von Beginn an. Sie wird als stark und kompetent im Tontaubenschießen etabliert. Bob hingegen kümmert sich um das Kind und hantiert mit dem Strickzeug rum. Außerdem scheitert Bobs Versuch die eigene Tochter zu retten. Er wird zur Damsel in Distress. Am Ende triumphiert Jill.

 

Familie und Partnerschaft

Wie fast alle Hitchcock-Filme, ist dies auch ein Beziehungsfilm. Was sagt ‚The Man‘ über Partnerschaft und Familie? Die zentrale Frage, die er aufwirft, ist: Wie rettest du die Welt ohne deine Familie zu zerstören?

Englishness

Der Film verhandelt, was es bedeutet, englisch zu sein. ‚The Man‘ war ein erster Schritt von Hitch, sich politisch gegen Nazideutschland zu positionieren. In den folgenden Jahren wurde Hitchcocks Kritik am Nationalsozialismus noch wesentlich direkter und pointierter, aber ‚The Man Who Knew Too Much‘ war eine erste Salve in Richtung Deutschland.

Peter Lorre wird hier schon als deutscher Tyrann inszeniert und die Sektenszenen kann man als Anspielung auf die Verehrung Hitlers durch die Deutschen lesen..

Easter Egg

Leslie Banks trägt in der Eröffnungsszene einen Schal mit dem Logo von Gaumont British Pictures.

Die Rezeptionsgeschichte von ‚Der Mann, der zuviel wußte‘

Da sich ‚The Man Who Knew Too Much‘ so sehr von anderen britischen Filmen dieser Zeit unterschied, war der Vorstand von Gaumont unentschlossen, was sie damit tun sollten. Sie zeigten den Film dem Filmvertriebler C.M. Woolf, der schon zuvor Hitchcock-Filme nicht gemocht hatte und The Man „entsetzlichen Müll“ nannte. The Man sollte schon in der Schublade verschwinden, da setzte sich  Ivor Montagu beim Vorstand dafür ein. Auch Produzent Michael Balcon, der gerade in den USA war, schickte ein zorniges Telegramm, dass The Man in die Kinos kommen müsse. Am Ende kam ein sehr schlechter Kompromiss heraus. The Man wurde eine Woche lang in Londoner Kinos als Teil eines Double-Features gezeigt. Bei diesen Aufführungen erhielt The Man überschwängliche Reviews und die Erfolgsgeschichte begann.Der Film wurde Hitchcocks größter englischer Filmerfolg. Auch in Amerika war er äußerst erfolgreich und stellte die Weichen für Hitchcocks Hollywood-Karriere.

Mit ‚The Man‘ begann Hitch eine Reihe von sechs Thrillern, die zusehends politischer wurden. Es war außerdem der erste „globe-trotting spy thriller“ von Hitch. Ein Genre, zu dem er immer wieder zurückkehren sollte.

Bereits 1941, als Hitch schon in Hollywood aber noch bei Selznick unter Vertrag stand, hatte er die Idee eines Remakes. Natürlich gestattete Selznick ihm das nicht. Erst in den 50ern, als er für Paramount arbeitete und einen Publikumserfolg nach dem anderen lieferte, bekam er das Budget. 1956 machte Hitch dann ein Remake seines eigenen Films mit James Stewart und Doris Day in den Hauptrollen. Hitch selbst sagte im Interview mit Truffaut dazu: „Let’s say the first version is the work of a talented amateur and the second was made by a professional.“

Die Rechteinhaber verlängerten das Copyright von ‚The Man‘ nicht. Daher ist der Film heute gemeinfrei. Im Internet gibt es zahllose Schnittfassungen und zumeist schlechte Kopien.

Preise und Bestenlisten von The Man Who Knew Too Much

1935 erhielt Hitchcock die Goldmedaille des „Institute of Amateur Cinematographers“ als bester Regisseur des Jahres.

Zitate und Referenzen

  • In Oliver Twist (1948) nimmt Sky Oliver als menschliches Schutzschild und wird dann trotzdem von einem Polizisten erschossen. Die Inszenierung erinnert stark an ‚The Man Who Knew Too Much‘.
  • Mit Schirm, Charme und Melone: The Bird Who Knew Too Much (1967) referenziert den Titel.
  • Die Simpsons: The Boy Who Knew Too Much (1994) ebenfalls.
  • Supernatural – Zur Hölle mit dem Bösen: The Man Who Knew Too Much (2011) ist auch eine Titel-Referenz.
  • Star Wars: The Clone Wars: The Jedi Who Knew Too Much (2013) ist Teil eines Vier-Folgen-Erzählstranges. Alle vier Folgen sind nach Hitchcock-Filmen benannt.

