SF87 – Alien (Das große Halloween-Special)

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Paula
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Daniel
Nostro Homo


You still don’t understand what you are dealing with

Mit unwahrscheinlicher Biologie voller Innereien verabschiedet sich der Spätfilm sowohl vom Horrormonat als auch von den Rettern von New York. Vergleiche mit Kafka sind durchaus angebracht, wenn Daniel peinliche Geschichten erzählt und Paula keine ironische Distanz zwischen sich und die phallische Symbolik jenseits der Wohlfühlzone bringt. Auf unserer Jagd nach dem Final Girl entdeckten wir Chestburster mit guten Manieren und Facehugger als Eye Candy. Während wir mit Computeresotherik Fox noch mehr Geld aus den Ärmeln leiherten, fragten wir uns: Was macht eigentlich Ash in dem Film?

Vorgeplänkel

Daniel blickt auf den Horrorctober zurück und bedankt sich für die rege Beteilligung bei allen! ♦ Wir sprechen darüber, was uns gruselt ♦ Hallo Janine landete auf Platz 54 unserer Charts ♦  6 von 36 Fragen, durch die man sich verliebt … ♦ Wie verabschieden uns von den Rettern von New York

Die Eckdaten von Alien

Erscheinungsjahr: 1979
Regie: Ridley Scott
– Filmographie:
1977 The Duellists
1979 Alien
1982 Blade Runner
1985 Legend
1991 Thelma & Louise
1992 1492: Conquest of Paradise
2000 Gladiator
2001 Hannibal
2001 Black Hawk Down
2005 Kingdom of Heaven
2007 American Gangster
2012 Prometheus
2014 Exodus: Gods and Kings
2015 The Martian
angekündigt für 2017 Alien: Covenant
DrehbuchDan O’Bannon
Creature-Design: HR Giger
Set-Design: Ron Cobb
Budget: 11 Mio
Besetzung: Sigourney Weaver (Ripley), Tom Skerritt (Captain Arthur Dallas Coblenz), Ian Holm (Ash), Harry Dean Stanton (Samuel Elias Brett), John Hurt (Gilbert Ward Kane), Veronica Cartwright (Joan Marie Lambert)
Genre: Science-Fiction, Horror, Slasher, Bodyhorror, Locked-Door-Horror

Die Produktion von Alien

Drehbuch und Casting von Alien

Als Filmstudent hatte Dan O’Bannon zusammen mit John Carpenter seinen ersten Film „Dark Star“ (1974) gemacht. Der Film war ebenfalls ein Alien-Horror-Film, bei dem das Alien aus einem Beachball bestand, der mit Farbe angesprüht worden war. Beim Dreh von „Dark Star“ entstand in O’Bannon der Wunsch, das ganze noch einmal zu wiederholen, aber mit einem Alien, das realistisch aussieht.

O’Bannon pitchte sein Drehbuch unter dem Arbeitstitel „Star Beast“ an 20th Century Fox. Fox war grundsätzlich interessiert, scheute aber zugleich das finanzielle Risiko. Das Studio forderte etliche Rewrites des Drehbuchs, war aber nie zufrieden. Dann kam Star Wars heraus und wurde zum erfolgreichsten Film aller Zeiten. Fox wollte unbedingt auf den Trend mitaufspringen und das einzige Science-Fiction-Drehbuch, dass auf ihren Tischen lag, war Alien.

Ridley Scott war damals noch weitgehend unbekannt, der hatte einige Werbespots in England gedreht sowie sein Debüt „The Duellists“ 1977 – ein Drama zur Zeit der napoleonischen Kriege. Damit hatte er allerdings gezeigt, dass er ein sehr visueller Regisseur war, was Fox überzeugte, ihn für Alien zu engagieren.

Es wird oft gesagt, dass Ripley im Drehbuch ein Mann war und erst Scott entschied, daraus eine Protagonistin zu machen. Das ist nicht ganz korrekt. Im Drehbuch waren alle Charaktere nur sehr wenig charakterisiert und mit dem Hinweis „Unisex“ versehen, sodass beim Casting überhaupt erst die Entscheidung viel, wer welches Geschlecht haben soll. Eine andere Entscheidung, die dort getroffen wurde, war, einen ungewöhnlich alten Cast zu engagieren. Sigourney Weaver und Veronica Cartwright waren mit 30und 29die Jüngsten im Team. Alle anderen waren zwischen Ende 30 und Mitte 50. Scott wollte damit das Bild von „Truckers in space“ vermitteln – eine Arbeitercrew, die schon einiges mitgemacht hat.