Lesenswert

SF70 – Rebecca

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Schwarzer Pudel
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Zweite Mrs. de Hesse


Back to the strange days of my life

In dieser Folge kämpft der Spätfilm gegen eine Ente so groß wie ein Pferd. Wir blicken zurück auf Manderley und sehen trashige griechische Götter, in der Definition von Gothic finden wir das „O“ von David O. Selznick und nach einer kurzen Pause auch ganz viel Orson Welles im Hollywood-Debüt von Hitchcock. Wir hoffen, eine Lesbe unter dem Hay’s Code traumatisiert euch nicht und ihr seid nicht „shocked and disappointed beyond words“, wenn wir über die Bedeutung von schwarzen Pudeln abschweifen und in diesem twisted Aschenputtel eine perfekte Treppenszene entdecken. Gehen wir in Medias Res!

Vorgeplänkel und Abschweifungen

Das Fenster zum Hof führt tatsächlich unsere Charts an ♦ Die Enough-Talk-Folge zu The Thing  ♦ Die Her-Folge in der Second Unit ♦ Die Her-Folge im Enough Talk! ♦ No Such Thing As A Fish über Roger Rabbit ♦ Harmontown über Pferde und Enten ♦ Metzlers Literaturlexikon* ♦ Das Blog von Frau Novemberregen

Die Eckdaten von Rebecca

Erscheinungsjahr: 1940
Regie: Alfred Hitchcock
Produzent: David O. Selznick
– Filmographie (Auswahl):
1933 King Kong
1939 Gone with the Wind
1940 Rebecca
1945 Spellbound
1947 The Paradine Case
1949 The Third Man
Budget: 1,3 Mio $
Besetzung: Joan Fontaine (Die zweite Mrs. de Winter), Laurence Olivier (Maximilian de Winter), Judith Anderson (Mrs. Danvers), George Sanders (Jack Favell)
Genre: Thriller, Drama, Mystery, Haunted House, Haunting Gothic Romance

Die Produktion von Rebecca

Hitch und Selznick

Rebecca ist die Geschichte zweier großer Egos, die aufeinanderprallten: Alfred Hitchcock und David O. Selznick. Diese beiden Titanen des Filmgeschäfts rangen vom ersten Moment miteinander, wessen Film Rebecca ist. Ist es ein weiterer Geniestreich des jungen Talents aus England oder der nächste große Wurf vom berühmten Hollywoodproduzent von Gone with the Wind. Es war ein Ringkampf, der erst am Abend der Oscarverleihung entschieden werden sollte. Denn aus diesem Machtkampf entstand entgegen aller Wahrscheinlichkeit ein großer Film. Rebecca war für 11 Oscars nominiert. Darunter der Oscar für die beste Regie (den Hitch bekommen sollte) und den für den besten Film (der an Selznick gehen würde). Lehnt euch zurück liebe Zuhörer und Zuhörerinnen und seit gespannt, wenn wir euch in den nächsten Stunden erzählen, wer diesen Machtkampf am Ende gewann.

Es begann alles mit The Man Who Knew To Much: Hitch hatte ab Mitte der 1930er Jahren in England eine Reihe von Welthits gedreht. Der erste war eben The Man Who Knew To Much 1934. Dies machte Hollywood auf das junge Talent aufmerksam und Hitch bekam Angebote von einigen Studios (Quelle: Truffaut*). Hitch entschied sich für Selznick, da dieser ein unabhängiger Produzent war. Er hatte sein eigenes Studio und arbeitete nicht für eines der großen Studios wie MGM oder Paramount. Hitchcock glaubte, dass dieser unabhängige Produzent auch seinem Regisseur mehr Freiheiten zugestehen würde als das strenge Studiosystem. Er hat sich sehr stark geirrt.

Selznick war es gewohnt, seine Produktionen bis ins kleinste Detail zu überwachen und zu kontrollieren. Für ihn waren Regisseure nur Handlanger, die das machen sollten, was Selznick befahl. Kein Wunder dass dieser Dickkopf mit Hitchcocks dickem Schädel zusammenprallte. Dabei hatte Hitch noch Glück, dadurch, dass Selznick noch in der Postproduktion seines Opus Magnum Gone with the Wind steckte, konnte er nicht an Hitchs Set sein und das ließ Hitch verhältnismäßig viel Freiheit. Allerdings schickte Selznick Hitch unzählige Memos was er wie machen sollte. Später sagte Hitch mal in einem Interview, er plane eines dieser Memos zu verfilmen mit dem Titel „The Longest Story Ever Told“.