Nachdem John Hurt wegen Terminüberschneidung absagen musste, sollte Jon Finch Kane spielen. Nachdem die Dreharbeiten dann gerade begonnen hatten, erkrankte Finch an Diabetes und musste den Dreh abbrechen. Doch durch Zufall befand sich John Hurt in England und konnte die Rolle doch übernehmen. Hurt wollte eigentlich gerade in Südafrika drehen, ihm war aber die Einreise verweigert worden, weil er von den Behörden mit John Heard verwechselt worden war, der widerum wegen verurteilender Äußerungen über die Apartheid zur Persona non grata erklärt worden war.

Die Nostromo

Mehr als 200 Bühnenarbeiter und Technikerinnen waren am Bau aller Sets beteiligt. Die Modelle der Nostromo wurden aus Holz und Plastik gebaut. Die Oberfläche wurde mit Teilen aus Modellbausätzen gestaltet. Insbesondere wurden Teile von Kriegsschiffen, Panzern und Kriegsflugzeugen verwendet. Es gab für die verschiedenen Kameraeinstellungen insgesamt drei Modelle der Nostromo in den Größen von 30 cm, 1,2 m und 3,7 m.

Die Nostromo war ursprünglich gelb und die Crew filmte schon sechs Wochen lang mit dem Model, als Scott die Entscheidung traf, dass Gelb nicht passt und die Anweisung gab, das Schiff grau anzusprühen und mit den Dreharbeiten noch einmal von vorne anzufangen. Außerdem verlangte Scott immer mehr Details an dem Modell, bis es irgendwann so schwer war, dass es an einem Metallgerüst aufgehängt werden musste und nur noch von einem Gabelstapler bewegt werden konnte. Um das Schiff älter und gebrauchter wirken zu lassen, bearbeitete Scott das Modell mit Hammer und Meißel und schlug kurzerhand Elemente ab, für deren Gestaltung die Crew mehrere Wochen gebraucht hatte.

Es gab noch ein weiteres 12 m langes Modell der Unterseite der Nostromo, um die Startsequenz der Narcissus und die Beerdigung zu filmen. Der Leichnahm war aus Holz und wurde mit einem kleinen Katapult aus dem Modell geschleudert. Die Filmaufnahme wurde dann langsamer abgespielt. Es wurden fast überhaupt kein Bluescreen verwendet, sondern die Modelle einfach vor schwarzem Hintergrund gefilmt und die Sterne dann anschließend mittels Doppelbelichtung hinzugefügt. Für die Einstellungen, in denen man die Crew durch die Fenster der Nostromo sieht, wurden auch Modelle der entsprechenden Schiffsteile gebaut, deren Fenster aus Leinwänden bestanden, auf denen die Crew mittels Rückprojektion gezeigt wurde

Viele Teile des Innenlebens der Nostromo bestanden aus Metallschrott, insbesondere von Flugzeugswracks, das hatte den doppelten Effekt, dass die Crew Geld sparte und dass das Schiff abgenutzt und alt aussah. Das Team legte außerdem Wert darauf, dass Details wie bewegliche Stühle, Monitore oder der Flammenwerfer wirklich funktionieren, damit alles realistischer wirkt. Die Plasma-Antriebe des Schiffs waren laufende Duschköpfe, die seitlich von starken Scheinwerfern angestrahlt wurden.

Im Film sieht man drei verschieden Decks, der Nostromo. Jedes Deck wurde in einem eigenen Studio weitestgehend als ein zusammenhängendes Stück gebaut. Die Bildschirme hatten schon für das Jahr 1979 eine sehr geringe Auflösung. Sie wurden extra genommen, um den Eindruck hervorzurufen, dass das Rafinerieschiff schon alt und lange im Einsatz ist.

Der Planetoid

Art Director Les Dilley baute den Planetoiden und das gestrandete Schiff nach Gigers Design im Maßstab 1 zu 24 aus Holz und Fiberglas. Dann musste aber noch ein Set des Planetoiden gebaut werden, durch das die Protagonisten laufen konnten. Dafür wurden mehrere Tonnen Sand, Gips, Gestein, Fiberglas und Kies ins Studio gekarrt. Die Raumannzüge waren sehr schwer und dick, außerdem hatten sie anfangs kein Lüftungssystem, sodass nach längerer Drehzeit der CO2-Gehalt in den Anzügen bedenklich hoch war und die Schauspieler in den Drehpausen Sauerstoffmasken bekamen.

Später baute das Team zwar noch eine Lüftung ein, doch dann gab es ein Leck des Systems, das im Film die Ausatmeneffekte erzeugte, sodass dieses Aerosol in die Anzüge eintrat und sowohl John Hurt als auch Veronica Cartwright einmal umkippten.

Das Alien-Schiff war ebenfalls ein Modell. Die Planetoiden-Oberfläche drumherum sowie das Innere waren hingegen Matte-Paintings. Der Planetoid vom All aus wurde erzeugt, indem die Crew einen Globus weiß malte. Dann wurden Farben und Chemikalien auf ein Dia aufgetragen, auf dem sie dann ineinander verliefen. Das Dia wurde dann auf den Globus projeziert.

Für die Landesequenz wurde ein 18 m langes Landebein konstruiert, um die Größe des Schiffes richtig einzufangen. Scott war das aber noch immer zu klein. Daher wird die Szene, in der die Crew das Schiff auf dem Planetoiden verlässt, von seinen Kindern und den Kindern des Kameramanns gespielt, damit das Schiff noch größer aussieht. Die Kinder kamen dann noch einmal zum Einsatz, als die Crew den toten Space Jockey (also das versteinerte Alien, das der letzte Alienwirt war) entdecken.

Fox wollte zunächst nicht das Set für die Space-Jockey-Szene finanzieren. Es war dem Studio viel zu teuer, da es nur einmal zu sehen sein sollte. Aber das Produktionsteam überzeugte das Studio, dass die Szene wichtig sei, um dem Publikum zu zeigen, dass Alien kein billiger B-Movie ist. Fox bestand aber darauf, dass nur eine Rückwand gebaut werden durfte, um Geld zu sparen. Damit der Space Jockey dennoch aus verschiedenen Perspektiven gefilmt werden konnte, befand er sich auf einer Drehscheibe. H. R. Giger bemalte das gesamte Modell eigenhändig.

Die Lichteffekte in der Eierkammer wurden mit einem Showlaser gemacht, den sich das Team von The Who ausgeliehen hatte. The Who hatten ein Studio nebenan gemietet, um den Laser auszuprobieren, den sie bei ihrer nächsten Tournee einsetzen wollten.

Der Facehugger

Das Alien-Ei war aus Fiberglas, im Inneren befanden sich Kuhinnereien. Unter dem Ei hockte Ridley Scott persönlich, hatte eine Hand (in einem Gummihandschuh) von unten in das Ei gesteckt und sorgte für die Bewegung. Der aus dem Ei springende Facehugger wiederum bestand in der Szene aus Schafsdarm, der mit einer Luftdruckpumpe weggeschleudert wurde. Bei den Innereien des Facehuggers bei seiner Autopsie  handelt es sich um Fisch- und Schalentierteile.

Die Chestburster-Szene

Drehbuchautor Dan O’Bannon litt an Morbus Crohn. Ein Symptom der Krankheit sind krampfartige Bauchschmerzen. Diese Erfahrung ließ ihn auf die Idee für die berühmte Chest-Burster-Szene kommen. In der Chestburster-Szene wussten die Schauspieler zwar, was passiert, ihnen war aber nicht erzählt worden, dass sie alle mit Kunstblut bespritzt wurden. Entsprechend sind ihre Aufschreie echter und nicht gespielter Schreck. Für die Szene hatten sie nur einen Take, John Hurt steckte den Kopf durch die Tischplatte, während ein Puppenkörper auf dem Tisch lag, der mit Kunstblut und künstlichen Innereien gefüllt war. Der Spritzeffekt kam aus zusätzlichen Schläuchen in der Puppe.  Der Chestburster steckte auf einem Stab, der von einem Puppenspieler unter dem Tisch gehalten wurde. Für den Shot, in dem der Chestburster wegläuft, wurde eine Lücke in den Tisch gesägt, durch die Stab geführt werden konnte.