Hitch hasste Selznick so sehr, dass er ihm in späteren Filmen immer wieder Tritte verpasste. Über den Mörder in Rear Window sprachen wir schon. Aber auch in North by Northwest gibt es so einen Nachtritt. Das „O“ in David O. Selznick war frei erfunden, quasi ein Künstlername, und hatte keine Bedeutung. In North by Northwest heißt Cary Grants Charakter Roger O. Thornhill. An einer Stelle des Films wird er gefragt, wofür das O steht und antwortet „Nothing!“

Das Drehbuch von Rebecca

Rebecca basiert auf einem Roman von Daphne du Maurier. Das Buch war eine weltweiter Bestseller gewesen und eines von Insgesamt drei du-Maurier-Romanen, die Hitch verfilmt hat: Die anderen waren The Birds und Hitchs letzter brittischer Film Jamaica Inn. Hitch hatte sich schon früher um die Rechte an Rebecca bemüht. Die Summe, die du Maurier dafür aufrief, hatte er aber nicht zahlen können. Da er nun gerade deshalb nach Hollywood gewechselt war, um mit Budgets arbeiten zu können, die die englischen Studios ihm nicht bieten konnten, war es für Hitch ein guter Testballon, Selznick darum zu bitten, Rebecca verfilmen zu können. Selznick willigte ein.

A pro pos Testballon: Den ließ Selznick auch aufsteigen. Um zu testen, ob der Roman sich in ein Drehbuch umsetzen ließ, beauftragte Selznick einen jungen Radioregisseur, ein Hörspiel aus dem Stoff zu produzieren. Das Talent vom Radio hatte zudem mit seinem Hörspiel „The War of the Worlds“ gerade einen großen Hit gelandet und Selznick hoffte auf entsprechende Mitnahmeeffekte für Rebecca. Die Rede ist natürlich von Orson Welles. Als Resultat des Hörspiels trug Selznick Hitchcock übrigens auf, die Titelheldin wie im Roman namenlos zu lassen. Hitch hatte geplant, sie nach der Autorin Daphne zu nennen.

Auch der Rest von Hitchs Drehbuch gefiel Selznick nicht. Wie gewohnt hatte Hitch zusammen mit seinen Drehbuchautorinnen Michael Hogan und Joan Harrison sich viele Freiheiten vom Original genommen und vor allem viel Humor in die Story hineingeschrieben. Das brachte ihm ein Memo von Selznick ein, in dem der Produzent schrieb, er sei „shocked and disappointed beyond words … We bought Rebecca and we intend to make Rebecca.“ Bei einem anderen Aspekt war Selznick viel eher zu Änderungen bereit: Er überlegte lange, den Titel „Rebecca“ nicht zu verwenden, da er ihm zu jüdisch klang.

Hörempfehlung: You Must Remember This zur Hollywood-Blacklist

Der Name wurde letztlich beibehalten, im Gegensatz zum Ende des Romans, in dem offenbart wird, dass Maximilian de Winter Rebecca erschossen hat. Das widersprach dem Hays Code, dem zufolge – wir hatten das Thema schon öfter – Verbrecher nicht ungestraft davonkommen dürfen. Entsprechend wurde es abgeändert.

Die Dreharbeiten von Rebecca

Die Spannungen zwischen Hitch und Selznick nahmen auch während der Dreharbeiten nicht ab. Da Selznick noch immer mit Gone With The Wind beschäftigt war, beauftragte er den Regieassistenten Eric Stacey und das Script-Girl Lydia Schiller ihm jeden Tag alles zu berichten, was Hitchcock macht. Als Hitch das rausbekam, hat er die beiden wohl ziemlich gemobbt. Zum Beispiel erzählte er gerne in Meetings, in denen Schiller anwesend war, so lange obszöne Anekdoten, bis die Script-Supervisorin fassungslos den Raum verließ.

Hitch wiederum war es gewohnt, seine Filme „in der Kamera zu scheiden“. Er hatte eine Szene vor Drehbeginn schon genau im Kopf und drehte dann nur das Material, dass er brauchte. Das wiederum ärgerte Selznick ganz gewaltig. Denn er war es gewohnt, von den Regisseuren viele verschiedene Varianten einer Szene gefilmt zu bekommen und dann selbst im Schneideraum zu entscheiden, was er davon verwendete.

Das hielt Selznick nicht davon ab, Hitch in seinen Job reinzureden. Später wurde Hitchcock nicht müde, die Anekdote zu erzählen, wonach Selznick wollte, dass am Ende über dem brennenden Manderley der Rauch ein großes „R“ formt. Hitch fand dies viel zu dick aufgetragen und entschied sich dann dafür, den Film mit der brennenden Bettwäsche enden zu lassen, auf der „R“ eingestickt ist. Allerdings dürfen wir nicht unerwähnt lassen, dass Selznick die Geschichte mit dem Rauch-„R“ immer abgestritten hat.