Ash

Für die Szene, in der Ashs abgeschlagener Kopf wieder zum Laufen gebracht wird, wurde zunächst ein Animatronic-Kopf gebaut. Doch der Effekt sah Ridley Scott nicht gut genug aus. Daher musste auch Ian Holm seinen Kopf durch eine Tischplatte stecken. Die Innereien des Androiden bestanden aus Milch, Kaviar, Nudeln, Fiberglas und Murmeln.

Das Alien & Jones

Als O’Bannon das Gemälde Necronom IV von H. R. Giger kennenlernte, wusste er sofort, dass dies die Art und Weise war, wie sein Alien aussehen sollte. Auch Scott war sofort überzeugt. Hingegen war Fox der Meinung, dass Gigers Kunst zu gespenstig sei und das Publikum abstoßen würde. Aber die Crew blieb in diesem Punkt hart und setzte sich bekanntlich durch. Der 2,08 Meter großen Kunststudent Bolaji Badejo spielte das Alien. Die Crew hatte ihn in einer Bar angesprochen, ob er daran Interesse habe und er sagte zu.

Das Alienkostüm wurde unter anderem gefertigt aus Knete, Schlangenskeleten, Kühlschläuchen eines Rolls-Royce und Teile eines menschlichen Schädels. Schaniere und Kabelzüge sorgten dafür, dass sich das Maul bewegen kann. Der Kopf besaß insgesamt ca. 900 bewegliche Teile. Der Speichel und die schleimige Haut wurden mit Gleitgel erzeugt.

Das Fauchen der Katze Jones wurde provoziert, indem Scott der Katze einen Schäferhund vorsetzte. Jones wurde insgesamt von vier verschiedene Katzen gespielt. Während des Drehs fand Weaver heraus, dass sie sowohl gegen Katzen als auch gegen das Glycerin, das als künstlicher Schweiß verwendet wurde, allergisch war. Nachdem das Team ihr das Glycerin ersparte, konnte sie mit den Katzen weiterarbeiten.

Das Ende von Alien

Ursprünglich sollte das Alien mit der Zerstörung der Nostromo enden. Ridley Scott setzte dann bei Fox durch, dass die Produktion zusätzliches Budget für einen vierten Akt bekam. In Scotts Vorstellung sollte das Alien am Ende auch Ripley töten. Hier legte das Studio aber ein Veto ein. Es verlangte, dass das Alien stirbt. Weaver improvisierte in der Schlussszene und sang “You Are My Lucky Star”. Dafür bekam Scott Riesenärger vom Studio, weil die Rechte für das Lied so teuer waren.

Filmisches Erzählen in Alien

Erzählen durch Design

Ein sehr schöner Aspekt ist, dass der Film viel durch sein Design erzählt. So muss er Hintergrundstories nicht von seinen Protagonisten aussprechen lassen. Wir sehen zum Beispiel, dass das Schiff alt und abgenutzt ist und dass es ein Arbeiterschiff ist. Ein anderer Aspekt, der hier hineinspielt ist der Gegensatz, dass alles, was mit dem Alien zu tun hat, organisch ist, während alles menschliche technologisch ist. Das Alien benutzt keine Waffen und trägt keine Kleider. Es tötet allein durch seine überlegene Physis.

Das Alien

Paula kritisiert, dass die Biologie des Aliens sehr unwahrscheinlich ist. Darwinistisch betrachtet ist sein Lebenszyklus so ineffizient, dass es eigentlich nur wenig Überlebenschancen haben dürfte. Der Facehugger ist ein Zwischenschritt, der das Gelingen der Fortpflanzung viel zu riskant macht. Daniel hält dagegen, dass die Biologie des Aliens awsome ist! Dass sie aber auch ein „Remix“ einer Schmetterlingsentwicklung ist mit Ei, Raupe, Puppe und Schmetterling.