Selznick war so unzufrieden, mit der Art und weise, wie Hitchcock den Film inszenierte, dass er zwischenzeitlich überlegte, die Produktion abzubrechen. Er war so verunsichert, dass er sein Frau Irene bat, sich das bereits gedrehte Material anzusehen, um ihm einen Rat zu geben, ob es sich überhaupt lohnte, weiterzumachen. Irene Mayer Selznick sah sich die gedrehten Szenen an und versicherte Selznick, dass sie exzellent waren.

Die Spannungen zwischen Hitch und Selznick waren auch nicht die einzigen Verwerfungen am Set. Laurence Olivier hatte sich stark dafür eingesetzt, dass seine Frischverlobte Vivien Leigh die Rolle der zweiten Mrs. de Winter spielt. Selznick und Hitch entschieden sich aber dagegen, da Leigh nicht zum grauen Maus-Image passte. Nach einem langen Casting, in dem Selznick werbewirksam so ziemlich jede zweite Hollywoodschauspielerin antreten ließ, entschieden sich er und Hitch für Joan Fontaine. Aus Rache, behandelte Olivier Fontaine während des Drehs wie den letzten Dreck. Hitch, der alte Fiesling, beschloss das auszunutzen und erzähle Fontaine, dass alle im Team sie hassen würden. Er machte dies, damit sie besonders niedergeschlagen und verunsichert wurde und so besonders gut die Rolle der zweiten Mrs. de Winter spielen konnte. Fontaine berichtete später auch, dass Olivier eine unangenehme Angewohnheit hatte: Wenn er einen Take versaute, pflegte der zu fluchen. Fontaine sagte, dass sie dabei Worte hörte, die sie bislang nur an Klowänden gesehen hatte.

Die komplette Second Unit und Joan Fontaine mussten drei Tage im Krankenhaus verbringen, weil sie sich beim Filmen der Szene, in der die zweite Mrs de Winter nach Manderley anreist mit Giftefeu vergiftet hatten. Vor einer Szene, in der sie weinen sollte, bat Joan Fontaine Judith Anderson (Mrs. Danvers), sie zu orfeigen, damit ihr das Weinen leichter fiel. Anderson wollte das aber nicht, woraufhin Hitch zur Tat schritt und Fontaine eine scheuerte.

Die Dreharbeiten waren ursprünglich für eine Dauer von 36 Tagen angesetzt. Insgesamt dauerte der Dreh dann aber 63 Tage, unter anderem, weil Joan Fontaine die Grippe bekam und weil die Gewerkschaft der Bühnenarbeiter streikte. Nachdem Hitch dann die Dreharbeiten offiziell beendet hatte. Übernahm Selznick die Regie, und ließ einige Szenen noch einmal neu drehen, die ihm nicht gefielen, insbesondere das Finale mit dem brennenden Manderley.

Kameraarbeit & Special Effects in Rebecca

Hitch und sein Kameramann George Barnes verwendeten „deep focus photography“ in Rebecca: Dabei wird mit sehr kleiner Blende bei stark ausgeleuchteten Set gefilmt, um den Effekt zu erzielen, dass sowohl Sachen im Vordergrund als auch im Hintergrund scharf zu sehen sind. Ein Jahr später machte Citizen Kane die „deep focus photography“ sehr populär.

Dem Team gelang es nicht, ein Haus zu finden, das Selznick als Manderley gefiel. Daher entschlossen sie sich eine Miniatur zu bauen. In einem zweiten Studio wurde noch ein Modell von der Ruine von Manderley gebaut, nur für die Eröffnungsszene. Viele innenarchitekturelle Details von Manderley waren „Matte Paintings“: Dabei werden meist auf Glasscheiben Details des Bildes aufgemalt. Die Scheibe wird dann zwischen der Kameralinse und dem Set platziert. Matte Paintings wurden teilweise auch beim Feuer am Ende verwendet. Außerdem recycelte Selznick hier Bilder von Flammen, die er schon für die „Burning of Atlanta“-Szene in Gone With the Wind verwendet hatte.

Filmisches Erzählen in Rebecca

Die erste Szene

In der ersten Szene sehen wir eine Kamerafahrt durch die Gitter eines Tores, einen gewundenen Pfad hinauf bis zu den Ruinen des Anwesens Manderley. Begleitet wird die Kamerafahrt durch den Voice Over der namenlosen Protagonistin, die klarmacht, dass es sich um einen Traum handelt und dass sie nie wieder nach Manderley zurückkehren kann. Im Traum erscheint es ihr, als gingen in den Fenstern der Ruine die Lichter an. Direkt im Anschluss gibt es einen harten Schnitt auf Maxim, der auf einer Klippe steht und sich ins Meer stürzen will.

Interessant ist an dieser Eröffnung, dass der Voice Over aus ihr eine subjektive Kamera macht – ein kreativer Einsatz vom sonst oft langweiligen Stilmittel des Voice Overs. Dann ist die Eröffnung interessant, weil Hitch hier sein altes Motto anwendet, uns Informationen zu geben, um dadurch die Spannung zu erhöhen: Wir sehen das Manderley zerstört ist, wir erfahren, dass die zweite Mrs. de Winter nie wieder zurückkehren kann und dass mit dem Haus die „strange days of my life“ verbunden waren. Der dritte spannende Aspekt ist, dass durch die sich einschaltenden Lichter das Leitmotiv des Spuks gesetzt wird. Außerdem wird klargemacht, dass Manderley selbst ein Protagonist dieses Films ist. Es folgt der harte Schnitt auf den suizidalen Maxim, der klarmacht, dass auch Maxims Verhältnis zu Manderley problematisch ist.

Die Charaktere in Rebecca

Maxim

Maxim ist depressiv, er leidet unter Rebeccas Tod. Gleich in der ersten Begegnung mit der namenlosen Protagonistin zeigt sich ihre weitere Beziehung. Sie hält ihn vom Suizid ab und er beschimpft sie dafür. Im weiteren Verlauf wird er weiter autoritär in dieser Beziehung auftreten, sie hingegen unterwürfig.

Ein wichtiges Thema in Rebecca ist die Verarbeitung von Traumata. Maxims vermeintlicher Todschlag an Rebecca ist das größte Trauma des Films. Anscheinend ist für Traumata wesentlich, dass das traumatische Erlebnis immer wieder durchlebt wird. Dieses Wiederdurchleben zieht sich durch den Film und beginnt damit, dass Maxim die zweite Mrs. de Winter an dem Ort kennenlernt, an dem er mit Rebecca seine Flitterwochen verbrachte.

In diesem Zusammenhang ist auch eine freudianische Interpretation ganz interessant:

„Some scholars insist that „Rebecca“is one of the few Hollywood films to actively explore Freud’s Electra Complex. (The heroine, who is appropriately unnamed, finds love with the very paternal Maxim. As she steadily moves toward independence she faces harsh censure and possible destruction by an array of mother figures.)“

The Picture Show Man

These: Das wichtigste Thema für Hitchcock sind nicht die Thriller oder Kriminalfälle. Stattdessen mach Hitch immer Filme über die Beziehung zwischen Männern und Frauen. Und er zeigt in seinen Filmen stets ein sehr pessimistisches Bild, vertritt die Position, dass diese Beziehung zum Scheitern verurteilt ist.

Die Variante der problematischen Beziehung, die in Rebecca erzählt wird, ist die missbräuchliche Beziehung (abusive relationship). Maxim ist autoritär, unterdrückt die Namenlose. Durch ihre Namenlosigkeit wird diese Unterdrückung noch hervorgehoben (neben der Tatsache, dass sie immer im Schatten von Rebecca steht). Um über den Tod von Rebecca und seine Schuldgefühle hinwegzukommen, holt sich Maxim ein Mäuschen, das er glaubt, kontrollieren zu können. Daniel vertritt die These, dass Rebecca ein feministischer Film ist, da Hitch die starke patriarchale Rolle von Maxim in der Beziehung kritisiert. Paula gibt zu bedenken, dass die beiden starken Frauen im Film (Rebecca und Mrs. Danvers) die Villains sind.

Interessant ist, dass sich das Rollenverhältnis nach dem Twist wandelt. Dann ist Maxim schwach, aber die zweite Mrs. de Winter nutzt das nicht aus, sondern unterstützt ihn.

Mrs. Danvers

Mrs Danvers ist die Verbündete der toten Rebecca. Sie hasst die zweite Mrs. de Winter und will sie am Ende sogar in den Tod treiben, weil sie das Vermächtnis von Rebecca gefährdet sieht. Spannend ist vor allem eine Szene, die heute exemplarisch ist für „Queer Hollywood“: Die Darstellung von Homosexualität unter dem Hays Code. Anscheinend wurde Homosexualität auch schon im Roman zumindest angedeutet, zumindest sprach das Hays Office Selznick eine explizite Warnung aus:

„Joseph Breen, head of the Production Code, sent a strongly worded message to David O. Selznick explicitly forbidding any suggestion of  a relationship between Mrs. Danvers and Rebecca. Berenstein quotes directly from one of these letters in her article: “If any hint of this creeps into this scene, we will of course not be able to approve the picture.” Yet all of these things made it in to the final cut, regardless.“