Kapitalismuskritik

Schön an Alien ist weiter, dass eine unterschwellige Kapitalismuskritik in dem Film steckt. Das beginnt schon damit, dass das Raffinerie-Schiff Norstromo aussieht wie eine gothische Kathedrale:

Die Nostromo aus Alien von Ridley Scott.

Die Nostromo aus Alien von Ridley Scott.

Ohne dass das Thema groß verhandelt wird, wird es aufgegriffen, indem beispielsweise Brett und Parker immer wieder betonen, dass es ihnen nur ums Geld geht. Außerdem hat Ash eine doppelte Agenda: Im Auftrag der Company (das Schiff ist Eigentum eines Privatunternehmens) soll er das Alien zur Erde bringen – die Crew ist ersetzbar.

Phallussymbolik jenseits der Wohlfühlzone

Warum hat das Alien so einen großen Kopf? Das macht biologisch und erzählerisch eigentlich keinen Sinn. Der Grund ist ganz einfach: Mit dem Alien verbunden sind ganz viele Phallussymbole. Neben dem penisartigen Schädel gibt es das kleine Maul, das aus dem großen Maul herausschießt. Das Babyalien sieht aus wie ein Penis mit Zähnen.  Der Facehugger ist ein Symbol für eine Vergewaltigung und die Chestbursterszene ist eine daraus resultierende perverse Variante einer Geburt.

Das besondere daran ist, dass Alien einerseits in der Tradition des Slasher-Films steht, aber andererseits mit einem aggressiv-männlichen Monster gezielt das männliche Publikum angreift.  Im traditionellen Slasher macht der Killer Jagd auf Frauen, bis er zum Final Girl gelangt. Männer können sich bei dieser Art Film behaglich gruseln, denn sie werden von der Erzählung nicht direkt angegriffen. Ripley ist entsprechend auch eine Badass-Variante des Final Girls.

Die starke Protagonistin

Alien ist berühmt dafür, dass Ripley lange Zeit die einzige echte Action-Heldin Hollywoods war. Anfang der 200er stieß Beatrix Kiddoh hinzu und in den 2010er-Jahren beginnt mit Katniss Everdeen, Imperator Fuiosa und Rey diese männliche Bastion endgültig zu bröckeln.

Hinzu kommt, dass die Inszenierung, in der sich Ripley zur starken Heldin mausert sehr clever ist. Der Film beginnt mit einem Multi-Cast, aus dem sich erst einmal ein Protagonist hervortun muss. Dies ist als erstes Captain Dallas: männlich, weiß, gut aussehend – ein klassischer Held. Doch im Laufe des Films stellt sich heraus, dass er eine Fehlentscheidung nach der anderen trifft, bis er stirbt. Parallel zu seinem Scheitern tut sich Ripley hervor. Den ganzen Film über muss sie um ihre Autorität kämpfen: Am Anfang wird sie von Brett und Parker auf dem Maschinendeck verarscht. Dann erkennt sie, dass das Signal kein Hilferuf sondern eine Warnung ist – ohne Konsequenzen. Sie will verhindern, dass der Facehugger an Bord gelangt, doch Ash ignoriert sie. Selbst als am Ende nur noch sie, Parker und Lambert leben, muss sie darum kämpfen, dass ihr Plan durchgeführt wird. Hier wird sie aber erstmals laut und verschafft sich so endgültig Autorität. Am Ende stellt sich Ripley dann als dominanter Charakter heraus, die als einzige dem Alien etwas entgegenzusetzen hat.

Spannend ist in diesem Zusammenhang die Szene, in der Ripley von Ash angegriffen wird. Auch hier haben wir wieder das Symbol einer oralen Vegewaltigung als Ash Ripley mit dem Pornomagazin ersticken will. Symbolträchtiger könnte das Bild dabei nicht sein: Gerade als Ripley sich in eine dominante Rolle gespielt hat, versucht Ash sie mit einem Porno-Magazin wieder zu unterdrücken, sie quasi an ihren angestammten Platz zurückzudrängen.

Ash

Paula merkt an, dass Ash eigentümlich aus dem Film herausfällt. Ashs Story-Arc war eine der Drehbuchänderungen, die Fox von O’Bannon verlangt hatte. O’Bannon fand dies bis zu seinem Tod eine schlechte Idee. Im Audiokommentar sagte er, dass die Story gut inszeniert und gespielt ist, aber im Grunde nur eine sehr konventionelle Kalter-Kriegs-Veräter-Geschichte, die ihm für seinen Film zu banal war.

Andererseits war der Android auch wirkungsträchtig und in jeder der Fortsetzungen kommt einer vor mit einer eigenen Story, die bewusst immer auf Ash Bezug nimmt. Die Namen der Androiden im Alien folgen übrigens em Alphabet: Ash, Bishop, Bishop II, Call und David.

Mother

Im Schiff Nostromo (kurz für Nostro Homo) und im Computer Mother steckt wieder das Männer-Frauen-Schema, das sich durch den ganzen Film zieht. Mother ist nur vom ranghöchsten Offizier bedienbar. Es ist ein geradezu spiritueller Ort, wie ein Beichtstuhl, eine Kapelle, ein Schrein oder auch das Orakel bei Matrix. Doch neben der sakralen Aktion der Computerbedienung steck in Mother auch eine für die Zeit hochmoderne Computervision, die wir aus unserer Perspektive nur nicht mehr so leicht erkennen können. 1979 war die Vorstellung, einem Computer Fragen zu stellen und er antwortet darauf sicherlich High Concept Sience Fiction.

Ripleys Schlüpfer

Die letzte Szene hat unter Filmkritikern seit jeher zu wilden Diskussionen geführt: Warum baut Ridley Scott Ripley als starke Frau auf, die explizit kein Sexsymbol ist, sondern (wie in der erwähnten Szene mit Ash) sich gegen dieses Image wehrt, um sie dann am Ende des Films auszuziehen?

Es gibt zwei widerstreitende Theorien: Entweder wollte der Regisseur bloß für Eye Candy sorgen, um seinem Publikum vor Augen zu führen, dass unter dem unförmigen Overall doch noch eine Frau steckt. Oder er hat den Male Gaze bewusst in seinen Film gepackt. Wir sehen Ripley sich ausziehen und erfahren später, dass dies ist, was das Alien sieht, das sich an Bord des Narcissus versteckt hat. Der männliche Agressor beobachtet hier sein vermeintlich nächstes Opfer, wie es sich am verletzlichsten zeigt. Doch als Ripley ihn bemerkt, steigt sie in einen Raumaunzug, um das Alien zu bekämpfen – sie legt sofort wieder eine harte Schale an.

Die Rezeption von Alien

Bei einer Testaufführung kippte ein Platzanweiser in der Szene um, in der Ashs abgetrennter Kopf wieder zum Laufen gebracht wurde. Editor Terry Rawlings sagte später, die Test-Screenings von Alien seien die beeindruckendsten gewesen, bei denen er je anwesend war. Menschen schrien und rannten aus dem Kino.

Obwohl  der Film keine offizielle Premiere hatte, standen die Kinobesucher in Schlangen um den Block, als der Film im Grauman’s Egyptian Theatre in Hollywood uraufgeführt wurde. Vor dem Kino standen verschiedene Modelle aus dem Film, um ihn zu promoten. Radikale Christen setzten dann das Modell des Space Jockeys in Brand, weil sie es für das Werk des Teufels hielten

Während der Film heute Klassikerstatus hat und als einer der besten sowohl im Science-Fiction- als auch im Horror-Genre gilt, hatte er 1979 nur durchwachsene Kritiken. Er wurde  hauptsächlich als bloßes Effektkino ohne anspruchsvollen Inhalt angesehen.

Allerdings war er ein Riesenerfolg. Wie groß lässt sich nicht so gut sagen, da Fox versuchte, zu Gunsten der Steuerlast, den Gewinn kleinzurechnen. Es wird spekuliert, dass er weltweit zwischen 104 und 203 Millionen Dollar einspielte.