Vivien Leigh & Laurence Olivier

Dennoch strich Hitch die Szene nicht komplett. Er inszenierte sie so: Die zweite Mrs. de Winter hat das alte Zimmer von Rebecca entdeckt und wird dabei von Mrs. Danvers überrascht. Die Haushälterin hält daraufhin einen Monolog, dass Rebecca viel cooler war und die namenlose Protagonistin nie in ihre Fußstapfen wird treten können. Im Rahmen dieses Monologs zeigt sie der zweiten Mrs. de Winter das Negligé von Rebecca und zeigt mit der durchscheinenden Hand, wie transparent es ist. Dies ist ein erotisches Symbol, das zumindest darauf hindeutet, das Mrs. Danvers in Rebecca verliebt war, möglicherweise hatten sie sogar eine Affäre. Für die Sehgewohnheiten unter dem Hays Code reichte diese kurze Szene aus, Homosexualität zu verdeutlichen und war zugleich das Äußerste, was Hitchcock wagen konnte, ohne zensiert zu werden.

Uns fiel auf, dass Mrs. Danvers optisch wie in der Inszenierung große Ähnlichkeit hat mit Severus Snape aus Harry Potter. Abgesehen von Haaren und Kleidung wird sie oft von unten angeleuchtet gezeigt. Außerdem hatte Judith Anderson die Regieanweisung bekommen, möglichst wenig zu blinzeln und (unterstützt durch ihr langes Kleid) sieht man sie kaum laufen. Sie taucht plötzlich auf und wenn sie sich bewegt, das schwebt sie fast.

Rebecca

Obwohl Rebecca nie zu sehen ist, ist sie eine eigene Protagonistin im Film. Rebecca wird immer als unbeschreiblich schön … äh … beschrieben. Damit ist sie der Kontrast der unscheinbaren zweiten Mrs. de Winter. Während die namenlose Protagonistin aschblondes, glattes Haar hat, erfahren wir, dass Rebecca schwarze Locken hatte.

In der Dialogszene, in der wir von Maxim erfahren, wie Rebecca starb, ist die tote fast anwesend. Dieses Paradox wird durch eine fantastische Kameraführung realisiert, indem die Kamera den unsichtbaren Bewegungen Rebeccas folgt und sie dadurch wieder zum Leben erweckt.

Eine weitere Repräsentation von Rebecca im Film ist ihr kleiner, schwarzer Cocker Spaniel Jasper. Der Hund ist im Haus immer an Orten anwesend, die der namenlosen Protagonistin explizit als mit Rebecca verbunden präsentiert werden. Er führt die zweite Mrs. de Winter sogar in die Hütte am Meer, in der Rebecca starb.

Die zweite Mrs. de Winter

„The reason Rebecca still grips lies in the fact that we can all see ourselves in Fontaine’s role: everyone plunged into a new and unfamiliar milieu has felt her uncertainty and fear that they are the wrong person, in the wrong place.“

The Guardian

Die namenlose Protagonistin freundet sich letztlich mit Jasper an, was auch gut ihren Charakterbogen symbolisiert: Sie lässt sich nicht abschütteln. Von der grauen Maus wächst sie nach und nach trotz aller Widrigkeiten in die Rolle der Hausherrin hinein.

Rebecca ist eine twisted Aschenputtelgeschichte. Die namenlose Protagonistin ist das Aschenputtel, das vom Prinzen aufs Schloss mitgenommen wird. Doch was folgt ist kein Märchen, das Schloss Manderley ist ein sehr abweisender Ort. Das Anwesen ist fast schon ein eigener Protagonist: Alles ist riesig, sodass die Protagonistin stets verloren wirkt. Die Türen sind viel zu groß, sodass die Türklinken auf Gesichtshöhe sind und der Kamin ist so riesig, dass er droht die zweite Mrs. de Winter zu verschlucken, als sie davor steht. In einer Szene sitzt die Namenlose allein an einem Tisch und isst, während die Kamera nach hinten den Tisch entlangfährt, sodass die Einsamkeit mit dem Holzhammer sichtbar wird.

Das Aschenputtel hat in diesem Film sogar eine Treppenszene. Die Namenlose kommt im Kostüm auf den Ball, doch statt wie im Märchen bewundert zu werden, sind alle entsetzt, weil sie sich genauso gekleidet hat, wie es Rebecca stets tat. Sie flüchtet dann vom Ball und verliert zwar nicht den Schuh aber ihren Hut.

Who wins the scene?

Hier das Video von Every Frame A Painting:

Youtube

Und hier die Szene, in Rebecca, in der Die Kamera wunderbar klarmacht, wer die Szene gewinnt:

Youtube

Die Szene beginnt mit einem Two-Shot von der Namenlosen und Maxim, die beiden sind eng beisammen, das Bild drückt Harmonie aus. Mrs. Van Hopper betritt die Szene und stellt sich buchstäblich zwischen das junge Glück. Jetzt kommt der erste Schnitt: Maxim dominiert die Szene, er ist der einzige, der uns anguckt. Außerdem überragt er die beiden Frauen. Die Namenlose ist verunsichert an den rechten, dunklen Bildrand gedrückt.

Im Moment, als Maxim die Verlobung mit der Namenlosen verkündet, zoomt die Kamera auf Mrs. Van Hopper. Im ersten Close-up der Szene sehen wir ihr Gesicht von Lächeln auf Empröung wechseln. Sie ist eindeutig im Hintertreffen. Kurzer One-Shot auf die Namenlose, die die Verlobung bestätigt. Dann folgt wieder ein Three-Shot, aber diesmal aus einem neutralen Winkel. Wir sehen Mrs. Van Hopper ihre Fassung wiedergewinnen. In dieser Phase dreht sie immer von Maxim zur Namenlosen und zurück. Als sie sich gefangen hat, hat sie sich komplett zu Maxim gedreht, der Namenlosen den Rücken zugewandt. Sie beginnt die Szene zu dominieren.

Als Mrs. Van Hopper versucht, die Hochzeitsplanung an sich zu reißen, zoomt die Kamera auf einen Two-Shot von ihr und der Namenlosen – Van Hopper hat ihr noch immer den Rücken zugewandt. Als der Two-Shut bis auf ein Close-up hineingezoomt hat, dreht sie sich und gibt ihrer Noch-Begleitdame den Befehl, ihr Gepäck wieder heraufbringen zu lassen. Die Namenlose will den Befehl folgen und geht um Mrs. Van Hopper herum zur Tür. Sie steht jetzt zwischen ihrer Chefin und Maxim.Die Kamera schwenkt und Van Hopper muss sogar noch einen Schritt machen, der (zugegeben etwas unelegant) nur dafür dafür da ist uns nun Maxim zu zeigen, der die Namenlose aufhält. Er und der Spielball dieses Machtkampfes stehen jetzt so, dass wir ihre Gesichter klar ausgeleuchtet sehen, währen Van Hopper dunkel an den Bildrand gedrängt nur von hinten zu sehen ist. Maxim hat die Kontrolle zurück. Wir sehen einen kurzen Reverse-Shot, als Van Hopper noch einmal zaghaft versucht, die Kontrolle wieder an sich reißen. Das Scheitert und wir sind zurück im Three-Shot, in dem Maxim und die Namenlose dominieren.

Dann geht Maxim ab, um das Gepäck zu holen. Die Namenlose gibt daraufhin freiwillig ihre überlegene Position auf und geht nach Links aus dem Frame. Von Van Hopper im Profil kritisch beäugt. Im Moment, da Van Hopper allein im Frame ist, äußert sie den Vorwurf, dass die Namenlose sie betrogen hat.

Schnitt auf die erste Totale: Van Hopper stehen an den Rändern des Bilds, die Namenlose hat Van Hopper den Rücken zugedreht, während sie sich die Vorwürfe anhören muss. Van Hopper geht auf sie zu, die Kamera zoomt bis zu einer amerikanischen Einstellung von den Beiden. Die Namenlose zeigt Van Hopper noch immer den Rücken. Van Hopper zündet sich eine Zigarette an, sie dominiert die Szene nun total. Was durch einen One-Shot von ihr unterstrichen wird. Kurzer Reverse-Shot, als die Namenlose zaghaft beginnt, sich zu verteidigen. Dann ein Two-Shot, in dem sich die Namenlose umgedreht hat und beide nun kurze Zeit gleichwertig sind.

Doch während Van Hopper ihr prophezeit, welch schweres Schicksal sie auf Manderley haben wird, geht Van Hopper von der Namenlosen weg, die Kamera folgt in einem Schwenk bis Van Hopper vor eine Spiegel steht und jetzt buchstäblich einen Two-Shot mit sich selbst hat. Sie dominiert total. Kurzer Reactionshot, dann dreht sich Van Hopper um und blickt macht im Close-Up die Namenlose weiter fertig. Doch jetzt hat sie den Bogen überspannt, die Namenlose verweist sie des Zimmers und die Kamera folgt ihr dabei in einem Schwenk, während sie im Angriff auf Van Hopper zugeht. Van Hopper verlässt das Zimmer, die Kamera folgt in einem weiteren Schwenk, an dessen Ende sie in der Tür steht. Van Hopper ist nun klein im Hintergrund während die Namenlose von hinten gesehen den Vordergrund des Bildes dominiert. Sie hat gewonnen.

Doch als Van Hopper geht, gibt sie der Namenlosen den einzigen Namen, den sie je haben wird: Mrs. de Winter. Die Kamera zoomt heraus bis zur Totalen, in der wir Mrs. de Winter halbabgewandt, alleine und klein im großen Zimmer stehen sehen. Im letzten Frame hat sie die Szene doch noch verloren.