2003 erschien im Rahmen der „Alien Quadrilogy DVD Box“ ein „Director’s Cut, von dem aber Ridley Scott selbst sagt, dass dies ein bloßer Marketinggag sei. Der Originalcut entspricht durchaus seiner filmischen Vision. Fox hatte ihn gebeten, die herausgeschnittenen Szenen für einen „Extended Cut“ wieder einzufügen. Aber Scott stellte fest, dass der Film damit jedwedes Pacing verlor. Daher schnitt er andere Sznen wieder heraus, sodass der sogenannte Director’s Cut jetzt sogar eine Minute kürzer ist als die Kinoversion.

Der Film bekam drei Fortsetzungen jeweils von einem Regisseur mit einer eigenen Handschrift: James Cameron, David Fincher (der sich aber von dem Film distanzierte) und Jean-Pierre Jeunet. Teil 5 ist in Planung und soll von Neill Blomkamp gemacht werden. Es gab 2 Alien versus Predator Spin-Offs, die aber weitestgehend vergessenswürdig sind. Außerdem drehte Scott selbst 2012 das Prequel Prometheus und eine Fortsetzung des Prequels mit dem Titel Alien: Covenant ist für 2017 angekündigt

Gerichtsprozesse zu Alien und Plagiate

Es gab zwei Prozesse wegen vermeintlicher Urheberrechtsverletzungen. Dan O’Bannon sagte dazu immer, er habe nicht bei irgendjemandem geklaut, er habe bei allen geklaut. Der Autor A. E. van Vogt klagte, dass eine Episode aus seinem Buch Die Expedition der Space Beagle die offensichtliche Vorlage zu Alien geliefert habe. Fox einigte sich außergerichtlich mit einem Vergleich mit dem Autor.

Außerdem klagte der Drehbuchautor Jack Hammer, dass Alien ein Plagiat seines Drehbuchs „Black Space“ sei. Aber O’Bannon konnte vor Gericht beweisen, dass er Alien vor „Black Space“ geschrieben hatte.

Der Film löste aber seinerseits auch eine Welle von Imitationen aus. Der Sci-Fi-Film The Alien Dead (1980) bekam z. B. auf den letzten Drücker diesen Titel verpasst, um auf der Welle des Erfolgs von Alien zu reiten. Ein anderes Beispiel ist Contamination (1980), der ursprünglich den Titel „Alien 2“ trug, bist die Anwälte von 20th Century Fox den Writer/Director Luigi Cozzi davon überzeugten, dass das eine schlechte Idee sei. 1980 kam dann auch noch die unautorisierte Fortsetzung  Alien Terror heraus. Später wurde sogar ihr Titel geändert in Alien 2 – Sulla Terra.

Preise & Bestenlisten

Alien wurde mit einer ganzen Reihe von Preisen ausgezeichnet. Die wichtigsten waren:

  • Der Film erhielt den Oscar für die besten visuellen Effekte
  •  Er erhielt Saturn Awards für den beste Science-Fiction-Film, die beste Regie und Cartwright bekam einen Award für die beste Nebendarstellerin
  • Alien erhielt außerdem einen Hugo Award für „Best Dramatic Presentation“

2002 wurde der Film als „culturally, historically or aesthetically significant“ zur Aufbewarung in das National Film Registry der United States Library of Congress aufgenommen. Außerdem ist Alien auf folgenden Bestenlisten vertreten:

Lesenswert, Sehenswert & Hörenswert

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2 Gedanken zu „SF87 – Alien (Das große Halloween-Special)

  1. Dave vom Mateschrank

    Daniel, du meintest, dass du ‚Kingdom of Heaven‘ mal gesehen hast, dich aber kaum dran erinnern kannst. Mir ging es bis vor kurzem genauso. Doch dann haben eure britischen Kollegen vom Podcast ‚Best Forgotten Movies‘ den besprochen und dann habe ich mir auch nochmal den Director’s Cut angeschaut.

    http://bestforgottenmovies.podbean.com/e/38-kingdom-of-heaven-both-cuts/

    Die beiden Podcaster meinen, dass der Unterschied zwischen dem Kino-Cut und dem Director’s Cut der größte ist, den sie jemals bei einem Film gesehen haben. Einer von beiden meint sogar, dass der Director’s Cut ein vergessenes Meisterwerk ist.

    Deswegen würde ich dir empfehlen, dir den Film nochmal anzuschauen und dann den Podcast dazu anzuhören. Ist wirklich interessant…

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