Das ist sehr, sehr geile Kameraarbeit!

Hitchcocks Cameo

Man sieht ihn in der 123. Minute des Films hinter einer Telefonzelle entlanggehen, kurz nachdem Jack Favell darin ein Telefongespräch mit Mrs. Danvers geführt hat.

Wikipedia

Das Cameo ist so unscheinbar, dass wir es nicht erkannt hätten, wenn wir es nicht vorher gelesen häten.

Die Rezeption von Rebecca

„First, it is the finest job of direction accomplished by a master director and may justly be called Alfred Hitchcock’s masterpiece.“

Zeitgenössische Kritik von The Daily News

Kehren wir zurück zur Oscarverleihung. Ihr alle kennt die Geschichte: Hitch sollte weder diesen noch irgendeinen anderen Oscar gewinnen. Und Selznick? Der gewann! Rebecca erhielt neben dem Oscar für die beste Kamera auch den für den besten Film. Selznick war der erste Produzent, dem es gelang , den wichtigsten Oscar zweimal in Folge zu gewinnen (Gone with the wind, Rebecca). Rebecca war übrigens der einzige Film, der bislang den Oscar für den besten Film gewinnen konnte, ohne den für die beste Regie oder das beste Drehbuch zu bekommen.

Im Interview mit Truffaut urteilte Hitch dann auch: Rebecca ist kein Hitchcock-Film, da er zu humorlos sei, ein Frauenfilm sei und Selznick Hitchs Drehbuch abgelehnt habe. Allerdings gestand er ein, dass der Film gut gealtert sei, obwohl er nicht genau weiß warum. DAs Interview wurde 1962 geführt (Quelle: Truffaut*).

Selznick hatte übrigens Rebecca am Tag, als die Oscarnominierungen bekanntgegeben wurden, noch einmal in LA in die Kinos gebracht. Als zusätzliche Werbemaßnahme brachte er sogar den Gouverneur dazu den Hollywood Boulevard für einen Tag in „Rebecca Boulevard“ umzubenennen. Rebecca war ein großer Erfolg und spielte insgesamt 6 Millionen Dollar ein (1,3 Mio Budget, mehr als das Vierfache). Die Nazis benutzten den Roman Rebecca als Grundlage für einen Code während des zweiten Weltkriegs.

Wie so oft, hatte auch Rebecca ein juristisches Nachspiel: 1944 verklagte Edwina Levin MacDonald David O. Selznick, Daphne Du Maurier und die Produktionsfirmen. Ihrer Meinung nach, war Rebecca ein Plagiat ihres Roman „Blind Windows“. 1948 urteilte der New Yorker District Court, dass es zwar genug Parallelen gibt, die belegen, dass Du Maurier „Blind Windows“ kannte und sich daran orientiert hat, dass aber keine Urheberrechtsverletzung vorliege, weil sie etwas eigenes damit geschaffen habe. Die Klägerin erlebte das Urteil nicht mehr, sie war inzwischen verstorben.

Wie wir schon im Teaser in Folge 69 verraten haben, war Rebecca in Spanien so erfolgreich, dass dort die Art von Jacken, die ironischerweise ausgerechnet Joan Fontaine im Film trug noch heute „Rebeccas“ genannt werden.

Preise und Bestenlisten

  • Rebecca war der Auftaktfilm bei der ersten Berlinale
  • Rebecca gewann den Oscar für den besten Film in einem außergewöhnlich starken Jahr. Die anderen Nominierten waren: The Grapes of Wrath, The Philadelphia Story, The Great Dictator und Foreign Correspondent.
  • Rebecca steht in der IMDB-Bestenliste derzeit auf Platz 156 (Juli 2016).
  • Auf Rotten Tomatoes ist er mit den seltenen 100% bewertet.
  • Der Film ist gelistet in den“1001 Movies You Must See Before You Die“ von Steven Schneider.
  • Außerdem ist er in zwei AFI-Listen zu finden: In „100 Years…100 Thrills“  steht er auf Platz 80 und in „100 Years…100 Heroes and Villains“ steht Mrs. Danvers auf Platz 31.
  • Und die American Society of Cinematographers wählte Rebecca auf Platz 18 der besten Filme von 1894 bis 1949.

Zitate & Referenzen

  • Es gab verschiedene Neuverfilmungen und Radioadaptionen von Rebecca. Teilweise wurden dabei die Originaldialoge wiederverwendet.
  • Citizen Kane referenziert sowohl den Anfang als auch das Ende von Rebecca
  • Außerdem hat Hitch einen Stuhl sowohl in  Suspicion (1941) als auch in Dial M for Murder (1954) wiederverwendet

Lesenswert

The End.

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